Entscheidungsstichwort (Thema)
Abbau einer Ministerialzulage. Gesamtzusage. betriebliche Übung im öffentlichen Dienst. Mitbestimmung des Personalrats bei Anrechnung einer Tariflohnerhöhung auf übertarifliche Zulagen. aufschiebend bedingte Arbeitgeberentscheidung zur Anrechnung
Leitsatz (amtlich)
Trifft der Arbeitgeber ohne Beteiligung des Personalrats im Hinblick auf künftige Tariflohnerhöhungen – abhängig von deren ungewisser Höhe – zwei unterschiedliche Entscheidungen zur Anrechnung auf eine übertarifliche Zulage, von denen die eine mitbestimmungsfrei, die andere nur mit Zustimmung des Personalrats möglich ist, werden Mitbestimmungsrechte nicht verletzt, wenn sich nur die mitbestimmungsfrei mögliche Entscheidung realisiert.
Orientierungssatz
- Der Anrechnung einer Tariflohnerhöhung auf übertarifliche Zulagen können individualrechtliche und kollektivrechtliche Gründe entgegenstehen. Individualrechtlich ist der Arbeitgeber an einer Anrechnung gehindert, wenn er die Zulage als selbständigen Entgeltbestandteil unwiderruflich schuldet. Kollektivrechtlich ist die Anrechnung unwirksam, wenn sich dadurch die bestehenden Verteilungsgrundsätze ändern, ohne dass der Personalrat dem zugestimmt hätte.
- Erhalten Arbeitnehmer des öffentlichen Dienstes Leistungen in Vollzug von Regelungen, die für Beamte und Arbeitnehmer einheitlich gelten, kann sich eine betriebliche Übung für sie grundsätzlich nicht in Widerspruch zu der für die Beamten maßgebenden Regelung entwickeln. Das gilt auch, wenn die Landesregierung selbst über die Leistungsgewährung entschieden hat.
- Trifft der Arbeitgeber ohne Beteiligung des Personalrats alternativ zwei aufschiebend bedingte Entscheidungen zur Anrechnung künftiger Tariflohnerhöhungen auf eine übertarifliche Zulage, deren eine – bei entsprechend hoher Tarifsteigerung – mitbestimmungsfrei, deren andere – bei geringerer Tarifsteigerung – wegen Änderung der Verteilungsgrundsätze mitbestimmungspflichtig ist, werden Mitbestimmungsrechte des Personalrats nicht verletzt, wenn sich nur die erstgenannte Entscheidung tatsächlich auswirkt.
Normenkette
BGB §§ 151, 133, 157; Hessisches PersVG § 74 Abs. 1 Nr. 13, § 69 Abs. 1; BetrVG § 87 Abs. 1 Nr. 10
Verfahrensgang
Hessisches LAG (Urteil vom 26.03.2004; Aktenzeichen 12 Sa 1252/03) |
ArbG Wiesbaden (Urteil vom 09.07.2003; Aktenzeichen 7 Ca 2485/02) |
Tenor
Von Rechts wegen!
Tatbestand
Die Parteien streiten über die Zahlung einer Zulage.
Die Klägerin ist seit dem 1. März 1993 als Angestellte im Sozialministerium des beklagten Landes beschäftigt. Nach § 2 des Arbeitsvertrags findet auf das Arbeitsverhältnis der Bundes-Angestelltentarifvertrag (BAT) nebst ihn ergänzenden Tarifverträgen Anwendung. Neben ihrer tariflichen Vergütung erhielt die Klägerin eine sog. Ministerialzulage in Höhe von 90,00 DM monatlich.
Eine solche Zulage gewährte das beklagte Land den an seinen obersten Behörden tätigen Beamten, Angestellten und Arbeitern seit dem Jahr 1953. Die dazu von der hessischen Landesregierung beschlossenen “Richtlinien über die Gewährung einer Ministerialzulage” vom 8. Juli 1953 in ihrer Fassung vom 11. April 1972 sahen – nach Besoldungs- bzw. Vergütungsgruppen gestaffelt – fixe monatliche Beträge zwischen 30,00 DM und 185,00 DM vor. Lohnempfänger erhielten eine Zulage nach der untersten Stufe in Höhe von 30,00 DM. Ferner hieß es in den Richtlinien:
“8. Die Ministerialzulage wird zusammen mit den Dienstbezügen ausgezahlt. Sie ist nach § 4 Ziffer 1 Satz 1 LStDV 1962 steuerfrei und nicht Entgelt im Sinne der Sozialversicherung.
