Entscheidungsstichwort (Thema)
Gratifikation. betriebsbedingte Kündigung
Leitsatz (redaktionell)
Ausschluß von Arbeitnehmern vom Bezug einer Gratifikation auch bei betriebsbedingter Kündigung durch eine Betriebsordnung – im Anschluß an BAG Urteil vom 19. November 1992 – 10 AZR 264/91 – zur Veröffentlichung vorgesehen.
Normenkette
BGB § 611
Verfahrensgang
LAG München (Urteil vom 10.04.1991; Aktenzeichen 7 Sa 731/90) |
ArbG Regensburg (Urteil vom 10.07.1990; Aktenzeichen 2 Ca 585/90) |
Tenor
1. Die Revision der Klägerin gegen das Urteil des Landesarbeitsgerichts München vom 10. April 1991 – 7 Sa 731/90 – wird zurückgewiesen.
2. Die Klägerin trägt die Kosten der Revision.
Von Rechts wegen!
Tatbestand
Die Parteien streiten über die Verpflichtung der Beklagten zur Zahlung einer Gratifikation für das Jahr 1989.
Die Klägerin war bei der Beklagten seit dem 1. Oktober 1987 als Verwaltungssachbearbeiterin mit einem Monatsgehalt von 2.800,– DM brutto beschäftigt. Im Arbeitsvertrag war u.a. folgendes vereinbart:
§ 1 Aufgabengebiet/Beginn des Vertrages
(5) Für das Arbeitsverhältnis gelten die jeweiligen Tarifverträge für das Augenoptikerhandwerk in Bayern.
(6) Die Betriebsordnung ist Bestandteil dieses Arbeitsvertrages.
§ 7 Nebenleistungen
Nach Maßgabe der jeweils geltenden betrieblichen Regelung (s. Betriebsordnung) hat der Arbeitnehmer Anspruch auf die betrieblichen Sozialleistungen.
Hinsichtlich der Zahlung einer Gratifikation ist in der Betriebsordnung bestimmt:
16. Abrechnung. Gratifikation und Zahlung an Dritte
…
(2) Soweit die wirtschaftlichen Verhältnisse es zulassen, gewährt die Firma eine Gratifikation, die zum Abschluß eines Kalenderjahres – in der Regel im Dezember – abgerechnet wird. Auf diese Gratifikation, die frei u. widerruflich ist, sowohl Weihnachtsgeld als auch Urlaubsgeld abgilt, besteht kein Rechtsanspruch. Ist das Arbeitsverhältnis bei der Auszahlung der Gratifikation gekündigt oder endet es vor dem 01.04. des darauf folgenden Jahres, besteht auch dann kein Rechtsanspruch – auch nicht teilweise – auf Zahlung einer Gratifikation, wenn diese an andere Arbeitnehmer bezahlt wird. Im übrigen gelten für die Zahlung der Gratifikation die jeweils im Abrechnungsmonat bekanntgemachten Maßgaben.
Die Tarifvereinbarung vom 29. Juni 1987 über die tarifliche Absicherung eines Teils eines 13. Monatseinkommens für Arbeitnehmer des Augenoptiker-Handwerks in Bayern lautet:
1. Anspruch
a) Arbeitnehmer, deren Arbeitsverhältnis am 30. November des laufenden Kalendermonats mindestens 12 Monate ununterbrochen besteht, haben Anspruch auf Zahlung eines Betrages in Höhe von 25 % ihres Tarifgehaltes.
6. Anrechenbarkeit
Der Betrag aus Ziffer 1 kann auf betrieblich gewährtes Weihnachtsgeld, 13. Monatseinkommen oder Zahlungen, die diesen Charakter haben, angerechnet werden.
Im Manteltarifvertrag für die Arbeitnehmer des Augenoptikerhandwerks in Bayern (MTV) ist eine Vergütungsregelung nur für Augenoptiker vorgesehen. Die Vergütung der Arbeitnehmer, die nicht unter die Tätigkeitsmerkmale der entsprechenden Vergütungsgruppen fallen (z.B. kaufmännische Angestellte und ungelernte Kräfte), ist nach § 4 Nr. 7 MTV einzelvertraglich zu vereinbaren.
Die Beklagte kündigte das Arbeitsverhältnis aus betriebsbedingten Gründen zum 31. Dezember 1989. Die Zahlung einer Gratifikation für das Jahr 1989, die gegenüber allen anderen Mitarbeitern erfolgte, lehnte sie gegenüber der Klägerin ab.
