Entscheidungsstichwort (Thema)
Annahmeverzugslohn und tarifliche Ausschlußfristen
Orientierungssatz
1. Unterschiedliche tarifliche Ausschlußfristen für die schriftliche Geltendmachung wechselseitiger Ansprüche aus Arbeitsverhältnissen von gewerblichen Arbeitnehmern und Angestellten im Bereich des nordrhein-westfälischen Groß- und Außenhandels verstoßen nicht gegen den Gleichheitssatz des Art 3 GG.
2. Auslegung des Manteltarifvertrages für die Arbeitnehmer des Groß- und Außenhandels und des genossenschaftlichen Groß- und Außenhandels in Nordrhein-Westfalen vom 8. Februar 1982 § 13.
Normenkette
TVG § 4; GG Art. 3 Abs. 1
Verfahrensgang
LAG Hamm (Entscheidung vom 08.05.1987; Aktenzeichen 16 Sa 1228/86) |
ArbG Bochum (Entscheidung vom 09.05.1986; Aktenzeichen 1 Ca 45/86) |
Tatbestand
Der Kläger ist aufgrund eines schriftlichen Arbeitsvertrages bei der Beklagten, die einen Stahl- und Eisengroßhandel betreibt, seit 6. Oktober 1980 als Lagerarbeiter beschäftigt. Als Vergütung war ein Stundenlohn vereinbart, der zuletzt 12,-- DM brutto betrug, sowie ein Überstundenzuschlag von 25 %. Nach § 4 des Arbeitsvertrages war die Vergütung am 10. des folgenden Monats für den vorausgegangenen Lohnmonat abzurechnen und auszuzahlen.
Ab 1. Januar 1982 galt für das Arbeitsverhältnis der Parteien der zu diesem Zeitpunkt für allgemeinverbindlich erklärte Manteltarifvertrag für die Arbeitnehmer des Groß- und Außenhandels und des Genossenschaftlichen Groß- und Außenhandels in Nordrhein-Westfalen vom 8. Februar 1982 (künftig: MTV). Dieser Tarifvertrag enthält in § 13 eine Ausschlußklausel, die, soweit hier von Interesse, wie folgt lautet:
§ 13
Fälligkeit und Erlöschen von Ansprüchen
1. Das Gehalt bzw. der Lohn ist am Schluß des
Kalendermonats bzw. des Lohnabrechnungszeitraumes,
Provisionen, Vergütungen und Abgeltungen
für Mehr-, Nacht-, Schicht-, Sonntags- und
Feiertagsarbeit sind spätestens am Schluß
des folgenden Monats fällig, in jedem Fall
jedoch mit Beendigung des Arbeitsverhältnisses.
Für Provisionen kann ein anderer Fälligkeitszeitpunkt
vereinbart werden.
2. Der Anspruch auf vorgenannte Vergütungen sowie
alle sonstigen Ansprüche aus dem Arbeitsverhältnis
sind von Angestellten binnen drei Monaten,
von gewerblichen Arbeitnehmern binnen
sechs Wochen nach Fälligkeit dem anderen Vertragspartner
gegenüber schriftlich geltend zu
machen. Spätestens innerhalb eines weiteren
Monats nach Ablauf dieser Frist ist Klage zu
erheben.
Ist im Falle des Annahmeverzuges des Arbeitgebers
Klage auf wiederkehrende Leistungen
gemäß § 258 ZPO erhoben worden, so sind zur
Wahrung der Ausschlußfristen weder eine erneute
schriftliche Geltendmachung noch Klage auf die
erst später fällig werdenden Leistungen erforderlich.
3. (Betrifft Urlaubsanspruch)
4. Eine Geltendmachung von Ansprüchen nach Ablauf
der in § 13 Nr. 2 - 3 genannten Fristen ist
ausgeschlossen; das gleiche gilt bei Nichterfüllung
der dort genannten Voraussetzungen.
