Entscheidungsstichwort (Thema)
Zulässigkeit von Punktsystemen bei Auswahlrichtlinien für Versetzungen. Ermessensüberschreitung durch Einigungsstelle
Leitsatz (amtlich)
Die Einigungsstelle kann bei der Aufstellung von Auswahlrichtlinien für Versetzungen nach § 95 BetrVG eine Bewertung in Form eines Punktsystems beschließen. Dabei muß dem Arbeitgeber ein Entscheidungsspielraum verbleiben. Dieser muß umso größer sein, desto weniger differenziert das Punktsystem ausgestaltet ist.
Ein Einigungsstellenspruch, der ohne nähere Differenzierung nach Art der Versetzung und der Arbeitsbereiche generell den Kriterien “erworbene Grundqualifikation” und “Dauer der bisherigen beruflichen Tätigkeit” gegenüber Kriterien wie “aktuelle Leistungsbeurteilung” punktmäßig ein deutliches Übergewicht gibt, ohne dem Arbeitgeber eine ausreichende Möglichkeit zur Berücksichtigung persönlicher oder arbeitsplatzspezifischer Besonderheiten einzuräumen, ist ermessensfehlerhaft.
- Der Betriebsrat hat kein erzwingbares Mitbestimmungsrecht hinsichtlich Form und Inhalt von Stellenausschreibungen.
Normenkette
BetrVG §§ 95, 93, 76
Verfahrensgang
LAG Hamm (Beschluss vom 24.09.1991; Aktenzeichen 13 TaBV 56/91) |
ArbG Gelsenkirchen (Beschluss vom 05.03.1991; Aktenzeichen 2 BV 86/90) |
Tenor
Auf die Rechtsbeschwerde des Arbeitgebers wird der Beschluß des Landesarbeitsgerichts Hamm vom 24. September 1991 – 13 TaBV 56/91 – aufgehoben, soweit er die Beschwerde zurückgewiesen hat.
Auf die Beschwerde des Arbeitgebers wird der Beschluß des Arbeitsgerichts Gelsenkirchen vom 5. März 1991 – 2 BV 86/90 – weiter abgeändert.
Es wird festgestellt, daß die auf dem Spruch der Einigungsstelle vom 29. November 1990 beruhende Betriebsvereinbarung betreffend die Auswahl und das Verfahren bei betrieblichen Versetzungen insgesamt rechtsunwirksam ist.
Die Anschlußrechtsbeschwerde des Betriebsrats wird zurückgewiesen.
Von Rechts wegen!
Tatbestand
A. Die Beteiligten streiten über die Wirksamkeit eines Einigungsstellenspruchs betreffend Stellenausschreibungen sowie Auswahlrichtlinien bei Versetzungen.
Der Arbeitgeber beschäftigt in seinem Werk S… ca. 3000 Arbeitnehmer. Zwischen ihm und dem in S… gewählten Betriebsrat bestanden Meinungsverschiedenheiten über die Gestaltung von Auswahlrichtlinien bei Versetzungen, insbesondere bei Versetzungen auf einen höherwertigen Arbeitsplatz (Beförderungen). Im Rahmen eines Rechtsstreits vereinbarten die Beteiligten vergleichsweise die Durchführung eines Einigungsstellenverfahrens wegen einer abzuschließenden Betriebsvereinbarung über “Auswahlkriterien bei Versetzungen im Betrieb”.
Die Einigungsstelle begann ihre Tätigkeit am 24. September 1990. Beide Seiten legten Entwürfe einer Betriebsvereinbarung vor, über die jedoch keine Einigkeit erzielt werden konnte.
In ihrer Sitzung am 29. November 1990 fällte die Einigungsstelle im zweiten Abstimmungsgang mit den Stimmen der vom Betriebsrat benannten Beisitzer sowie der Stimme des Vorsitzenden einen Spruch. Dessen §§ 4, 5 lauten:
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Stellenausschreibung
Das Versetzungsverfahren wird durch eine innerbetriebliche Stellenausschreibung eröffnet.
Sie soll gewährleisten, daß jeder Mitarbeiter frühzeitig umfassend und in gleicher Weise über freie bzw. frei werdende Stellen informiert und ihm die Chance gegeben wird, sich eine etwaige Bewerbung reiflich zu überlegen und durch seine Bewerbung auf die Besetzung dieser Stelle Einfluß zu nehmen.
Sie soll ferner die frühzeitige und umfassende Information und Beteiligung der Betriebsräte sichern.
Der Arbeitgeber ist berechtigt, gezielt einzelne Mitarbeiter zur Bewerbung aufzufordern. Der Arbeitgeber ist nicht berechtigt, auf Mitarbeiter, die eine Bewerbungsabsicht geäußert oder sich bereits beworben haben, Einfluß dahingehend auszuüben oder ausüben zu lassen, sich nicht zu bewerben oder eine Bewerbung zurückzuziehen.
Die Ausschreibung jeder Stelle muß schriftlich erfolgen und folgende Angaben enthalten:
- die Tätigkeitsbezeichnung;
- die Abteilung/den Bereich;
- die Beschreibung des Aufgabengebietes in allen wesentlichen Gesichtspunkten;
- die fachlichen Voraussetzungen in Übereinstimmung mit den tariflichen und/oder betrieblichen Bestimmungen einschließlich der vorzulegenden Zeugnisse und anderen Urkunden sowie die geforderte Erfahrung in der ausgeschriebenen oder in einer anderen Tätigkeit;
- die Bestimmung des Einsatzbeginns;
- die Eingruppierung/Einstufung;
- die Stelle, an die die Bewerbung zu richten ist;
- die Dauer des Aushangs nach Anfangs- und Endtermin;
- das Ende der Bewerbungsfrist.
Die Stellenausschreibung ist regelmäßig 8 Wochen vor dem vorgesehenen Einsatz auf der ausgeschriebenen Stelle auszuhängen. Die Aushängefrist beträgt 4 Wochen. Die Orte der Aushänge sind die Schwarzen Bretter.
Kann die Frist gemäß Abs. 1 wegen der Eilbedürftigkeit der Versetzung nicht eingehalten werden, dann muß die Ausschreibung unverzüglich nach Kenntniserlangung des Arbeitgebers von der Notwendigkeit der Stellenbesetzung erfolgen.
- Es werden nur solche Bewerbungen berücksichtigt, welche innerhalb der Bewerbungsfrist bei der Personalabteilung eingehen. Ist diese der Ansicht, daß kein Bewerber die fachlichen oder persönlichen Voraussetzungen erfüllt, hat sie dies dem Betriebsrat binnen zwei Wochen nach Ende der Bewerbungsfrist mitzuteilen. Ihre Rechte, ein neues Ausschreibungsverfahren in die Wege zu leiten, bleiben unberührt.