9. Neben einer Dienstaufwandsentschädigung wird Ministerialzulage nicht gewährt.
10. Auf die Ministerialzulage besteht kein Rechtsanspruch; sie ist jederzeit widerruflich.
…”
Die Richtlinien und ihre Neufassungen wurden den obersten Landesbehörden per Runderlass bekannt gegeben.
Am 30. April 1996 beschloss die hessische Landesregierung, die Ministerialzulage für alle nach dem 1. Mai 1996 neu eingestellten Bediensteten entfallen zu lassen. Am 22. Oktober 1996 fasste sie den Beschluss, die Ministerialzulage auch für die übrigen Beschäftigten abzubauen. Dazu erließ sie “Richtlinien zum Abbau der Ministerialzulage” mit auszugsweise folgendem Wortlaut:
“Der Monatsbetrag der Ministerialzulage … vermindert sich bei Inkrafttreten jeder linearen Erhöhung der Dienstbezüge bzw. der Vergütungen und Löhne um ein Drittel des ungekürzten Monatsbetrags. Liegt der Betrag der linearen Erhöhung der Dienstbezüge, der Vergütung (einschließlich der allgemeinen Zulage) oder des Monatstabellenlohnes (einschließlich des Sozialzuschlages) unter einem Drittel der ungekürzten Ministerialzulage, unterbleibt die Kürzung.”
Mit Runderlass vom 5. November 1996 wurden diese Richtlinien in den obersten Landesbehörden bekannt gegeben; die Beschäftigten der Behörden wurden per Hausmitteilung informiert. Die zuständige Personalvertretung war zu keiner Zeit beteiligt worden.
Zum 1. Januar 1997, 1. Januar 1998 und 1. April 1999 erhielten die Landesbediensteten höhere Dienstbezüge, Gehälter und Löhne. Die Erhöhungen überstiegen bei allen Bediensteten stets den Betrag eines Drittels der ihnen bisher gewährten ungekürzten Zulage. Diese wurde entsprechend den Richtlinien zeitgleich um je ein Drittel gekürzt und entfiel deshalb ab dem 1. April 1999 gänzlich.
Nach dem 1. Januar 1997 hatte eine Vielzahl von Arbeitnehmern gerichtlich die Weiterzahlung der ungekürzten Zulage verlangt. Die jeweiligen Parteien verständigten sich auf die Durchführung zweier Musterverfahren. Diese wurden mit rechtskräftig gewordenen Urteilen des Hessischen Landesarbeitsgerichts vom 18. Juni 2001 (– 13 Sa 1105/00 –, – 13 Sa 1106/00 –) zugunsten der beiden Kläger beendet. Das beklagte Land weigerte sich, auch die übrigen Kläger entsprechend zu behandeln. Die hessische Landesregierung beschloss am 18. Dezember 2001 erneut, die Ministerialzulage – diesmal mit sofortiger Wirkung – entfallen zu lassen. Den Arbeitnehmern wurde der Beschluss im April 2002 bekannt gegeben.
Mit ihrer im August 2002 rechtshängig gewordenen Klage hat die Klägerin die Zahlung der ungekürzten Ministerialzulage für die Zeit von Januar 1997 bis einschließlich April 2002 im Gesamtbetrag von 2.347,02 Euro nebst Zinsen geltend gemacht. Sie hat die Auffassung vertreten, sie habe zumindest auf Grund betrieblicher Übung einen Anspruch auf die Ministerialzulage erworben. Einen Widerruf der Zulage habe sich das beklagte Land ihr gegenüber nicht vorbehalten. Dessen Erklärung, die Zulage nach Maßgabe der Richtlinien von Oktober 1996 abzubauen, sei im Übrigen deshalb unwirksam, weil es den zuständigen Personalrat entgegen § 74 Abs. 1 Nr. 13 Hessisches PersVG nicht beteiligt habe.
Das beklagte Land hat gemeint, weder habe die Klägerin einen unwiderruflichen Anspruch auf Zahlung der Ministerialzulage erworben noch habe es den Personalrat an seiner Entscheidung zur ratierlichen Kürzung der Zulage beteiligen müssen. Dies folge schon daraus, dass es sich bei der Zulage um eine Aufwandsentschädigung nach § 33 Abs. 1 Buchst. a BAT und nicht um Arbeitsentgelt gehandelt habe. In jedem Fall seien Ansprüche der Klägerin nach Maßgabe tariflicher und allgemeiner Grundsätze verfallen.
