Entscheidungsstichwort (Thema)
Abwicklung von Freistellungsansprüchen des Betriebsrats nach Ende seiner Amtszeit. Freistellungsansprüche des Betriebsrats. partielle Vermögensfähigkeit. Ende der Amtszeit. Prinzip der Funktionsnachfolge. Restmandat. Liquidation. Kostentragungspflicht des Arbeitgebers
Leitsatz (amtlich)
Der Betriebsrat bleibt in entsprechender Anwendung von § 22 BetrVG, § 49 Abs. 2 BGB auch nach dem Ende seiner Amtszeit befugt, noch nicht erfüllte Kostenerstattungsansprüche gegen den Arbeitgeber weiter zu verfolgen und an den Gläubiger abzutreten.
Orientierungssatz
1. Soweit dem Betriebsrat nach dem Betriebsverfassungsgesetz vermögensrechtliche Ansprüche zustehen, ist er als partiell vermögensfähig anzusehen.
2. Vermögensrechtliche vom Arbeitgeber noch nicht erfüllte Ansprüche des Betriebsrats gehen mit dem Ende der Amtszeit des Betriebsrats nicht ersatzlos unter.
3. Schließt sich an die Amtszeit eines Betriebsrats unmittelbar die Amtszeit eines neu gewählten Betriebsrats an, wird dieser auch hinsichtlich der vermögensrechtlichen Rechtspositionen Funktionsnachfolger seines Vorgängers.
4. Tritt nach dem Ende der Amtszeit des Betriebsrats vorübergehend oder dauerhaft ein betriebsratsloser Zustand ein, bleibt der bisherige Betriebsrat bis zu einer Neuwahl in entsprechender Anwendung von § 22 BetrVG, § 49 Abs. 2 BGB befugt, die vom Arbeitgeber noch nicht erfüllten Freistellungsanprüche nach § 40 Abs. 1 BetrVG weiter zu verfolgen. Er kann sie auch an den Gläubiger abtreten. In diesem Fall wandeln sich die Freistellungsansprüche in Zahlungsansprüche um.
Normenkette
BetrVG § 40 Abs. 1, § 22; BGB § 49 Abs. 2
Verfahrensgang
Tenor
Die Rechtsbeschwerde der Beteiligten zu 5) gegen den Beschluß des Landesarbeitsgerichts Niedersachsen vom 24. Januar 2000 – 5 TaBV 25/99 – wird zurückgewiesen.
Von Rechts wegen!
Gründe
A. Die Beteiligten streiten über Gebührenansprüche der Antragsteller gegen die Arbeitgeberin.
Die Antragsteller vertraten in den Jahren 1997 und 1998 den damals bei der Arbeitgeberin bestehenden dreiköpfigen Betriebsrat in mehreren Beschlußverfahren. Am 30. April 1998 schieden die drei Betriebsratsmitglieder durch Aufhebungsvertrag gegen Zahlung von Abfindungen aus ihren Arbeitsverhältnissen aus. Nach den Aufhebungsverträgen waren sich die Vertragsparteien „darüber einig, daß das Arbeitsverhältnis mit Erfüllung dieses Vertrages ordnungsgemäß zum 30. April 1998 aufgelöst und abgerechnet ist und darüber hinaus keine wechselseitigen Ansprüche der Vertragsparteien – gleich aus welchem Rechtsgrund – bestehen und keine Tatsachen vorliegen, aus denen sich im Hinblick auf das Arbeitsverhältnis sowie auf seine Beendigung Ansprüche irgendwelcher Art herleiten lassen”. Ersatzmitglieder, die in den Betriebsrat hätten nachrücken können, gab es nicht. Ein neuer Betriebsrat wurde in der Folgezeit nicht gewählt.