§ 5
Auswahl bei Versetzungen
Dieser Spruch wurde dem Arbeitgeber am 7. Dezember 1990 zugeleitet. Mit seinem am 20. Dezember 1990 beim Arbeitsgericht eingegangenen Antrag begehrt der Arbeitgeber die Feststellung der Unwirksamkeit des Einigungsstellenspruchs.
Der Arbeitgeber hat die Auffassung vertreten, der Spruch verletze geltendes Recht, soweit er in § 4 eine Regelung über Form und Inhalt von Stellenausschreibungen enthalte. Die Einigungsstelle habe zum einen hierzu keine Kompetenz gehabt, da sie nur zur Regelung von Auswahlrichtlinien bei Versetzungen berufen worden sei. Unabhängig davon stehe dem Betriebsrat gem. § 93 BetrVG ein erzwingbares Mitbestimmungsrecht hinsichtlich Form und Inhalt von Stellenausschreibungen nicht zu; er könne nur die Ausschreibung als solche verlangen. Er, der Arbeitgeber, habe insoweit auch nicht einem freiwilligen Einigungsstellenverfahren zugestimmt.
Der Spruch sei aber auch unwirksam hinsichtlich der in § 5 getroffenen Auswahlrichtlinien. Es handele sich bei dem beschlossenen Punktsystem nicht mehr um eine Richtlinie, da es keinen Spielraum für eine Entscheidung belasse. Durch die starre Festlegung sei das Auswahlermessen auf Null reduziert. Insoweit liege ein Rechtsverstoß vor.
Die Einigungsstelle habe aber auch den ihr zustehenden Ermessensspielraum überschritten, indem sie die betrieblichen Belange völlig unzureichend berücksichtigt habe. Der Schwerpunkt der Auswahl liege letztlich auf der Betriebszugehörigkeit. Allein aus dieser und dem ursprünglichen Qualifikationsnachweis könnten maximal 64 Wertungseinheiten (WE) von 109 (114) möglichen erreicht werden, dagegen nur maximal 35 (36) WE aus aktuellen Leistungsmerkmalen. Hiervon seien nur 13 bezogen auf den künftigen Arbeitsplatz. Schon dies zeige eine völlig einseitige Bevorzugung der Faktoren Betriebszugehörigkeit und ursprüngliche Qualifikation.
Ermessenswidrig sei es auch, den Qualifikationsnachweisen unabhängig von ihrem Alter die gleiche Punktzahl zuzuweisen. Auch die Bewertung der aktuellen Leistungsbeurteilung sei fehlerhaft. Während die auf den bisherigen Arbeitsplatz verweisenden Komponenten Arbeitseffektivität und Arbeitsqualität mit maximal 16 Punkten berücksichtigt werden könnten, würden die gerade für Beförderungen aussagekräftigen Komponenten Selbständigkeit und Initiative sowie Vielseitigkeit mit maximal 6 Punkten bewertet.
Insgesamt sei die Regelung unausgewogen und lasse die Interessen des Arbeitgebers außer acht. Die Möglichkeit der Vergabe von 10 bzw. 15 Zusatzpunkten schaffe in keiner Weise einen angemessenen Ausgleich.
Die Regelung sei auch unvollständig, da sie auf AT-Angestellte nicht anwendbar sei.
Der Arbeitgeber hat beantragt
festzustellen, daß die auf dem Spruch der Einigungsstelle vom 29. November 1990 beruhende Betriebsvereinbarung betreffend die Auswahl und das Verfahren bei betrieblichen Versetzungen rechtsunwirksam ist.
Der Betriebsrat hat beantragt, den Antrag zurückzuweisen.
Er hat die Auffassung vertreten, ihm stehe ein erzwingbares Mitbestimmungsrecht auch hinsichtlich Form und Inhalt von Stellenausschreibungen zu. Jedenfalls sei die Regelung insoweit als freiwillige Betriebsvereinbarung möglich. Der Arbeitgeber habe seine Zustimmung hierzu konkludent erteilt, indem er über diesen Regelungsgegenstand verhandelt und selbst Vorschläge gemacht habe.
Auch § 5 des Einigungsstellenspruchs sei nicht zu beanstanden. Das Ermessen des Arbeitgebers sei nicht auf Null reduziert. Dies gelte schon deshalb, weil er die fachlichen Voraussetzungen festlege. Er habe ein Ermessen auch bei der Leistungsbeurteilung und bei Erstellung der Potentialanalyse. Hinzu komme die Möglichkeit der Vergabe von Zusatzpunkten.
Die Berücksichtigung der ursprünglichen Qualifikationsnachweise sei unabhängig von deren Alter ebenso sachgerecht wie die Berücksichtigung der Dauer der einschlägigen beruflichen Tätigkeiten. Die Richtlinien könnten ohne weiteres auch bei Versetzungen von AT-Angestellten angewandt werden.
Das Arbeitsgericht hat den Antrag zurückgewiesen. Das Landesarbeitsgericht hat auf die Beschwerde des Arbeitgebers die Unwirksamkeit von § 4 des Einigungsstellenspruchs festgestellt, im übrigen hat es die Beschwerde zurückgewiesen. Gegen diese Entscheidung haben sowohl der Betriebsrat wie auch der Arbeitgeber die vom Landesarbeitsgericht zugelassene Rechtsbeschwerde eingelegt. Der Betriebsrat verlangt die Wiederherstellung des den Antrag insgesamt zurückweisenden Beschlusses des Arbeitsgerichts. Der Arbeitgeber begehrt die Feststellung der gänzlichen Unwirksamkeit des Spruchs.
Entscheidungsgründe
B. Die Rechtsbeschwerde des Betriebsrats ist unbegründet.
I. Der Antrag des Arbeitgebers ist zulässig. Es entspricht der ständigen Senatsrechtsprechung, Angriffe gegen den Spruch einer Einigungsstelle in der Weise zur Entscheidung der Arbeitsgerichte zu stellen, daß die Feststellung der Unwirksamkeit des Spruchs beantragt wird (vgl. BAGE 40, 107 = AP Nr. 8 zu § 87 BetrVG 1972 Arbeitszeit; BAGE 51, 217 = AP Nr. 14 zu § 87 BetrVG 1972 Überwachung).
II. Das Landesarbeitsgericht hat zu Recht die Unwirksamkeit von § 4 des Einigungsstellenspruchs festgestellt. Dem Betriebsrat steht ein erzwingbares Mitbestimmungsrecht hinsichtlich Form und Inhalt von Stellenausschreibungen nicht zu.
1. Es kann dahingestellt bleiben, ob die Regelung über Stellenausschreibungen nicht schon deshalb unwirksam ist, weil die Einigungsstelle für eine derartige Regelung nicht angerufen war, wie der Arbeitgeber rügt.
