Entscheidungsstichwort (Thema)
Rechtsweg für Kostenforderung aus Beschlußverfahren
Leitsatz (redaktionell)
Parallelsache zu 7 ABR 72/88
Normenkette
ArbGG §§ 2a, 80 Abs. 1; BetrVG 1972 § 76
Verfahrensgang
Tenor
Auf die Rechtsbeschwerde des Antragstellers wird der Beschluß des Landesarbeitsgerichts Frankfurt am Main vom 17. März 1988 – 12 TaBV 92/87 – aufgehoben.
Die Sache wird zur erneuten Anhörung und Entscheidung an das Landesarbeitsgericht zurückverwiesen.
Von Rechts wegen!
Tatbestand
I.
Die Beteiligten streiten im arbeitsgerichtlichen Beschlußverfahren über das Begehren des Antragstellers, die beteiligte Arbeitgeberin möge ihm die Rechtsanwaltskosten erstatten, die ihm in einem arbeitsgerichtlichen Beschlußverfahren zur Durchsetzung seiner Honorarforderung als Beisitzer einer bei der Arbeitgeberin gebildeten Einigungsstelle entstanden sind.
Der Antragsteller ist Gewerkschaftssekretär und war vom Beteiligten zu 3), dem bei der Arbeitgeberin bestehenden Betriebsrat, zum Beisitzer einer Einigungsstelle bestellt worden. Da die Arbeitgeberin die Zahlung des ihm vom Betriebsrat zugesagten Honorars in Höhe von 3.500,– DM verweigerte, leiteten die Verfahrensbevollmächtigten des Antragstellers in dessen Namen beim Arbeitsgericht ein Beschlußverfahren mit dem Antrag ein, die Arbeitgeberin zu verpflichten, an den Antragsteller 3.500,– DM nebst 4 % Zinsen seit dem 3. April 1986 zu zahlen. Das Arbeitsgericht gab dem Antrag statt; ihre hiergegen gerichtete Beschwerde nahm die Arbeitgeberin zurück. Für die Vertretung in diesem Verfahren wurden dem Antragsteller von seinen Verfahrensbevollmächtigten mit Kostennote vom 11. September 1986 485,64 DM in Rechnung gestellt.
Im vorliegenden Beschlußverfahren verlangt der Antragsteller von der Arbeitgeberin, diesen Betrag für seine Rechnung an seine Verfahrensbevollmächtigten zu bezahlen. Er vertritt die Auffassung, ihm stehe ein aus dem Betriebsverfassungsrecht abzuleitender und daher im Beschlußverfahren durchzusetzender Anspruch auf Erstattung dieser Kosten zu.
Der Antragsteller hat beantragt,
die Arbeitgeberin zu verpflichten, für Rechnung des Antragstellers 485,64 DM nebst 4 % Zinsen seit Eintritt der Rechtshängigkeit (28. November 1986) an die Rechtsanwälte F zu zahlen.
Die Arbeitgeberin hat beantragt, den Antrag zurückzuweisen. Sie vertritt im wesentlichen die Auffassung, für den Erstattungsanspruch des Antragstellers gebe es keine Rechtsgrundlage. Jedenfalls aber mache der Antragsteller einen allgemeinen zivilrechtlichen Anspruch geltend, so daß für dessen Durchsetzung das arbeitsgerichtliche Beschlußverfahren nicht in Betracht komme.
Das Arbeitsgericht hat dem Antrag des Antragstellers stattgegeben. Auf die Beschwerde der Arbeitgeberin hat das Landesarbeitsgericht den Antrag als unzulässig abgewiesen. Mit der vom Landesarbeitsgericht zugelassenen Rechtsbeschwerde begehrt der Antragsteller die Wiederherstellung des erstinstanzlichen Beschlusses. Die Arbeitgeberin beantragt, die Rechtsbeschwerde zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
II.
Die Rechtsbeschwerde des Antragstellers ist begründet. Sie führt zur Aufhebung des angefochtenen Beschlusses und zur Zurückverweisung der Sache an das Landesarbeitsgericht.
Das Landesarbeitsgericht hat den Antrag des Antragstellers als unzulässig angesehen und daher ohne Sachprüfung abgewiesen. Die Unzulässigkeit hat es zum einen damit begründet, daß für den geltend gemachten Anspruch die ausschließliche Zuständigkeit der Arbeitsgerichte im Beschlußverfahren nach Maßgabe des § 2 a Abs. 1 Nr. 1 in Verbindung mit Abs. 2 ArbGG nicht gegeben sei. Zum anderen hat es den Antrag auch deshalb für unzulässig gehalten, weil dem Antragsteller die Antragsbefugnis fehle.
