Entscheidungsstichwort (Thema)
Rechtsfragen des Zuordnungstarifvertrages. Schriftformerfordernis bei Ergänzungen, Änderungen eines Tarifvertrages. Einheitlichkeit der Urkunde. Firmentarifvertrag für künftige Gesellschaft. Bestimmtheit des sachlichen Geltungsbereichs eines Zuordnungstarifvertrages. Zweck eines Zuordnungstarifvertrages. Überprüfung eines Zuordnungstarifvertrages und behördliche Zustimmung. Zuordnung von selbständigen betriebsratsfähigen Betrieben. Tariffenster für künftige Eingliederung von Betrieben. Betriebsverfassungsrecht. Tarifrecht. Tarifauslegung
Normenkette
BetrVG § 3 Abs. 1 Nr. 3, Abs. 2; TVG § 1 Abs. 2; BGB §§ 126, 164
Verfahrensgang
Tenor
Die Rechtsbeschwerde des Betriebsrats gegen den Beschluß des Landesarbeitsgerichts Sachsen-Anhalt vom 9. November 1999 – 11 (2) TaBV 10/99 – wird zurückgewiesen.
Von Rechts wegen!
Tatbestand
A. Die Beteiligten streiten darüber, ob die Amtszeit des Betriebsrates am 31. März 1999 geendet hat.
Die Arbeitgeberin gehört zum Konzern der SPAR Handels-Aktiengesellschaft (SPAR Handels-AG). In ihrem Geschäftsbereich Einzelhandel vertrieb diese ihre Waren bis ins Jahr 1998 hinein in den Vertriebsschienen EUROSPAR und INTERSPAR.
Zur Vertriebsschiene EUROSPAR gehörten seinerzeit 280 Verbrauchermärkte, die teilweise der SPAR Handels-AG, teilweise ihren 100 %-igen Tochtergesellschaften EUROSPAR Verbrauchermärkte GmbH Süd (EUROSPAR Süd GmbH) und famka-Verbrauchermärkte GmbH (famka GmbH) gehörten. Diese Verbrauchermärkte, in denen seinerzeit durchschnittlich jeweils 23 Arbeitnehmer beschäftigt wurden, bildeten seit langem einen (einheitlichen) Betrieb. Im Bereich Personalwesen liegt die Leitung bei den Verkaufs- und Bezirksleitern in den (seinerzeit vier) Regionalbüros. Der Einkauf von Waren und die Werbung erfolgen zentral.
Für die Verbrauchermärkte der Vertriebsschiene EUROSPAR schloß die “SPAR Handels-Aktiengesellschaft” am 17. November 1997 mit den Gewerkschaften Handel, Banken und Versicherungen (HBV) und Deutsche Angestellten Gewerkschaft (DAG) einen “Tarifvertrag nach § 3 (1) Ziffer 3 Betriebsverfassungsgesetz”. Der aus drei Seiten bestehende, auf der dritten Seite von der SPAR Handels-AG und den vorgenannten Gewerkschaften unterzeichnete Tarifvertrag wurde dem Bundesminister für Arbeit und Sozialordnung zur Zustimmung vorgelegt. Dieser regte neben Änderungen im Text der §§ 1, 2 und 4 die Klarstellung an, daß die SPAR Handels-AG auch für die EUROSPAR Süd GmbH und die famka GmbH handele.
