Entscheidungsstichwort (Thema)
Versäumung der Begründungsfrist für die Nichtzulassungsbeschwerde
Leitsatz (redaktionell)
Die Frist zur Begründung einer Nichtzulassungsbeschwerde endet auch dann zwei Monate nach Zustellung der anzufechtenden Entscheidung des Landesarbeitsgerichts, wenn der Beschwerdeführer die Beschwerdefrist versäumt hat und über seinen Wiedereinsetzungsantrag bei Ablauf der Begründungsfrist noch nicht entschieden ist.
Normenkette
ArbGG §§ 92a, 72a Abs. 3
Verfahrensgang
LAG Berlin (Entscheidung vom 08.04.1988; Aktenzeichen 13 TaBV 13/87) |
ArbG Berlin (Entscheidung vom 07.10.1987; Aktenzeichen 40 BV 7/87) |
Gründe
Der Betriebsrat hat gegen den im Tenor bezeichneten und am 11. Mai 1988 zugestellten Beschluß des Landesarbeitsgerichts wegen der Nichtzulassung der Rechtsbeschwerde mit einem Schriftsatz vom 10. Juni 1988 Nichtzulassungsbeschwerde eingelegt. Die Beschwerdeschrift ist am 14. Juni 1988 beim Bundesarbeitsgericht eingegangen. Mit einem weiteren Schriftsatz vom 4. Juli 1988 hat der Betriebsrat die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Beschwerdefrist beantragt mit der Begründung, die Versäumung der Beschwerdefrist sei durch eine unregelmäßige Postbeförderung hervorgerufen worden.
Die Nichtzulassungsbeschwerde ist unzulässig. Dabei kann dahingestellt bleiben, ob dem Betriebsrat gegen die Versäumung der Beschwerdefrist die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu bewilligen wäre. Die Unzulässigkeit der Beschwerde folgt schon daraus, daß diese vom Betriebsrat nicht innerhalb der zwei Monate betragenden Frist zur Begründung der Beschwerde begründet worden ist.
Nach § 92 a in Verb. mit § 72 a Abs. 3 ArbGG ist die Nichtzulassungsbeschwerde innerhalb einer Notfrist von zwei Monaten nach Zustellung der anzufechtenden Entscheidung des Landesarbeitsgerichts zu begründen. Da die Entscheidung des Landesarbeitsgerichts dem Betriebsrat am 11. Mai 1988 zugestellt worden ist, lief die Begründungsfrist mit dem 11. Juli 1988 ab. Bis zu diesem Zeitpunkt hat der Betriebsrat die Beschwerde nicht begründet.
Für den Lauf der Begründungsfrist für die Nichtzulassungsbeschwerde ist es ohne Bedeutung, daß die Beschwerdefrist versäumt war und über den Wiedereinsetzungsantrag des Betriebsrats noch nicht entschieden worden ist. Es entspricht der ständigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs für die Begründung einer Berufung oder einer Revision, daß die Begründungsfrist auch dann mit der Einlegung des Rechtsmittels zu laufen beginnt, wenn das Rechtsmittel verspätet eingelegt wurde, und daß der Rechtsmittelführer vor der Begründung seines Rechtsmittels die Entscheidung über seinen Wiedereinsetzungsantrag nicht abwarten kann (vgl. zuletzt BGH Beschluß vom 22. April 1986, VersR 1986, 892 mit weiteren Nachweisen). Dem hat sich das Bundesarbeitsgericht für die Begründung einer Revision oder einer Rechtsbeschwerde angeschlossen (Urteil vom 18. Januar 1962 - 5 AZR 179/61 - AP Nr. 1 zu § 184 ZPO; Beschluß vom 1. August 1983 - 1 ABR 33/83 -, unveröffentlicht).
