Entscheidungsstichwort (Thema)

Rechtsweg. Mitbestimmung des Betriebsrats bei der Versetzung von Beamten der Telekom

 

Normenkette

ArbGG § 2a Abs. 1 Nr. 1; GVG § 17a; PostPersRG §§ 24, 28-29; BetrVG § 99; BPersVG § 76

 

Verfahrensgang

LAG Berlin (Beschluss vom 18.12.1995; Aktenzeichen 18 Ta 11/95)

ArbG Berlin (Beschluss vom 22.09.1995; Aktenzeichen 22 BV 18984/95)

 

Tenor

Die weitere sofortige Beschwerde der Arbeitgeberin gegen den Beschluß des Landesarbeitsgerichts Berlin vom 18. Dezember 1995 – 18 Ta 11/95 – wird zurückgewiesen.

 

Tatbestand

A. Die Beteiligten streiten darüber, ob die Arbeitgeberin bei der Versetzung von Beamten ein Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats nach § 99 BetrVG verletzt hat.

Die Arbeitgeberin hat mit Wirkung zum 15. März 1995 dem Postdirektor D., der bis dahin Leiter Service Netze der Niederlassung 1 B. war, den Posten des Abteilungsleiters für Planung „Bau von Systemen” in derselben Niederlassung übertragen. Die von ihr vorher beantragte Zustimmung war vom Betriebsrat unter Berufung auf § 77 Abs. 2 BPersVG verweigert worden. Nach Vollzug der Maßnahme stellte sich der Betriebsrat auf den Standpunkt, es läge eine Versetzung vor, bei der er nach § 99 BetrVG mitzubestimmen habe. Das betriebsverfassungsrechtliche Mitbestimmungsrecht, das sich im Grundsatz nach § 24 Abs. 1 PostPersRG auch auf Beamte erstrecke, sei nicht etwa nach den §§ 28 und 29 PostPersRG durch ein Mitbestimmungsrecht nach § 76 BPersVG ausgeschlossen, denn nach dieser Vorschrift sei die Maßnahme gar nicht mitbestimmungspflichtig. Der Betriebsrat beantragte festzustellen, daß die Arbeitgeberin durch die Versetzung sein Mitbestimmungsrecht verletzt habe, und ihr aufzugeben, die Versetzung rückgängig zu machen.

Die Arbeitgeberin hat geltend gemacht, der Rechtsweg zu den Gerichten für Arbeitssachen sei unzulässig. Nach §§ 28 und 29 PostPersRG trete in Personalmaßnahmen, die Beamte betreffen, das Mitbestimmungsrecht nach § 76 Abs. 1 BPersVG an die Stelle einer möglichen Mitbestimmung nach dem Betriebsverfassungsgesetz. Insoweit sei aber nach § 29 Abs. 9 PostPersRG ausschließlich der Rechtsweg zu den Verwaltungsgerichten eröffnet.

Das Arbeitsgericht hat den zu ihm beschrittenen Rechtsweg für unzulässig erklärt und das Verfahren an das Verwaltungsgericht Berlin verwiesen. Auf die sofortige Beschwerde des Betriebsrats hat das Landesarbeitsgericht den Beschluß des Arbeitsgerichts abgeändert und den Rechtsweg zu den Gerichten für Arbeitssachen für zulässig erklärt. Die weitere sofortige Beschwerde hat es zugelassen. Mit dieser will die Arbeitgeberin die Wiederherstellung des erstinstanzlichen Beschlusses erreichen.

 

Entscheidungsgründe

B. Die rechtzeitig und ordnungsgemäß eingelegte weitere sofortige Beschwerde ist unbegründet. Zu Recht hat das Landesarbeitsgericht den Rechtsweg zu den Gerichten für Arbeitssachen für zulässig erklärt. Dies ergibt sich aus § 2 a Abs. 1 Nr. 1 ArbGG. Es handelt sich vorliegend um eine Angelegenheit aus dem Betriebsverfassungsgesetz. Der Betriebsrat macht allein ein Mitbestimmungsrecht nach § 99 BetrVG geltend, das ihm die Arbeitgeberin bestreitet.