Die “Vertragspartner” erzielten Übereinstimmung darüber, den Änderungsanregungen zu folgen. Die von der SPAR Handels-AG dem Bundesminister für Arbeit und Sozialordnung übersandten Seiten 1 und 2 des Tarifvertrages vom 17. November 1997 mit den vorgenommenen Änderungen wurden dort gegen diese Seiten in der Ursprungsfassung ausgetauscht. Der Bundesminister stimmte am 24. März 1998 dem Tarifvertrag – nachfolgend: TV Zuordnung – in dieser geänderten Fassung zu, die lautet:
Tarifvertrag |
nach § 3 (1) Ziffer 3 Betriebsverfassungsgesetz |
zwischen |
der SPAR Handels-Aktiengesellschaft, Osterbrooksweg 35 – 45, 22867 Schenefeld gleichzeitig handelnd für: |
– einerseits – |
EUROSPAR Verbrauchermärkte GmbH Süd, Poing bei München |
famka Verbrauchermärkte GmbH, Langenfeld bei Düsseldorf |
|
und |
der Gewerkschaft Handel, Banken und Versicherungen (HBV) |
– Hauptvorstand, –, |
Kanzlerstraße, 40472 Düsseldorf |
und |
der Deutschen Angestellten Gewerkschaft (DAG) |
– andererseits – |
– Bundesvorstand, –, |
Johannes-Brahms-Platz 1, 20355 Hamburg |
wird folgender Tarifvertrag nach § 3 (1) Ziffer 3 Betriebsverfassungsgesetz abgeschlossen:
§ 1 – Geltungsbereich
Dieser Tarifvertrag gilt:
1. |
Räumlich: |
Für das Gebiet der Bundesrepublik Deutschland |
2. |
Sachlich: |
Für alle Betriebsteile der Vertriebsschiene “Verbrauchermärkte EUROSPAR” der SPAR Handels-Aktiengesellschaft und der oben aufgeführten Tochtergesellschaften |
3. |
Persönlich: |
Für alle Arbeitnehmer im Sinne des § 5 (1) BetrVG |
§ 2 – Zweck
Um ein erfolgreiches Zusammenwirken zwischen den Arbeitnehmern, dem Arbeitgeber und dem Betriebsrat zu gewährleisten und der besonderen Struktur – insbesondere des weitverzweigten Verkaufsstellennetzes des Vertriebsbereichs EUROSPAR (i.S.d. § 1 Ziff. 2) – Rechnung zu tragen, sind sich die Vertragspartner einig, nach § 3 (1) Ziffer 3 BetrVG eine von § 4 BetrVG abweichende Regelung über die Zuordnung von Betriebsteilen vorzunehmen. Die Errichtung von Betriebsräten und deren Arbeitsfähigkeit wird dadurch erleichtert.
§ 3 – Bildung von regionalen Betriebsräten
Um die Bildung von Betriebsräten zu erleichtern und die Arbeitsfähigkeit zu sichern, werden die Betriebsteile abweichend von § 4 Abs. 1 BetrVG zusammengefaßt, mit der Folge, daß die zu diesen Betriebsteilen gehörenden den Betriebsrat wählen, dessen Zuständigkeit sich auf die zuammengefaßten Betriebsteile erstreckt.
Es werden folgende Betriebsräte gebildet:
…
§ 4 – Neue Betriebsteile
Die Regelungen des § 3 gelten auch für neue Betriebsteile, die während der Geltungsdauer dieses Tarifvertrages vom Vertriebsbereich EUROSPAR (i.S.d. § 1 Ziff. 2) errichtet oder übernommen werden. Die Zuordnung dieser Betriebsteile zu den Betriebsräten erfolgt entsprechend der gebildeten Regionen gemäß § 3 dieses Tarifvertrages.
§ 5 – Inkrafttreten und Geltungsdauer
Dieser Tarifvertrag tritt mit der Erteilung der Zustimmung des Bundesministeriums für Arbeit und Sozialordnung in Kraft, frühestens jedoch mit den BR-Wahlen in 1998.
Der Vertrag kann mit einer Frist von 6 Monaten zum Ende einer Amtsperiode des Betriebsrates gekündigt werden.
Schenefeld, den 17.11.1997
Zu diesem Tarifvertrag haben die “Vertragsparteien” eine zwischen ihnen abgestimmte Begründung gegeben, die auszugsweise lautet:
Der Tarifvertrag gilt für alle Betriebsteile der Vertriebsschiene EUROSPAR Verbrauchermärkte der SPAR Handels-Aktiengesellschaft sowie deren Tochtergesellschaften, die als Verbrauchermärkte geführt werden. Voraussichtlich zum 1.4.1998 werden alle diese Märkte in eine eigenständige OHG – 100 % Tochtergesellschaft der SPAR Handels-Aktiengesellschaft – überführt.