Nachdem die Antragsteller die zur Erledigung der arbeitsgerichtlichen Beschlußverfahren erforderlichen Prozeßerklärungen abgegeben hatten und gerichtlich die Gegenstandswerte hatten festsetzen lassen, übermittelten sie der Arbeitgeberin die Kostennoten für die Beschlußverfahren in Höhe von insgesamt 7.978,91 DM. Außerdem erstellten sie eine Kostennote über 481,40 DM für ein Urteilsverfahren, in dem sie den Betriebsrat gegenüber einer Mitarbeiterin der Arbeitgeberin vertreten hatten. Die Arbeitgeberin lehnte einen Ausgleich der Honorarforderungen zunächst mit der Begründung ab, für die Einleitung der Beschlußverfahren hätten keine Beschlüsse des Betriebsrats vorgelegen. Auch nachdem die Antragsteller der Arbeitgeberin die entsprechenden Beschlüsse des vormaligen Betriebsrats hatten zukommen lassen, beglich die Arbeitgeberin die Kostennoten nicht. Daraufhin faßten am 13. Juli 1998 die drei ausgeschiedenen Betriebsratsmitglieder „in Wahrnehmung des dem Betriebsrat der T GmbH zustehenden Restmandats” den Beschluß, die Freistellungsansprüche des Betriebsrats hinsichtlich der im einzelnen bezeichneten Beschlußverfahren an die Antragsteller abzutreten.
Mit dem am 26. August 1998 beim Arbeitsgericht eingegangenen Antrag haben die Antragsteller die Arbeitgeberin auf Zahlung in Anspruch genommen. Sie haben die Auffassung vertreten, den drei ausgeschiedenen Betriebsratsmitgliedern habe ein Restmandat zur Verfolgung ihrer Freistellungsansprüche nach § 40 Abs. 1 BetrVG zugestanden. Diese Ansprüche hätten sie wirksam an die Antragsteller abgetreten.
Die Antragsteller haben beantragt,
die Beteiligte zu 5) zu verpflichten, an die Antragsteller 8.460,31 DM nebst 4 % Zinsen seit dem 28. August 1998 zu zahlen.
Die Arbeitgeberin hat beantragt,
den Antrag zurückzuweisen.
Sie hat eingewandt, die Antragsteller seien zur Verfolgung der Ansprüche nicht aktivlegitimiert. Der Betriebsrat habe am 13. Juli 1998 seine Ansprüche auf Freistellung von Rechtsanwaltskosten nicht mehr wirksam an die Antragsteller abtreten können, da er mit dem Ausscheiden seiner Mitglieder aufgelöst worden sei. Außerdem seien durch die Ausgleichsklausel in den Aufhebungsverträgen auch etwaige Ansprüche aus § 40 BetrVG abgegolten.
Das Arbeitsgericht hat dem Antrag in Höhe von 7.978,91 DM nebst Zinsen entsprochen. In Höhe von 481,40 DM hat es den Antrag abgewiesen. Das Landesarbeitsgericht hat die Beschwerde der Arbeitgeberin zurückgewiesen. Mit der Rechtsbeschwerde begehrt die Arbeitgeberin die vollständige Abweisung des Zahlungsantrags. Die Antragsteller beantragen die Zurückweisung der Rechtsbeschwerde. Der vom Senat im Rechtsbeschwerdeverfahren beteiligte ehemalige Betriebsrat hat keinen Antrag gestellt.
B. Die zulässige Rechtsbeschwerde ist unbegründet. Die Vorinstanzen haben dem Antrag in dem zuerkannten Umfang zu Recht entsprochen. Der Anspruch des ehemaligen Betriebsrats gegen die Arbeitgeberin auf Freistellung von den Honorarforderungen der Antragsteller hat sich durch die Abtretung vom 13. Juli 1998 in einen Zahlungsanspruch der Antragsteller gegen die Arbeitgeberin umgewandelt. Die vertraglichen Ausgleichsklauseln in den Aufhebungsverträgen der drei Betriebsratsmitglieder stehen dem Anspruch nicht entgegen.