5. Die Ausschlußfristen zur Geltendmachung und
Klageerhebung gelten nicht für Schadensersatzansprüche
aus Verkehrsunfällen und mit
Strafe bedrohten Handlungen sowie für Ansprüche
aus der betrieblichen Altersversorgung.
Am 21. Mai 1985 trafen die Parteien dieses Tarifvertrages folgende Vereinbarung:
"§ 13 des Manteltarifvertrages wird um Ziffer 6
erweitert, der folgenden Wortlaut hat:
Die entsprechenden Ausschlußfristen
gelten gleichermaßen für den Arbeitgeber."
Mit Schreiben vom 6. Mai 1985 kündigte die Beklagte das Arbeitsverhältnis zum 20. Mai 1985 fristgerecht. Auf die hiergegen vom Kläger unter dem 8. Mai 1985 erhobene Klage hat das Arbeitsgericht durch Urteil vom 27. August 1985 (ArbG Bochum - 2 Ca 192/85 -) festgestellt, daß das Arbeitsverhältnis der Parteien durch diese Kündigung nicht aufgelöst worden ist und die Beklagte zur Weiterbeschäftigung des Klägers verurteilt. Das Urteil wurde den Parteien am 20. September 1985 zugestellt. Die Beklagte legte hiergegen kein Rechtsmittel ein. Sie beschäftigt den Kläger seit dem 1. Oktober 1985 weiter.
Mit Schreiben seiner späteren Prozeßbevollmächtigten vom 9. Dezember 1985 teilte der Kläger der Beklagten folgendes mit:
"...in der o.g. Sache ist das Urteil des
Arbeitsgerichts Bochum vom 27.8.85 rechtskräftig
geworden. Da die Kündigung rechtswidrig
war, hat unser Mandant Anspruch auf
Annahmeverzug für die Zeit vom 20.5. -
1.10.85. Wir hoffen, daß das Arbeitsamt
inzwischen seine Ansprüche übergeleitet hat,
so daß eine baldige Abrechnung nunmehr erfolgen
kann und haben uns dazu eine Frist
bis zum 2.1.86 notiert, anderenfalls wir
Klage erheben werden."
Die Beklagte antwortete mit Schreiben ihres Arbeitgeberverbandes vom 3. Januar 1986. Sie wies zunächst darauf hin, daß sie dem Kläger vom 21. Mai bis 10. Juni 1985 den Lohn fortgezahlt habe, weil die Kündigung während des Arbeitsverhältnisses ausgesprochen worden sei. Für den 11. und 12. Juni 1985 habe er Krankengeld von der Krankenkasse erhalten. Im Anschluß daran habe sie ihm Urlaubsabgeltung gezahlt, die den Zeitraum vom 13. bis 25. Juni 1985 abgedeckt habe. Weitergehende Lohnansprüche bis zum 30. September 1985 seien gemäß § 13 MTV verfallen, da sie nicht innerhalb der dort festgelegten Ausschlußfristen schriftlich und gerichtlich geltend gemacht worden seien.
Mit der vorliegenden, der Beklagten am 13. Januar 1986 zugestellten Klage hat der Kläger von der Beklagten zunächst für die Zeit vom 22. Juni bis 30. September 1985 Verzugslohn in Höhe von 7.044,50 DM brutto abzüglich erhaltenen Arbeitslosengeldes in Höhe von 3.414,10 DM gefordert. Später hat er die Klage um 197,-- DM brutto (5,-- DM Treueprämie für Juli 1985, 192,-- DM Urlaubsabgeltung) auf 6.847,50 DM brutto ermäßigt. Dieser Betrag ist zwischen den Parteien rechnerisch unstreitig.