…
Die Begründung zu diesem Tarifvertrag erfolgt im Einvernehmen aller Vertragsparteien.
Die Vertriebsschiene INTERSPAR bestand 1998 aus 116 Warenhäusern mit im Durchschnitt jeweils 75 Arbeitnehmern und Verkaufsflächen von 1.000 bis 10.000 qm. Die Marktleiter dieser dezentral geführten Warenhäuser hatten Einstellungs- und Entlassungsbefugnis. Die Warenhäuser wurden zum größeren Teil von der Konzernmutter, der SPAR Handels-AG, im übrigen von einer Tochtergesellschaft derselben gehalten. In einem Teil dieser Warenhäuser bestanden Betriebsräte.
Mit Wirkung vom 31. März/1. April 1998 wurden die Aktivitäten der EUROSPAR und der INTERSPAR Vertriebsschienen in der durch Umgründung entstandenen INTERSPAR Warenhandelsgesellschaft mbH & Co. OHG – der Arbeitgeberin – mit den Gesellschaftern SPAR Handels-AG, INTERSPAR SB-Warenhaus GmbH, famka GmbH und EUROSPAR Süd GmbH zusammengefaßt. In diese neu gegründete Gesellschaft wurden bis zum 1. Mai 1998 sowohl die EUROSPAR Verbrauchermärkte als auch die INTERSPAR Warenhäuser eingebracht.
Im April/Mai 1998 wurden auf der Grundlage des TV Zuordnung in der Vertriebsschiene EUROSPAR sechs Regionalbetriebsräte gewählt. Zur gleichen Zeit wählten die Arbeitnehmer in vielen Märkten der dezentralen Vertriebslinie INTERSPAR örtliche Betriebsräte, so im vormaligen Warenhaus Halle-Neustadt, das 4.100 qm Verkaufsfläche hat und in dem ca. 70 Arbeitnehmer beschäftigt sind, den Betriebsrat (Antragsteller).
Zum 31. Dezember 1998 veräußerte die Arbeitgeberin 74 Warenhäuser der Vertriebsschiene INTERSPAR mit – im Regelfall – einer Verkaufsfläche von mehr als 5.000 qm an die W. Deutschland GmbH & Co. KG. Die restlichen 42 kleineren Warenhäuser mit Verkaufsflächen von – im Regelfall – bis zu 5.000 qm hingegen wurden der Vertriebsschiene EUROSPAR zugeordnet. In 26 dieser Warenhäuser waren Betriebsräte gebildet, wie in einem Teil der Parallelsachen (zB – 4 ABR 4/00 –) festgestellt ist. Zur Anwendung des TV Zuordnung haben die SPAR Handels-AG und die Gewerkschaften HBV und DAG unter dem 15. Dezember 1998 eine Regelungsabsprache getroffen, die auszugsweise lautet:
Die Tarifparteien vereinbaren:
Präambel
Zwischen den Parteien besteht Einigkeit darüber, daß mit Wirkung vom 1.1.1999 die in der Anlage aufgeführten INTERSPAR Warenhäuser in die Vertriebslinie EUROSPAR überführt werden. Damit werden ab 1.1.1999 die im Tarifvertrag nach § 3 BetrVG vom 17.11.1997 gebildeten regionalen EUROSPAR Betriebsräte zuständig.
Um eine ordnungsgemäße Einhaltung der betriebsverfassungsrechtlichen Aufgaben sicherzustellen, wird folgende Regelung getroffen:
1.) Übergangsfrist
In der Zeit vom 1.1.1999 bis 31.3.1999 werden in jedem der betroffenen Warenhäuser Übergabegesprächstermine stattfinden.