Für die Frist zur Begründung einer Nichtzulassungsbeschwerde kann nichts anderes gelten. Zwar beginnt diese nicht erst mit der Einlegung der Nichtzulassungsbeschwerde, sondern schon mit der Zustellung der anzufechtenden Entscheidung, dieser Unterschied ist jedoch ohne Bedeutung. Für den Beschwerdeführer steht der Ablauf der Begründungsfrist von vornherein fest. Er ist nicht abhängig vom Eingang der Nichtzulassungsbeschwerde beim Bundesarbeitsgericht und damit noch leichter und mit größerer Sicherheit rechtzeitig festzustellen als bei der Revision oder der Rechtsbeschwerde. Der Beschwerdeführer kann sich daher unabhängig vom Eingang der Nichtzulassungsbeschwerde beim Bundesarbeitsgericht auf die rechtzeitige Begründung der Beschwerde einstellen. Gründe der Rechtsmittelklarheit oder der Rechtssicherheit gebieten daher nicht, den Lauf der Frist zur Begründung der Nichtzulassungsbeschwerde bei verspäteter Beschwerdeeinlegung von der Entscheidung über den Antrag auf Wiedereinsetzung abhängig zu machen. Es verbleibt allein die Überlegung, daß der Beschwerdeführer die Beschwerdebegründung unter Umständen unnötigerweise fertigt, wenn seinem Antrag auf Wiedereinsetzung nicht stattgegeben und die Nichtzulassungsbeschwerde daher wegen Versäumung der Beschwerdefrist als unzulässig verworfen wird. Diese Überlegung gilt aber in gleicher Weise für die Begründung einer Berufung, einer Revision oder der Rechtsbeschwerde und ist - wie dargelegt - für den Lauf der Frist zur Begründung dieser Rechtsmittel unbeachtlich. Sie kann für die Begründung einer Nichtzulassungsbeschwerde nicht anders bewertet werden.
Dieser Entscheidung steht der Beschluß des Fünften Senats vom 19. September 1983 (BAGE 43, 297 = AP Nr. 18 zu § 72 a ArbGG 1979) nicht entgegen. In dieser Entscheidung hat der Fünfte Senat ausgesprochen, daß einer Partei unter den gesetzlichen Voraussetzungen die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Beschwerdefrist auch dann zu gewähren ist, wenn die Frist zur Begründung der Beschwerde ebenfalls versäumt wurde. Der Partei stehe in diesem Falle zur Begründung der Beschwerde eine Frist von einem Monat zur Verfügung, die mit der Zustellung des die Wiedereinsetzung bewilligenden Beschlusses beginnt. Diese Entscheidung bezieht sich lediglich auf den Fall, daß der Beschwerdeführer außerstande ist, die Kosten des Prozesses zu bestreiten, und er daher zunächst Prozeßkostenhilfe beantragt hat. In einem solchen Falle mag eine andere Beurteilung gerechtfertigt sein. Im Zeitpunkt der Bewilligung der Prozeßkostenhilfe wird regelmäßig schon sowohl die Frist zur Einlegung als auch zur Begründung der Nichtzulassungsbeschwerde abgelaufen sein. Die Partei müßte dann gegen die Versäumung dieser beiden Fristen Wiedereinsetzung in den vorigen Stand beantragen und schon im Zusammenhang mit dem Wiedereinsetzungsantrag sowohl die Beschwerde als auch die Beschwerdebegründung nachholen. Der Partei bliebe damit insgesamt nur ein Zeitraum von allenfalls zwei Wochen zur Begründung der Nichtzulassungsbeschwerde, wenn man davon ausgeht, daß sie vor der Bewilligung von Prozeßkostenhilfe dazu nicht in der Lage ist. Eine solche Verkürzung der Frist zur Begründung der Nichtzulassungsbeschwerde mag nicht gerechtfertigt sein und eine andere Lösung erfordern.
Im vorliegenden Falle wurde jedoch durch die Versäumung der Beschwerdefrist, von der der Betriebsrat ohnehin erst später durch die Mitteilung des Gerichts Kenntnis erlangte, die Begründungsfrist nicht verkürzt. Der Beschwerdeführer konnte die Begründungsfrist in voller Länge ausschöpfen. Damit fehlt es an einem Bedürfnis, die Begründungsfrist erst mit der Zustellung des Wiedereinsetzungsbeschlusses als beginnend anzunehmen, so daß sich der vorliegende Fall von der der Entscheidung des Fünften Senats zugrunde liegenden Fallgestaltung wesentlich unterscheidet.
Dr. Kissel Matthes Dr. Weller
Fundstellen
Haufe-Index 436690 |
BAGE 59, 174-177 (LT1) |
BAGE, 174 |
DB 1988, 2108-2108 (L1) |
NJW 1989, 317 |
NJW 1989, 317 (L1) |
EBE/BAG 1988, 32-32 (LT1) |
JR 1989, 220 |
NZA 1989, 150-151 (LT1) |
RdA 1988, 384 |
WM IV 1988, 1804-1805 (LT1) |
WuB, IX D. § 72a ArbGG 1.89 (KT) |
ZIP 1988, 1214 |
ZIP 1988, 1214-1215 (LT1) |
AP § 72a ArbGG 1979 (LT1), Nr 25 |
AR-Blattei, Arbeitsgerichtsbarkeit XE Entsch 67 (LT1) |
AR-Blattei, ES 160.10.5 Nr 67 (LT1) |
EzA § 72a ArbGG 1979, Nr 51 (LT1) |
MDR 1989, 98 (LT1) |