Richtig ist, daß die Einigungsstelle gebildet wurde wegen einer abzuschließenden Betriebsvereinbarung über Auswahlkriterien bei Versetzungen im Betrieb. Dieser § 95 BetrVG entsprechende Verfahrensgegenstand erfaßt nicht zwingend auch Regelungen über Stellenausschreibungen gem. § 93 BetrVG.
Immerhin ist die Einigungsstelle nicht an die gestellten Anträge gebunden. Sie hat vielmehr eine vollständige Lösung des zwischen den Betriebsparteien entstandenen Konfliktes zu versuchen. Dabei darf sie allerdings eine Angelegenheit nur insoweit regeln, als diese unter den Betriebsparteien streitig ist und diese Regelungsstreitigkeit in den Anträgen Ausdruck findet (vgl. BAGE 64, 117 = AP Nr. 41 zu § 87 BetrVG 1972 Lohngestaltung; Fitting/Auffarth/Kaiser/Heither, BetrVG, 17. Aufl., § 76 Rz 32). Änderungen oder Erweiterungen des Regelungsgegenstandes sind nur mit Einverständnis beider Betriebsparteien möglich (Fitting/Auffarth/Kaiser/Heither, aaO; Behrens, NZA 1991, Beil. 2, S. 23, 26).
2. Die Einigungsstelle war nicht zur Entscheidung auch über Form und Inhalt von Stellenausschreibungen befugt.
a) Das Landesarbeitsgericht hat zu Recht angenommen, insoweit bestehe kein erzwingbares Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats. Gem. § 93 BetrVG kann der Betriebsrat verlangen, daß Arbeitsplätze, die besetzt werden sollen, allgemein oder für bestimmte Arten von Tätigkeiten vor ihrer Besetzung innerhalb des Betriebes ausgeschrieben werden. Kommt der Arbeitgeber einem derartigen Verlangen nicht nach, kann der Betriebsrat einer Versetzung gem. § 99 Abs. 2 Nr. 5 BetrVG widersprechen.
Das Gesetz enthält keine näheren Bestimmungen über Art und Inhalt der Ausschreibung. § 93 BetrVG sieht – anders als etwa §§ 94, 95 BetrVG – auch eine Entscheidung durch die Einigungsstelle nicht vor. Schon deshalb kann ein erzwingbares Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats hinsichtlich Form und Inhalt der Ausschreibung nicht angenommen werden (Dietz/Richardi, BetrVG, 6. Aufl., § 93 Rz 12; Galperin/Löwisch, BetrVG, 6. Aufl., § 93 Rz 6; Kraft, GK-BetrVG, 4. Aufl., § 93 Rz 7; Hess/Schlochauer/Glaubitz, BetrVG, 3. Aufl., § 93 Rz 4; a.A. Fitting/Auffarth/Kaiser/Heither, aaO, § 93 Rz 4; Schaub, Arbeitsrechts-Handbuch, 7. Aufl., § 238 III 1).
Dies entspricht auch der Senatsrechtsprechung. Danach hat der Betriebsrat kein Mitbestimmungsrecht bei der Erstellung von Anforderungsprofilen, Stellenbeschreibungen oder Funktionsbeschreibungen. Es unterliegt allein der Organisationsgewalt des Arbeitgebers festzulegen, welche Funktionen innerhalb des Betriebs der Inhaber einer bestimmten Stelle zu erfüllen hat und welche Anforderungen er an den Inhaber stellen will. Dann ist es aber auch allein Sache des Arbeitgebers, in einer Stellenausschreibung diejenigen Anforderungen zu bestimmen, die ein Bewerber für die ausgeschriebene Stelle erfüllen muß. Der Senat hat dementsprechend ein Mitbestimmungsrecht bei Form und Inhalt von Stellenausschreibungen verneint (Senatsbeschluß vom 23. Februar 1988 – 1 ABR 82/86 – AP Nr. 2 zu § 93 BetrVG 1972, zu B I 2 der Gründe).
Hieran ist festzuhalten. Nach dem Gesetzeswortlaut ist ein erzwingbares Einigungsstellenverfahren eindeutig nicht vorgesehen. Ein zwingendes Mitbestimmungsrecht läßt sich insoweit auch nicht aus § 95 BetrVG ableiten. Die Anwendung von Auswahlrichtlinien mag der sinnvollen Ergänzung durch eine Ausschreibung der zu besetzenden Arbeitsplätze bedürfen. Diese ist aber durch die generelle Pflicht des Arbeitgebers nach § 93 BetrVG gewährleistet. Hingegen folgt aus dem Bestehen von Auswahlrichtlinien nicht zwingend die Ausschreibung in bestimmter Form und bestimmten Inhalts. Es ist Sache des Arbeitgebers, der die Auswahlrichtlinien zu beachten hat, gegebenenfalls zu berücksichtigende Kriterien zusätzlich zu ermitteln, wenn er diese nicht schon in der Ausschreibung genannt hat und die Bewerber deshalb insoweit keine Angaben gemacht haben. Daß dies zu einer unzumutbaren Verkürzung der Chancen von Bewerbern führen könnte, ist nicht ersichtlich unter Berücksichtigung des Umstands, daß generell von einer Ausschreibung im Sinne des § 93 BetrVG nur die Rede sein kann, wenn aus ihr hervorgeht, um welchen Arbeitsplatz es sich handelt und welche Anforderungen ein Bewerber erfüllen muß. Dies ergibt sich aus dem Zweck der Regelung des § 93 BetrVG, innerbetrieblichen Bewerbern Kenntnis von einer freien Stelle zu vermitteln und ihnen die Möglichkeit zu geben, ihr Interesse an dieser Stelle kundzutun und sich um sie zu bewerben (Senatsbeschluß vom 23. Februar 1988, aaO, zu B I 1 der Gründe, m.w.N.). Damit ist aber hinreichend gewährleistet, daß der Arbeitnehmer die wesentlichen Daten erfährt, die er für eine Bewerbung benötigt und die ihn zu einer Bewerbung veranlassen können. Es kann also nicht gesagt werden, daß das zwingende Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats bei der Aufstellung von Auswahlrichtlinien nach § 95 BetrVG sozusagen ins Leere läuft, wenn dem Betriebsrat nicht zugleich ein erzwingbares Mitbestimmungsrecht hinsichtlich Form und Inhalt der Stellenausschreibung zugebilligt wird. Beide Bereiche sind vielmehr trennbar und entsprechend der insoweit eindeutigen gesetzlichen Regelung auch zu trennen.
Die Einigungsstelle war angesichts des fehlenden zwingenden Mitbestimmungsrechts des Betriebsrats also nicht befugt, eine Entscheidung über Form und Inhalt von Stellenausschreibungen zu treffen. Daß § 4 des Einigungsstellenspruchs eine solche Regelung enthält, ist zwischen den Beteiligten außer Streit und ergibt sich auch ohne weiteres aus seinem Inhalt.
b) Es lagen auch nicht die Voraussetzungen eines freiwilligen Einigungsstellenverfahrens nach § 76 Abs. 6 BetrVG vor.