Das Arbeitsgericht hat der Klage im Umfang von 138,06 Euro nebst Zinsen für die Monate Februar bis April 2002 stattgegeben und sie im Übrigen im Hinblick auf die Ausschlussfrist des § 70 BAT abgewiesen. Dagegen hat – nur – das beklagte Land Berufung eingelegt. Das Landesarbeitsgericht hat die Berufung zurückgewiesen. Mit der Revision verfolgt das beklagte Land seinen Antrag weiter, auch den noch rechtshängigen Teil der Klage abzuweisen.
Entscheidungsgründe
Die Revision ist begründet. Der Klägerin steht die Ministerialzulage auch für die Zeit von Februar bis April 2002 nicht zu. Sie besaß keinen unwiderruflichen Anspruch auf die Zulage. Die Entscheidung des beklagten Landes, die Zulage schrittweise mit Tariferhöhungen zu verrechnen, unterlag nicht der Mitbestimmung des Personalrats.
I. Individualrechtlich waren eine Anrechnung von Tariferhöhungen auf die Ministerialzulage und der darin liegende (Teil-)Widerruf möglich.
1. Die Klägerin besaß keinen tariflichen Anspruch auf eine ungeschmälerte Fortzahlung der Zulage.
a) Der Tarifvertrag über Zulagen an Angestellte bei obersten Bundesbehörden oder bei obersten Landesbehörden vom 4. November 1971 findet auf die Klägerin keine Anwendung. Nach seinem § 1 gilt dieser Tarifvertrag nur für die Angestellten des Bundes und der Länder Baden-Württemberg, Bayern, Berlin, Niedersachsen, Nordrhein-Westfalen, Rheinland-Pfalz, Schleswig-Holstein und Saarland, deren Arbeitsverhältnisse sich nach den Regelungen des BAT richten. Für Angestellte des Landes Hessen gilt der Tarifvertrag nicht.
b) Ein Anspruch auf ungekürzte Weiterzahlung der Zulage folgt auch nicht aus § 33 Abs. 1 Buchst. a BAT. Danach erhält der Angestellte neben seiner Vergütung iSv. § 26 BAT eine Zulage, wenn seine Tätigkeit mit Mehraufwendungen verbunden ist, die weder durch Reisekostenvergütung noch durch die Vergütung selbst abgegolten sind, und den entsprechenden Beamten seines Arbeitgebers unter den gleichen Voraussetzungen und Umständen – gemäß § 17 BBesG oder § 5 HBesG – eine Zulage zu gewähren ist.
Es kann dahinstehen, ob die Ministerialzulage Mehraufwendungen ausgleichen sollte, die durch eine Verwendung der Beschäftigten bei den obersten Landesbehörden entstehen. War dies – wie das beklagte Land vorbringt – der Fall, so ist der tarifliche Anspruch auf Zahlung der Zulage nach § 33 Abs. 1 Buchst. a BAT in dem Umfang entfallen, in welchem die Ministerialzulage auch gegenüber vergleichbaren Beamten gekürzt wurde. Die Zahlung der Zulage an Beamte wurde nach Maßgabe der Richtlinien von Oktober 1996 eingestellt. Daran war das beklagte Land – davon gehen beide Parteien übereinstimmend aus – rechtlich nicht gehindert.
2. Die Klägerin besaß auch einzelvertraglich keinen Anspruch auf ungekürzte Weiterzahlung der Ministerialzulage.
a) Ob eine Erhöhung der tariflichen Vergütung auf eine übertarifliche Zulage angerechnet werden darf, hängt von der zugrunde liegenden Vergütungsabrede ab. Eine Anrechnung ist möglich, sofern dem Arbeitnehmer die Zulage nicht als selbständiger Entgeltbestandteil neben dem jeweiligen Tarifentgelt zugesagt worden ist. Allgemeine Zulagen, die nicht besondere Leistungen oä. abgelten sollen, werden regelmäßig deshalb gewährt, weil die tarifliche Vergütung den Parteien des Arbeitsvertrags als nicht ausreichend erscheint. Steigen die Tarifentgelte anschließend, so ist mangels anderer Anhaltspunkte anzunehmen, dass eine entsprechende Anrechnung der bisher übertariflichen Lohnanteile dem Willen der Parteien entspricht (BAG 8. Juni 2004 – 1 AZR 308/03 – BAGE 111, 70, zu B I 1 der Gründe; 21. Januar 2003 – 1 AZR 125/02 – AP BetrVG 1972 § 87 Lohngestaltung Nr. 118 = EzA TVG § 4 Tariflohnerhöhung Nr. 41, zu A II 1 der Gründe mwN).
