Leitsatz (amtlich)
Der Tod eines rheinischen Nur-Notars gibt seinen Erben die Möglichkeit, den Notariatsangestellten aus wichtigem Grund zu kündigen.
Normenkette
BGB § 626; RNotO § 36
Verfahrensgang
LAG Düsseldorf (Urteil vom 05.09.1957; Aktenzeichen 7 Sa 243/57) |
ArbG Düsseldorf (Urteil vom 27.03.1957; Aktenzeichen 6 Ca 78/57) |
Tenor
Auf die Revision der Beklagten werden das Urteil des Landesarbeitsgerichts – 7. Kammer – in Düsseldorf vom 5. September 1957 – 7 Sa 243/57 – und das Urteil des Arbeitsgerichts Düsseldorf vom 27. März 1957 – 6 Ca 78/57 – aufgehoben.
Die Klage wird abgewiesen.
Die Kosten des gesamten Rechtsstreits werden der Klägerin auferlegt.
Von Rechts wegen!
Tatbestand
Die Klägerin war seit dem 1. März 1955 bei dem Notar Zaun in Neuss, einem sogenannten rheinischen Nur-Notar, als Notariatsangestellte gegen ein monatliches Gehalt von 344,– DM brutto beschäftigt. Nach dem am 13. Februar 1957 erfolgten Tod des Notars Zaun kündigte der Beklagte, der noch zu Lebzeiten des Verstorbenen dessen amtlich bestellter Notariatsvertreter gewesen war, in seiner Eigenschaft als Testamentsvollstrecker mit Schreiben vom 26. Februar 1957, an welchem Tage dem Beklagten das Testamentsvollstreckerzeugnis wegen des Todes des Notars erteilt worden war, das Arbeitsverhältnis mit sofortiger Wirkung. Zugleich erklärte er sich bereit, der Klägerin das Gehalt “zum Zwekke der Übergangsregelung” noch bis zum Schluß des Monats zu zahlen. Die Klägerin, die vom 5. Februar bis 5. März 1957 arbeitsunfähig erkrankt war, bot nach ihrer Wiederherstellung erfolglos ihre Arbeitskraft an.
Die Klägerin ist der Auffassung, daß ein Grund zur fristlosen Entlassung nicht vorgelegen habe; das Arbeitsverhältnis habe daher nur unter Einhaltung der ordentlichen Kündigungsfrist zum 31. März 1957 gekündigt werden können. Sie verlangt mit ihrem zuletzt gestellten Antrag Zahlung des Gehalts für den Monat März 1957 abzüglich der ihr gewährten Arbeitslosenunterstützung.
Das Arbeitsgericht und das Landesarbeitsgericht haben den Beklagten antragsgemäß verurteilt. Mit der vom Landesarbeitsgericht zugelassenen Revision verfolgt der Beklagte seinen Antrag auf Klageabweisung weiter, während die Klägerin bittet, die Revision zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
Es kann dahingestellt bleiben, ob die Arbeitsverträge der in der Kanzlei des rheinischen Nur-Notars tätigen Angestellten bei dessen Tode – mit dem sein Amt erlischt – ohne weiteres von selbst enden, auch wenn eine entsprechende ausdrückliche Vereinbarung, wie das Landesarbeitsgericht für den vorliegenden Fall feststellt, nicht getroffen worden ist. Hier könnte etwa bedeutsam sein, ob die Angestellten von der Beendigung des Amtes durch den Tod des Notars etwa wissen. Jedenfalls hat, auch wenn eine durch Zeitablauf eingetretene Beendigung des Dienstverhältnisses nicht eingetreten sein sollte, das Arbeitsverhältnis der Klägerin dann durch die Erklärung der außerordentlichen fristlosen Kündigung sein Ende gefunden, so daß sie den in Rede stehenden Betrag nicht geltend machen kann.
Ein wichtiger Grund für die Kündigung eines Arbeitnehmers ist dann gegeben, wenn dem Arbeitgeber unter Berücksichtigung aller vernünftigerweise in Betracht kommenden Umstände, insbesondere der Belange beider Teile, die Weiterbeschäftigung des Arbeitnehmers nicht zugemutet werden kann (so die ständige Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts u. a. BAG 2, 207 [212]). Da der wichtige Grund nicht in einem Verschulden des Arbeitnehmers liegen muß (BAG 2, 214 [216]), kann auch der Tod des Arbeitgebers je nach der Sachlage für die Erben einen solchen außerordentlichen Kündigungsgrund darstellen (Hueck-Nipperdey, Lehrbuch des Arbeitsrechts, 6. Aufl., Bd. I, S. 530 Anm. 13; Kaskel-Dersch, Arbeitsrecht, 5. Aufl., S. 208; Nikisch, Arbeitsrecht, 2. Aufl., S. 547; Nipperdey, Dienstvertrag, 10. Aufl., Vorbem. 33 vor § 620). In dem hier zu entscheidenden Rechtsstreit ist dies der Fall.