Richtig ist zwar, daß Form und Inhalt von Stellenausschreibungen im Rahmen einer freiwilligen Betriebsvereinbarung geregelt werden können, was durchaus empfehlenswert sein kann (Kraft, GK-BetrVG, aaO, § 93 Rz 9; Hess/Schlochauer/Glaubitz, aaO, § 93 Rz 5). Insoweit kann dann auch ein freiwilliges Einigungsstellenverfahren nach Maßgabe des § 76 Abs. 6 BetrVG durchgeführt werden.
Voraussetzung hierfür wäre aber eine entsprechende übereinstimmende Beauftragung der Einigungsstelle durch die Beteiligten. Hieran fehlt es. Die Einigungsstelle war einberufen zur Entscheidung über Auswahlrichtlinien bei Versetzungen. Aus dem bloßen Umstand, daß im Rahmen der Einigungsbemühungen auch über Art und Inhalt von Stellenausschreibungen verhandelt wurde, läßt sich noch nicht schließen, daß insbesondere der Arbeitgeber damit ein verstanden war, diese Frage zum formellen Gegenstand des Einigungsstellenverfahrens zu machen und damit auch zur Entscheidung zu stellen (vgl. auch LAG Frankfurt am Main Beschluß vom 13. November 1984 – 4 TaBV 39/84 – DB 1985, 1535).
Es fehlt insbesondere auch an einer vorherigen Erklärung des Arbeitgebers, sich dem Spruch der Einigungsstelle zu unterwerfen, worin ohne weiteres das Einverständnis mit einer Einbeziehung des Regelungsgegenstandes läge. Der Arbeitgeber hat auch nachträglich den Spruch nicht anerkannt. Der Spruch ist schließlich auch nicht einstimmig mit den Stimmen der Vertreter des Arbeitgebers ergangen, so daß auch hieraus ein Einverständnis im Sinne des § 76 Abs. 6 BetrVG nicht abgeleitet werden kann.
Aus alledem läßt sich nur folgern, daß die Voraussetzungen eines freiwilligen Einigungsstellenverfahrens nicht gegeben waren.
3. Es bleibt daher bei der Feststellung der Unwirksamkeit der in § 4 getroffenen Regelung über Form und Inhalt von Stellenausschreibungen, weil die Einigungsstelle mangels erzwingbaren Mitbestimmungsrechts des Betriebsrats und mangels des Vorliegens der Voraussetzungen eines freiwilligen Einigungsstellenverfahrens keine Entscheidungskompetenz hatte. Der Spruch ist auch unwirksam und nicht nur unverbindlich, wie der Betriebsrat meint. Die Beteiligten streiten gerade darüber, ob ein erzwingbares Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats besteht und ob – wenn nicht – die Voraussetzungen eines freiwilligen Einigungsstellenverfahrens gegeben waren. Der Arbeitgeber hat daher ein berechtigtes Interesse an der Feststellung, daß weder das eine noch das andere der Fall war und der dennoch ergangene Spruch deshalb rechtsunwirksam ist.
Die Rechtsbeschwerde des Betriebsrats ist demnach als unbegründet zurückzuweisen.
C. Die Rechtsbeschwerde des Arbeitgebers ist hingegen begründet.
Das Landesarbeitsgericht hat angenommen, die in § 5 des Spruchs der Einigungsstelle getroffene Regelung enthalte keinen Rechtsverstoß und überschreite auch nicht die Grenze des der Einigungsstelle zustehenden Ermessens. Die hiergegen erhobenen Angriffe der Rechtsbeschwerde des Arbeitgebers sind berechtigt.
I.1. Das Landesarbeitsgericht ist zu Recht davon ausgegangen, die in § 5 getroffene Regelung sei eine Richtlinie im Sinne des § 95 BetrVG und hat hierzu ausgeführt, dem Arbeitgeber verbleibe ein eine Richtlinie kennzeichnender gewisser Entscheidungsspielraum, da er durch die Vergabe von zusätzlichen Wertungseinheiten Besonderheiten des Einzelfalles Rechnung tragen könne. Sein Ermessen sei nicht auf Null reduziert.
Dem ist zuzustimmen.
2. Unter Auswahlrichtlinien sind allgemeine Grundsätze zu verstehen darüber, welche Gesichtspunkte der Arbeitgeber bei personellen Maßnahmen zu berücksichtigen hat. Die Abgrenzung ist im einzelnen streitig, insbesondere hinsichtlich der Frage, wie detailliert eine Richtlinie sein darf (s. vor allem Zöllner, Auswahlrichtlinien für Personalmaßnahmen, Festschrift für G. Müller, 1981, S. 665, 667 ff.; Fitting/Auffarth/Kaiser/Heither, aaO, § 95 Rz 4; Kraft, GK-BetrVG, aaO, § 95 Rz 2; Hess/Schlochauer/Glaubitz, aaO, § 95 Rz 4a, 4b; Weller, RdA 1986, 222, 225). Einer endgültigen Festlegung bedarf es hier nicht. Wenn man – wofür vieles spricht – einmal davon ausgeht, daß eine “Richtlinie” nicht mehr vorliegt, wenn dem Arbeitgeber kein Entscheidungsspielraum mehr verbleibt (so Zöllner, aaO; Kraft, aaO; Hess/Schlochauer/Glaubitz, aaO), wird die in § 5 des Einigungsstellenspruchs getroffene Regelung dem noch gerecht.
Auch eine in diesem Sinne verstandene Richtlinie darf das Auswahlermessen des Arbeitgebers jedenfalls eingrenzen. Sie darf es nur nicht ganz beseitigen. Dem Arbeitgeber muß ein relevanter Entscheidungsspielraum verbleiben. Der Begriff der Richtlinie wäre dann nicht mehr erfüllt, wenn das Auswahlermessen des Arbeitgebers praktisch auf Null reduziert wäre (s. Zöllner, aaO, S. 669, 671; Kraft, GK-BetrVG, aaO, § 95 Rz 13, 17, 18).
Unter dieser Voraussetzung wird auch von den Vertretern dieses Richtlinienbegriffs die Möglichkeit der Aufstellung eines Punktsystems als zulässig angesehen (Zöllner, aaO, S. 671; Kraft, GK-BetrVG, aaO, § 95 Rz 13; vgl. auch Fitting/Auffarth/Kaiser/Heither, aaO, § 95 Rz 4).
