Verfahrensgang
LAG Hamm (Urteil vom 02.02.2000; Aktenzeichen 3 Sa 1463/99) |
Tenor
Die Beschwerde des Klägers gegen die Nichtzulassung der Revision im Urteil des Landesarbeitsgerichts Hamm vom 2. Februar 2000 – 3 Sa 1463/99 – wird auf Kosten des Klägers zurückgewiesen.
Streitwert unverändert.
Gründe
Der Kläger hat sich mit der Klage gegen eine fristlose Kündigung der Beklagten vom 21. Januar 1998 und eine weitere fristlose Kündigung vom 30. April 1998 gewendet und seine Weiterbeschäftigung verlangt. Das Landesarbeitsgericht hat die Klage abgewiesen und die Revision nicht zugelassen. Mit der Nichtzulassungsbeschwerde begehrt der Kläger die Zulassung der Revision gegen das Urteil des Landesarbeitsgerichts wegen Divergenz. Die Beklagte beantragt Zurückweisung der Beschwerde.
Die form- und fristgerecht eingelegte Nichtzulassungsbeschwerde ist unbegründet. Eine Nichtzulassungsbeschwerde wegen Divergenz ist nur dann begründet, wenn die von dem Beschwerdeführer dargelegten abstrakten Rechtssätze von dem anzufechtenden wie von dem angezogenen Urteil tatsächlich aufgestellt wurden und voneinander abweichen und das anzufechtende Urteil auf dem abweichenden Rechtssatz beruht (vgl. § 72 Abs. 2 Nr. 2 ArbGG; BAG 15. Oktober 1979 – 7 AZN 9/79 – BAGE 32, 136). Diese Voraussetzungen sind vorliegend nicht gegeben.
Der Beschwerdeführer beruft sich darauf, in dem anzufechtenden Urteil sei ausgeführt, daß
“(…) der Kläger freiwillig von sich aus Unterlagen der StA zur Begründung des Ermittlungsverdachtes (Leistungsbetrugs) gegen die Beklagte und ihren Geschäftsführer zur Verfügung gestellt (hat)”,
und daß
“(er) freiwillig mehrmals, wie der Zeuge G… glaubwürdig bekundet hat, ein- oder zweimal pro Woche zur StA gekommen (ist), um durch seine Erklärung das Ermittlungsverfahren gegen die Beklagte und ihren Geschäftsführer voranzutreiben”.
Damit sei das anzufechtende Urteil von dem Beschluß des Bundesverfassungsgerichts vom 25. Februar 1997 – 1 BvR 1086/85 (– StV 1987, 498 f.) abgewichen, was sich aus einem mehrseitigem Zitat aus diesem Beschluß ergebe.
Entgegen der Auffassung des Beschwerdeführers besteht zwischen dem anzufechtenden Urteil und dem angezogenen Beschluß des Bundesverfassungsgerichts insoweit keine Divergenz. Es ist schon nicht angegeben, von welchem der zahlreichen, aus dem Beschluß des Bundesverfassungsgerichts zitierten Rechtssätze das anzufechtende Urteil abgewichen sein soll. Das Bundesverfassungsgericht stellt zudem Rechtssätze nur zu einem zivilrechtlichen Schadenersatzanspruch auf, wohingegen das anzufechtende Urteil eine verhaltensbedingte außerordentliche Kündigung behandelt. Abgesehen davon stellen die zitierten Ausführungen aus dem anzufechtenden Urteil keine allgemeinen Rechtssätze dar, sondern begründen einzelfallbezogen, in welchem Verhalten des Klägers nach Ansicht des Berufungsgerichts ein wichtiger Grund zur Kündigung liegt. Soweit der Beschwerdeführer schließlich meint, beiden Entscheidungen liege die abstrakte Rechtsfrage zugrunde, ob Nachteile für einen Bürger aus seiner Aussage in einem Strafverfahren oder einem staatsanwaltschaftlichen Ermittlungsverfahren entstehen dürften, ist auch damit eine Divergenz nicht hinreichend dargelegt. Der Beschluß des Bundesverfassungsgerichts betrifft keine arbeitsrechtlichen Nachteile, die ein Bürger infolge einer außerordentlichen Kündigung erleiden kann. Das anzufechtende Urteil sieht es demgegenüber auch nicht als Kündigungsgrund an, daß der Kläger in einem staatsanwaltschaftlichen Ermittlungsverfahren gegen die Beklagte ausgesagt hat, sondern sieht ausweislich der zitierten einzelfallbezogenen Ausführungen das über seine bloße Aussagepflicht hinausgehende Verhalten des Klägers (freiwillige Überreichung von Unterlagen, mehrfache freiwillige Besuche, ein- oder zweimal pro Woche, um das Ermittlungsverfahren gegen die Beklagte und ihren Geschäftsführer voranzutreiben) als Kündigungsgrund an. In Wahrheit rügt der Kläger insoweit nur eine angeblich falsche Rechtsanwendung durch das Landesarbeitsgericht, die aber erst auf eine zulässige Revision hin der Überprüfung unterläge.