Das Landesarbeitsgericht durfte den Antrag jedenfalls aus diesen Gründen nicht als unzulässig abweisen.
1. Für die Entscheidung der vorliegenden Streitigkeit sind die Gerichte für Arbeitssachen im arbeitsgerichtlichen Beschlußverfahren ausschließlich zuständig (§ 2 a Abs. 1 Nr. 1, Abs. 2, § 80 Abs. 1 ArbGG). Denn es handelt sich um eine „Angelegenheit aus dem Betriebsverfassungsgesetz” im Sinne des § 2 a Abs. 1 Nr. 1 ArbGG; eine Maßnahme nach den §§ 119 bis 121 BetrVG steht nicht in Frage.
Für die Auslegung des Begriffs „Angelegenheiten aus dem Betriebsverfassungsgesetz” in § 2 a Abs. 1 Nr. 1 ArbGG kommt es, was das Landesarbeitsgericht nicht hinreichend beachtet, nicht in erster Linie darauf an, wie die Bereiche des Urteils- und des Beschlußverfahrens gegeneinander abzugrenzen sind. Maßgebend ist vielmehr, daß der Gesetzgeber mit diesem Begriff vorrangig den Zweck verfolgt, den Rechtsweg zu den Gerichten für Arbeitssachen und insbesondere ihre ausschließliche Zuständigkeit im Verhältnis zur Zivilgerichtsbarkeit zu erweitern. Ohne § 2 a Abs. 1 Nr. 1 ArbGG wäre die vorliegende Streitigkeit nicht etwa im arbeitsgerichtlichen Urteilsverfahren, sondern vor den Zivilgerichten auszutragen, da der Antragsteller weder Arbeitnehmer der Arbeitgeberin ist noch zu den sonstigen in § 2 ArbGG genannten Personen gehört.
Unter diesem Blickwinkel der Zuständigkeitsabgrenzung wird deutlich, daß im Entscheidungsfalle der Rechtsweg zu den Gerichten für Arbeitssachen gegeben ist. Maßgeblich für die Rechtswegzuweisung ist auch sonst nicht die unmittelbar anspruchsbegründende Norm, zumal – wie gerade der vorliegende Streitfall zeigt – zweifelhaft sein kann, ob sich überhaupt eine Anspruchsgrundlage finden läßt. Vielmehr wird allgemein auf die wahre Natur des die Beteiligten verbindenden Rechtsverhältnisses abgestellt, wobei der Tatsachenvortrag des Antragstellers zugrundezulegen ist (vgl. z.B. BGHZ 67, 81, 84; 71, 180, 181; 72, 56, 57; Baumbach/Lauterbach/Albers/Hartmann, ZPO, 47. Aufl., § 13 GVG Anm. 3, m.w.N.).
Dieses Rechtsverhältnis folgt im Entscheidungsfalle unmittelbar und ausschließlich aus dem BetrVG. Der unternehmensfremde Antragsteller macht gegen die beteiligte Arbeitgeberin Ansprüche geltend, weil er Mitglied einer bei ihr bestehenden Einigungsstelle war. Nur durch diese, dem Betriebsverfassungsrecht zugehörende und ausschließlich im Betriebsverfassungsgesetz geregelte Institution Einigungsstelle ist es überhaupt zu Rechtsbeziehungen zwischen den Beteiligten gekommen; unmittelbar durch seine vom Betriebsrat vorgenommene Bestellung zum Beisitzer der Einigungsstelle ist der Antragsteller in eine betriebsverfassungsrechtliche Rechtsbeziehung zum Unternehmer getreten (gefestigte Rechtsprechung; vgl. z.B. BAG Beschlüsse vom 13. Januar 1981 – 6 ABR 106/78 –, vom 31. Juli 1986 – 6 ABR 79/83 – und vom 14. Dezember 1988 – 7 ABR 73/87 – AP Nr. 8, 19 und 30 zu § 76 BetrVG 1972). Wenn es also für den Klageanspruch überhaupt eine Rechtsgrundlage gibt, ist sie Teil dieses die Beteiligten verbindenden und letztlich im BetrVG geregelten Rechtsverhältnisses. Die Frage, ob und ggf. mit welchem Inhalt es diese Anspruchsgrundlage gibt, ist daher eine Angelegenheit aus dem BetrVG.
2. Zu Unrecht hat das Landesarbeitsgericht die Abweisung des Antrags als unzulässig auch darauf gestützt, daß dem Antragsteller die Antragsbefugnis fehle.