Teilnehmer: bisheriger Betriebsrat Warenhaus, neuer Betriebsrat EUROSPAR, Personalwesen, Warenhausleiter, Vertrieb, ggf. Gewerkschaften.
…
3.) Zuständigkeit
Bis zu diesem Termin liegt die Zuständigkeit beim bisherigen Betriebsrat; mit Abschluß oben genannten Termins geht die Zuständigkeit auf den EUROSPAR Betriebsrat nach § 3 BetrVG über.
…
Zu den in der Anlage zur Regelungsabsprache aufgeführten INTERSPAR Warenhäusern gehört auch dasjenige in “Halle”.
Der dort zuvor gewählte Betriebsrat erstrebt die Feststellung, daß seine Amtszeit nicht am 31. März 1999 geendet hat.
Er hat geltend gemacht, für eine Beendigung seines Mandats vor Ablauf der regelmäßigen Amtszeit fehle es an einer Rechtsgrundlage. Insbesondere sei der TV Zuordnung nicht formwirksam abgeschlossen worden. Darüber hinaus sei dieser, seine Wirksamkeit unterstellt, nicht auf die erst später gegründete Arbeitgeberin übergegangen. Selbst wenn dies der Fall sei, würde die von der Arbeitgeberin behauptete Umstrukturierungsmaßnahme nicht dem Geltungsbereich des Tarifvertrages unterfallen, da in einer Umstrukturierung nicht eine “Übernahme” im Sinne des § 4 TV Zuordnung gesehen werden könne. Die Regelung des § 4 TV Zuordnung verstieße auch gegen den Schutzzweck des § 3 BetrVG. Die Klausel würde es dem Arbeitgeber ermöglichen, durch einseitige Organisationsentscheidungen den Geltungsbereich des Tarifvertrages zu erweitern, ohne daß hierzu eine erneute Genehmigung des BMA erforderlich sei. Insbesondere sei es dem Arbeitgeber danach möglich, das Mandant von eigenständig gewählten Betriebsräten durch einseitigen Organisationsakt zu beenden, ohne daß diese am ursprünglichen Genehmigungsverfahren beteiligt gewesen seien. Jedenfalls sei aber die Bestimmung des § 4 TV Zuordnung wegen fehlender inhaltlicher Bestimmtheit unter Berücksichtigung des Schutzzweckes des § 3 BetrVG rechtsunwirksam. Der Betriebsrat hat zuletzt sinngemäß beantragt
festzustellen, daß er über den 31. März 1999 hinaus fortbesteht.
Die Arbeitgeberin, nunmehr wie im Rubrum angegeben firmierend, hat beantragt, den Antrag zurückzuweisen. Sie hat geltend gemacht, der TV Zuordnung sei sehr wohl auf ihr Unternehmen anwendbar. Er habe nämlich bei seinem Abschluß den damals bereits durch die drei vertragschließenden Unternehmen geführten Betrieb der EUROSPAR Märkte umfaßt, die dann später mit der INTERSPAR SB-Warenhaus GmbH die jetzige Arbeitgeberin gegründet hätten. Folglich seien die EUROSPAR Märkte im Wege eines Betriebsübergangs auf sie – die Arbeitgeberin – übergegangen und mit ihnen der Haustarifvertrag, der dann kollektivrechtlich weiter gelte. Die Eingliederung der INTERSPAR SB-Warenhäuser in die EUROSPAR-Schiene stelle genau die Fallkonstellation dar, die in § 4 TV Zuordnung geregelt werde. Hieraus folge wiederum, daß die Einzelbetriebsräte untergegangen seien und die Belegschaft nunmehr durch die Regionalbetriebsräte repräsentiert werde.