I. Das Landesarbeitsgericht hat im wesentlichen ausgeführt, der Betriebsrat habe am 13. Juli 1998 seinen Freistellungsanspruch gegen die Arbeitgeberin wirksam abgetreten, obwohl er am 30. April 1998 mit dem Ausscheiden seiner Mitglieder aufgelöst worden sei. Die ehemaligen Betriebsratsmitglieder könnten ausnahmsweise notwendige „Liquidationsbeschlüsse” fassen, um bereits eingeleitete Betriebsratsgeschäfte nach den Vorschriften des Betriebsverfassungsgesetzes abzuschließen. Durch das Ausscheiden aller Betriebsratsmitglieder und das Fehlen von Ersatzmitgliedern entstehe ein betriebsratsloser Zustand, den das Gesetz nicht vorgesehen habe. Die Regelungslücke sei dadurch zu schließen, daß der Betriebsrat für notwendige gesetzliche Handlungen im Rahmen eines Restmandats handlungsfähig bleibe. In Wahrnehmung dieses Restmandats habe der ehemalige Betriebsrat in seiner letzten Besetzung die durch seine Auflösung nicht erloschenen Freistellungsansprüche abtreten können. Die Beauftragung der Antragsteller in den vorangegangenen arbeitsgerichtlichen Beschlußverfahren sei erforderlich gewesen. Die ausgeschiedenen Betriebsratsmitglieder hätten in ihren Aufhebungsverträgen nicht wirksam auf die Freistellungsansprüche des Betriebsrats verzichtet.
II. Diese Begründung ist weitgehend, wenngleich nicht in sämtlichen Einzelheiten, zutreffend. Die auf Grund der gesetzmäßigen Tätigkeit des Betriebsrats gemäß § 40 Abs. 1 BetrVG entstandenen, bei Ablauf seiner Amtszeit vom Arbeitgeber noch nicht erfüllten Kostenfreistellungsansprüche gehen nicht ersatzlos unter. Sie gehen vielmehr im Normalfall im Wege der Funktionsnachfolge auf den neuen Betriebsrat über. Schließt sich dessen Amtszeit nicht unmittelbar an die Amtszeit des bisherigen Betriebsrats an oder wird überhaupt kein neuer Betriebsrat gewählt, steht die Befugnis zur Geltendmachung der Ansprüche in entsprechender Anwendung von § 22 BetrVG, § 49 Abs. 2 BGB dem alten Betriebsrat in seiner letzten Besetzung zu. Dieser kann die Freistellungsansprüche auch an den Gläubiger abtreten. Der Senat hat bereits im Beschluß vom 26. Oktober 1994(– 7 ABR 11/94 – nv.) – wenngleich nur beiläufig und ohne nähere Begründung – ausgeführt, daß dem Betriebsrat „nach Ablauf seiner Amtszeit ein sog. Restmandat zur Geltendmachung derjenigen Kosten von Rechts- und Regelungsstreitigkeiten zuerkannt werden muß, die im Zusammenhang mit einem bisherigen betriebsverfassungsrechtlichen Amt stehen”(BAG 26. Oktober 1994 – 7 ABR 11/94 – nv., zu B II der Gründe). Hieran hält der Senat nach erneuter Prüfung mit etwas veränderter Begrifflichkeit fest.