Stellte die Ministerialzulage eine solche allgemeine Zulage dar, war die vorgenommene Verrechnung mit Tariferhöhungen individualrechtlich möglich. Da das beklagte Land die Beamten von einer entsprechenden Kürzung nicht ausgenommen hat, scheidet für die Arbeitnehmer auch der arbeitsrechtliche Gleichbehandlungsgrundsatz als Grundlage eines Anspruchs auf ungeschmälerte Fortzahlung aus.
b) Auch wenn zugunsten der Klägerin angenommen wird, dass die Ministerialzulage als selbständiger Entgeltbestandteil geleistet wurde, konnte das beklagte Land sie mit Erhöhungen des Tarifentgelts verrechnen und – selbst unabhängig davon – widerrufen.
aa) Die Klägerin kann die ungekürzte Weiterzahlung der Zulage nicht auf Grund einer entsprechenden Gesamtzusage verlangen. Eine Gesamtzusage ist die in allgemeiner Form an alle Arbeitnehmer gerichtete Erklärung des Arbeitgebers, bestimmte Leistungen erbringen zu wollen. Die Arbeitnehmer, die die vom Arbeitgeber aufgestellten Anspruchsvoraussetzungen erfüllen, erwerben einen einzelvertraglichen Leistungsanspruch. Einer besonderen Erklärung der Annahme des in der Zusage enthaltenen Angebots bedarf es dazu wegen § 151 BGB nicht (BAG 10. Dezember 2002 – 3 AZR 92/02 – BAGE 104, 220, zu I 1 der Gründe mwN). Eine Gesamtzusage verlangt allerdings eine ausdrückliche Bekanntgabe des mit ihr verbundenen Angebots an die Belegschaft (ErfK/Preis 6. Aufl. § 611 BGB Rn. 259). Daran fehlt es im Streitfall. Die Parteien haben übereinstimmend vorgetragen, dass die Richtlinien der Jahre 1953 und 1972 nicht veröffentlicht wurden.
Selbst wenn sie den Beschäftigten auf andere Weise bekannt gegeben worden sein sollten, war mit ihnen ein Anspruch auf ungeschmälerte Fortzahlung der Zulage nicht verbunden. Vielmehr wäre dann auch Nr. 10 der Richtlinien Inhalt der Arbeitsverträge geworden. Danach bestand auf die Ministerialzulage “kein Rechtsanspruch” und sie war “jederzeit widerruflich”. Zumindest der darin liegende Widerrufsvorbehalt war nach der Rechtslage zur Zeit seiner Begründung und schrittweisen Ausübung rechtlich zulässig. Ein Eingriff in den Kernbereich des Arbeitsvertrags war nicht gegeben. Der gesetzliche Schutz gegenüber Änderungskündigungen wurde nicht umgangen. Der Widerrufsvorbehalt erfasste bei einer Zulagenhöhe von zuletzt 90,00 DM monatlich bei weitem nicht die Summe von bis zu 20 % des Gesamtverdienstes, die nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts allemal widerruflich geleistet werden konnte (vgl. BAG 7. August 2002 – 10 AZR 282/01 – AP BGB § 315 Nr. 81 = EzA BGB § 315 Nr. 51, zu B II 3 der Gründe; 13. Mai 1987 – 5 AZR 125/86 – BAGE 55, 275, zu II 4 der Gründe; 7. Oktober 1982 – 2 AZR 455/80 – BAGE 40, 199, zu IV 2a der Gründe). Ob auch der Freiwilligkeitsvorbehalt in Nr. 10 der Richtlinien angesichts monatlich zu erbringender Zusatzleistungen wirksam war und schon das Entstehen des Anspruchs auf die Ministerialzulage hat verhindern können, bedarf damit keiner Entscheidung.