I. Zu Unrecht beruft sich die Arbeitgeberin darauf, Gegenstand des Verfahrens sei nicht nur die Mitbestimmung nach § 99 BetrVG, sondern auch ein mögliches Mitbestimmungsrecht nach § 29 PostPersRG i.V.m. § 76 Abs. 1 BPersVG, denn der Betriebsrat beantrage ganz allgemein die Feststellung, daß sein Mitbestimmungsrecht verletzt worden sei. Auch der weitere Antrag, der Arbeitgeberin aufzugeben, die Versetzung rückgängig zu machen, könne sowohl auf das Betriebsverfassungsgesetz als auch auf das Bundespersonalvertretungsgesetz gestützt sein. Allerdings läßt der Wortlaut der Anträge diese weite Auslegung zu. Das gesamte Vorbringen des Betriebsrats macht hier aber deutlich, daß es ihm nicht um ein Mitbestimmungsrecht nach § 76 Abs. 1 BPersVG geht. Er beansprucht ausschließlich ein Mitbestimmungsrecht nach § 99 BetrVG. Daß ein Mitbestimmungsrecht nach § 76 BPersVG bestehen könnte, stellt er ausdrücklich in Abrede.

Entgegen der Auffassung der Arbeitgeberin ändert hieran auch der Umstand nichts, daß der Betriebsrat ursprünglich im Unterschied zu der jetzt vertretenen Rechtsauffassung von einem Mitbestimmungsrecht nach § 76 BPersVG ausgegangen ist und unter Berufung darauf seine Zustimmung zu der streitigen Personalmaßnahme verweigert hat. Diese Zustimmungsverweigerung ist nicht Gegenstand des vorliegenden Verfahrens geworden.

II. Erfolglos wendet die Arbeitgeberin ein, der Betriebsrat habe seinen Antrag nicht auf das Mitbestimmungsrecht nach § 99 BetrVG beschränken können. Andernfalls wäre es nämlich möglich, durch willkürliche Berufung auf eine einzelne Rechtsgrundlage den Rechtsweg zu manipulieren. Die Arbeitgeberin verkennt, daß mit dem Mitbestimmungsrecht nach § 99 BetrVG ein anderer Verfahrensgegenstand angesprochen ist als mit dem Mitbestimmungsrecht nach § 76 Abs. 1 BPersVG. Es geht um zwei nach Voraussetzungen und Rechtsfolgen unterschiedliche Beteiligungsrechte und nicht lediglich um verschiedene Rechtsgrundlagen eines und desselben Anspruchs. Der Betriebsrat hat mit seinem Antrag, der auf ein Mitbestimmungsrecht nach § 99 BetrVG gerichtet ist, das Verfahren auf einen Gegenstand begrenzt, welcher in die ausschließliche Zuständigkeit der Arbeitsgerichtsbarkeit fällt.

III. Entgegen der Auffassung des erstinstanzlichen Gerichts, die sich die Arbeitgeberin zu eigen gemacht hat, kommt es für die Frage, ob der Rechtsweg zu den Gerichten für Arbeitssachen eröffnet ist, nicht darauf an, ob das vom Betriebsrat in Anspruch genommene Mitbestimmungsrecht wirklich besteht. Um eine Angelegenheit aus dem Betriebsverfassungsgesetz i.S. des § 2 a Abs. 1 Nr. 1 ArbGG geht es allein schon deshalb, weil der Betriebsrat ein Beteiligungsrecht aus dem Betriebsverfassungsgesetz geltend macht. Ob er Recht hat, wird noch zu klären sein.

Aus den Beschlüssen des Zweiten Senats vom 30. August 1993 (– 2 AZB 6/93 – AP Nr. 6 zu § 17 a GVG, zu III 3 der Gründe) und vom 28. Oktober 1993 (– 2 AZB 12/93 – AP Nr. 19 zu § 2 ArbGG 1979, zu III 2 c cc der Gründe), auf die sich die Arbeitgeberin in diesem Zusammenhang beruft, ergibt sich nichts anderes. Nach diesen Entscheidungen kann für einen Kündigungsrechtsstreit der Rechtsweg zu den Arbeitsgerichten nicht bejaht werden, solange nicht geklärt ist, ob die Kündigung überhaupt ein Arbeitsverhältnis betroffen hat. Die bloße Behauptung des Klägers reiche insoweit nicht aus. Voraussetzung für die Zulässigkeit des Rechtswegs nach § 2 Abs. 1 Nr. 3 ArbGG ist nämlich, daß die Prozeßparteien tatsächlich Arbeitgeber und Arbeitnehmer sind. Im Unterschied dazu ist der tatsächliche Bestand des in Anspruch genommenen Mitbestimmungsrechts nach dem hier maßgeblichen § 2 a Abs. 1 Nr. 1 ArbGG keine Voraussetzung für die Zulässigkeit des Rechtswegs zu den Gerichten für Arbeitssachen.

 

Unterschriften

Dieterich, Rost, Wißmann

 

Fundstellen

Dokument-Index HI1090990

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