Der Notar ist Träger eines öffentlichen Amtes (§ 2 Satz 1 Reichsnotarordnung in der für Nordrhein-Westfalen geltenden Fassung). Er wird vom Justizminister des Landes durch Aushändigung einer Bestallungsurkunde bestellt (siehe § 13 RNotO). Das Amt ist an die Person des Notars gebunden und erlischt mit seinem Tode (§ 36 RNotO). Die Erben eines Notars haben somit nicht die Möglichkeit, dessen Praxis in irgendeiner Form weiterzuführen oder für ihre Rechnung weiterführen zu lassen oder über sie anderweitig zu verfügen, sie z. B. zu verkaufen (siehe Seybold-Hornig-Lemmens, Reichsnotarordnung, 3. Aufl. 1943, § 2 Anm. I 1a; § 36 Anm. I 1; auch Göttlich, die Amtsführung der Notare, 1950 S. 11). Die Amtseigenschaft des Notars und der öffentliche Charakter des Notaramtes lassen eine Gleichstellung mit der Rechtsanwaltschaft nicht zu, bei der jedenfalls in gewissem Rahmen und unter bestimmten Voraussetzungen die Erben die Praxis verwerten können (Seybold, aaO, § 36 Anm. II). Die Bedürfnisse der Rechtspflege werden durch die Verwahrung der Akten und Bücher beim Amtsgericht oder bei einem Notar (§ 39 Abs. 1 RNotO), durch die Bestellung eines Notarverwesers (§ 40 RNotO) oder dadurch befriedigt, daß ein anderer Notar vorübergehend mit der Abhaltung von Sprechtagen oder der Unterhaltung einer weiteren Geschäftsstelle betraut wird (§ 11 Abs. 1 RNotO). Aber auch wenn der Beklagte oder jemand anders zum Notarverweser bestellt worden wäre – was nach den Feststellungen des Landesarbeitsgerichts jedenfalls bis zum Schluß der letzten mündlichen Verhandlung in zweiter Instanz nicht geschehen ist; die entgegengesetzte Behauptung der Klägerin in der Revisionsinstanz könnte als neues tatsächliches Vorbringen sowieso nicht mehr berücksichtigt werden –, würde er diese seine Tätigkeit ausschließlich kraft eigenen Amtes im eigenen Namen geführt haben (Seybold, aaO, § 40 Anm. I). Der Notarverweser hat im Interesse der Sicherung einer geordneten Rechtspflege die laufenden Amtsgeschäfte des verstorbenen Notars abzuwickeln, dadurch für die Belange der rechtsuchenden Bevölkerung zu sorgen und deren notarielle Betreuung sicherzustellen; zugleich soll er die Notarstelle und deren Geschäftsumfang bis zur Bestellung eines neuen Notars aufrecht erhalten. Sein Amt führt der Notarverweser aber nicht etwa für Rechnung der Erben, sondern für Rechnung der Notarkammer (§ 40 RNotO), zu der er in einem öffentlich-rechtlichen Dienst- und Treueverhältnis steht (Seybold, aaO, § 40 Anm. V). Der Notarverweser ist dabei – ebenso wie ein etwaiger Nachfolger in der Notarstelle – weder Rechtsnachfolger des verstorbenen Notars noch Träger desselben Amtes. Dieses ist vielmehr mit dem Tode des Notars endgültig erloschen; das Amt eines Notarverwesers oder eines neu bestellten Notars ist von dem Amt des verstorbenen Notars daher völlig unabhängig. Auch der Notarverweser ist unmittelbarer Träger des Notaramtes; eine Notariatsbehörde gibt es jedenfalls in Nordrhein-Westfalen nicht. Die Klägerin hätte unter diesem Gesichtspunkt somit auch keinen Anspruch auf Übernahme in die Dienste eines inzwischen etwa eingesetzten Notarverwesers gehabt. Zwar schließt die Tatsache, daß das Amt des verstorbenen Notars und das Amt seines Nachfolgers oder des Notarverwesers völlig unabhängig voneinander sind, nicht aus, daß durch besondere vertragliche Vereinbarungen Rechte und Pflichten aus den laufenden Verträgen, z. B. aus Mietverträgen, aber auch aus Anstellungsverträgen, auf den Amtsnachfolger oder den Notarverweser übertragen werden können (vgl. Seybold, aaO, § 36 Anm. II). Eine solche Vereinbarung kann aber hier schon deswegen nicht in Frage kommen, weil ein Notarverweser nach der das Revisionsgericht bindenden Feststellung des Landesarbeitsgerichts überhaupt nicht bestellt wurde. Selbst wenn dies aber geschehen wäre und der Notarverweser einen Arbeitsvertrag mit der Klägerin geschlossen hätte, würden sich im übrigen ihre Ansprüche auch nicht gegen den Beklagten, sondern gegen den Notarverweser richten.
