Entscheidungsstichwort (Thema)
Bindung an Verweisungsbeschluß
Normenkette
ZPO § 36 Nr. 6; ArbGG n.F. § 48 Abs. 1; GVG § 17a Abs. 2; GVG n.F. § 17a Abs. 4, § 17b Abs. 1
Verfahrensgang
ArbG Hagen (Westfalen) (Beschluss vom 04.08.1994; Aktenzeichen 2 Ca 360/94) |
Tenor
Als zuständiges Gericht wird das Arbeitsgericht Duisburg bestimmt.
Tatbestand
I. Die in Duisburg-Meiderich wohnende Beklagte war im Haushalt der Klägerin in Hagen beschäftigt. Mit der vorliegenden Klage macht die Klägerin unter Berufung auf eine schriftliche Erklärung der Beklagten die Rückzahlung eines Betrages in Höhe von 5.000,00 DM geltend. Sie erhob Klage vor dem Amtsgericht Duisburg. Dieses erklärte sich durch am 25. März 1994 verkündeten Beschluß für sachlich unzuständig und verwies den Rechtsstreit auf den hilfsweise von der Klägerin gestellten Antrag an das Arbeitsgericht Duisburg. Nunmehr beantragte die Klägerin Verweisung an das Arbeitsgericht Hagen. Durch Kammerbeschluß vom 25. Mai 1994 erklärte sich das Arbeitsgericht Duisburg für örtlich unzuständig und verwies den Rechtsstreit an das Arbeitsgericht Hagen. Dieses hat sich ebenfalls für örtlich unzuständig erklärt und den Rechtsstreit dem Bundesarbeitsgericht zum Zwecke der Bestimmung des örtlich zuständigen Arbeitsgerichts nach § 36 Nr. 6 ZPO vorgelegt.
Entscheidungsgründe
II. Zuständig ist das Arbeitsgericht Duisburg; dessen Verweisungsbeschluß ist nicht bindend.
1. Die Voraussetzungen für die Durchführung des Bestimmungsverfahrens nach § 36 Nr. 6 ZPO sind erfüllt. Die Arbeitsgerichte Duisburg und Hagen haben sich rechtskräftig für unzuständig erklärt, ersteres durch formell unanfechtbaren Beschluß vom 25. Mai 1994, letzteres durch Beschluß vom 4. August 1994, der als Rückverweisung anzusehen ist.
2. Der (erste) Verweisungsbeschluß des Amtsgerichts Duisburg ist rechtskräftig und hinsichtlich des Rechtsweges bindend. Es geht also nur noch um die Frage der örtlichen Zuständigkeit. Es ist dem Senat verwehrt, das Amtsgericht Duisburg als zuständiges Gericht zu bestimmen.
a) Verweisungsbeschlüsse nach § 17 a GVG n.F. sind förmlich zuzustellen (§ 329 Abs. 3 ZPO). Das abgebende Gericht darf die Akte nicht vor Rechtskraft des Verweisungsbeschlusses an das Gericht, an das der Rechtsstreit verwiesen worden ist, übersenden (§ 17 b Abs. 1 GVG n.F.). Bei unterbliebener Zustellung von Verweisungsbeschlüssen ordentlicher Gerichte sind aber die §§ 516, 552 ZPO entsprechend anzuwenden. Die Frist zur Einlegung der sofortigen Beschwerde beginnt dann fünf Monate nach der Verkündung oder – bei nicht verkündeten Beschlüssen – fünf Monate nach der formlosen Mitteilung des Verweisungsbeschlusses. Das hat der Senat mit ausführlicher Begründung in seinem auch zur Veröffentlichung in der Amtlichen Sammlung bestimmten Beschluß vom 1. Juli 1992 (– 5 AS 4/92 – AP Nr. 39 zu § 36 ZPO = EzA § 17 a GVG Nr. 1, auch zur Veröffentlichung in der Amtlichen Sammlung des Gerichts vorgesehen) dargelegt. Hierauf wird verwiesen.
Vor Rechtskraft des Verweisungsbeschlusses kommt daher eine endgültige Bestimmung des zuständigen Gerichts durch das Bundesarbeitsgericht nicht in Betracht. Vielmehr hat sich das Bundesarbeitsgericht in derartigen Fällen auf die Klarstellung zu beschränken, daß der Rechtsstreit wegen fehlender Rechtskraft noch immer vor dem verweisenden Gericht anhängig ist (BAG Beschluß vom 22. Februar 1993 – 5 AS 4/93 – n.v.).
b) Für den vorliegenden Fall ergibt sich daraus folgendes: Der Verweisungsbeschluß des Amtsgericht Duisburg ist den Parteien zu keiner Zeit vom Gericht zugestellt worden. Eine Heilung dieses Mangels kommt nicht in Betracht (§ 187 Satz 2 ZPO). Das Amtsgericht durfte daher die Akten dem Arbeitsgericht Duisburg weder sofort nach der Beschlußfassung noch später übersenden. Es hätte vielmehr seinen Beschluß begründen und die Zustellung veranlassen müssen. Erst nach Ablauf der Beschwerdefrist hätte es die Akten übersenden dürfen.
Inzwischen ist aber durch Zeitablauf Rechtskraft eingetreten. Der Beschluß wurde am 25. März 1994 verkündet, aber nicht zugestellt. Die Frist zur Einlegung der sofortigen Beschwerde begann daher am 25. August 1994; sie lief also im September 1994 ab. Wie sich bereits aus den §§ 516, 522 ZPO ergibt, wonach die Rechtsmittelfrist spätestens mit dem Ablauf von fünf Monaten beginnt, hindert die fehlende Begründung den Eintritt der Rechtskraft nicht.