3. Hiervon ausgehend kann die Regelung des § 5 in Übereinstimmung mit dem Landesarbeitsgericht noch als “Richtlinie” gewertet werden. Sie führt nicht zu einer Beseitigung jeglichen Entscheidungsspielraums des Arbeitgebers. Ob das dem Arbeitgeber verbleibende Auswahlermessen ausreichend ist, ist kein Problem des Richtlinienbegriffs, sondern zu prüfen bei der Frage, ob die Einigungsstelle die Grenzen des von ihr zu beachtenden billigen Ermessens überschritten hat.
§ 5 des Einigungsstellenspruchs bestimmt zwar eine Reihe von Kriterien, die der Arbeitgeber bei der Entscheidung fest zu berücksichtigen hat. Insoweit ist ein Ermessensspielraum nicht gegeben. Bei maximal zu erreichenden 109 bzw. 114 WE sind 99 WE vorgegeben, wie das Landesarbeitsgericht im einzelnen ausgerechnet hat und von den Beteiligten auch nicht bestritten wird.
Dem Arbeitgeber verbleibt aber die Möglichkeit der Vergabe von 10 bzw. 15 zusätzlichen WE. Damit ist ihm ein gewisser Entscheidungsspielraum eingeräumt. Das Landesarbeitsgericht weist zu Recht darauf hin, daß der Stellenwert dieses Spielraums nicht an den maximal zu erreichenden (festen) Punktwerten zu beurteilen ist, sondern zu berücksichtigen ist, daß im Regelfall dieser Maximalwert nicht gegeben sein wird. Der verbleibende Entscheidungsspielraum erhöht sich also entsprechend.
Richtig ist, daß es zu Fallkonstellationen kommen kann, in denen die Punktwerte der Bewerber so weit auseinanderliegen, daß die zusätzlich zu vergebenden 10 bzw. 15 WE nicht ausreichen, um den vom Arbeitgeber vorzugsweise ins Auge gefaßten Kandidaten zu versetzen. Dies ist aber eine Frage der grundsätzlich zulässigen Beschränkung des Auswahlermessens. Die Annahme einer Richtlinie scheitert nicht daran, daß im Einzelfall die Entscheidung sich dann doch unmittelbar aus der Richtlinie ergibt.
Dem steht auch nicht entgegen, daß hinsichtlich Auswahlrichtlinien für die Sozialauswahl bei Kündigungen ein Punktsystem nur als Vorauswahl anerkannt ist mit der Maßgabe, daß in jedem Fall eine abschließende Berücksichtigung individueller Gesichtspunkte möglich sein muß (vgl. BAGE 62, 116 und 64, 34 = AP Nr. 18 und Nr. 19 zu § 1 KSchG 1969 Soziale Auswahl). Dieses Ergebnis ist nicht aus dem Begriff der Richtlinie abgeleitet, sondern aus der Individualbezogenheit des Kündigungsschutzgesetzes, die außer acht zu lassen den Betriebsparteien auch im Rahmen des § 95 BetrVG nicht gestattet ist. Vorliegend geht es aber nicht um eine an § 1 KSchG zu messende Kündigung.
4. Ist also das Auswahlermessen des Arbeitgebers zwar beschränkt, aber nicht gänzlich beseitigt, ist § 5 des Spruchs der Einigungsstelle auch dann noch als “Richtlinie” anzusehen, wenn man ein verbleibendes Entscheidungsermessen des Arbeitgebers als notwendiges Wesensmerkmal einer Richtlinie betrachtet.
II. Die Einigungsstelle hat aber mit der in § 5 getroffenen Regelung die Grenzen des ihr zustehenden Ermessens überschritten.
1.a) Gem. § 76 Abs. 5 BetrVG faßt die Einigungsstelle ihre Beschlüsse unter angemessener Berücksichtigung der Belange des Betriebes und der betroffenen Arbeitnehmer nach billigem Ermessen. Ob der Spruch die Grenzen des der Einigungsstelle eingeräumten Ermessens gewahrt hat, beurteilt sich allein danach, ob die getroffene Regelung als solche sich innerhalb dieser Grenzen hält. Es kommt hingegen nicht darauf an, durch welche Tatsachen und Annahmen die Einigungsstelle zu ihrem Spruch gekommen ist und ob die diesem Spruch zugrunde liegenden Erwägungen der Einigungsstelle folgerichtig waren und eine erschöpfende Würdigung aller Umstände zum Inhalt haben.
Die danach erforderliche Überprüfung steht den Gerichten für Arbeitssachen in vollem Umfang zu, und zwar als Rechtsfrage auch die uneingeschränkte Überprüfung durch das Revisionsgericht (ständige Senatsrechtsprechung, vgl. etwa BAGE 40, 107, 121 ff. = AP Nr. 8 zu § 87 BetrVG 1972 Arbeitszeit, zu B IV 1 und 2 der Gründe; BAGE 51, 217, 234 = AP Nr. 14 zu § 87 BetrVG 1972 Überwachung, zu B IV 1 der Gründe).
b) Ausgehend von den festgestellten Belangen des Betriebes und der Arbeitnehmer sowie deren Gewichtigkeit ist zu prüfen, ob die von der Einigungsstelle getroffene Regelung noch als billiger Ausgleich dieser Belange gelten kann. Wann dies der Fall ist, läßt sich abstrakt kaum umschreiben (BAGE 40, 107, 124 = AP Nr. 8 zu § 87 BetrVG 1972 Arbeitszeit, zu B IV 2 der Gründe).
Es kommt nicht auf eine “grobe Ermessensüberschreitung” oder eine “offenbare Unbilligkeit” des Spruchs an (so zu Recht Kreutz, GK-BetrVG, aaO, § 76 Rz 133). Andererseits genügen Zweifel an der Einhaltung der Ermessensgrenzen nicht; erforderlich ist vielmehr die Überzeugung, daß die Grenzen überschritten sind (Kreutz, aaO).
Ein Verstoß in diesem Sinne ist etwa dann anzunehmen, wenn die Entscheidung deutlich erkennbar keine sachgerechte Interessenabwägung mehr enthält, weil z.B. die Einigungsstelle die Interessen der einen oder der anderen Seite überhaupt nicht berücksichtigt hat oder weil die Regelung nicht nur unzweckmäßig, sondern objektiv ungeeignet ist (Fitting/Auffarth/Kaiser/Heither, aaO, § 76 Rz 32; Kreutz, GK-BetrVG, aaO, § 76 Rz 133).
c) Die Prüfung der Einhaltung der Ermessensgrenzen hat sich auch am Zweck des jeweils im Streit stehenden konkreten Mitbestimmungsrechts zu orientieren.
Sinn und Zweck von Auswahlrichtlinien ist es festzulegen, unter welchen Voraussetzungen – hier – Versetzungen erfolgen sollen, um die jeweiligen Personalentscheidungen durchschaubarer zu machen und an objektive Kriterien zu binden (vgl. Begründung zum Regierungsentwurf, BT-Drucks. VI/1786, S. 50). Der Arbeitnehmer soll erkennen können, warum er und nicht ein anderer von einer belastenden Personalmaßnahme betroffen wird oder warum eine günstige Maßnahme nicht ihn, sondern einen anderen trifft.