1. Gemäß § 40 Abs. 1 BetrVG trägt der Arbeitgeber die durch die Tätigkeit des Betriebsrats entstehenden Kosten. Hierzu gehören auch die Honorarkosten für einen Rechtsanwalt, dessen Heranziehung in einem arbeitsgerichtlichen Beschlußverfahren der Betriebsrat in Wahrnehmung seiner betriebsverfassungsrechtlichen Rechte für erforderlich halten durfte(BAG 20. Oktober 1999 – 7 ABR 25/98 – AP BetrVG 1972 § 40 Nr. 67 = EzA BetrVG 1972 § 40 Nr. 89, zu B I 1 der Gründe mwN). Durch diese Kostentragungspflicht entsteht zwischen dem Arbeitgeber und dem Betriebsrat ein vermögensrechtliches gesetzliches Schuldverhältnis. Gläubiger ist der Betriebsrat. Wenngleich ihm das Betriebsverfassungsgesetz keine generelle Rechts- und Vermögensfähigkeit verleiht(vgl. BAG 24. April 1986 – 6 AZR 607/83 – BAGE 52, 1 = AP BetrVG 1972 § 87 Sozialeinrichtung Nr. 7, zu II 2 a der Gründe mwN), ist er insoweit als – partiell – vermögensfähig anzusehen. Der Senat hat dies für die auf Grund einer Vereinbarung nach § 80 Abs. 3 Satz 1 BetrVG entstehenden Ansprüche des Betriebsrats bereits ausdrücklich entschieden(13. Mai 1998 – 7 ABR 65/96 – AP BetrVG 1972 § 80 Nr. 55 = EzA BetrVG 1972 § 80 Nr. 42, zu B I der Gründe). Für andere dem Betriebsrat nach § 40 Abs. 1 und 2 BetrVG zustehenden Ansprüche gilt nichts Abweichendes. Auch bei ihnen handelt es sich ihrem Inhalt nach um vermögensrechtliche Ansprüche. Wenn aber der Betriebsrat im Rahmen der ihm gesetzlich zugewiesenen Aufgaben Inhaber vermögensrechtlicher Ansprüche sein kann, bedingt dies zugleich in diesem Umfang seine partielle Vermögensfähigkeit(ebenso Kraft GK-BetrVG 6. Aufl. § 1 Rn. 75, 76; Richardi BetrVG 7. Aufl. Einl. Rn. 107 ff., § 40 Rn. 39; Däubler/Kittner/Klebe-Schneider BetrVG 7. Aufl. Einl. Rn. 123; eher zurückhaltend Fitting/Kaiser/Heither/Engels BetrVG 20. Aufl. § 1 Rn. 168, § 40 Rn. 70).
2. Endet das Amt des Betriebsrats, gehen dessen vermögensrechtliche Rechtspositionen nicht ersatzlos unter. Dies folgt aus dem Prinzip der Funktionsnachfolge und der entsprechenden Anwendung von § 22 BetrVG, § 49 Abs. 2 BGB.
a) Das Betriebsverfassungsgesetz normiert für die unterschiedlichen Möglichkeiten der Beendigung der Amtszeit eines Betriebsrats die Rechtsfolgen weder einheitlich noch vollständig. Hinsichtlich der vermögensrechtlichen Rechtspositionen fehlt es an jeglicher ausdrücklicher Regelung.
aa) Wird vor Ablauf der Amtszeit eines Betriebsrats ein neuer Betriebsrat gewählt, so schließt sich dessen Amtszeit gemäß § 21 Abs. 1 Satz 2 2. Alt. BetrVG unmittelbar an die Amtszeit des bisherigen Betriebsrats an. Das Schicksal der vermögensrechtlichen Rechtspositionen des alten Betriebsrats ist dabei nicht geregelt. Nach dem Prinzip der Funktionsnachfolge(BAG 25. April 1978 – 6 ABR 9/75 – AP BetrVG 1972 § 80 Nr. 11 = EzA BetrVG 1972 § 80 Nr. 15, zu II 3 der Gründe; 27. Januar 1981 – 6 ABR 68/79 – BAGE 35, 1 = AP ArbGG 1979 § 80 Nr. 2, zu II der Gründe) und dem „Grundgedanken der Kontinuität betriebsverfassungsrechtlicher Interessenvertretung”(BAG 23. November 1988 – 7 AZR 121/88 – BAGE 60, 191 = AP BGB § 613 a Nr. 77, zu I 2 b aa der Gründe; 31. Mai 2000 – 7 ABR 78/98 – AP BetrVG 1972 § 1 Gemeinsamer Betrieb Nr. 12 = EzA BetrVG 1972 § 19 Nr. 39, zu B IV 2 a bb der Gründe) wird jedoch der neue Betriebsrat Funktionsnachfolger seines Vorgängers. Dementsprechend tritt er auch in dessen vermögensrechtliche Rechtspositionen ein. Diese gehen daher mit dem Ende der Amtszeit des alten Betriebsrats nicht unter.