Das Arbeitsgericht hat den Antrag des Betriebsrats zurückgewiesen. Das Landesarbeitsgericht hat seine Beschwerde zurückgewiesen und die Rechtsbeschwerde zugelassen. Mit seiner Rechtsbeschwerde verfolgt der Betriebsrat seinen Antrag weiter. Die Arbeitgeberin beantragt, die Rechtsbeschwerde zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
B. Die Rechtsbeschwerde ist nicht begründet. Die Amtszeit des Betriebsrats ist mit der Eingliederung des Warenhauses Halle-Neustadt in den Vertriebsbereich EUROSPAR nach §§ 4, 3 TV Zuordnung jedenfalls am 31. März 1999 beendet. Dieser Tarifvertrag ist wirksam. Seine Voraussetzungen sind erfüllt. Dies hat das Landesarbeitsgericht mit Recht erkannt.
Der TV Zuordnung wahrt die gesetzliche Schriftform nach § 1 Abs. 2 TVG, § 126 BGB.
- Der Umstand, daß der Tarifvertragstext nach seiner Unterzeichnung durch die Tarifvertragsparteien von ihnen geändert worden ist, steht dem nicht entgegen. Für die Wahrung der Schriftform einer Urkunde ist ohne Belang, ob die Unterzeichnung der Niederschrift des Urkundentextes zeitlich nachfolgt oder vorangeht. Daher wird auch eine Änderung oder Ergänzung des über den Unterschriften stehenden Textes durch die Unterschriften gedeckt, sofern die Änderung oder Ergänzung dem übereinstimmenden Willen der Vertragschließenden entspricht (BGH 27. Juni 1994 – III ZR 117/93 – NJW 1994, 2300 mwN). Letzteres ist hier nach den vom Landesarbeitsgericht getroffenen Feststellungen der Fall.
- Ob die Zusammengehörigkeit der aus mehreren Blättern bestehenden Urkunde des TV Zuordnung durch deren körperliche Verbindung erkennbar gemacht war – diesbezüglich fehlen Feststellungen des Landesarbeitsgerichts –, ist für die Wahrung des gesetzlichen Schriftformerfordernisses unerheblich. Denn die Schriftform des § 126 BGB erfordert keine körperliche Verbindung der einzelnen Blätter der Urkunde, wenn sich deren Einheit aus fortlaufender Paginierung, fortlaufender Numerierung der einzelnen Bestimmungen, einheitlicher grafischer Gestaltung, inhaltlichem Zusammenhang des Textes oder vergleichbaren Merkmalen zweifelsfrei ergibt (BGH 24. September 1997 – XII ZR 234/95 – BGHZ 136, 357). Der hier zu beurteilende TV Zuordnung entspricht diesen Anforderungen an die Schriftform, denn die Einheit der Urkunde ist durch fortlaufende Paginierung und Numerierung der einzelnen Paragraphen sowie die Bezugnahmen in verschiedenen Normen auf eine andere Tarifnorm und der Begründung auf den Gesamttext des Tarifvertrags hinreichend kenntlich gemacht. Es wäre daher unschädlich, wenn die einzelnen Blätter der Urkunde nicht fest verbunden gewesen sein sollten.
