Entscheidungsstichwort (Thema)
Insolvenzsicherung bei Altersteilzeitarbeit
Orientierungssatz
- Aus einem rechtskräftigen Endurteil kann nur dann die Zwangsvollstreckung betrieben werden, wenn das Urteil bestimmt genug ist, um festzustellen, welche Forderung zu vollstrecken ist.
- Zur Klärung dieser Frage kann bei Urteilen, die – wie Anerkenntnisurteile – keiner Begründung bedürfen, auch die Klageschrift mit Anlagen herangezogen werden.
- Ein Urteil, mit dem eine Sicherheitsleistung nach § 8a AltTZG ausgeurteilt wird, muss erkennen lassen, in welcher Höhe Sicherheit geleistet werden soll, um als Vollstreckungstitel dienen zu können.
Normenkette
AltTZG § 8a; ZPO § 704 Abs. 1
Verfahrensgang
LAG Baden-Württemberg (Beschluss vom 13.07.2006; Aktenzeichen 15 Ta 8/06) |
ArbG Stuttgart (Beschluss vom 06.03.2006; Aktenzeichen 31 Ca 9227/05) |
Tenor
Die Rechtsbeschwerde des Klägers gegen den Beschluss des Landesarbeitsgerichts Baden-Württemberg vom 13. Juli 2006 – 15 Ta 8/06 – wird zurückgewiesen.
Der Kläger hat die Kosten des Rechtsbeschwerdeverfahrens zu tragen.
Tatbestand
I. Der am 8. Juni 1948 geborene Kläger ist seit 1972 beim Beklagten tätig. Am 12. Dezember 2003 schlossen die Parteien einen Altersteilzeitarbeitsvertrag im Blockmodell. Das Altersteilzeitverhältnis sollte ab dem 1. Juli 2004 beginnen. Nachdem der Beklagte trotz Aufforderung keine Sicherheit für das Wertguthaben des Klägers geleistet hatte, klagte der Kläger die Sicherheitsleistung ein und legte dabei den Altersteilzeitarbeitsvertrag vor. In § 2 war für die Arbeitsphase – 1. Juli 2004 bis 30. September 2006 – die bisherige Tätigkeit und danach die Freistellung vereinbart, soweit tatsächlich während der Arbeitsphase vorgeleistet wurde. Das Arbeitsentgelt wurde in § 3 auf fortlaufend 2.200,00 Euro brutto – ohne Aufstockungsbetrag – festgelegt. § 4 des Vertrages bestimmte, dass der Arbeitnehmer ein Wertguthaben erhält, das der jeweils geleisteten Arbeitszeit iSd. § 2 entspricht.
Das Arbeitsgericht erließ gegen den Beklagten ein Anerkenntnisurteil mit folgendem Tenor:
“Der Beklagte wird verurteilt, dem Kläger gegenüber Sicherheit in Höhe des zu Gunsten des Klägers aus dem Altersteilzeitarbeitsvertrag vom 12. Dezember 2003 bestehenden Wertguthabens für die Zeit vom 1. Juli 2004 bis 30. Juni 2005 durch Stellung eines tauglichen Bürgen oder Hinterlegung von Geld oder solchen Wertpapieren, die nach § 234 Abs. 1 und 3 des Bürgerlichen Gesetzbuches zur Sicherheitsleistung geeignet sind, zu leisten.”
Das Urteil ist rechtskräftig.
Nachdem der Beklagte keine Sicherheit leistete, betrieb der Kläger die Zwangsvollstreckung. Soweit für das Rechtsbeschwerdeverfahren von Interesse hat er sinngemäß beantragt:
Der Gläubiger wird ermächtigt, die dem Schuldner gemäß der vollstreckbaren Ausfertigung des Anerkenntnisurteils des Arbeitsgerichts Stuttgart vom 29. September 2005 – 31 Ca 9227/05 – nach Ziffer 1 obliegende vertretbare Handlung, nämlich dem Gläubiger gegenüber Sicherheit in Höhe des zu Gunsten des Gläubigers aus dem Altersteilzeitarbeitsvertrag vom 12. Dezember 2003 bestehenden Wertguthabens für die Zeit vom 1. Juli 2004 bis 30. Juni 2005 durch Stellung eines tauglichen Bürgen oder Hinterlegung von Geld oder solchen Wertpapieren, die nach § 234 Abs. 1 und 3 des Bürgerlichen Gesetzbuches zur Sicherheitsleistung geeignet sind, zu leisten, in Form der Hinterlegung eines dem Wertguthaben vom 1. Juli 2004 bis 30. Juni 2005 entsprechenden Betrags vornehmen zu lassen.
Das Arbeitsgericht hat diesem Antrag durch Beschluss vom 6. März 2006 entsprochen.
Der Beklagte übergab dem Kläger daraufhin eine Urkunde, mit der seine Ehefrau unter Verzicht auf die Einrede der Vorausklage für einen Betrag über 29.040,00 Euro eine Bürgschaft übernahm. Ferner legte er sofortige Beschwerde gegen den Beschluss des Arbeitsgerichts ein mit dem Ziel, diesen Beschluss ersatzlos aufzuheben. Im Laufe des Verfahrens legte er eine Bescheinigung der Baden-Württembergischen Bank vor, wonach die Ehefrau des Beklagten “nach unserer Kenntnis” über ausreichend unbelastetes Vermögen verfügt, die es ihr ermöglicht, im Falle der Inanspruchnahme der Bürgschaft die Verpflichtungen zu erfüllen.
