Entscheidungsstichwort (Thema)
Zum Begriff der vermögensrechtlichen Streitigkeit
Leitsatz (amtlich)
Bei einem Streit darüber, ob der Arbeitnehmer berechtigt ist, bestimmte, ihm zugewiesene Arbeiten zu verweigern, handelt es sich um eine vermögensrechtliche Streitigkeit im Sinne von § 64 Abs 2 ArbGG.
Normenkette
ArbGG 1979 § 64 Abs. 2, § 77; ZPO § 519b
Verfahrensgang
LAG Baden-Württemberg (Beschluss vom 12.06.1989; Aktenzeichen 15 Sa 63/89) |
ArbG Stuttgart (Urteil vom 21.02.1989; Aktenzeichen 11 Ca 3058/88) |
Tenor
- Die Revisionsbeschwerde der Klägerin gegen den Beschluß des Landesarbeitsgerichts Baden-Württemberg vom 12. Juni 1989 – 15 Sa 63/89 – wird zurückgewiesen.
- Die Klägerin hat die Kosten des Beschwerdeverfahrens zu tragen.
Tatbestand
I. Die Parteien streiten über den Umfang des Weisungsrechts der Beklagten.
Die Klägerin ist seit 1980 bei der Beklagten als Industriereinigerin gegen einen monatlichen Bruttolohn von ca. 1.800,-- DM tätig. Seit dem 18. Januar 1988 wird sie im Bereich des Werks S… der D… AG beschäftigt. Ab 2. Mai 1988 wurden ihr Arbeiten im Bereich des Arbeiterwohnheims und der Kantine zugewiesen. Die Klägerin hat zunächst geltend gemacht, die Arbeitszuweisung stelle eine Änderungskündigung dar. Zudem handele es sich um unzumutbar schwere Arbeiten, da sie neben dem Heben von Stühlen auch prallgefüllte Müllsäcke von etwa 1,5 m Größe emporheben müsse. Demgemäß hat sie beantragt
festzustellen, daß die Änderung der Arbeitsbedingungen gemäß Mitteilung der Beklagten vom 2. Mai 1988 sozial ungerechtfertigt ist,
vorsorglich und hilfweise hat sie beantragt festzustellen, daß das Direktionsrecht der Beklagten bei der Arbeitszuweisung überschritten ist und daß sie zur Verweigerung dieser Arbeit berechtigt ist.
Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen.
Das Arbeitsgericht hat die Klage insgesamt als unzulässig abgewiesen und den Streitwert auf 1.500,-- DM festgesetzt. Hiergegen hat die Klägerin Berufung eingelegt und folgenden Antrag angekündigt:
Die Beklagte hat den Antrag angekündigt, die Berufung zurückzuweisen.
Das Landesarbeitsgericht hat die Berufung der Klägerin als unzulässig verworfen. In der Berufungsinstanz sei lediglich der Hilfsantrag angefallen. Für diesen betrage der Beschwerdewert 500,-- DM. Das Landesarbeitsgericht hat die Revisionsbeschwerde zugelassen.
Entscheidungsgründe
II. Die frist- und formgerecht eingelegte Revisionsbeschwerde der Klägerin ist unbegründet. Das Landesarbeitsgericht hat die Berufung der Klägerin als unzulässig verworfen, weil der Wert des Beschwerdegegenstandes nur 500,-- DM betrage und es sich nicht um eine nichtvermögensrechtliche Streitigkeit handele. Dem ist zu folgen.
1. Nach § 64 Abs. 2 ArbGG kann in vermögensrechtlichen Streitigkeiten die Berufung nur dann eingelegt werden, wenn sie entweder vom Arbeitsgericht zugelassen worden ist oder wenn der Wert des Beschwerdegegenstandes 800,-- DM übersteigt. Lediglich in nichtvermögensrechtlichen Streitigkeiten ist die Berufung in jedem Falle statthaft.
a) Das Landesarbeitsgericht ist zu Recht davon ausgegangen, daß es sich bei dem Streit der Parteien um eine vermögensrechtliche Streitigkeit handelt. Das ist immer dann der Fall, wenn der Kläger in erheblichem Umfange wirtschaftliche Zwecke verfolgt. Unberücksichtigt bleibt, ob er daneben auch die Verwirklichung von nichtwirtschaftlichen Zwecken anstrebt (BGHZ 13, 5, 9 f.; 14, 72 74; BAGE 38, 52, 54 = AP Nr. 3 zu § 64 ArbGG 1979, zu 1a der Gründe).
b) Im Streitfall will die Klägerin den Umfang des Weisungsrechts der Beklagten und damit gleichzeitig auch den Umfang ihrer Weisungsgebundenheit festgestellt wissen. Mit diesem Verlangen wird zwar keine Frage der Lohnzahlung berührt, es geht aber darum, wieweit die Klägerin bei bestimmten Arbeitszuweisungen berechtigt ist, die Arbeit zu verweigern. Diese Grenzziehung ist von Bedeutung für die Voraussetzungen einer möglichen Kündigung wegen Arbeitsverweigerung. In der Sache selbst wendet sich die Klägerin damit gegen eine mögliche Gefährdung ihres Arbeitsplatzes. Damit ist aber die Verbindung mit dem Bestand ihres Arbeitsverhältnisses als eines wirtschaftlichen Austauschverhältnisses so eng, daß das Verfahren vor dem Hintergrund eines Kündigungsschutzrechtsstreits eine vermögensrechtliche Streitigkeit darstellt. Ähnlich hat der Senat bei einer mit Kündigungsandrohung erfolgten Abmahnung die Auffassung vertreten, es handele sich um eine vermögensrechtliche Streitigkeit im Sinne von § 64 Abs. 2 ArbGG 1979 (vgl. BAGE 38, 52, 54 = AP Nr. 3 zu § 64 ArbGG 1979, zu 1b der Gründe).
2. Die Klägerin hat geltend gemacht, vorliegend sei das Arbeitsverhältnis im ganzen betroffen. Ein Arbeitsverhältnis setze sich aber zusammen aus vermögens- und nichtvermögensrechtlichen Aspekten, wobei hier die nichtvermögensrechtliche Seite im Vordergrund stehe. Dieser Auffassung kann jedoch nicht gefolgt werden. Die Frage, wann ein Arbeitnehmer zur Arbeitsverweigerung berechtigt ist und eine mögliche Kündigung des Arbeitgebers deswegen sich als rechtsunwirksam erweisen muß, steht in engem Zusammenhang mit dem Arbeitsverhältnis als der wirtschaftlichen Existenzgrundlage des Arbeitnehmers. Damit sind aber vermögensrechtliche Positionen berührt. Ob daneben auch noch nichtvermögensrechtliche Gesichtspunkte eine Rolle spielen, tritt hinter diesem Ergebnis zurück und kann infolgedessen für die Entscheidung unbeachtet bleiben.
3. Gegen die Festsetzung des Beschwerdewertes auf 500,-- DM nach § 3 ZPO bestehen keine rechtlichen Bedenken.
Unterschriften
Dr. Thomas, Dr. Gehring, Dr. Olderog
Fundstellen
Haufe-Index 872082 |
RdA 1990, 63 |