bb) In den Fällen des § 13 Abs. 2 Nr. 1 und 2 BetrVG ist zwar vorzeitig ein neuer Betriebsrat zu wählen. Die Amtszeit des alten Betriebsrats endet aber gemäß § 21 Satz 5 BetrVG erst mit der Bekanntgabe des Wahlergebnisses des neu gewählten Betriebsrats. Bis dahin bleibt der bisherige Betriebsrat Inhaber der vermögensrechtlichen Rechtspositionen. Danach tritt der neue Betriebsrat die Funktionsnachfolge an.
cc) Beschließt der Betriebsrat mit der Mehrheit seiner Mitglieder seinen Rücktritt (§ 13 Abs. 2 Nr. 3 BetrVG), fehlt es an einer ausdrücklichen Regelung über die Beendigung seiner Amtszeit. Nach § 22 BetrVG führt in diesem Fall der bisherige Betriebsrat die Geschäfte weiter, bis der neue Betriebsrat gewählt und das Wahlergebnis bekanntgegeben ist. Diese Geschäftsführung erstreckt sich auch auf die Wahrnehmung der vermögensrechtlichen Rechte.
dd) Bei einer zum Verlust der bisherigen Betriebsidentität führenden Umorganisation endete nach der bis zum 27. Juli 2001 geltenden Gesetzeslage das Amt des Betriebsrats(31. Mai 2000 – 7 ABR 78/98 – aaO, zu B IV 2 b der Gründe). Der Senat hat aber im Wege der Rechtsfortbildung ein sog. Übergangsmandat des bisherigen Betriebsrats anerkannt(31. Mai 2000 – 7 ABR 78/98 – aaO, zu B IV 3 der Gründe). Dieses ist nunmehr in § 21 a BetrVG in der seit 28. Juli 2001 geltenden Neufassung ausdrücklich normiert. Die hierdurch dem Betriebsrat eingeräumte Geschäftsführungsbefugnis umfaßt auch die Wahrnehmung betriebsverfassungsrechtlicher Vermögensrechte.
ee) Wird ein Betrieb stillgelegt, behält der Betriebsrat auch nach der Beendigung der Arbeitsverhältnisse aller Betriebsratsmitglieder ein erforderlichenfalls sogar über die reguläre Amtszeit hinaus andauerndes sog. Restmandat für alle sich im Zusammenhang mit der Betriebsstillegung ergebenden betriebsverfassungsrechtlichen Beteiligungsrechte. Dies entsprach bereits bisher der ständigen Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts(5. Oktober 2000 – 1 AZR 48/00 – AP BetrVG 1972 § 112 Nr. 141 = EzA BetrVG 1972 § 112 Nr. 107, zu II 1 der Gründe; 12. Januar 2000 – 7 ABR 61/98 – AP BetrVG 1972 § 24 Nr. 5 = EzA BetrVG 1972 § 24 Nr. 2, zu B II 2 d der Gründe mwN) und wurde durch § 21 b BetrVG in der seit 28. Juli 2001 geltenden Neufassung nunmehr ausdrücklich normiert. Die Wahrnehmung bereits entstandener betriebsverfassungsrechtlicher Vermögensrechte läßt sich allerdings nicht ohne weiteres den sich im Zusammenhang mit der Betriebsstillegung ergebenden Beteiligungsrechten zuordnen.