Die Mitbestimmung des Betriebsrats bei Auswahlrichtlinien hat ihren Sinn aber auch darin, daß der Betriebsrat im Interesse der Arbeitnehmer Einfluß nehmen kann, unter welchen fachlichen und persönlichen Voraussetzungen personelle Einzelmaßnahmen erfolgen sollen. Die Arbeitnehmerschaft hat ein legitimes Interesse daran, daß personelle Einzelmaßnahmen nicht nur im Hinblick auf größtmögliche Effektivität, sondern auch unter Berücksichtigung persönlicher und sozialer Gesichtspunkte erfolgen und so als gerecht im Sinn von billig und angemessen empfunden werden können (so schon Senatsbeschluß vom 31. Mai 1983, BAGE 43, 26, 33 = AP Nr. 2 zu § 95 BetrVG 1972, zu B II 3 der Gründe).
2. Gemessen an diesen Voraussetzungen hält § 5 des Einigungsstellenspruchs entgegen der Auffassung des Landesarbeitsgerichts der Überprüfung nicht stand. Die getroffene Regelung wird dem Erfordernis einer sachlich ausgewogenen Berücksichtigung der Interessen des Arbeitgebers, insbesondere bei “Beförderungsversetzungen” möglichst den qualifiziertesten Bewerber zu finden, gegenüber dem vorrangig bei der Arbeitnehmerschaft liegenden Interesse an der Berücksichtigung persönlicher Gesichtspunkte, wie etwa der Dauer der Betriebszugehörigkeit, nicht mehr gerecht.
Zwar sind die einzelnen Kriterien nicht an sich sachwidrig. Zu beanstanden ist aber zum einen ihre Gewichtung untereinander. Der sehr starken Bewertung von Faktoren, die gerade im Hinblick auf die Qualifikation für eine höherwertige Tätigkeit wenig aussagekräftig sind, steht eine nur eingeschränkte Berücksichtigung von auf den künftigen Einsatz bezogenen Kriterien gegenüber. Dies ist umso weniger sachgerecht, als das vorgegebene System einerseits nur eine Grobstruktur aufweist, andererseits unterschiedslos Versetzungen aller Art – in allen Tätigkeitsbereichen, auf der gleichen Ebene wie bei Beförderungen – erfassen soll. Dieser Nachteil wird nicht aufgefangen durch einen dem Arbeitgeber eingeräumten hinreichenden Ermessensspielraum, mit dem individuelle Besonderheiten der in Frage stehenden Bewerber oder Besonderheiten der zu besetzenden Arbeitsplätze, die von dem “Grobraster” nicht erfaßt werden, ausgeglichen werden können.
Alle diese Faktoren zusammen jedenfalls führen zu der Feststellung, daß die Regelung des § 5 keinen sachgerechten Interessenausgleich enthält und daher nicht mehr billigem Ermessen entspricht.
a) Nicht an sich unsachlich ist die Einbeziehung der nach § 5 Abs. 1 Buchst. a des Einigungsstellenspruchs zu berücksichtigenden Grundqualifikation (z.B. Facharbeiterbrief, Meisterbrief). Sicher ist ein Prüfungsergebnis noch keine Gewähr für dementsprechende berufliche Leistungen. Es kann aber nicht gesagt werden, daß diese Qualifikation für die Beurteilung späterer Leistungen ohne jede Aussagekraft wäre. Insofern ist ihre Berücksichtigung im Rahmen von Auswahlrichtlinien auch für die Beurteilung der Fähigkeit zur Übernahme von höherwertigen Aufgaben grundsätzlich angemessen.
Wenn die Einigungsstelle diesem Kriterium einen Stellenwert von 15 bis 24 WE bei 99 insgesamt festliegenden WE eingeräumt hat, hat sie ihm damit allerdings eine sehr erhebliche Bedeutung zugemessen. Das Bewertungssystem differenziert – wie der Arbeitgeber zu Recht hervorhebt – auch nicht nach dem Alter des Qualifikationsnachweises. Das Prüfungsergebnis verliert zwar durch Zeitablauf nicht seine Bedeutung als generelles Qualifikationsmerkmal. Die erzielte Note gibt einen Nachweis über die Leistungen des Prüflings im Verhältnis zu anderen Prüflingen, denen gleiche Anforderungen gestellt wurden. Es enthält also eine Aussage darüber, ob es sich um einen durchschnittlich, überdurchschnittlich oder unterdurchschnittlich qualifizierten Bewerber handelte. Darin liegt sicherlich ein beachtenswertes Merkmal für die allgemeine Qualifikationseinschätzung.
Andererseits läßt sich insbesondere angesichts der raschen Entwicklung neuer Technologien nicht verkennen, daß in vielen Bereichen eine etwa vor 20 oder 30 Jahren abgelegte Prüfung ganz andere Inhalte hatte als heute und insoweit in ihrer Aussagekraft insbesondere auch für die Qualifikation im Hinblick auf Beförderungsstellen eingeschränkt sein kann. Dies gilt in gleicher Weise auch für die Überlegung, daß ein – auch gutes – Prüfungsergebnis durch die spätere berufliche Entwicklung des Arbeitnehmers gründlich widerlegt worden sein kann, weil er die in der Prüfung gezeigten Leistungen nicht bestätigen konnte.
Vor diesem Hintergrund ist die starre Berücksichtigung des ursprünglichen Qualifikationsnachweises – unabhängig, welcher Berufssparte und welchen Alters – in der hier festgelegten Höhe schon für sich bedenklich.
Bedenken erweckt aber auch die geringe Abstufung der einzelnen Notenstufen mit nur drei Punkten bei einer Bandbreite von insgesamt nur neun Punkten. Wenn man schon eine lineare Bewertung der Prüfungsleistungen vorsieht, liegt dann doch eine größere als die hier gewählte Differenz näher. Der Abstand von insgesamt nur neun Punkten wird kaum dem Umstand gerecht, daß erfahrungsgemäß in einer Reihe von Berufen die Bandbreite der Prüfungsergebnisse sich nicht gleichmäßig über das gesamte Notenspektrum erstreckt, sondern gerade Spitzenleistungen entsprechend selten auftreten und dann Ausdruck besonderer Leistungsstärke sind. Dem trägt der hier gewählte Abstand von nur neun Punkten bei mindestens 15 Punkten für jeden – auch denjenigen, der die Prüfung nur eben gerade bestanden hat – nicht genügend Rechnung. Dies ist umso problematischer, als die von der Einigungsstelle beschlossene Regelung unterschiedslos für alle Berufe gilt und der Arbeitgeber auch keinen hinreichenden Spielraum hat, Besonderheiten zu berücksichtigen.
b) Die Rechtsbeschwerde des Arbeitgebers wendet sich im Gesamtergebnis zu Recht auch gegen die in § 5 Abs. 1 Buchst. d des Einigungsstellenspruchs festgeschriebene Berücksichtigung beruflicher Tätigkeiten, mit der maximal 40 Punkte erreicht werden können.
