Verfahrensgang

LAG Schleswig-Holstein (Urteil vom 27.11.1986; Aktenzeichen 2 Sa 503/86)

 

Tenor

Die Beschwerde des Klägers gegen die Nichtzulassung der Revision im Urteil des Landesarbeitsgerichts Schleswig-Holstein vom 27. November 1986 – 2 Sa 503/86 – wird als unzulässig verworfen.

Der Kläger trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.

 

Gründe

Die auf Divergenz gestützte Nichtzulassungsbeschwerde des Klägers ist unzulässig, weil sie nicht in der gesetzlich vorgeschriebenen Form begründet worden ist (§ 72a Abs. 3 Satz 2 ArbGG).

I. Die Nichtzulassungsbeschwerde wegen Divergenz ist nur dann in der vom Gesetz vorgeschriebenen Form begründet, wenn der Beschwerdeführer im einzelnen darlegt, daß das anzufechtende Urteil einen allgemeinen, die Entscheidung tragenden Rechtssatz aufgestellt hat und daß dieser von einem in der divergenzfähigen Entscheidung aufgestellten Rechtssatz abweicht. Dagegen reicht die fehlerhafte oder unterlassene Anwendung der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts oder eines anderen der in § 72 Abs. 2 Nr. 2 ArbGG genannten Gerichte zur Begründung einer auf Divergenz gestützten Nichtzulassungsbeschwerde nicht aus. Die in der Beschwerdebegründung anzugebenden abstrakten Rechtssätze müssen nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts aus der anzufechtenden und der angezogenen Entscheidung unmittelbar und so deutlich abzulesen sein, daß kein Raum für Zweifel bleibt, welchen Rechtssatz die Entscheidungen aufgestellt haben (vgl. statt aller: BAGE 32, 136 = AP Nr. 1 zu § 72a ArbGG 1979; BAGE 41, 188 = AP Nr. 11 zu § 72a ArbGG 1979 Divergenz). Es genügt deshalb nicht, daß der vermeintlich abweichende Rechtssatz aus dem anzufechtenden Urteil nur mittels der Erwägung entnommen wird, das Landesarbeitsgericht müsse folgerichtig von einem in der Entscheidung nicht erörterten Rechtssatz ausgegangen sein. Andernfalls würde in Ergänzung der Subsumtion des festgestellten Sachverhalts unter die einschlägigen Rechtsnormen ein Rechtssatz abgeleitet, von dem sich nicht feststellen läßt, ob ihn das Berufungsgericht wirklich vertreten wollte oder ob es das Rechtsproblem übersehen hat oder von anderen nicht ausgesprochenen rechtlichen Erwägungen ausgegangen ist. Mit einer Ergänzung des anzufechtenden Urteils durch vom Beschwerdeführer selbst gebildete, von divergenzfähigen Entscheidungen abweichende Grundsätze können die Voraussetzungen einer Divergenz nicht dargelegt werden (vgl. BAG Beschluß vom 10. Juli 1984 – 2 AZN 337/84 – AP Nr. 15 zu § 72a ArbGG 1979 Divergenz).

II. Diesen gesetzlichen Anforderungen genügt die Beschwerdebegründung nicht.

1. Soweit der Beschwerdeführer eine angebliche Divergenz zu dem angezogenen Urteil des Bundesarbeitsgerichts vom 27. Oktober 1960 (– 5 AZR 427/59 – AP Nr. 21 zu § 611 BGB Ärzte, Gehaltsansprüche) rügt, fehlt es an der erforderlichen Darlegung von einander abweichenden abstrakten Rechtssätzen. Aus dem angezogenen Urteil des Bundesarbeitsgerichts vom 27. Oktober 1960 (aaO) zitiert der Beschwerdeführer keinen abstrakten Rechtssatz. Er bezieht sich lediglich auf den Leitsatz Nr. 1 der angezogenen Entscheidung, der wie folgt lautet:

“Wenn Volontärarzttätigkeit vereinbart ist, aber Assistenzarzttätigkeit unter Duldung des zuständigen Vorgesetzten erbracht wird, kann der Gesichtspunkt der Duldungs- oder Anscheinsvollmacht zu einer entsprechenden Vertragsänderung führen.”

Selbst wenn man zugunsten des Klägers von der Divergenzfähigkeit dieses Rechtssatzes ausgeht, so bezieht sich dieser Rechtssatz auf eine im Streitfall nicht auftretende Rechtsfrage. Der vom Beschwerdeführer aus dem anzufechtenden Urteil zitierte Rechtssatz, “nach § 3e des Kirchlichen Angestellten-Tarifvertrages (KAT-NEK) kommt es nämlich nicht auf die tatsächlich erbrachte, sondern auf die arbeitsvertraglich vereinbarte durchschnittliche regelmäßige Arbeitszeit an”, betrifft die Auslegung eine tarifliche Bestimmung, die bei dem vom Bundesarbeitsgericht am 27. Oktober 1960 (aaO) entschiedenen Fall nicht einschlägig war.