ff) In zahlreichen Fällen tritt ein weder mit einem Übergangs- noch mit einem Restmandat des ehemaligen Betriebsrats verbundener vorübergehender oder auch dauerhafter betriebsratsloser Zustand ein. Dieser ist entgegen der zumindest mißverständlichen Formulierung des Landesarbeitsgerichts im Betriebsverfassungsgesetz als Möglichkeit auch vorgesehen (vgl. nur § 13 Abs. 2 Nr. 6 BetrVG). Er tritt ua. ein, wenn nach Ablauf der regulären vier-jährigen Amtszeit des Betriebsrats kein neuer Betriebsrat gewählt, eine Betriebsratswahl mit Erfolg angefochten (§ 13 Abs. 2 Nr. 4 BetrVG) oder der Betriebsrat durch gerichtliche Entscheidung aufgelöst worden ist (§ 13 Abs. 2 Nr. 5 BetrVG). Ein Betrieb wird auch dann betriebsratslos, wenn alle Betriebsratsmitglieder etwa durch Niederlegung des Betriebsratsamts (§ 24 Abs. 1 Nr. 2 BetrVG), Beendigung des Arbeitsverhältnisses (§ 24 Abs. 1 Nr. 3 BetrVG), Verlust der Wählbarkeit (§ 24 Abs. 1 Nr. 4 BetrVG) oder Ausschluß aus dem Betriebsrat (§ 24 Abs. 1 Nr. 5 BetrVG) aus ihrem Amt ausgeschieden und keine Ersatzmitglieder mehr vorhanden sind. Mit dem Amtsverlust des letzten Mitglieds ist die Amtszeit des Betriebsrats beendet. Eine Weiterführung der Geschäfte kommt hier anders als im Falle des Rücktritts des gesamten Betriebsrats nicht in Betracht(BAG 27. August 1996 – 3 ABR 21/95 – AP ArbGG 1979 § 83 a Nr. 4 = EzA ArbGG 1979 § 83 a Nr. 4, zu II 2 b der Gründe; 12. Januar 2000 – 7 ABR 61/98 – AP BetrVG 1972 § 24 Nr. 5 = EzA BetrVG 1972 § 24 Nr. 2, zu B II 2 b der Gründe).
b) Mit dem Ende der Amtszeit des Betriebsrats enden – mit den oben dargestellten Modifikationen – dessen betriebsverfassungsrechtliche Beteiligungsrechte ersatzlos. Dies gilt jedoch nicht in gleicher Weise für Kostenerstattungs- und Freistellungsansprüche des Betriebsrats, die zum Zeitpunkt der Beendigung der Amtszeit des Betriebsrats vom Arbeitgeber noch nicht erfüllt sind.
aa) Das Betriebsverfassungsgesetz enthält insoweit eine Regelungslücke. Es sieht keine Regelung über das rechtliche Schicksal der dem Betriebsrat zustehenden vermögensrechtlichen Rechtspositionen vor. Insbesondere ordnet es weder den Übergang der Ansprüche auf einen anderen Rechtsträger noch das Erlöschen der Ansprüche an.
bb) Dabei handelt es sich nicht um ein „beredtes” Schweigen des Gesetzgebers, aus dem geschlossen werden könnte, der Gesetzgeber nehme mit dem Untergang des Betriebsrats bewußt auch das Erlöschen von dessen Kostenerstattungs- und Freistellungsansprüchen in Kauf. Vielmehr liegt trotz der umfangreichen Änderungen, welche die Regelungen des BetrVG durch das BetrVerf-Reformgesetz vom 23. Juli 2001 (BGBl. I S 1852) erfahren haben, weiterhin eine planwidrige Regelungslücke vor. Das ergibt die Würdigung der betriebsverfassungsrechtlichen Vorschriften über die Aufgaben und die Stellung des Betriebsrats sowie über die Kostentragungspflicht des Arbeitgebers.