Der Kläger hat vorgetragen, die mit der Klage weiterverfolgten Lohnansprüche seien erst mit Rechtskraft des Urteils im Kündigungsschutzprozeß und damit erst am 20. Oktober 1985 fällig geworden. Er habe die Ansprüche durch Erhebung der Kündigungsschutzklage schriftlich und jedenfalls mit seinem gleichzeitig gestellten Weiterbeschäftigungsantrag auch gerichtlich und somit rechtzeitig geltend gemacht. Gegenstand der Weiterbeschäftigungsklage sei ersichtlich die Weiterbeschäftigung gegen Lohn gewesen. Es sei nicht erforderlich gewesen, den Lohnanspruch zu beziffern. Im übrigen sei die tarifliche Ausschlußfristenregelung wegen Verstoßes gegen den Gleichheitsgrundsatz des Art. 3 GG verfassungswidrig und damit nichtig, weil sie einseitig nur für Arbeitnehmeransprüche gelte und ohne sachlichen Grund für Arbeiter kürzere Fristen festlege als für Angestellte. Durch die Vereinbarung der Tarifvertragsparteien vom 21. Mai 1985 sei die Unwirksamkeit der bisherigen Regelung nicht geheilt worden.
Der Kläger hat beantragt,
die Beklagte zu verurteilen, an ihn
6.847,50 DM brutto abzüglich
3.414,20 DM netto nebst 4 % Zinsen
seit dem 3. Januar 1986 zu zahlen.
Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen. Sie hat vorgetragen, daß die geltend gemachten Ansprüche verfallen seien. Selbst wenn man in der Erhebung der Kündigungsschutzklage eine schriftliche Geltendmachung des Verzugslohnanspruchs sehe, sei dieser weder hierdurch noch durch die Klage auf Weiterbeschäftigung im Sinne der Ausschlußklausel auch gerichtlich geltend gemacht worden. Hierfür sei die Erhebung einer Zahlungsklage erforderlich. Die Ausschlußfristenregelung gelte jedenfalls seit Inkrafttreten der Tarifvereinbarung vom 21. Mai 1985 auch für Arbeitgeberansprüche. Die unterschiedliche Regelung für die schriftliche Geltendmachung von Ansprüchen für Arbeiter und Angestellte sei nicht zu beanstanden. Es sei im Arbeitsleben üblich, für diese Arbeitnehmergruppen unterschiedliche Regelungen zu treffen.
Die Klage ist in beiden Vorinstanzen ohne Erfolg geblieben. Mit der Revision verfolgt der Kläger seinen Klageantrag weiter. Die Beklagte beantragt, die Revision zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
Die Revision ist unbegründet.
I. Das Berufungsgericht ist zu Recht davon ausgegangen, daß der Kläger die mit der Klage verfolgten Verzugslohnansprüche zwar gemäß § 13 Nr. 2 Satz 1 MTV rechtzeitig schriftlich, jedoch erst nach Ablauf der einmonatigen Klagefrist des Satzes 2 dieser Tarifnorm gerichtlich geltend gemacht hat, sofern die tarifliche Fristenregelung rechtswirksam ist.
1. Der Kläger mußte seine Verzugslohnansprüche gemäß § 13 Nr. 2 Satz 1 MTV als gewerblicher Arbeiter binnen sechs Wochen nach Fälligkeit schriftlich gegenüber der Beklagten geltend machen.
Die Ansprüche sind nach § 4 des Arbeitsvertrages am 10. des folgenden Monats für den vorausgegangenen Lohnmonat fällig geworden, für den letzten Monat September 1985 somit am 10. Oktober 1985. Die Fälligkeit ist nicht erst mit der Rechtskraft des im Kündigungsschutzprozeß zugunsten des Klägers ergangenen Urteils des Arbeitsgerichts eingetreten. Zwar ist der Fortbestand des Arbeitsverhältnisses und damit die Unwirksamkeit der Kündigung Voraussetzung für einen Gehaltsfortzahlungsanspruch aus dem Gesichtspunkt des Annahmeverzugs nach § 615 BGB. Maßgebend hierfür ist jedoch die objektive Rechtslage, die das der Kündigungsschutzklage stattgebende Urteil nur deklaratorisch wiedergibt (BAGE 14, 156, 160 = AP Nr. 23 zu § 615 BGB). Der Verzugslohnanspruch des Arbeitnehmers entsteht nach dem Kündigungstermin, wenn die materiell-rechtlichen Voraussetzungen des Annahmeverzugs des Arbeitgebers gemäß §§ 293 ff. BGB erfüllt sind. Der Lohn wird dann wie bei der Arbeitsleistung des Arbeitnehmers fällig (BAG Urteil vom 9. März 1966 - 4 AZR 87/65 - AP Nr. 31 zu § 4 TVG Ausschlußfristen).