Die jetzigen §§ 305 ff. BGB, die dem vereinbarten Widerrufsvorbehalt möglicherweise entgegenstünden (vgl. BAG 12. Januar 2005 – 5 AZR 364/04 – AP BGB § 308 Nr. 1 = EzA BGB 2002 § 308 Nr. 1, auch zur Veröffentlichung in der Amtlichen Sammlung vorgesehen, zu B I 5, 6 der Gründe), sind erst seit dem 1. Januar 2003 auf das Arbeitsverhältnis der Parteien anwendbar.
bb) Die Richtlinien wurden arbeitsvertraglich nicht in Bezug genommen und auch nicht auf anderem Wege vertraglich zwischen den Parteien vereinbart. Im Übrigen wäre der Widerrufsvorbehalt dann ebenfalls Vertragsbestandteil geworden.
cc) Der Klägerin steht der Anspruch auf ungeschmälerte Fortzahlung der Ministerialzulage nicht aus betrieblicher Übung zu.
(1) Nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts ist eine betriebliche Übung die regelmäßige Wiederholung bestimmter Verhaltensweisen des Arbeitgebers, aus denen die Arbeitnehmer schließen können, ihnen solle eine Leistung oder eine Vergünstigung auf Dauer gewährt werden. Aus dem Verhalten des Arbeitgebers, das als Willenserklärung zu werten ist, die von den Arbeitnehmern stillschweigend (§ 151 BGB) angenommen wird, erwachsen vertragliche Ansprüche auf die üblich gewordene Leistung oder Vergünstigung. Unerheblich ist, ob der Arbeitgeber mit einem entsprechenden Verpflichtungswillen gehandelt hat. Es kommt darauf an, wie der Arbeitnehmer als Erklärungsempfänger das Verhalten des Arbeitgebers nach Treu und Glauben unter Berücksichtigung der Begleitumstände verstehen konnte (§§ 133, 157 BGB). Die Bindungswirkung tritt ein, wenn die Arbeitnehmer auf Grund des Verhaltens des Arbeitgebers darauf vertrauen dürfen, die Leistung solle auch für die Zukunft gewährt werden (BAG 14. Januar 2004 – 10 AZR 251/03 – AP TVG § 1 Tarifverträge: Deutsche Bahn Nr. 19, zu II 2a der Gründe mwN; 18. September 2002 – 1 AZR 477/01 – BAGE 102, 351, zu I 1 der Gründe; 11. Oktober 1995 – 5 AZR 802/94 – AP BGB § 611 Arbeitszeit Nr. 9 = EzA BGB § 242 Betriebliche Übung Nr. 33, zu II 2a der Gründe). Will der Arbeitgeber verhindern, dass der Arbeitnehmer den Schluss auf einen dauerhaften Bindungswillen zieht, muss ein entsprechender Vorbehalt konkret zum Ausdruck gebracht werden (BAG 18. September 2002 – 1 AZR 477/01 – aaO).
(2) Für Arbeitsverhältnisse des öffentlichen Dienstes gelten diese Grundsätze nicht uneingeschränkt. Die durch Anweisungen vorgesetzter Dienststellen, Verwaltungsrichtlinien, Verordnungen und gesetzliche Regelungen, vor allem aber durch die Festlegungen des Haushaltsplans gebundenen öffentlichen Arbeitgeber sind anders als private Arbeitgeber gehalten, die Mindestbedingungen des Tarifrechts und die Haushaltsvorgaben bei der Gestaltung von Arbeitsverhältnissen zu beachten. Im Zweifel gilt Normvollzug (BAG 11. Oktober 1995 – 5 AZR 802/94 – AP BGB § 611 Arbeitszeit Nr. 9 = EzA BGB § 242 Betriebliche Übung Nr. 33, zu II 2b der Gründe mwN). Ein Arbeitnehmer des öffentlichen Dienstes muss deshalb grundsätzlich davon ausgehen, dass ihm der Arbeitgeber nur die Leistungen gewähren will, zu denen er rechtlich – tarifvertraglich oder gesetzlich – verpflichtet ist. Der Arbeitnehmer kann selbst bei langjährigen Leistungen nicht ohne zusätzliche konkrete Anhaltspunkte annehmen, ein gezahltes übertarifliches Entgelt oder die Gewährung sonstiger Vergünstigungen sei Vertragsbestandteil geworden und werde auf Dauer weiter gewährt (BAG 11. Oktober 1995 – 5 AZR 802/94 – aaO mwN). Dies gilt insbesondere, wenn sich die vom Arbeitgeber gewährten Leistungen als Vollzug von Regelungen darstellen, die für Beamte und Arbeitnehmer des öffentlichen Dienstes einheitlich gelten. In diesem Fall kann sich eine betriebliche Übung grundsätzlich nicht in Widerspruch zu der für die Beamten maßgebenden Regelung entwickeln. Wenn der öffentliche Arbeitgeber die den Beamten gewährten Vergünstigungen gleichzeitig Arbeitern und Angestellten einräumt, müssen diese schon aus Gründen der Gleichbehandlung damit rechnen, sie ebenfalls zu verlieren, wenn sie für die Beamten abgeschafft werden (BAG 15. Januar 1987 – 6 AZR 602/85 – EzBAT BAT § 4 Betriebliche Übung Nr. 3, zu II 3a der Gründe; 10. April 1985 – 7 AZR 36/83 – BAGE 49, 31, zu 5 der Gründe mwN).