(1) Der Gesetzgeber des Betriebsverfassungsgesetzes hat das Betriebsratsamt gemäß § 37 Abs. 1 BetrVG als unentgeltliches Ehrenamt ausgestaltet(vgl. etwa BAG 5. März 1997 – 7 AZR 581/92 – BAGE 85, 224 = AP BetrVG 1972 § 37 Nr. 123, zu II 4 b und c der Gründe). Dem entspricht seine Entscheidung, ausschließlich dem Arbeitgeber die durch die Errichtung und die gesetzlich erforderliche Tätigkeit des Betriebsrats entstehenden Kosten aufzuerlegen. So hat der Arbeitgeber ua. nach § 20 Abs. 3 Satz 1 BetrVG die Kosten der Wahl, nach § 40 Abs. 1 BetrVG die durch die Tätigkeit des Betriebsrats entstehenden Kosten sowie nach § 76 a Abs. 1 BetrVG die Kosten der Einigungsstelle zu tragen, gemäß § 40 Abs. 2 BetrVG dem Betriebsrat Räume, sachliche Mittel und Büropersonal zur Verfügung zu stellen und gemäß § 37 Abs. 2 und 6 BetrVG Betriebsratsmitglieder zur erforderlichen Durchführung ihrer Betriebsratsaufgaben und zum Besuch von Schulungen ohne Minderung ihres Arbeitsentgelts freizustellen. Die Erhebung und Leistung von Beiträgen der Arbeitnehmer für Zwecke des Betriebsrats hat der Gesetzgeber in § 41 BetrVG ausdrücklich für unzulässig erklärt. Nach ganz allgemeiner Auffassung im Schrifttum gilt dies sogar für Zuwendungen Dritter(ErfK Eisemann 2. Aufl. § 41 BetrVG Rn. 1; Fitting/Kaiser/Heither/Engels BetrVG 20. Aufl. § 41 Rn. 5; Hess/Schlochauer/Glaubitz BetrVG 5. Aufl. § 41 Rn. 3; Richardi BetrVG 7. Aufl. § 41 Rn. 6; Däubler/Kittner/Klebe-Wedde BetrVG 7. Aufl. Rn. 2; Wiese GK-BetrVG 6. Aufl. § 41 Rn. 7). Dieses gesetzliche Regelungskonzept würde durchbrochen, wenn entstandene und vom Arbeitgeber noch nicht erfüllte Kostenfreistellungsansprüche mit dem endgültigen oder gar bereits dem vorübergehenden Wegfall des Betriebsrats ersatzlos untergingen. Denn da der vom Betriebsrat beauftragte Dritte ohne eine vorherige wirksame Abtretung des dem Betriebsrat zustehenden Freistellungsanspruchs keinen unmittelbaren Anspruch gegen den Arbeitgeber erwirbt(BAG 13. Mai 1998 – 7 ABR 65/96 – AP BetrVG 1972 § 80 Nr. 55 = EzA BetrVG 1972 § 80 Nr. 42, zu B I der Gründe), würde der Arbeitgeber entgegen der gesetzlichen Konzeption von seiner Kostentragungspflicht frei.
(2) Für eine planwidrige Regelungslücke im BetrVG spricht ferner, daß auch sonst im Privatrecht beim Wegfall von Rechtsträgern deren Vermögensrechte – sofern es sich nicht um höchstpersönliche Ansprüche handelt – nicht ersatzlos untergehen. Wenn ein Rechtsnachfolger nicht vorhanden ist, hat vielmehr auch im Interesse der Gläubiger regelmäßig eine Liquidation stattzufinden (vgl. etwa §§ 47 ff. BGB, §§ 145 ff. HGB, §§ 66 ff. GmbHG, § 83 GenG, § 24 FideiErlGDV, § 10 PartGG, § 54 AbgG). Daher gilt zB nach § 49 Abs. 2 BGB der Verein bis zur Beendigung der Liquidation als fortbestehend, soweit der Zweck der Liquidation es erfordert.
(3) Dem Vorliegen einer planwidrigen Regelungslücke steht nicht entgegen, daß der vom Betriebsrat beauftragte Rechtsanwalt dann keinen Anspruch gegen den Arbeitgeber hat, wenn der Betriebsrat die Beauftragung nicht für erforderlich halten durfte. Denn in diesem Fall fehlt es bereits an den Voraussetzungen für einen Freistellungsanspruch des Betriebsrats. Dieses Risiko kann und muß der vom Betriebsrat beauftragte Rechtsanwalt beurteilen. Hieraus kann aber nicht geschlossen werden, es entspreche der gesetzgeberischen Konzeption, daß der Rechtsanwalt auch bei einem Untergang des Betriebsrats den Arbeitgeber nicht in Anspruch nehmen könne und dieser von der bereits entstandenen Kostentragungspflicht wieder frei werde.