2. Mit der unter dem 8. Mai 1985 erhobenen Kündigungsschutzklage hat der Kläger auch die vorliegend noch umstrittenen Ansprüche für die Monate Juni bis September 1985 im Sinne des § 13 Nr. 2 Satz 1 MTV schriftlich und somit rechtzeitig geltend gemacht. Die Erhebung einer Kündigungsschutzklage ist in der Regel ein ausreichendes Mittel zur Geltendmachung von Ansprüchen, die während des Kündigungsschutzprozesses fällig werden und von seinem Ausgang abhängen, sofern die tarifliche Verfallklausel nur eine formlose schriftliche Geltendmachung verlangt (BAGE 30, 135 = AP Nr. 63 zu § 4 TVG Ausschlußfristen, zu 1 der Gründe, m.w.N.).
3. § 13 Nr. 2 Satz 2 MTV verlangt jedoch weiter eine gerichtliche Geltendmachung der Lohnansprüche innerhalb eines Monats nach Ablauf der Frist zur schriftlichen Geltendmachung. Diese Frist hat der Kläger versäumt.
a) Nach dem eindeutigen Wortlaut der Bestimmung beginnt diese Frist mit dem Ablauf der Frist zur schriftlichen Geltendmachung des Anspruchs, für gewerbliche Arbeiter somit sechs Wochen nach Fälligkeit. Im vorliegenden Fall begann die Frist demgemäß für die Ansprüche aus den Monaten Juni bis September 1985 sechs Wochen nach dem 10. des auf den jeweiligen Lohnmonat folgenden Monats, für den am 10. Oktober 1985 fällig gewordenen Septemberlohnanspruch somit am 21. November 1985. Sie endete deshalb am 23. Dezember 1985 (der 21. Dezember war ein Samstag).
b) Die Erhebung der Kündigungsschutzklage konnte diese Frist nicht wahren. Bestimmt eine tarifliche Ausschlußklausel, daß Ansprüche nach erfolgloser schriftlicher Geltendmachung innerhalb einer bestimmten Frist gerichtlich geltend gemacht werden müssen, so genügt nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts nur die fristgerechte Zahlungsklage. Dies gilt auch dann, wenn es sich um Zahlungsansprüche eines Arbeitnehmers handelt, die vom Fortbestand des Arbeitsverhältnisses abhängen (vgl. BAGE 22, 241; 30, 135; 46, 359 = AP Nr. 43, 63 und 86 zu § 4 TVG Ausschlußfristen; Senatsurteile vom 8. August 1985 - 2 AZR 459/84 - AP Nr. 94 zu § 4 TVG Ausschlußfristen, zu II 2 d der Gründe sowie vom 20. März 1986 - 2 AZR 285/85 - EzA § 615 BGB Nr. 48, zu B II 2 c der Gründe). Das von der Revision für ihre gegenteilige Ansicht angezogene Urteil des Landesarbeitsgerichts Frankfurt am Main vom 27. November 1985 - 10 Sa 948/85 - hat der Senat in dem nicht veröffentlichten, den Parteien zur Kenntnis gebrachten Urteil vom 21. Mai 1987 - 2 AZR 373/86 - aufgehoben. Der Senat hat in diesem Urteil nochmals die wesentlichen, für die Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts maßgebenden Gesichtspunkte wiedergegeben. Wie er in diesem Zusammenhang hervorgehoben hat, handelt es sich um eine Frage der Auslegung tariflicher Vorschriften, deren eindeutige Fassung die Gerichte hindert, sie im Hinblick auf unbillige Ergebnisse zu korrigieren. Der Senat hat demgemäß in einem weiteren nicht veröffentlichten, den Parteien ebenfalls bekanntgegebenen Urteil vom 5. Februar 1987 - 2 AZR 46/86 - die Erhebung der Kündigungsschutzklage auch nicht für eine gerichtliche Geltendmachung von Verzugslohnansprüchen im Sinne des § 13 Nr. 2 MTV ausreichen lassen.