(3) Unabhängig davon, ob es sich aus der Sicht des beklagten Landes um eine Aufwandsentschädigung nach § 33 Abs. 1 Buchst. a BAT oder um zusätzliches Entgelt handelte, musste die Klägerin erkennen, dass sie die Ministerialzulage aus Gründen der Gleichbehandlung mit den Beamten bei den obersten Landesbehörden erhielt, die im einen Fall tariflich, im anderen Fall durch den allgemeinen Gleichbehandlungsgrundsatz geboten war. Die Klägerin konnte nicht darauf vertrauen, das beklagte Land werde die Zulage an sie unabhängig davon leisten, ob auch die vergleichbaren Beamten sie weiterhin erhielten. Erkennbar war die Zahlung der Ministerialzulage an die Arbeitnehmer an die beamtenrechtlichen Verhältnisse geknüpft.
Daran ändert der Umstand nichts, dass im Streitfall die Landesregierung selbst und nicht eine untergeordnete Behörde über die Gewährung der Zulage entschieden hat. Damit mag bei den Beschäftigten die Erwartung an eine gewisse Beständigkeit der Zulagenzahlung verbunden gewesen sein. Dennoch führt dies weder zu einer Einschränkung der rechtlichen Handlungsmöglichkeiten des beklagten Landes gegenüber den beamteten Zulagenempfängern noch berechtigt es zu der Annahme, die Zahlung an die Arbeitnehmer solle unabhängig von der beamtenrechtlichen Lage erfolgen. Im Übrigen ist auch die Landesregierung an Vorgaben des Haushaltsgesetzgebers und die Gesetzeskonformität der Mittelverwendung gebunden. Eine betriebliche Übung mit dem Inhalt einer vorbehaltlosen, von den beamtenrechtlichen Verhältnissen losgelösten Zahlung der Ministerialzulage an die Arbeitnehmer ist deshalb nicht entstanden.
Dazu steht die eine betriebliche Übung bejahende Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts vom 16. Juli 1996 (– 3 AZR 352/95 – AP BetrAVG § 1 Betriebliche Übung Nr. 7 = EzA BetrAVG § 1 Betriebliche Übung Nr. 1) nicht im Widerspruch. Der dortige Arbeitgeber – eine Sparkassenakademie in Form einer Anstalt des öffentlichen Rechts – war weder an Weisungen übergeordneter Behörden gebunden noch haushaltsrechtlichen Beschränkungen unterworfen. Er hat überdies mit der Beendigung einer über Jahre hindurch geübten Praxis der Zusage einer beamtenähnlichen Versorgung gegenüber den Angestellten gerade deren Schlechterstellung im Verhältnis zu Beamten bewirkt.
II. Kollektivrechtliche Gründe stehen einer Anrechnung der Tariferhöhungen auf die Ministerialzulage nicht entgegen. Das beklagte Land hat Mitbestimmungsrechte des Personalrats nach § 74 Abs. 1 Nr. 13 Hessisches PersVG nicht verletzt.