Der TV Zuordnung gilt für die durch Umgründung entstandene Arbeitgeberin mit der auf diese erfolgten Überführung der Verbrauchermärkte der Vertriebsschiene EUROSPAR in den Monaten April und Mai 1998. Denn die SPAR Handels-AG hat den TV Zuordnung – zugleich handelnd für die EUROSPAR Süd GmbH und die famka GmbH – als Vertreterin (§ 164 BGB) der Arbeitgeberin für diese abgeschlossen. Dies ist nach den allgemeinen Regeln über die Stellvertretung zulässig (Senat 12. Februar 1997 – 4 AZR 419/95 – AP TVG § 2 Nr. 46 mwN). Die Arbeitgeberin ist damit originär als Tarifvertragspartei nach § 3 Abs. 1 TVG an den TV Zuordnung gebunden. Dies ist der in der Begründung des TV Zuordnung, die dessen Bestandteil ist, deutlich zum Ausdruck gekommene Wille der Tarifvertragsparteien. Die schriftliche “Begründung zum Tarifvertrag nach § 3 Abs. 1 Ziff. 3 BetrVG”, die mit dem Satz schließt: “Die Begründung zu diesem Tarifvertrag erfolgt im Einvernehmen aller Vertragsparteien”, beinhaltet die authentische Interpretation des TV Zuordnung. In dieser Begründung haben die Tarifvertragsparteien klargestellt, daß “alle Betriebsteile der Vertriebsschiene EUROSPAR Verbrauchermärkte der SPAR Handels-Aktiengesellschaft sowie deren Tochtergesellschaften, die als Verbrauchermärkte geführt werden”, “voraussichtlich zum 1.4.1998 … in eine eigenständige OHG – 100 % Tochtergesellschaft der SPAR Handels-Aktiengesellschaft – überführt” werden. Es kam den “Vertragsparteien” – so die Terminologie im letzten Satz der Begründung zum Tarifvertrag – also entscheidend darauf an, gerade die Arbeitgeberin tarifvertraglich zu binden. Denn sie haben nicht vereinbart, der TV Zuordnung solle (nur) für die drei Unternehmen, die auf Arbeitgeberseite den Vertragsabschluß vollzogen haben, gelten, sondern vielmehr für die neu zu gründende OHG als künftige Trägerin der EUROSPAR Verbrauchermärkte. Dem entspricht, daß der TV Zuordnung nach seinem § 5 Abs. 1 “frühestens … mit den BR-Wahlen in 1998” in Kraft treten sollte, also ungefähr ab dem Zeitpunkt der geplanten Umgründung der OHG. Der zeitlich vor der Umgründung liegende Vertragsabschluß ist wirksam. Eine offene Handelsgesellschaft entsteht schon vor der Eintragung in das Handelsregister, wenn die Gesellschaft ihre Geschäfte tatsächlich beginnt, wozu auch Vorbereitungsgeschäfte genügen. Geschäfte im Namen der Gesellschaft werden getätigt, wenn sie im Namen der Gesellschaft erfolgen und der handelnde Gesellschafter hierzu auch berechtigt ist (MünchHdb. GesR I/Happ/Brunkhorst § 41 Rn. 10, 13 mwN). Erst recht ist es möglich, einen Vertrag – und damit auch einen Tarifvertrag – abzuschließen, der erst nach der Eintragung oder der vollen Aufnahme der Geschäfte wirksam werden soll (vgl. Karsten Schmidt Gesellschaftsrecht 3. Aufl. S 1018, 1019; für Tarifverträge Löwisch/Rieble TVG § 2 Rn. 60). Damit ist die Arbeitgeberin an den für sie von der SPAR Handels-AG, die zugleich für die EUROSPAR Süd GmbH und die famka GmbH gehandelt hat, mit den Gewerkschaften HBV und DAG abgeschlossenen TV Zuordnung gebunden. Denn Umstände, die geeignet wären, Zweifel an der Vertretungsbefugnis der auf Arbeitgeberseite am Tarifabschluß beteiligten Personen zu rechtfertigen, sind nach den Gesamtumständen ausgeschlossen, jedenfalls nicht festgestellt.
Der Umstand, daß der TV Zuordnung lediglich von drei von den insgesamt vier Gesellschaftern der Arbeitgeberin abgeschlossen worden ist, steht weder seiner Wirksamkeit noch der Tarifgebundenheit der Arbeitgeberin an diesen (§ 3 Abs. 1 TVG) entgegen. An der Identität der durch Umgründung entstandenen OHG mit der in der Begründung zum TV Zuordnung genannten Tarifvertragspartei – “eine eigenständige OHG – 100 % Tochtergesellschaft der SPAR Handels-Aktiengesellschaft”-, besteht kein Zweifel. Auch die zusätzlich aufgenommene Gesellschafterin INTERSPAR SB Warenhaus GmbH ist eine 100 % ige Tochter der SPAR Handels-AG.
Der TV Zuordnung ist auch nicht wegen inhaltlicher Mängel insgesamt unwirksam.