c) An der eindeutigen Fassung dieser Tarifnorm scheitert auch die von der Revision vertretene Auslegung, zumindest in der Erhebung einer mit der Kündigungsschutzklage verbundenen Klage auf Weiterbeschäftigung sei eine gerichtliche Geltendmachung des Verzugslohnanspruchs zu sehen.
Die gerichtliche Geltendmachung eines Anspruchs erfordert nach derartigen Ausschlußklauseln, daß der Anspruch Gegenstand des Prozesses wird. Der Verzugslohnanspruch ist jedoch ebensowenig Gegenstand einer auf Weiterbeschäftigung während eines Bestandsstreits gerichteten Klage wie Gegenstand des Bestandsstreits selbst. Nach dem Beschluß des Großen Senats des Bundesarbeitsgerichts vom 27. Februar 1985 (BAGE 48, 122 = AP Nr. 14 zu § 611 BGB Beschäftigungspflicht) hat der Arbeitnehmer gegen den Arbeitgeber einen Anspruch auf tatsächliche Beschäftigung, der grundsätzlich auch während der Dauer eines über den Fortbestand des Arbeitsverhältnisses geführten Rechtsstreits besteht. Soweit ein solcher Anspruch besteht, beruht dies auf dem ideellen Interesse des Arbeitnehmers an einer tatsächlichen Beschäftigung, das unter bestimmten Voraussetzungen das entgegengesetzte Interesse des Arbeitgebers an der Nichtbeschäftigung des Arbeitnehmers überwiegt. Dagegen ist das materielle, auf Erlangung des Arbeitsentgelts gerichtete Beschäftigungsinteresse des Arbeitnehmers im allgemeinen hinreichend durch § 615 BGB gesichert. Wird der Arbeitnehmer während des Bestandsstreits trotz fortbestehenden Arbeitsverhältnisses nicht weiterbeschäftigt, so gerät der Arbeitgeber in Annahmeverzug und ist zur Entgeltfortzahlung verpflichtet, ohne vom Arbeitnehmer die Nachleistung der Dienste verlangen zu können. Diesen Vergütungsanspruch kann der Arbeitnehmer im Feststellungsprozeß im Wege der objektiven Klagehäufung (§ 260 ZPO) durch einen entsprechenden Leistungsantrag geltend machen (Großer Senat, aaO, zu C II 2 b, 3 b, III der Gründe).
Ohne Erfolg verweist die Revision darauf, daß der Arbeitnehmer, der auf Weiterbeschäftigung klage, eine Weiterbeschäftigung gegen Entgelt erstrebe und dies dem Arbeitgeber erkennbar sei. Denn der Klageantrag ist eben nur auf den Beschäftigungsanspruch beschränkt, so daß nur dieser auch Streitgegenstand ist. Der Wille des Arbeitnehmers, die Ansprüche, die durch den Verlust des Arbeitsplatzes möglicherweise verlorengehen und damit auch die Vergütungsansprüche zu sichern, ergibt sich im Regelfall bereits aus der Erhebung der Kündigungsschutzklage oder einer allgemeinen Feststellungsklage nach § 256 ZPO, mit der der Arbeitnehmer den Fortbestand des vom Arbeitgeber aus anderen Gründen als durch eine dem Kündigungsschutzgesetz unterliegende Kündigung für beendet angesehenen Arbeitsverhältnisses festgestellt wissen will (Senatsurteil vom 21. Mai 1987 - 2 AZR 373/86 -, zu II 2 der Gründe). Eine solche Klage, die gleichwohl den Vergütungsanspruch selbst nicht zum Gegenstand hat, reicht jedoch, wie ausgeführt, nur zu seiner schriftlichen Geltendmachung im Sinne der ersten Stufe der tariflichen Verfallklausel aus.