Auch hier gilt, daß die Einbeziehung des Kriteriums der “Betriebszugehörigkeit” in eine Auswahlrichtlinie nicht an sich sachwidrig ist. Dabei ist klarzustellen, daß § 5 Abs. 1 Buchst. d nicht schlicht die Betriebszugehörigkeit berücksichtigt. Gewürdigt werden sollen die beruflichen, beruflich-betrieblichen und aufgabenbezogenen Erfahrungen. Da insoweit aber der reine Zeitablauf und jedenfalls für die mit dem Höchstwert von 20 WE bedachte zweite Alternative die Arbeitsjahre im Betrieb maßgebend sind, wird tatsächlich doch in sehr starkem Umfang auf die “Betriebszugehörigkeit” abgestellt.
Der hier angesprochene Gesichtspunkt der Seniorität ist an sich ein Merkmal, dem gerade auch bei Beförderungen ein hoher Rang eingeräumt werden kann (so ausdrücklich auch Zöllner, aaO, S. 671; vgl. auch Gamillscheg, Anm. zu EzA § 95 BetrVG 1972 Nr. 1). Auch der Senat hat schon in seinem Beschluß vom 31. Mai 1983 (BAGE 43, 26, 32 = AP Nr. 2 zu § 95 BetrVG 1972, zu B II 3 der Gründe) darauf hingewiesen, Auswahlrichtlinien könnten etwa bestimmen, eine gemessen an den Anforderungen geringere Qualifikation könne ausgeglichen werden durch persönliche oder soziale Umstände, wie etwa eine längere Betriebszugehörigkeit.
Die Aufnahme dieses Kriteriums in die Auswahlrichtlinie ist also grundsätzlich nicht zu beanstanden. Andererseits ist nicht zu verkennen, daß allein die Absolvierung von Berufsjahren – innerhalb oder außerhalb des Betriebs – keine Garantie für entsprechend qualifizierte Leistungen beinhaltet. Ein Arbeitnehmer kann – möglicherweise trotz guter Prüfungsleistung in der Grundqualifikation – eine ausgesprochen negative berufliche Entwicklung genommen haben; er kann beispielsweise in den nach § 5 Abs. 1 Buchst. d 2. Alternative maximal zu berücksichtigenden 20 im Betrieb absolvierten Berufsjahren zur Genüge gezeigt haben, daß er den Anforderungen des Berufs kaum gewachsen ist. Insoweit ist also die Aussagekraft allein des Zeitablaufs der bisherigen beruflichen Tätigkeit im Hinblick insbesondere auf die Qualifikation zur Übernahme höherwertiger Tätigkeiten eingeschränkt.
Vor diesem Hintergrund ist der Ansatz dieses Faktors mit insgesamt 40 von 99 estliegenden Punkten schon für sich bedenklich hoch. Auffallend ist insoweit auch die dreifache Bewertung der Zeit der beruflichen Tätigkeit, da die in § 5 Abs. 1 Buchst. d genannten Werte trotz möglicherweise voller Überschneidung – der Arbeitnehmer wird im Betrieb ausgebildet und bleibt anschließend dort tätig – zu kumulieren sind.
Stößt die starre Bewertung der zu berücksichtigenden Zeiten der beruflichen Tätigkeiten mit einem so hohen festen Punktanteil also bereits für sich auf erhebliche Bedenken, gilt das erst recht in der vorzunehmenden Gesamtabwägung.
c) Soweit in § 5 Abs. 1 Buchst. b des Spruchs der Einigungsstelle die aktuelle Leistungsbeurteilung berücksichtigt wird, ist dies ein Eignungsmerkmal, dessen Einbeziehung in eine Auswahlrichtlinie gerechtfertigt und erforderlich ist. Die Beurteilung von Arbeitseffektivität, Arbeitsqualität, Selbständigkeit und Initiative sowie Vielseitigkeit enthält eine zeitnahe Aussage über die Qualifikation auf dem innegehabten Arbeitsplatz wie auch hinsichtlich der Fähigkeiten zur Übernahme eines höherwertigen Aufgabenbereichs. Letzteres gilt im Prinzip auch für die Kriterien Arbeitseffektivität und Arbeitsqualität. Zeigt ein Arbeitnehmer sich den an ihn an seinem bisherigen Arbeitsplatz gestellten Aufgaben besonders gewachsen, kann dies die Prognose rechtfertigen, daß er einer – regelmäßig auf der bisherigen Tätigkeit aufbauenden – höherwertigen Tätigkeit gleichfalls gewachsen sein wird.
Auch das ist allerdings nicht zwingend. Verlangt etwa die neue Tätigkeit die Führung von Mitarbeitern, besagen die Kriterien Arbeitseffektivität und Arbeitsqualität, bezogen auf den bisherigen Arbeitsplatz, an dem eine solche Aufgabe nicht anfiel, hierzu nichts. Ein Arbeitnehmer kann fachlich ausgezeichnete Leistungen erbringen, zur Anleitung von Mitarbeitern aber trotzdem ungeeignet sein.
Eher auf den zukünftigen Arbeitsplatz bezogen sind die Kriterien Selbständigkeit und Initiative sowie Vielseitigkeit. Hier ist jedoch festzustellen, daß diese Kriterien nur mit dem Faktor 0,2 des erreichbaren Punktwertes (maximal also 6 WE), die Kriterien Arbeitsqualität und Arbeitseffektivität hingegen mit dem Faktor 0,3 (maximal 16 WE) berücksichtigt werden. Zu Recht rügt der Arbeitgeber, daß dieses Verhältnis gerade im Hinblick auf Beförderungsversetzungen wenig verständlich ist und eher die umgekehrte Gewichtung nahegelegen hätte.