Das vormalige INTERSPAR Warenhaus Halle-Neustadt unterfällt mit seiner Eingliederung in den Vertriebsbereich EUROSPAR gem. § 4 TV Zuordnung dem fachlichen Geltungsbereich dieses Tarifvertrages.
- Die Regelung des § 4 TV Zuordnung beschränkt sich nicht auf die Eingliederung von Verkaufsstellen, die bis dahin “Betriebsteile” im Unterschied zu “Betrieben” waren. Denn sie beschreibt allein den Zustand nach der Eingliederung, wenn es in ihr heißt, daß “die Regelungen des § 3 … auch für neue Betriebsteile, die während der Geltungsdauer dieses Tarifvertrages vom Vertriebsbereich EUROSPAR (i.S.d. § 1 Ziff. 2) errichtet oder übernommen werden”, gelten. Dies zeigt auch die Regelung über die Eingliederung während der Geltungsdauer errichteter Betriebsteile, die sich nur auf den Zeitpunkt ab ihrer Errichtung mit gleichzeitiger Zugehörigkeit zum Vertriebsbereich EUROSPAR beziehen kann. Ob die Verkaufsstelle vor ihrer Übernahme in den Vertriebsbereich EUROSPAR ein Betriebsteil oder ein selbständiger Betrieb war, ist damit unerheblich.
- § 4 TV Zuordnung setzt nicht voraus, daß die übernommene Verkaufsstelle vor ihrer Eingliederung in den Vertriebsbereich EUROSPAR nicht der Arbeitgeberin gehörte. Sie erfaßt ihrem Wortlaut nach auch die Zuordnung von der Arbeitgeberin schon gehörenden Verkaufsstellen anderer Vertriebsbereiche zum Vertriebsbereich EUROSPAR und macht so verstanden Sinn, wie die Übernahme der Warenhäuser der Vertriebsschiene INTERSPAR durch die Arbeitgeberin und deren Umstrukturierung zeigen.
- Dem TV Zuordnung ist auch nicht zu entnehmen, daß die Regelung über die Bildung regionaler Betriebsräte in § 3 nicht für größere Verkaufsstellen des Vertriebsbereichs EUROSPAR gilt.
- Das Landesarbeitsgericht hat für den Senat bindend festgestellt, daß die Eingliederung des vormaligen Warenhauses Halle-Neustadt in den Vertriebsbereich EUROSPAR (per 31. März 1999) vollzogen worden ist.
- Die Eingliederung einer Verkaufsstelle in den Vertriebsbereich EUROSPAR und damit ihre Zuordnung in den sachlichen Geltungsbereich des TV Zuordnung bedarf keiner erneuten Zustimmung des Bundesministers für Arbeit und Sozialordnung. Zustimmungspflichtig nach § 3 Abs. 1 Nr. 3 BetrVG ist lediglich der Zuordnungstarifvertrag, nicht eine nach ihm vorgenommene Maßnahme des Arbeitgebers, die dazu führt, daß eine Verkaufsstelle in den sachlichen Geltungsbereich des TV Zuordnung fällt.
- Die Amtszeit eines für einen – vormaligen – Betrieb gewählten Betriebsrats endet, wenn der Betrieb durch das Inkrafttreten eines Zuordnungstarifvertrages nach § 3 Abs. 1 Nr. 3 BetrVG seine betriebsverfassungsrechtliche Selbständigkeit verliert (Fitting/Kaiser/Heither/Engels BetrVG 19. Aufl. § 3 Rn. 53; ErfK/Eisemann 2. Aufl. § 3 Rn. 5). Entsprechendes gilt für einen solchen Betrieb, wenn er später nach einer im Zuordnungstarifvertrag vorgesehenen Regelung während dessen Laufzeit von dessen Geltungsbereich erfaßt wird. Dann endet sein Amt zu diesem Zeitpunkt. Das war hier spätestens der 31. März 1999.
Unterschriften
Schliemann, Bott, Friedrich, Schliemann, Seifner
Für den infolge Ablaufs der Amtszeit verhinderten ehrenamtlichen
Richter Winterholler
Fundstellen