Bei der Rüge, das Landesarbeitsgericht habe in Verkennung der vom Bundesarbeitsgericht im Urteil vom 27. Oktober 1960 (aaO) aufgestellten Grundsätze die Vorschrift des § 3e KAT-NEK unzutreffend ausgelegt mit der Folge, daß es nicht zur Anwendung des § 53 Abs. 3 KAT-NEK (Ausschluß der ordentlichen Kündigung) gelangt sei, handelt es sich um eine Frage der richtigen Rechtsanwendung, die vom Senat erst im Rahmen des Revisionsverfahrens geprüft werden könnte.

2. Die Beschwerde entspricht auch insoweit nicht den gesetzlichen Anforderungen, als sie eine angebliche Divergenz zu dem Urteil des Bundesarbeitsgerichts vom 9. Oktober 1979 (– 6 AZR 1059/77 – BAGE 32, 122 = AP Nr. 4 zu § 9 KSchG 1969) rügt. Es fehlt an der erforderlichen Darlegung, daß das Landesarbeitsgericht in Abweichung zu der angezogenen Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts (aaO) eine Auflösung des Arbeitsverhältnisses auf Antrag des Arbeitgebers auch bei Vorliegen von anderen Unwirksamkeitsgründen – außer der Sozialwidrigkeit nach § 1 Abs. 2 und Abs. 3 KSchG – für zulässig erachtet. Ob das Landesarbeitsgericht bei Anwendung des § 53 Abs. 3 KAT-NEK (Ausschluß der ordentlichen Kündigung) den Auflösungsantrag der Beklagten hätte abweisen müssen, betrifft ebenfalls die richtige Anwendung materiellen Rechts, die als solche nicht geeignet ist, eine nachträgliche Zulassung der Revision zu rechtfertigen.

3. Die Nichtzulassungsbeschwerde kann auch nicht mit Erfolg auf angebliche Verfahrensfehler (§ 139 ZPO) oder auf einen Verstoß gegen Art. 103 Abs. 1 GG gestützt werden. Die Zulässigkeit und Begründetheit einer Verfahrensrüge kann erst im Rahmen eines Revisionsverfahrens, nicht dagegen im Nichtzulassungsbeschwerdeverfahren geprüft werden (vgl. BAG Beschluß vom 23. Januar 1980 – 4 AZN 95/79 – AP Nr. 4 zu § 72a ArbGG Grundsatz). Auch der vom Beschwerdeführer gerügte Verstoß gegen Art. 103 Abs. 1 GG ist für sich allein nicht geeignet, die Revisionsinstanz zu eröffnen. Bei vermeintlichen Grundrechtsverstößen kann (innerhalb der Monatsfrist des § 93 Abs. 1 BVerfGG) gegen die Entscheidung des Landesarbeitsgerichts Verfassungsbeschwerde eingelegt werden (vgl. BVerfG Beschlüsse vom 11. und 24. Juni 1981 – 2 BvR 535/81 und 1 BvR 57/81 – AP Nr. 9 und Nr. 10 zu § 72a ArbGG 1979).

4. Soweit die Beschwerde schließlich darlegt, das anzufechtende Urteil habe in Abweichung zu den Urteilen des Bundesarbeitsgerichts vom 5. November 1964 (– 2 AZR 15/64 – BAGE 16, 285 = AP Nr. 20 zu § 7 KSchG), vom 30. September 1976 (– 2 AZR 402/75 – BAGE 28, 196 = AP Nr. 3 zu § 9 KSchG 1969) und vom 31. Oktober 1984 (– 7 AZR 232/83 – AP Nr. 20 zu Art. 140 GG) zu geringe Anforderungen an den von der Beklagten gestellten Auflösungsantrag gestellt, fehlt es ebenfalls an der Darlegung voneinander abweichender abstrakter Rechtssätze. Selbst wenn man zugunsten des Klägers davon ausgeht, daß sich die von ihm selbst formulierten abstrakten Rechtssätze (auf S. 11 der Beschwerdebegründung) zwingend aus der fallbezogenen Würdigung des Landesarbeitsgerichts ergeben, so stehen diese gleichwohl nicht im Widerspruch zu den aus den angezogenen Entscheidungen des Bundesarbeitsgerichts (aaO) zitierten Rechtssätzen. Zu der Frage, ob und gegebenenfalls mit welcher Maßgabe das verfassungsrechtlich verbürgte Selbstordnungs- und Selbstverwaltungsrecht der Kirche (Art. 140 GG i. Verb. mit Art. 137 Abs. 3 WRV) bei der Beurteilung eines von einem kirchlichen Arbeitgeber gestellten Auflösungsantrages nach § 9 Abs. 1 Satz 2 KSchG zu berücksichtigen ist, hat das Bundesarbeitsgericht in den angezogenen Entscheidungen (aaO) nicht Stellung genommen. Dies gilt ebenso für die vom Beschwerdeführer angezogene Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom 4. Juni 1985 (AP Nr. 24 zu Art. 140 GG).

III. Die Beschwerde war daher mit der Kostenfolge des § 97 Abs. 1 ZPO als unzulässig zu verwerfen (§ 72a Abs. 5 Satz 3 ArbGG).

 

Unterschriften

Dr. Seidensticker, Dr. Steckhan, Dr. Becker

 

Fundstellen

Dokument-Index HI1766839

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