Das Arbeitsgericht half mit Beschluss vom 3. April 2006 der Beschwerde nicht ab und legte die Akten dem Landesarbeitsgericht zur Entscheidung vor. Das Landesarbeitsgericht hob den Beschluss des Arbeitsgerichts auf und wies den Zwangsvollstreckungsantrag zurück. Zur Begründung stützt es sich darauf, dass der Beklagte mit seiner Ehefrau eine taugliche Bürgin beigebracht habe.
Das Landesarbeitsgericht hat die Rechtsbeschwerde zugelassen. Mit seiner Rechtsbeschwerde begehrt der Kläger die Aufhebung des landesarbeitsgerichtlichen Beschlusses.
Entscheidungsgründe
II. Die Rechtsbeschwerde hat keinen Erfolg.
1. Hinsichtlich der Zulässigkeit der Rechtsbeschwerde bestehen keine Bedenken, obwohl sich der Kläger auf den Antrag beschränkt, den Beschluss des Landesarbeitsgerichts aufzuheben. Er begehrt damit ersichtlich die Wiederherstellung der arbeitsgerichtlichen Entscheidung durch Zurückweisung der Beschwerde des Beklagten. Damit sind die Rechtsbeschwerdeanträge (§ 575 Abs. 3 Nr. 1 ZPO) hinreichend bestimmt.
2. Die Rechtsbeschwerde ist jedoch unbegründet. Die angefochtene Entscheidung stellt sich jedenfalls aus anderen Gründen als richtig dar (§ 577 Abs. 3 ZPO). Das zu Lasten des Beklagten ergangene Anerkenntnisurteil stellt keine geeignete Grundlage für die Zwangsvollstreckung dar.
a) Eine wirksame Zwangsvollstreckung setzt einen vollstreckbaren Titel voraus. Dazu gehören rechtskräftige Endurteile, wie hier eines vorliegt (§ 704 Abs. 1 ZPO). Voraussetzung für die Zwangsvollstreckung ist jedoch, dass das Urteil einen vollstreckbaren Inhalt hat. Dazu gehört, dass das Urteil bestimmt genug ist, um festzustellen, welche titulierte Forderung zu vollstrecken ist. Daraus erklärt sich die Notwendigkeit, bereits in der Klageschrift einen bestimmten Antrag zu stellen (§ 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO; vgl. zum Ganzen Zöller/Stöber ZPO 25. Aufl. § 704 Rn. 4).
b) Das Anerkenntnisurteil ist in diesem Sinne nicht bestimmt genug. Das gilt auch dann, wenn man zu seiner Auslegung – was bei, wie hier, nicht zu begründenden Urteilen zulässig ist (OLG Köln 19. August 1992 – 2 W 127/92 – FamRZ 1992, 1446) – die Klageschrift einschließlich des hier als Anlage beigefügten Altersteilzeitarbeitsvertrages zur Auslegung des Urteils heranzieht. Auch dann ist es nämlich nicht ersichtlich, in welcher Höhe tatsächlich Wertguthaben für den im Urteil genannten Zeitraum entstanden sind:
Wie sich aus § 4 des Vertrages ergibt, sind Wertguthaben nur in dem Umfange entstanden, in dem der Kläger tatsächlich mehr gearbeitet hat, als es dem ihm weitergezahlten ständigen Arbeitsentgelt entsprach. Zwar steht auf Grund des gewählten Altersteilzeitmodells – Blockmodell – fest, dass während der gesamten Arbeitsphase die bisherige Tätigkeit weiterzuleisten ist und danach ein Freistellungsanspruch entsteht. Dadurch wird bezogen auf das gesamte Altersteilzeitarbeitsverhältnis eine Halbierung der Arbeitszeit gewährleistet, wie sie Voraussetzung für Altersteilzeitarbeit ist (§ 2 Abs. 1 Nr. 2 AltTZG; BAG 10. Februar 2004 – 9 AZR 401/02 – BAGE 109, 294). Die vertragliche Regelung sagt aber nichts über die Verteilung der damit im Ergebnis hälftigen Arbeitszeit innerhalb der Arbeitsphase aus. Davon hängt aber ab, in welchem Umfang bezogen auf die Zeiträume der Arbeitsphase und damit auch des Klagezeitraums tatsächlich Wertguthaben entstehen. Zur tatsächlich geleisteten Arbeitszeit fehlen somit in der Klageschrift und deren Anlage jegliche Angaben.
c) Die so entstandenen Unsicherheiten können nicht im Zwangsvollstreckungsverfahren behoben werden. Es ist nicht Aufgabe der Vollstreckungsorgane – auch nicht des Prozessgerichts, das hier in der Zwangsvollstreckung § 887 ZPO angewendet hat – die dem Konflikt zugrunde liegenden materiell-rechtlichen Fragen zu klären. Das ist vielmehr Aufgabe des Prozessgerichts im Erkenntnisverfahren.
d) Es kann dahingestellt bleiben, ob das Urteil des Arbeitsgerichts auch deshalb zu unbestimmt ist, weil § 8a Abs. 4 AltTZG, wenn die Voraussetzungen eines Sicherheitsverlangens des Arbeitnehmers vorliegen, die Wahl des Sicherungsmittels dem Arbeitnehmer und nicht dem Arbeitgeber überlässt (BT-Drucks. 15/1515 S. 135) und der Kläger im Erkenntnisverfahren eine solche Wahl nicht getroffen hat.
III. Der Kläger hat die Kosten des Rechtsbeschwerdeverfahrens nach § 97 ZPO zu tragen.
Unterschriften
Reinecke, Breinlinger, Zwanziger
Fundstellen
Haufe-Index 1644769 |
NZA 2007, 647 |
AP 2007 |
AP, 0 |
EzA-SD 2007, 16 |
NZI 2007, 254 |
www.judicialis.de 2006 |