Auch eine Abweichung von einer Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts ist nicht dargelegt. Soweit sich der Kläger darauf beruft, das Bundesarbeitsgericht habe in seinem Urteil vom 18. Juni 1970 (– 2 AZR 369/69 – AP KSchG § 1 Nr. 82) den Rechtssatz aufgestellt, eine Kündigung eines Angestellten des öffentlichen Dienstes dürfe nicht wegen Aufdeckung gewisser Mißstände in seinem Amt erfolgen, so legt der Beschwerdeführer aus dem anzufechtenden Urteil keinen davon abweichenden Rechtssatz dar. Weder hat das Landesarbeitsgericht den Rechtssatz aufgestellt, einem Angestellten des öffentlichen Dienstes dürfe wegen Aufdeckung gewisser Mißstände in seinem Amt gekündigt werden, noch ist dem anzufechtenden Urteil zu entnehmen, daß das Berufungsgericht davon ausgegangen ist, der Kläger habe gewisse Mißstände in seinem “Amt” aufgedeckt. Der Kläger war nicht im öffentlichen Dienst, sondern bei einem Privatarbeitgeber beschäftigt. Es reicht insoweit nicht aus, daß der Kläger für die Beklagte aufgrund eines von dieser abgeschlossenen Werkvertrages für eine Stadtverwaltung gearbeitet hat.
Zu Unrecht macht der Beschwerdeführer weiter geltend, das anzufechtende Urteil sei hinsichtlich des Erfordernisses einer Abmahnung von der Entscheidung des Landesarbeitsgerichts Rheinland-Pfalz vom 22. Dezember 1997 (– 9 TaBV 38/97 –) abgewichen. Es ist schon fraglich, ob das angezogene Urteil noch eine Divergenz begründen kann, nachdem das Bundesarbeitsgericht in seinem Beschluß vom 10. Februar 1999 (– 2 ABR 31/98 – AP KSchG 1969 § 15 Nr. 42) klargestellt hat, daß bei einer außerordentlichen Kündigung aus verhaltensbedingten Gründen eine Abmahnung jedenfalls dann entbehrlich ist, wenn es um schwere Pflichtverletzungen geht, deren Rechtswidrigkeit für den Arbeitnehmer ohne weiteres erkennbar ist und bei denen eine Hinnahme des Verhaltens durch den Arbeitgeber offensichtlich ausgeschlossen ist. Die angezogene Entscheidung steht dazu auch nicht im Widerspruch, sondern nimmt in einem konkreten Fall “aufgrund der Besonderheiten des vorliegenden Einzelfalles” an, daß vor Ausspruch einer außerordentlichen Kündigung eine einschlägige Abmahnung erforderlich war. Einen abstrakten Rechtssatz zum Abmahnungserfordernis stellt das anzufechtende Urteil, wie die Beschwerde nicht verkennt, überhaupt nicht auf, erst Recht nicht den von der Beschwerde gebildeten Rechtssatz, “eine (?) Kündigung (sei) auch ohne vorherige Abmahnung zulässig”. Es genügt auch nicht, daß der vermeintlich abweichende Rechtssatz aus dem anzufechtenden Urteil nur mittels der Erwägung entnommen wird, das Landesarbeitsgericht müsse folgerichtig von einem in der Entscheidung nicht erörterten Rechtssatz ausgegangen sein. Andernfalls würde in Ergänzung der Subsumtion des festgestellten Sachverhalts unter die einschlägigen Rechtsnormen ein Rechtssatz abgeleitet, von dem sich nicht feststellen läßt, ob ihn das Berufungsgericht wirklich vertreten wollte oder ob es das Rechtsproblem übersehen hat oder von anderen nicht ausgesprochenen rechtlichen Erwägungen ausgegangen ist. Auch mit einer Ergänzung des anzufechtenden Urteils durch vom Beschwerdeführer selbst gebildete, von divergenzfähigen Entscheidungen abweichende Grundsätze können die Voraussetzungen einer Divergenz nicht dargelegt werden (BAG 10. Juli 1984 – 2 AZN 337/84 – AP ArbGG 1979 § 72a Divergenz Nr. 15).
Weiter beruft sich der Kläger auf die Ausführungen in dem anzufechtenden Urteil, die Kündigung sei gerechtfertigt, weil
“das Ergebnis des Ermittlungsverfahrens, Einstellung wegen erwiesener Unschuld, die Haltlosigkeit der Erklärungen des Klägers bei der Staatsanwaltschaft beweist.”
Damit sei das Berufungsgericht von der Entscheidung des Landesarbeitsgerichts Baden-Württemberg (Mannheim) vom 25. Oktober 1957 (– VII Sa 39/57 – AP § 78 BetrVG Nr. 2) abgewichen. Eine Divergenz kann insoweit schon deshalb nicht vorliegen, weil die zitierten Ausführungen aus dem anzufechtenden Urteil einzelfallbezogen sind und keinen abstrakten Rechtssatz enthalten. Wenn das Landesarbeitsgericht Baden-Württemberg bei einem völlig anderen Sachverhalt davon ausgeht, der dort der Staatsanwaltschaft mitgeteilte Sachverhalt sei objektiv nicht falsch gewesen, so sind auch diese Ausführungen streng einzelfallbezogen. Soweit der Kläger in diesem Zusammenhang geltend macht, das Berufungsgericht habe aus der Einstellung des staatsanwaltschaftlichen Ermittlungsverfahren die falschen rechtlichen Schlußfolgerungen gezogen, handelt es sich um eine Frage der richtigen Rechtsanwendung, die erst auf eine zulässige Revision hin überprüft werden könnte.
Soweit sich der Kläger schließlich auf ein Urteil des Landesarbeitsgericht Frankfurt vom 12. Februar 1987 (– 12 Sa 1249/86 –) bezieht, legt er aus dem anzufechtenden Urteil keinen abstrakten Rechtssatz dar, so daß nicht geprüft werden kann, ob insoweit eine Divergenz vorliegt. Auch diese Rüge zielt lediglich auf eine angeblich falsche Rechtsanwendung durch das Berufungsgericht.
Der Kläger hat nach § 97 ZPO die Kosten seiner erfolglosen Nichtzulassungsbeschwerde zu tragen.
Unterschriften
Etzel, Bröhl, Fischermeier, Walter, Heise
Fundstellen