1. Nach dieser Vorschrift in Verbindung mit § 69 Abs. 1 Hessisches PersVG bedarf die Aufstellung und Änderung von Entlohnungsgrundsätzen der vorherigen Zustimmung des Personalrats. Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts zu der insoweit gleich lautenden Regelung des § 87 Abs. 1 Nr. 10 BetrVG hat der Betriebsrat bei der Anrechnung einer Tariferhöhung auf übertarifliche Zulagen mitzubestimmen, soweit eine generelle Maßnahme vorliegt, sich durch die Anrechnung die bisher bestehenden Verteilungsrelationen ändern und für eine Neuregelung innerhalb des vom Arbeitgeber mitbestimmungsfrei vorgegebenen Dotierungsrahmens ein Gestaltungsspielraum besteht. Nicht mitbestimmungspflichtig ist eine Anrechnung, wenn sie das Zulagenvolumen völlig aufzehrt oder die Tariferhöhung im Rahmen des rechtlich und tatsächlich Möglichen vollständig und gleichmäßig auf die übertariflichen Zulagen angerechnet wird (BAG 8. Juni 2004 – 1 AZR 308/03 – BAGE 111, 70, zu B I 2 der Gründe mwN). Die Anrechnung ist überdies dann mitbestimmungsfrei, wenn der Arbeitgeber die bisherigen Verteilungsgrundsätze beachtet und diese sich durch die Anrechnung nicht verändern (BAG Großer Senat 3. Dezember 1991 – GS 2/90 – BAGE 69, 134, 165 ff., zu C III 5 der Gründe). Diese Grundsätze gelten im Rahmen des § 74 Abs. 1 Nr. 13 Hessisches PersVG gleichermaßen (vgl. BVerwG 26. Juli 1979 – 6 P 44.78 – AP BPersVG § 75 Nr. 4; BAG 9. Juli 1985 – 1 AZR 631/80 – AP BPersVG § 75 Nr. 16).
2. Danach war die Anrechnung der Tariferhöhungen der Jahre 1997, 1998 und 1999 im Umfang von jeweils einem Drittel des individuellen Zulagenvolumens der Beschäftigten mitbestimmungsfrei möglich.
a) Für den Fall, dass es sich bei der Ministerialzulage um eine reine Aufwandsentschädigung gem. § 33 Abs. 1 Buchst. a BAT handelte, fehlte es an einem Mitbestimmungstatbestand. Das Mitbestimmungsrecht des Personalrats erstreckt sich nur auf Lohnbestandteile, die als Gegenleistung des Arbeitgebers für die vom Arbeitnehmer geleisteten Dienste anzusehen sind. Es gilt nicht für den Ausgleich besonderer Belastungen, die mit der Leistungserbringung unvermeidlich verbunden sind (für § 87 Abs. 1 Nr. 10 BetrVG vgl. BAG 27. Oktober 1998 – 1 ABR 3/98 – BAGE 90, 76, zu B I 2a der Gründe; Fitting 22. Aufl. § 87 Rn. 412 mwN). Nach dem Einleitungssatz des § 74 Abs. 1 Hessisches PersVG wäre ein Mitbestimmungsrecht des Personalrats im Übrigen wegen des Vorrangs der tariflichen Regelung in § 33 Abs. 1 Buchst. a BAT ausgeschlossen, die die Zulagenhöhe für Angestellte an die Höhe der an vergleichbare Beamte geleisteten Zulage bindet.
b) Handelte es sich bei der Ministerialzulage um Arbeitsentgelt iSv. § 74 Abs. 1 Nr. 13 Hessisches PersVG, wurden durch die Anrechnung der Tariferhöhungen die bestehenden Entlohnungsgrundsätze nicht verändert.
aa) Werden unterschiedlich hohe Zulagen um denselben Prozentsatz gekürzt – hier schrittweise um je ein Drittel –, ändert sich ihr Verhältnis zueinander nicht.
bb) Dies hat auch das Landesarbeitsgericht zutreffend erkannt. Entgegen seiner Auffassung folgt die Mitbestimmungspflichtigkeit aber ebenso wenig daraus, dass nach den “Abbaurichtlinien” des Jahres 1996 von der Anrechnung einer Tariferhöhung abzusehen war, wenn der Erhöhungsbetrag weniger als ein Drittel der ursprünglichen Zulage ausmachte.
(1) Richtig ist zwar, dass dieser Beschluss zu einer Änderung der Verteilungsgrundsätze geführt hätte, wenn die Anhebung der tariflichen Vergütung nur bei einem Teil der Löhne und Gehälter ein Drittel des ursprünglichen Zulagenvolumens überschritten hätte. In diesem Fall hätte sich das Verhältnis der nicht mehr gleichmäßig gekürzten Zulagen zueinander geändert. Tatsächlich ist diese Situation jedoch nicht eingetreten. Alle drei Lohn- und Gehaltserhöhungen nach dem Jahr 1996 überstiegen bei sämtlichen Beschäftigten die Drittelgrenze. Die für diesen Fall getroffene Anrechnungsentscheidung des Arbeitgebers hatte eine Änderung der bestehenden Entlohnungsgrundsätze nicht zur Folge. Das ist im Streitfall maßgeblich.