Im Entscheidungsfalle bedurfte die Antragsbefugnis bereits deshalb keiner gesonderten Prüfung, weil sich der Antragsteller eines eigenen Leistungsanspruchs berühmt und schon nicht ersichtlich ist, wem sonst als dem Antragsteller eine alleinige (d.h. das Antragsrecht des Antragstellers verdrängende) Befugnis zustehen sollte, die streitgegenständliche Forderung – ihr Bestehen unterstellt – vor Gericht geltend zu machen (zur teilweise anders gelagerten – weil auch das Feststellungsinteresse berührenden – Problematik bei Feststellungsanträgen vgl. BAGE 53, 279, 283 f. = AP Nr. 6 zu § 47 BetrVG 1972, zu B II 2 der Gründe, m.w.N.). Insoweit weist das arbeitsgerichtliche Beschlußverfahren keinen Unterschied zum Zivilprozeß auf. Ebensowenig wie dort die Klagebefugnis geprüft wird, wenn sich der Kläger eines eigenen Anspruchs gegen den Beklagten berühmt, erscheint bei vergleichbaren Leistungsanträgen im Beschlußverfahren eine Prüfung der Antragsbefugnis geboten. Ob dem Antragsteller die streitgegenständliche Forderung zusteht, ist allein eine Frage der Begründetheit.
III. Der Senat ist nicht in der Lage, in der Sache durchzuerkennen. Hierzu bedarf es noch tatsächlicher Feststellungen, die das Landesarbeitsgericht auf der Grundlage seiner Rechtsansicht folgerichtig nicht getroffen hat und die in der Rechtsbeschwerdeinstanz nicht getroffen werden können.
Gemäß § 96 Abs. 1 Satz 2 ArbGG gelten für den dritten Rechtszug des arbeitsgerichtlichen Beschlußverfahrens u.a. die §§ 564 und 565 ZPO entsprechend. Gemäß § 565 Abs. 3 Nr. 1 ZPO kann das Revisionsgericht, anstatt gemäß § 565 Abs. 1 Satz 1 ZPO den Rechtsstreit an das Berufungsgericht zurückzuverweisen, dann in der Sache selbst entscheiden, wenn die Aufhebung des Urteils nur wegen Gesetzesverletzung bei Anwendung des Gesetzes auf das festgestellte Sachverhältnis erfolgt und nach letzterem die Sache zur Entscheidung reif ist.
Diese Voraussetzungen liegen im Entscheidungsfalle nicht vor. Zunächst fehlt es bereits an einem festgestellten Sachverhältnis im Sinne des § 565 Abs. 3 Nr. 1 ZPO, da das Landesarbeitsgericht den Antrag bereits als unzulässig abgewiesen und daher tatsächliche Feststellungen allenfalls in diesem Rahmen getroffen hat. Mangels hinreichender tatsächlicher Feststellungen ist daher die Sache auch nicht zur Endentscheidung reif. Überdies entspricht es ständiger Rechtsprechung, daß der Rechtsstreit regelmäßig an das Berufungsgericht zurückzuverweisen ist, wenn das Berufungsurteil die Klage als unzulässig abgewiesen hatte, das Revisionsgericht sie aber jedenfalls nicht aus diesem Grunde für unzulässig hält (vgl. z.B. BGHZ 11, 222; 46, 281; Baumbach/Lauterbach/Albers/Hartmann, ZPO, 47. Aufl., § 565 Anm. 3; Thomas/Putzo, ZPO, 15. Aufl., § 565 Anm. 1; BAG Beschluß vom 8. Februar 1989 – 7 ABR 83/86 – n.v.).
Der Senat sieht sich auch nicht in der Lage, nähere Hinweise zur künftigen weiteren Sachbehandlung durch das Landesarbeitsgericht zu geben. Insoweit fehlt bereits jeder Ansatzpunkt, in dem der Senat den angefochtenen Beschluß überprüfen könnte. Da sich das Landesarbeitsgericht mit der Sache selbst auch noch nicht ansatzweise befaßt hat, liefen alle Erwägungen des Senats auf eine reine gutachterliche Stellungnahme hinaus. Es kommt hinzu, daß diese Stellungnahme eine gesetzliche Ausgangslage beträfe, die heute bereits nicht mehr gilt. Denn am 1. Januar 1989 ist der (für den Entscheidungsfall noch nicht einschlägige) § 76 a BetrVG in Kraft getreten, um dessen Auslegung es künftig bei der Fragestellung gehen wird, was zu den „Kosten der Einigungsstelle”, die der Arbeitgeber zu tragen hat, gehört.
Unterschriften
Dr. Becker, Schliemann, Dr. Steckhan, Dr. Scholz, Metzinger
Fundstellen