Verfahrensgang
Sächsisches LAG (Urteil vom 16.07.1996; Aktenzeichen 5 Sa 197/96) |
Tenor
Die Beschwerde des Beklagten gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Urteil des Sächsischen Landesarbeitsgerichts vom 16. Juli 1996 – 5 Sa 197/96 – wird zurückgewiesen.
Der Beklagte hat die Kosten des Beschwerdeverfahrens zu tragen.
Tatbestand
I. Die Parteien streiten darüber, ob das Arbeitsverhältnis des Klägers auf die beklagte Rundfunkanstalt übergegangen oder durch Kündigung aufgelöst worden ist und ob der Kläger vorläufig weiterbeschäftigt werden muß. Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen. Das Landesarbeitsgericht hat ihr – nach Zurückverweisung der Sache durch den Senat – stattgegeben. Gegen die Nichtzulassung der Revision durch das Landesarbeitsgericht richtet sich die auf Divergenz gestützte Beschwerde des Beklagten.
Entscheidungsgründe
II. Die Nichtzulassungsbeschwerde ist unbegründet.
1. Nach § 72a Abs. 1 ArbGG kann die Nichtzulassung der Revision durch das Landesarbeitsgericht selbständig durch Beschwerde angefochten werden, wenn das anzufechtende Urteil von einer Entscheidung der in § 72 Abs. 2 Nr. 2 ArbGG genannten Gerichte abweicht und auf dieser Abweichung beruht. Als Zulassungsgrund ist in der Beschwerdebegründung darzulegen, daß das anzufechtende Urteil einen allgemeinen, die Entscheidung tragenden Rechtssatz aufgestellt hat und daß dieser von einem in der divergenzfähigen Entscheidung aufgestellten Rechtssatz abweicht. Dagegen reicht die Darlegung einer fehlerhaften oder unterlassenen Anwendung der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts oder eines anderen in dem Gesetz genannten Gerichtes zur Begründung einer auf Divergenz gestützten Nichtzulassungsbeschwerde nicht aus.
2. Die von der Beschwerde gerügten Divergenzen liegen nicht vor.
a) Soweit das Landesarbeitsgericht Berlin in der von der Beschwerde angezogenen Entscheidung vom 19. Juli 1993 (– 9 Sa 32/93 – AfP 1993, 680) den auf Seite 6 oben der Beschwerdebegründung bezeichneten allgemeinen Rechtssatz aufgestellt hat, ist die Rechtsfrage durch das Bundesarbeitsgericht entschieden (vgl. § 72 Abs. 2 Nr. 2 ArbGG). Der Senat hat im Revisionsurteil des vorliegenden Rechtsstreits vom 18. Januar 1996 die Möglichkeit eines rechtsgeschäftlichen Betriebsübergangs nach § 613a BGB zum 1. Januar 1992 auf den Beklagten ausdrücklich bejaht (zu II 2 der Gründe). Von diesen Grundsätzen ist das Berufungsgericht ausgegangen.
b) Das Bundesarbeitsgericht hat in dem von der Beschwerde angezogenen Urteil vom 21. Januar 1993 (– 2 AZR 162/92 – n.v., zu II 2d der Gründe) ausgeführt, daß eine Betriebsübernahme nach § 613a BGB im Falle der Abwicklung einer Einrichtung regelmäßig ausscheide, und angemerkt, daß die “Inbetriebnahme” von Räumen unter Weiterverwendung sächlicher Mittel nicht zur Annahme einer Betriebsübernahme ausreiche. Hiervon weicht der aufgezeigte Rechtssatz aus der anzufechtenden Entscheidung nicht ab. Wenn das Berufungsgericht für einen Betriebsübergang die tatsächliche Übernahme des Betriebs und der Organisations- und Leitungsmacht verlangt, so liegt darin gerade der entscheidende Unterschied zu der bloßen Weiternutzung von Räumen und sächlichen Mitteln.
c) Das anzufechtende Urteil hat durch Bezugnahme auf das Revisionsurteil des Senats vom 18. Januar 1996 (zu III 1 der Gründe) den Rechtssatz aufgestellt, die Rundfunkfreiheit schließe den Übergang von Arbeitsverhältnissen auf eine Rundfunkanstalt im Falle des Betriebsübergangs nicht aus, es überwiege hier die soziale Schutzbedürftigkeit des Mitarbeiters am Erhalt des Arbeitsplatzes. Dieser Rechtssatz weicht von dem auf Seite 11 der Beschwerdebegründung aufgezeigten Rechtssatz des Bundesverfassungsgerichts (Beschluß vom 13. Januar 1982 – 1 BvR 848/77 u.a. – BVerfGE 59, 231 ff.; Beschluß vom 3. Dezember 1992 – 1 BvR 1462/88 – AP Nr. 19 zu § 1 TVG Tarifverträge Rundfunk) nicht ab. Das Bundesverfassungsgericht hat sich nicht besonders mit den Folgen eines Betriebsübergangs befaßt. Der Rundfunkfreiheit kann auch in diesem Falle Rechnung getragen werden. Der Übergang des Arbeitsverhältnisses auf die Rundfunkanstalt hindert diese grundsätzlich nicht, über den Einsatz des Mitarbeiters zu entscheiden und ggf. eine notwendige (Änderungs-) Kündigung auszusprechen. Die Rundfunkfreiheit gebietet es auch nach Auffassung des Bundesverfassungsgerichts nicht, § 613a BGB dahin auszulegen, daß bei programmgestaltenden Mitarbeitern ein Übergang des Arbeitsverhältnisses nur mit dem Willen der übernehmenden Rundfunkanstalt eintreten kann.
d) Soweit sich die Beschwerde auf den Beschluß des Bundesarbeitsgerichts vom 10. April 1985 (– 7 AZR 201/83 – n.v., zu II 2 der Gründe) beruft, liegt ebenfalls keine Divergenz vor. Das Bundesarbeitsgericht hat hier den Beschluß des Großen Senats des Bundesarbeitsgerichts vom 27. Februar 1985 zur vorläufigen Weiterbeschäftigung zugrunde gelegt. Es hat in diesem Rahmen die Interessenabwägung des Landesarbeitsgerichts gebilligt, aufgrund derer das Landesarbeitsgericht den Fall einer verantwortlichen Redakteurin (u.a. für die Sendereihe “M…”) unter Hinweis auf Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG zugunsten der Rundfunkanstalt entschieden hat. Ein allgemeiner Rechtssatz des Bundesarbeitsgerichts zur Weiterbeschäftigung von programmgestaltenden Mitarbeitern, wie er von der Beschwerde auf Seite 15 der Beschwerdebegründung eigenständig formuliert wird, liegt darin nicht. Im übrigen enthält auch das anzufechtende Urteil keinen allgemeinen Rechtssatz zur vorläufigen Weiterbeschäftigung von programmgestaltenden Mitarbeitern.
III. Der Beklagte hat gemäß § 97 Abs. 1 ZPO die Kosten des Beschwerdeverfahrens zu tragen.
IV. Streitwert: unverändert.
Unterschriften
Ascheid, Dr. Wittek, Mikosch, Krause, E. Schmitzberger
Fundstellen