Die planwidrige Regelungslücke ist durch die analoge Anwendung von § 22 BetrVG, § 49 Abs. 2 BGB zu schließen. Dies bedeutet, daß der Betriebsrat hinsichtlich seiner noch nicht erfüllten Freistellungsansprüche als fortbestehend gilt. Aus der entsprechenden Anwendung des § 22 BetrVG folgt die zeitliche Begrenzung der Liquidationsbefugnis bis zur Neuwahl eines Betriebsrats. Aus der entsprechenden Anwendung des § 49 Abs. 2 BGB ergibt sich die sachliche Beschränkung auf die Abwicklung der bei Beendigung der Amtszeit bestehenden, einer Abwicklung bedürfenden vermögensrechtlichen Positionen des Betriebsrats. Zur Abwicklungsbefugnis gehört die Verfolgung der vom Arbeitgeber noch nicht erfüllten Freistellungsansprüche. Diese können hierzu auch an den vom Betriebsrat beauftragten Dritten abgetreten werden. Zuständig ist in entsprechender Anwendung des § 22 BetrVG der Betriebsrat in der bei Beendigung seiner Amtszeit gegebenen Besetzung.
3. Vorliegend hatte der ehemalige Betriebsrat durch die erforderliche Beauftragung der Antragsteller – insoweit sind die Ausführungen des Landesarbeitsgerichts nicht angegriffen – der Höhe nach unstreitige Freistellungsansprüche gegen die Arbeitgeberin erworben. Er hat entgegen der Auffassung der Arbeitgeberin durch die Aufhebungsverträge seiner Mitglieder nicht auf diese Freistellungsansprüche verzichtet. Wie das Landesarbeitsgericht zutreffend ausgeführt hat, erfaßte die Erledigungs- und Abgeltungsklausel in den Aufhebungsverträgen nur die Ansprüche der Arbeitsvertragsparteien aus dem Arbeitsverhältnis und nicht die Freistellungsansprüche des Betriebsrats. Diese Freistellungsansprüche gingen mit dem Ende der Amtszeit des Betriebsrats, das am 30. April 1998 durch das Ausscheiden sämtlicher Betriebsratsmitglieder eintrat, nicht ersatzlos unter. Der Betriebsrat war vielmehr hinsichtlich der Freistellungsansprüche in entsprechender Anwendung von § 22 BetrVG, § 49 Abs. 2 BGB als fortbestehend zu erachten. Er konnte die Ansprüche weiterhin gegen die Arbeitgeberin verfolgen und sie zu diesem Zweck auch an die Antragsteller abtreten. Dies hat er mit Beschluß vom 13. Juli 1998 getan. Der Abtretung stand weder § 399BGB (vgl. dazu BGH 27. Februar 1964 – II ZR 179/62 – BGHZ 41, 203 mwN) noch § 400 BGB iVm. § 850 a Nr. 3 ZPO(vgl. dazu BAG 15. Januar 1992 – 7 ABR 23/90 – BAGE 69, 214 = AP BetrVG 1972 § 40 Nr. 41, zu B II 1 der Gründe; 5. April 2000 – 7 ABR 6/99 – AP BetrVG 1972 § 78 a Nr. 33 = EzA BetrVG 1972 § 40 Nr. 91, zu B I 1 der Gründe) entgegen. Durch die Abtretung wandelten sich die Freistellungsansprüche des Betriebsrats in Zahlungsansprüche der Antragsteller um(BAG 13. Mai 1998 – 7 ABR 65/96 – AP BetrVG 1972 § 80 Nr. 55 = EzA BetrVG 1972 § 80 Nr. 42, zu B I der Gründe).
4. Der Zinsanspruch folgt aus § 291 Satz 1 BGB.
Unterschriften
Dörner zugleich für den wegen Urlaub verhinderten Richter Dr. Steckhan, Linsenmaier, Wolf, Seiler
Veröffentlichung
Veröffentlicht am 24.10.2001 durch Schiege, Urkundsbeamter der Geschäftsstelle
Fundstellen
BAGE, 208 |
BB 2002, 632 |
DB 2002, 849 |
NWB 2001, 3726 |
BuW 2002, 526 |
FA 2002, 147 |
FA 2002, 151 |
FA 2002, 213 |
FA 2002, 26 |
NZA 2003, 53 |
SAE 2002, 248 |
ZTR 2002, 295 |
AP, 0 |
AuA 2001, 567 |
EzA |
MDR 2002, 587 |
PERSONAL 2002, 60 |
www.judicialis.de 2001 |