3. a) Rechtskräftige Verweisungsbeschlüsse sind für das Gericht, an das der Rechtsstreit verwiesen worden ist, bindend. Dies ergibt sich aus § 48 Abs. 1 ArbGG n.F., § 17 a Abs. 2 Satz 3 GVG n.F.. Die bindende Wirkung ist nach ständiger Rechtsprechung des Senats auch im Bestimmungsverfahren des § 36 Nr. 6 ZPO zu beachten (vgl. statt vieler: BAG Beschluß vom 11. Januar 1982 – 5 AR 221/81 – AP Nr. 27 zu § 36 ZPO; BAG Beschluß vom 3. November 1993 – 5 AS 20/93 – zur Veröffentlichung in der Fachpresse vorgesehen). Nur so kann der Zweck des § 17 a Abs. 2 Satz 3 GVG n.F. erreicht werden, unnötige und zu Lasten der Parteien gehende Zuständigkeitsstreitigkeiten zu vermeiden. Das bedeutet: Es ist das Gericht als zuständig zu bestimmen, an das die Sache durch den ersten Verweisungsbeschluß gelangt ist, es sei denn, dieser ist ausnahmsweise nicht bindend. In diesem Fall ist dasjenige Gericht als zuständig zu bestimmen, an das die Sache durch den zweiten Verweisungsbeschluß gelangt ist, es sei denn, (auch) dieser ist ausnahmsweise nicht bindend.
Auch fehlerhafte Verweisungsbeschlüsse sind grundsätzlich bindend. Lediglich eine offensichtlich gesetzwidrige Verweisung kann diese Bindungswirkung nicht entfalten (BAG Beschluß vom 29. September 1976 – 5 AZR 232/76 – AP Nr. 20 zu § 36 ZPO, zu II 2 der Gründe; zum neuen Recht Beschluß vom 1. Juli 1992, a.a.O.; Zöller/Vollkommer, ZPO, 18. Aufl., § 36 Rz 25, 28; einschränkend zum neuen Recht Zöller/Gummer, a.a.O., GVG § 17 a Rz 13). Offensichtlich gesetzwidrig ist ein Verweisungsbeschluß dann, wenn er jeder Rechtsgrundlage entbehrt, willkürlich gefaßt ist oder auf der Versagung rechtlichen Gehörs gegenüber den Verfahrensbeteiligten oder einem von ihnen beruht (BAG Beschluß vom 1. Juli 1992 – 5 AS 4/92 –, a.a.O., zu II 3 a der Gründe; BGHZ 71, 69, 72 f. = NJW 1978, 1163, 1164).
Allerdings ist anerkannt, daß das Gericht, an das der Rechtsstreit von einem Gericht eines anderen Rechtsweges verwiesen worden ist, wegen örtlicher Unzuständigkeit innerhalb „seines” Rechtsweges weiter verweisen kann (vgl. zuletzt BAG Beschluß vom 14. Januar 1994 – 5 AS 22/93 – zur Veröffentlichung in der Fachpresse vorgesehen). Der Beschluß, der wegen örtlicher Unzuständigkeit weiterverweist, ist seinerseits nach § 48 Abs. 1 ArbGG n.F., § 17 a Abs. 2 Satz 3 GVG n.F. bindend, es sei denn, es liege – ausnahmsweise – eine offenbare Gesetzwidrigkeit vor. Um einen solchen Ausnahmefall handelt es sich hier.
b) § 17 a Abs. 2 Satz 1 GVG bestimmt, daß der Rechtsstreit „an das zuständige Gericht des zulässigen Rechtswegs” zu verweisen ist. § 17 a Abs. 2 Satz 2 GVG lautet: „Sind mehrere Gerichte zuständig, wird an das vom Kläger oder Antragsteller auszuwählende Gericht verwiesen oder, wenn die Wahl unterbleibt, an das vom Gericht bestimmte”. Setzt sich das Gericht, an das zunächst verwiesen worden ist, über die vom Kläger unter mehreren zuständigen Gerichten getroffene Wahl oder die Bestimmung durch das verweisende Gericht willkürlich hinweg, so ist der weiterverweisende Beschluß nicht bindend (BAG Beschluß vom 14. Januar 1994 – 5 AS 22/93 – zur Veröffentlichung in der Fachpresse vorgesehen). Das gilt auch dann, wenn der Kläger seine Auffassung ändert und nach dem ersten Verweisungsbeschluß die Weiterverweisung an ein anderes Arbeitsgericht beantragt.
Im Streitfall hatte die Klägerin Verweisung an das Arbeitsgericht Duisburg beantragt. Dieses ist – wie es selbst nicht verkennt – nach § 12 ZPO zuständig. Warum sich aus der Tatsache, daß der Verweisungsantrag nur hilfsweise gestellt wurde, ergeben soll, daß die Klägerin ihr Wahlrecht nach § 35 ZPO nicht ausgeübt hat, ist für den Senat nicht nachvollziehbar.
Daher ist dasjenige Gericht als zuständig zu bestimmen, an das die Sache durch den späteren Verweisungsbeschluß, also den des Arbeitsgerichts Hagen, gelangt ist. Das ist das Arbeitsgericht Duisburg.
Unterschriften
Griebeling, Schliemannn, Dr. Reinecke
Fundstellen