Die Tätigkeit eines Notariatsangestellten ist somit jedenfalls beim rheinischen Nur-Notariat – die Verhältnisse sonst (§ 84 ff. RNotO) mit ihren etwaigen dienstrechtlichen Besonderheiten interessieren hier nicht – mit der Person des Notars so eng verbunden, daß hierfür nach dem Tode des Notars in dessen bisheriger Kanzlei grundsätzlich kein Raum mehr ist und daß sich allein schon hieraus ein wichtiger Grund zur Kündigung rechtfertigt. Dem kann auch nicht entgegengehalten werden, daß der Arbeitgeber grundsätzlich das Betriebsrisiko zu tragen habe. Es kann hierbei dahingestellt bleiben, ob man bei dem Amt eines Notars überhaupt von einem “Betrieb” im landläufigen Sinne sprechen darf. Der vorgenannte Rechtsgedanke kann nur dann zum Tragen kommen, wenn überhaupt die Fortführung des “Betriebes” rechtlich noch möglich ist, nicht aber dann, wenn der “Betrieb” bei dem Tode des Berechtigten nach der Rechtsordnung untergeht und auf die Erben daher gar nicht übergehen kann. Somit kann man auch nicht darauf abstellen, daß der verstorbene Notar sein Amt als dessen freiberuflicher Träger auch zu Erwerbszwecken ausgeübt hat und die Klägerin ihm hierbei durch ihre Arbeit beistand. Dieserhalb stand der Klägerin ihre Arbeitsvergütung zu – deswegen kann auch nicht ein etwaiger Gebührniseingang nach dem Tode des Notars berücksichtigt werden. Den Erben selbst ist aber die Weiterführung des Notaramtes in irgendeiner Form nun einmal nicht möglich. Sie haben noch nicht einmal die Verpflichtung, von sich aus die Notariatsakten abzuliefern.
Für die Entscheidung des vorliegenden Falles kann es aus diesen Gründen auch nicht darauf ankommen, ob die Klägerin schon etwa längere Zeit in der Kanzlei des verstorbenen Notars tätig gewesen ist, ganz abgesehen davon, daß man bei einer Dauer des Arbeitsverhältnisses von knapp zwei Jahren noch nicht von einer langjährigen Tätigkeit sprechen kann. Die fristlose Kündigung aus wichtigem Grunde ist auch nicht unter Berücksichtigung des Umstandes unzulässig, weil die ordentliche Kündigungsfrist verhältnismäßig kurz ist, nämlich einen Monat beträgt. Dann würde nämlich das Rechtsinstrument der außerordentlichen Kündigung bei kurzen Kündigungsfristen sehr leicht überhaupt nicht mehr herangezogen werden können. Weil die Erben nach der Rechtsordnung in keiner Weise die Notariatspraxis fortzuführen in der Lage sind, kann es ihnen nicht zugemutet werden, das Arbeitsverhältnis der Klägerin als Notariatsangestellte noch für die Dauer der Kündigungsfrist fortzusetzen. Ihnen würde mit der Gehaltszahlung eine Verpflichtung auferlegt, die gegenüber dem Wegfall der Notariatspraxis in jedem Falle unverhältnismäßig groß wäre.
Eine andere Beurteilung könnte vielleicht dann in Betracht kommen, wenn die Klägerin etwa neben ihrer Tätigkeit als Notariatsangestellte noch auf anderem Gebiet liegende Arbeiten für den verstorbenen Notar Zaun – z. B. als dessen Privatsekretärin – durchgeführt hätte oder wenn noch eine Tätigkeit im Interesse der Erben, z. B. hinsichtlich der Vornahme von Abwicklungsarbeiten bestimmter Art, in Betracht gekommen wäre. Hierfür hat die Klägerin aber nichts vorgetragen.
Daß der Beklagte seine außerordentliche Kündigung mit einer “Schonfrist” aussprechen konnte (vgl. BAG 1, 237 [238]), hat das Landesarbeitsgericht zutreffend ausgeführt. Die Klägerin hat sich in ihrer Revisionserwiderung hiergegen auch nicht gewandt.
Da der Rechtsstreit zur Endentscheidung reif ist, hatte der Senat gemäß § 565 Abs. III Ziff. 1 ZPO in der Sache selbst zu entscheiden.
Unterschriften
gez. Dr. Müller, Dr. Boldt, Dr. Stumpf, Dr. Erich Frey, Dr. Göbel
Fundstellen
Haufe-Index 1492464 |
BAGE, 256 |
NJW 1958, 1013 |