Die Klägerin vertritt die Auffassung, ihr stehe für das Jahr 1989 eine Gratifikation in Höhe eines Monatsgehalts zu. Der Ausschluß von Mitarbeitern vom Anspruch auf eine Gratifikation, deren Arbeitsverhältnis zum Zeitpunkt der Auszahlung aus betriebsbedingten Gründen gekündigt sei, sei rechtlich nicht zulässig. Im übrigen sei ihr die Betriebsordnung auch nicht ausgehändigt worden. Mindestens stehe ihr aber ein Betrag in Höhe von 25 v. H. ihres Monatsgehalts nach den tariflichen Bestimmungen der Tarifvereinbarung über die Absicherung eines Teils eines 13. Monatseinkommens zu.
Die Klägerin hat beantragt,
die Beklagte zu verurteilen, an sie 2.800,– DM brutto nebst 4 % Zinsen hieraus seit dem 3. Februar 1990 zu zahlen.
Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen. Sie vertritt die Auffassung, daß auch Mitarbeiter, deren Arbeitsverhältnisse zum Zeitpunkt der Auszahlung der Gratifikation aus betriebsbedingten Gründen gekündigt seien, vom Kreis der Anspruchsberechtigten ausgeschlossen werden dürften, da sie die vorausgesetzte Betriebstreue nicht mehr erbringen könnten. Ein tariflicher Anspruch stehe der Klägerin nicht zu, da von der tariflichen Regelung nur Angestellte erfaßt seien, die Anspruch auf ein Tarifgehalt hätten. Die Vergütung der Klägerin als kaufmännische Angestellte sei aber tariflich nicht geregelt, sondern gem. § 4 Nr. 7 MTV frei vereinbart worden.
Das Arbeitsgericht hat der Klage stattgegeben. Das Landesarbeitsgericht hat sie abgewiesen. Mit der Revision begehrt die Klägerin die Wiederherstellung des erstinstanzlichen Urteils. Die Beklagte beantragt, die Revision zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
Die Revision ist unbegründet. Der Klägerin steht ein Anspruch auf die Gratifikation für das Jahr 1989 weder auf der Grundlage der Betriebsordnung noch nach den tariflichen Bestimmungen über die Absicherung eines Teils eines 13. Monatseinkommens zu.
I. Das Landesarbeitsgericht hat ausgeführt, der Klägerin stehe ein Anspruch auf die Gratifikation unter dem rechtlichen Gesichtspunkt des Gleichbehandlungsgrundsatzes nicht zu. Die Gratifikationszahlung habe nach der Betriebsordnung Mischcharakter. Mit ihr solle geleistete Arbeit belohnt und Betriebstreue zum Zeitpunkt der Auszahlung der Gratifikation und darüber hinaus bis zum 1. April des darauffolgenden Jahres honoriert werden. Die geforderte Betriebstreue könne die Klägerin nicht mehr bringen. Dabei komme es auf den Kündigungsgrund nicht an. Auch eine Kündigung aus betriebsbedingten Gründen stehe dem Anspruch auf die Gratifikation nicht entgegen. Der Anspruch sei auch nicht aufgrund betrieblicher Übung begründet. Ein tariflicher Anspruch stehe der Klägerin ebenfalls nicht zu, da sie kein Tarifgehalt, sondern eine einzelvertraglich vereinbarte Vergütung bezogen habe.
II. Diesen Ausführungen des Landesarbeitsgerichts ist zuzustimmen.
1. Der Klägerin steht ein Anspruch auf die Gratifikation nach dem Gleichbehandlungsgrundsatz nicht zu. Die Beklagte hat entsprechend ihrer Betriebsordnung, deren Geltung zwischen den Parteien arbeitsvertraglich vereinbart ist, allen Mitarbeitern eine Gratifikation gezahlt, deren Arbeitsverhältnisse zum Zeitpunkt der Auszahlung nicht gekündigt waren. Eine Klausel, aufgrund derer eine freiwillige Leistung des Arbeitgebers nur Arbeitnehmern gewährt werden soll, die zum maßgeblichen Stichtag in einem ungekündigten Arbeitsverhältnis stehen, ist grundsätzlich rechtlich zulässig (vgl. BAGE 49, 281 = AP Nr. 123 zu § 611 BGB Gratifikation; BAG Urteil vom 25. April 1991 – 6 AZR 183/90 – AP Nr. 138 zu § 611 BGB Gratifikation, auch zur Veröffentlichung in der Amtlichen Sammlung des Gerichts vorgesehen).
