Entscheidungsstichwort (Thema)
Auflösung des Arbeitsverhältnisses eines Jugend- und Auszubildendenvertreters nach § 78a BetrVG
Orientierungssatz
Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts ist dem Arbeitgeber eine Weiterbeschäftigung nach § 78a Abs 4 BetrVG unzumutbar, wenn für das zur Übernahme anstehende Mitglied der Jugend- und Auszubildendenvertretung kein andauernder Beschäftigungsbedarf besteht. Ein Beschäftigungsbedarf fehlt, wenn bei der Beendigung des Berufsausbildungsverhältnisses im Ausbildungsbetrieb kein freier Arbeitsplatz vorhanden ist, auf dem der Auszubildende mit ausbildungsadäquaten Arbeiten beschäftigt werden kann. Allerdings ist nach Zweck der Systematik der Schutzbestimmung des § 78a Abs 4 BetrVG bei der Beurteilung der Unzumutbarkeit einer Weiterbeschäftigung auch zu berücksichtigen, ob innerhalb eines Zeitraums von drei Monaten vor dem vertraglich vereinbarten Ende des Ausbildungsverhältnisses Arbeitsplätze frei geworden sind und ob deren sofortige Neubesetzung nicht durch dringende betriebliche Erfordernisse geboten war.
Tenor
Die Rechtsbeschwerde der Arbeitgeberin gegen
den Beschluß des Landesarbeitsgerichts Niedersachsen vom 3.
September 1997 - 6 TaBV 35/97 - wird zurückgewiesen.
Gründe
A. Die Beteiligten streiten über die Auflösung des Arbeitsverhältnisses eines Mitglieds der Jugend- und Auszubildendenvertretung.
Die Beteiligte zu 1) ist ein Unternehmen, das wissenschaftliche Grundlagenforschung durchführt. Sie wird über öffentliche Mittel finanziert, die das Land Niedersachsen und die Bundesrepublik Deutschland als deren Gesellschafter zur Verfügung stellen. Der Beteiligte zu 2) wurde von ihr zum Maschinenbaumechaniker ausgebildet. Er war seit September 1994 Jugend- und Auszubildendenvertreter. Seine Ausbildung beendete er am 21. Januar 1997 mit Bestehen der Abschlußprüfung.
Der Beteiligte zu 2) hatte bereits am 22. Oktober 1996 und am 18. November 1996 schriftlich die Übernahme in ein unbefristetes Arbeitsverhältnis verlangt. Daraufhin bot ihm die Arbeitgeberin den Abschluß eines auf sechs Monate befristeten Arbeitsvertrages an. Das Angebot nahm der Beteiligte zu 2) unter Vorbehalt an.
Bei der Arbeitgeberin war zum 30. November 1996 infolge einer Eigenkündigung die Stelle eines Mechanikers frei geworden. Auf diesen Arbeitsplatz wurde zum 1. Dezember 1996 ein anderer Mechaniker umgesetzt. Dieser war vor dem Beteiligten zu 2) Jugend- und Auszubildendenvertreter gewesen und zuletzt auf einem "Aushilfsposten" beschäftigt worden.
Die Arbeitgeberin hat eine Weiterbeschäftigung des Beteiligten zu 2) für unzumutbar gehalten. Bei Beendigung des Ausbildungsverhältnisses sei keine freie Stelle vorhanden gewesen. Aufgrund von Mittelkürzungen ihrer Gesellschafter sei sie gehalten gewesen, zum Januar 1997 4,5 Stellen einzusparen. Freie Stellen seien daher nicht mehr besetzt worden.
Die Arbeitgeberin hat zuletzt beantragt,
das Arbeitsverhältnis mit dem Beteiligten zu 2) zum 21. Juli 1997
aufzulösen.
Die Beteiligten zu 2) und 3) haben beantragt, den Antrag zurückzuweisen.
Sie haben gemeint, der Beteiligte zu 2) habe auf der zum 30. November 1996 freigewordenen ausbildungsgerechten Stelle beschäftigt werden können.
Arbeitsgericht und Landesarbeitsgericht haben den Antrag zurückgewiesen. Mit ihrer Rechtsbeschwerde verfolgt die Arbeitgeberin ihr bisheriges Antragsziel. Der Beteiligte zu 2) beantragt, die Rechtsbeschwerde zurückzuweisen. Die übrigen Beteiligten haben keine Anträge gestellt.
B. Die Rechtsbeschwerde der Arbeitgeberin ist unbegründet. Das Landesarbeitsgericht hat es aufgrund der von ihm getroffenen Feststellungen zu Recht abgelehnt, das nach § 78 a Abs. 2 Satz 1 BetrVG entstandene Arbeitsverhältnis nach § 78 a Abs. 4 Nr. 2 BetrVG aufzulösen. Die Arbeitgeberin hat keine Tatsachen vorgetragen, nach denen ihr die Weiterbeschäftigung des Beteiligten zu 2) nach der Beendigung seines Berufsausbildungsverhältnisses unzumutbar ist.
1. Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts ist dem Arbeitgeber eine Weiterbeschäftigung nach § 78 a Abs. 4 BetrVG unzumutbar, wenn für das zur Übernahme anstehende Mitglied der Jugend- und Auszubildendenvertretung kein andauernder Beschäftigungsbedarf besteht. Ein Beschäftigungsbedarf fehlt, wenn bei der Beendigung des Berufsausbildungsverhältnisses im Ausbildungsbetrieb kein freier Arbeitsplatz vorhanden ist, auf dem der Auszubildende mit ausbildungsadäquaten Arbeiten beschäftigt werden kann (BAG Beschlüsse vom 6. November 1996 - 7 ABR 54/95 - BAGE 84, 294 = AP Nr. 26 zu § 78 a BetrVG 1972; 12. November 1997 - 7 ABR 63/96 - AP Nr. 30 zu § 78 a BetrVG 1972). Allerdings ist nach Zweck und Systematik der Schutzbestimmung des § 78 a Abs. 4 BetrVG bei der Beurteilung der Unzumutbarkeit einer Weiterbeschäftigung auch zu berücksichtigen, ob innerhalb eines Zeitraums von drei Monaten vor dem vertraglich vereinbarten Ende des Ausbildungsverhältnisses Arbeitsplätze frei geworden sind und ob deren sofortige Neubesetzung nicht durch dringende betriebliche Erfordernisse geboten war (BAG Beschlüsse vom 12. November 1997 - 7 ABR 63/96 - und - 7 ABR 73/96 - AP Nr. 30, 31 zu § 78 a BetrVG 1972).
2. Danach ist die Würdigung des Landesarbeitsgerichts auf der Grundlage der von ihm festgestellten und mangels Verfahrensrügen den Senat bindenden Tatsachen rechtsfehlerfrei. Nach den Feststellungen des Beschwerdegerichts war im Betrieb der Arbeitgeberin innerhalb des Drei-Monats-Zeitraums vor Abschluß der Berufsausbildung des Beteiligten zu 2) eine Mechanikerstelle frei geworden. Dringende betriebliche Gründe, die eine betriebsinterne sofortige Neubesetzung dieser Stelle gefordert hätten, sind nicht vorgetragen. Der Annahme des Landesarbeitsgerichts, unaufschiebbar zu erledigende Mechanikerarbeiten hätten die Arbeitgeberin wie in sonstigen Fällen auch an Fremdfirmen vergeben können, ist die Rechtsbeschwerde nicht entgegengetreten.
Soweit die Arbeitgeberin im Rechtsbeschwerdeverfahren erstmals konkret behauptet, sie habe die Aufgaben des zum 30. November 1996 ausgeschiedenen Mechanikers auf einen anderen Arbeitnehmer zusätzlich übertragen, weil dieser mit seiner bisherigen Arbeitsaufgabe (Aushilfsarbeiten) nicht ausgelastet gewesen sei, handelt es sich um neues Vorbringen, das im Rechtsbeschwerdeverfahren nicht berücksichtigt werden kann. Dieses Vorbringen könnte einen dauerhaft fehlenden Beschäftigungsbedarf für den Beteiligten zu 2) und eine daraus folgende Unzumutbarkeit der Weiterbeschäftigung auch nicht begründen. Die fragliche Stelle war zum 30. November 1996 aufgrund einer längeren Zeit zurückliegenden Eigenkündigung des damaligen Stelleninhabers frei geworden. Zu welchem Zeitpunkt die Arbeitgeberin ihre Entscheidung getroffen haben will, die frei werdende Stelle nicht zu besetzen und die anfallenden Arbeiten umzuverteilen, hat sie auch in der Rechtsbeschwerde nicht vorgetragen. Nachdem der Beteiligte zu 2) rechtswirksam seine Übernahme verlangt hatte, war sie in ihrer betrieblichen Disposition nicht mehr frei. Im Rahmen der Mißbrauchskontrolle, die Teil der vom Landesarbeitsgericht vorzunehmenden Unzumutbarkeitsprüfung ist, hätte sie zwingende Gründe darlegen müssen, die es ausschließen, daß der Wegfall der Stelle in einem Zusammenhang mit dem Übernahmeverlangen steht. Solche Gründe ergeben sich weder aus dem von ihren Gesellschaftern verlangten Stellenabbau noch daraus, daß der umgesetzte Mechaniker mit Aushilfsarbeiten beschäftigt gewesen war. Für diese Arbeiten hatte die Arbeitgeberin eine Stelle eingerichtet und damit einen entsprechenden Beschäftigungsbedarf anerkannt. Gründe, die eine sofortige Umsetzung dieses Mitarbeiters geboten sein ließen, sind nicht dargetan. Nach dem Schutzzweck des § 78 a BetrVG führt auch ein vom Arbeitgeber geplanter, künftiger Stellenabbau nicht zur Unzumutbarkeit der Weiterbeschäftigung, wenn im rechtserheblichen Zeitpunkt eine freie besetzungsfähige Stelle vorhanden ist. Denn das Entstehen des Amtsträgerschutzes und die damit verbundenen Kündigungsbeschränkungen lassen sich nicht dadurch umgehen, eine Weiterbeschäftigung bereits im Vorgriff auf einen konkreten Personalabbau für unzumutbar zu halten (BAG Beschluß vom 16. August 1995 - 7 ABR 52/94 - AP Nr. 25 zu § 78 a BetrVG 1972).
Dörner
SteckhanSchmidt Niehues
Hökenschnieder
Fundstellen