Die “Abbaurichtlinien” von Oktober 1996 enthalten zwei alternative Beschlüsse des beklagten Landes, deren einer mitbestimmungsfrei, deren anderer mitbestimmungspflichtig war. Beide waren aufschiebend bedingt: Würde es bei allen Beschäftigten zu Tariferhöhungen im Umfang von mindestens einem Drittel des ungekürzten Zulagenvolumens kommen, würden die Erhöhungen bei ihnen allen im Umfang dieses Drittels auf die Zulagen angerechnet; würde es dagegen nicht bei sämtlichen Beschäftigten zu Erhöhungen dieses Ausmaßes kommen, sollte die Anrechnung nur dort vorgenommen werden, wo die Tariferhöhung ein Drittel des Zulagenvolumens überstieg.
Es bedarf keiner Entscheidung darüber, ob ein Mitbestimmungsrecht des Personalrats bereits zur Zeit der Beschlussfassung über die nur teilweise Anrechnung bestand oder der Mitbestimmungstatbestand des § 74 Abs. 1 Nr. 13 Hessisches PersVG erst dann vorliegt, wenn die Bedingung der nicht überall ausreichenden Tariferhöhung eingetreten ist oder ihr Eintritt mit Gewissheit bevorsteht. Auch wenn schon der Beschluss selbst mitbestimmungspflichtig war, führte dieser Umstand nicht zur Mitbestimmungspflichtigkeit der für den Fall ausreichend hoher Tarifsteigerungen getroffenen Anrechnungsentscheidung. Die beiden Anrechnungsbeschlüsse stehen nebeneinander und sind in ihrer Geltung und Wirksamkeit voneinander unabhängig. Tatsächlich ausgewirkt und realisiert hat sich nur der mitbestimmungsfrei mögliche Beschluss. Infolgedessen ist es zu einer Änderung der bestehenden Grundsätze für die Verteilung des Zulagenvolumens an die Beschäftigten nicht gekommen. Die Anrechnung der Tariferhöhung auf die Ministerialzulage war dem betreffenden Land damit in allen drei Jahren ohne Zustimmung des zuständigen Personalrats möglich.
(2) Dem steht die vom Landesarbeitsgericht für seine gegenteilige Auffassung herangezogene Entscheidung des Senats vom 31. Oktober 1995 (– 1 AZR 276/95 – AP BetrVG 1972 § 87 Lohngestaltung Nr. 80 = EzA BetrVG 1972 § 87 Betriebliche Lohngestaltung Nr. 54) nicht entgegen. Dort hatte der Arbeitgeber kurz vor einer zu erwartenden Lohnerhöhung deren volle Anrechnung auf übertarifliche Zulagen beschlossen und seine Personalabteilung entsprechend angewiesen. Nachdem die Lohnerhöhung in Kraft getreten war, unterblieb die Anrechnung bei einer Beschäftigtengruppe irrtümlich. Der Senat hat die Anrechnung bei den übrigen Beschäftigten gleichwohl für nicht mitbestimmungspflichtig gehalten, weil Gegenstand des Mitbestimmungsrechts die Entscheidung des Arbeitgebers und nicht deren tatsächliche Durchführung ist.
Daran hält der Senat fest. Entgegen der Auffassung des Landesarbeitsgerichts führt diese Rechtsprechung nicht dazu, dass eine mitbestimmungsfrei mögliche und tatsächlich auch durchgeführte Entscheidung des Arbeitgebers zur gleichmäßigen Anrechnung einer Tariferhöhung auf sämtliche Zulagen allein deshalb unwirksam ist, weil der Arbeitgeber zugleich eine mitbestimmungswidrige Anrechnungsentscheidung getroffen hat, die sich mangels Eintritts der in ihr vorgesehenen aufschiebenden Bedingung zu keiner Zeit realisiert hat. Insoweit fehlt es an einem inneren Zusammenhang der Anrechnungsentscheidungen und einer darauf beruhenden Änderung der Verteilungsgrundsätze, die Gegenstand des Mitbestimmungsrechts ist.
Unterschriften
Schmidt, Linsenmaier, Kreft, Giese, Olaf Kunz
Fundstellen
Haufe-Index 1511120 |
BAGE 2007, 175 |
BB 2006, 1508 |
NZA 2007, 1303 |
ZTR 2006, 445 |
EzA-SD 2006, 14 |
EzA |
PersV 2006, 274 |
RiA 2006, 209 |
ArbRB 2006, 200 |