Dies gilt auch dann, wenn ein Arbeitsverhältnis aus betriebsbedingten Gründen gekündigt worden ist. Klauseln, die den Anspruch auf eine Gratifikation vom Bestehen eines ungekündigten Arbeitsverhältnisses am Stichtag auch für den Fall des Ausspruches einer betriebsbedingten Kündigung abhängig machen, sind sowohl in Tarifverträgen (BAGE 49, 281 = AP Nr. 123 zu § 611 BGB Gratifikation) als auch in Betriebsvereinbarungen (BAG Urteil vom 25. April 1991 – 6 AZR 183/90 – AP Nr. 138 zu § 611 BGB Gratifikation) zulässig. In Fortführung dieser Rechtsprechung hat der Senat im Urteil vom 19. November 1992 – 10 AZR 264/91 – (zur Veröffentlichung vorgesehen) auch entsprechende einzelvertragliche Vereinbarungen als zulässig angesehen. Dies folgt daraus, daß bei einer Gratifikation, die als Belohnung bisheriger Dienste und zugleich in Erwartung zukünftiger Betriebstreue gezahlt wird (Gratifikation mit Mischcharakter), beide Voraussetzungen als gleichwertig ausgestaltet werden können, so daß der Anspruch die Erfüllung beider Merkmale voraussetzt. Eine Stichtagsregelung muß dabei nicht nur Anreiz für die Nichtausübung des Kündigungsrechts seitens des Arbeitnehmers sein. Der Arbeitgeber kann auch die fortdauernde Betriebstreue als solche, unabhängig vom Verhalten des Arbeitnehmers, belohnt wissen wollen, weil allein die fortdauernde Betriebszugehörigkeit über einen bestimmten Zeitraum die Gegenleistung für die Sondervergütung darstellen soll (BAG Urteil vom 19. November 1992 – 10 AZR 264/91 – m.w.N. – zur Veröffentlichung vorgesehen). Fehlt diese Voraussetzung, so ist ein Anspruch auf die Gratifikation auch dann nicht begründet, wenn die Beendigung des Arbeitsverhältnisses auf betriebsbedingten Gründen beruht. Der Arbeitgeber kann insoweit seine Zusage billigerweise einschränken.
Da das Arbeitsverhältnis der Klägerin zum Zeitpunkt der Auszahlung der Gratifikation im Dezember 1989 bereits gekündigt war, steht ihr ein Anspruch nach § 16 Nr. 2 der Betriebsordnung in Verbindung mit dem Gleichbehandlungsgrundsatz nicht zu.
2. Zutreffend nimmt das Landesarbeitsgericht auch an, daß der Klägerin kein Anspruch auf eine Gratifikation in Höhe von 25 v. H. ihres Monatsgehalts nach den tariflichen Bestimmungen der Tarifvereinbarung über die Absicherung eines Teils eines 13. Monatseinkommens zustehe.
In § 1 des Arbeitsvertrages haben die Parteien zwar die jeweiligen Tarifverträge für das Augenoptikerhandwerk in Bayern und damit auch die Tarifvereinbarung über die tarifliche Absicherung eines Teils eines 13. Monatseinkommens in Bezug genommen. Nach Nr. 1 a der Tarifvereinbarung haben Arbeitnehmer, deren Arbeitsverhältnis am 30. November des laufenden Kalenderjahres mindestens 12 Monate ununterbrochen besteht, einen Anspruch auf Zahlung eines Betrages in Höhe von 25 % ihres Tarifgehaltes. Daraus schließt das Landesarbeitsgericht mit Recht, daß die Tarifvertragsparteien durch die Bezugnahme auf das Tarifgehalt nur für diejenigen Angestellten einen Anspruch auf einen Teil eines 13. Monatseinkommens begründen wollten, die ein Tarifgehalt nach § 4 des Manteltarifvertrages beziehen. Dazu gehört die Klägerin nicht. Ihre Tätigkeit als kaufmännische Angestellte fällt nach § 4 Nr. 7 MTV nicht unter die Vergütungsgruppen des § 4 MTV. Ihr Gehalt wurde dementsprechend auch frei vereinbart.
Die Parteien haben im Arbeitsvertrag aber nicht nur die Vergütung frei vereinbart, sondern durch die Bezugnahme auf die Betriebsordnung auch eine Vereinbarung über die Zahlung einer Grafitikation getroffen und damit insoweit die tarifliche Regelung abbedungen. Soweit die Betriebsordnung zu Ungunsten der Klägerin von der tariflichen Regelung abweicht, indem sie den Anspruch auf die Gratifikation vom Bestehen eines ungekündigten Arbeitsverhältnisses zum Auszahlungszeitpunkt abhängig macht, ist dies rechtlich zulässig, da eine beiderseitige Tarifgebundenheit nicht besteht.
III. Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO.
Unterschriften
Matthes, Richter Dr. Freitag ist durch Urlaub an der Unterschrift verhindert Matthes, Hauck, Weinmann, Rosendahl
Fundstellen