Darüber hinaus bleibt festzuhalten, daß auch der Gesamtwert dieses Kriteriums mit maximal 22 von 99 estliegenden Werteinheiten eher gering ist.
d) Auf den zukünftigen Einsatz unmittelbar bezogen ist die Potentialanalyse, deren Berücksichtigung gerade bei Beförderungsversetzungen ohne weiteres sachgerecht ist. Der hier angesetzte Punktwert mit maximal 10 WE ist aber – gemessen an 99 festliegenden Werteinheiten – ebenfalls wiederum gering. Soweit keine Potentialanalyse erstellt wird – nach Angaben des Arbeitgebers geschieht dies nur für die leitenden Angestellten –, erfolgt eine zusätzliche Berücksichtigung der Werte aus der Leistungsbeurteilung – mit den vorstehend dargelegten Bedenken gegen die Sachgerechtigkeit der unterschiedlichen Bewertung der in diese einfließenden Einzelkriterien.
e) Letztlich neutral ist die Regelung nach § 5 Abs. 1 Buchst. e des Einigungsstellenspruchs. Danach werden zusätzlich für den Arbeitsplatz vereinbarte fachliche Qualifikationen mit 3 WE berücksichtigt. Ist dies so zu verstehen, daß nur Bewerber mit dieser Qualifikation überhaupt in Betracht kommen, erhalten alle diesen Punktwert. Selbst wenn dies nicht der Fall sein sollte – es also um eine erwünschte, aber nicht zwingend vorausgesetzte Zusatzqualifikation geht –, ist angesichts des geringen Punktwertes dieser Faktor nicht ausschlaggebend. Die Berücksichtigung als Auswahlkriterium an sich ist jedenfalls angemessen.
f) Die zusammenfassende Betrachtung der genannten Bewertungskriterien, die starr vorgegeben sind, ergibt ein deutliches Übergewicht solcher Kriterien, die gerade im Hinblick auf die Beurteilung zur Übernahme von neuen – höherwertigen – Tätigkeiten bei Beförderungsversetzungen nur bedingt aussagekräftig sind. Mit der Grundqualifikation und der Zeitdauer der beruflichen Tätigkeit bzw. Tätigkeit im Betrieb können allein 64 WE von 99 festliegenden WE erreicht werden. Aktuelle Leistungsbeurteilung, Potentialanalyse und Zusatzqualifikation führen hingegen nur auf insgesamt maximal 35 WE. Dabei sind hierin noch die maximal 16 WE enthalten für Arbeitseffektivität und Arbeitsqualität, die – je nach Art der bisherigen und der künftigen Tätigkeit – unter Umständen nur eine geringe oder gar keine Aussage über die Befähigung zur Übernahme des höherwertigen Arbeitsplatzes zulassen.
Bereits dies macht deutlich, daß unter Umständen ein älterer Arbeitnehmer, der vor langer Zeit seine Prüfung abgelegt hat, bei einer Bewerbung auch dann nahezu “unschlagbar” ist, wenn sich im Laufe seiner beruflichen Tätigkeit erhebliche Leistungs- und Eignungsmängel herausgestellt haben.
Es kommt hinzu, daß das Punktsystem nicht differenziert nach Tätigkeitsbereichen, sondern unterschiedslos für alle Berufsfelder anzuwenden ist – einfache bis akademische –, ohne den in den einzelnen Ebenen auftretenden Besonderheiten – so etwa der gerade bei Beförderungsversetzungen häufig eine Rolle spielenden Fähigkeit zur Führung von Mitarbeitern – durch Einführung entsprechender Kriterien Rechnung zu tragen.
Eine derart pauschale Wertung könnte allenfalls dann als noch sachgerecht angesehen werden, wenn dem Arbeitgeber, dem letztlich die Auswahlentscheidung nicht gänzlich entzogen werden darf, zur Berücksichtigung individueller persönlicher Besonderheiten und arbeitsplatzspezifischer Anforderungen ein hinreichender Spielraum eingeräumt würde. Dies kann angesichts der hier dem Arbeitgeber gem. § 5 Abs. 2 des Einigungsstellenspruchs zugebilligten Vergabe von 10 WE (bei Arbeitsplätzen, die einen Hochschulabschluß voraussetzen, 15 WE) nicht angenommen werden. Angesichts der überragenden Gewichtung der Kriterien “Grundqualifikation” und “Tätigkeitsdauer” mit 64 WE gegenüber den nach anderen Kriterien insgesamt zu erreichenden 35 WE (wenn man diese denn überhaupt vorbehaltlos als Eignungskriterien im Hinblick auf höherwertige Tätigkeiten berücksichtigt) genügen diese 10 WE nicht, um dem Arbeitgeber eine sachgerechte Korrektur des durch die starren Punktwerte vorgegebenen Ergebnisses zu ermöglichen.
Um es abstrakt zu verdeutlichen: Gegen die Verwendung von Punktsystemen in Auswahlrichtlinien bestehen keine grundsätzlichen Bedenken jedenfalls dann, wenn der Begriff der Richtlinie noch gewahrt ist (s. dazu C I der Gründe). Je undifferenzierter allerdings ein solches System ist sowohl in der Verwendung der Auswahlkriterien als auch in der unterschiedslosen Erstreckung auf alle anfallenden Arbeitsbereiche, desto größer muß der dem Arbeitgeber einzuräumende Spielraum sein zur Korrektur solcher Ergebnisse, die unter Berücksichtigung der billigenswerten Interessen des Arbeitgebers und der Arbeitnehmer als nicht sachgerecht angesehen werden können; je differenzierter das Punktsystem ausgestaltet ist, desto weniger bedarf es eines solchen Spielraums. Dabei darf nicht außer acht gelassen werden, daß es letztlich nicht nur um die Interessen des Arbeitgebers geht, den qualifiziertesten Mitarbeiter für eine höherwertige Tätigkeit auswählen zu können, sondern in gleicher Weise das Interesse der besonders qualifizierten Mitarbeiter berührt ist, daß ihre Qualifikation bei der Auswahl – auch bei Anerkennung eines Senioritätsprinzips – angemessen berücksichtigt wird.
Die in § 5 des Einigungsstellenspruchs enthaltene Regelung ist gekennzeichnet gerade durch eine in hohem Maße pauschale Regelung – ein Grobraster – für alle Arten von Versetzungen in allen Tätigkeitsbereichen einerseits, bei einem denkbar geringen verbleibenden Spielraum andererseits. Hinzu kommt, daß die in die Wertung aufgenommenen Kriterien in ihrer Gewichtung untereinander nicht in einem angemessenen Verhältnis stehen. Dies zusammen führt zu einer Verkürzung insbesondere der berechtigten Interessen des Arbeitgebers bei der Auswahl von Mitarbeitern für Beförderungsstellen, die nicht mehr als billigem Ermessen entsprechend angesehen werden kann.
III. § 5 des Spruchs der Einigungsstelle ist danach gleichfalls rechtsunwirksam. Der Spruch der Einigungsstelle ist damit insgesamt unwirksam, da angesichts der Unwirksamkeit von § 4 und § 5 des Spruchs die verbleibenden Teile kein sinnvolles Ganzes mehr darstellen.
Unterschriften
Dr. Weller, Kremhelmer, Dr. Rost, Gnade, Mager
Fundstellen
BAGE, 259 |
BB 1993, 1285 |
JR 1993, 440 |
NZA 1993, 607 |