Die auf Weiterbeschäftigung gerichtete Klage ist entgegen der Ansicht der Revision auch keine im Falle des Annahmeverzugs des Arbeitgebers erhobene Klage auf wiederkehrende Leistungen gemäß § 258 ZPO im Sinne des § 13 Nr. 2 Satz 3 MTV, durch die der Verzugslohnanspruch geltend gemacht worden ist. Denn diese Vorschrift knüpft an die allgemeine Vorschrift des Satzes 2 über die gerichtliche Geltendmachung des zunächst schriftlich erhobenen Anspruchs an und enthält lediglich eine Sonderregelung für die Fälle, in denen Klage auf wiederkehrende Leistungen erhoben worden ist. Auch wenn man in der auf Weiterbeschäftigung gerichteten Klage eine solche Klage sehen sollte, ändert dies nichts daran, daß auch Gegenstand dieser Klage nur der Weiterbeschäftigungsanspruch, nicht aber der Verzugslohnanspruch ist und dieser deshalb auch durch eine solche Klage nicht Streitgegenstand geworden ist.
II. Die Entscheidung des Rechtsstreits hängt somit davon ab, ob die Verfallklausel des § 13 Nr. 2 und 4 MTV wirksam ist. Diese Frage hat das Berufungsgericht jedenfalls im Ergebnis zu Recht bejaht.
1. Das Berufungsgericht hat angenommen, die tarifliche Verfallklausel verstoße nicht wegen Ungleichbehandlung von Arbeitnehmer- und Arbeitgeberansprüchen gegen den Gleichheitssatz des Art. 3 GG, weil sie jedenfalls nach der Ergänzung des Manteltarifvertrages durch die, auch wirksam zustande gekommene, Tarifvereinbarung vom 21. Mai 1985 und damit für den vorliegend in Betracht kommenden Anspruchszeitraum auch für die Ansprüche des Arbeitgebers aus dem Arbeitsverhältnis gelte. Die Revision rügt, das Berufungsgericht habe unter Verletzung formellen Rechts das wirksame Zustandekommen der Tarifvereinbarung vom 21. Mai 1985 festgestellt und weiter zu Unrecht aufgrund dieser Vereinbarung die bisher unwirksame Verfallklausel des § 13 MTV für geheilt angesehen.
Es kann dahinstehen, ob diese Rügen berechtigt sind. Denn entgegen der Ansicht der Revision ist bereits die tarifliche Fristenregelung in der vor Abschluß der Tarifvereinbarung vom 21. Mai 1985 bestehenden Fassung dahin auszulegen, daß sie auch die Arbeitgeberansprüche bis auf die in § 13 Nr. 5 MTV genannten erfaßt. Dies ergeben der tarifliche Gesamtzusammenhang der in § 13 Nr. 2 und 5 MTV enthaltenen Regelungen sowie die Tarifgeschichte und die Entstehungsgeschichte des Tarifvertrages, wie der Senat in dem Urteil vom 5. Februar 1987 - 2 AZR 46/86 - entschieden hat. Wegen der Begründung im einzelnen wird auf die Gründe dieses Urteils (zu III 2) verwiesen.
2. Entgegen der Ansicht der Revision verstößt aber auch die unterschiedliche Bemessung der Verfallfristen für Ansprüche aus Arbeitsverhältnissen mit gewerblichen Arbeitnehmern und Angestellten in § 13 Nr. 2 Satz 1 MTV nicht gegen den Gleichheitssatz des Art. 3 GG.
a) Die Tarifvertragsparteien sind in demselben Maße an die Grundrechte und damit auch an Art. 3 GG gebunden wie der staatliche Gesetzgeber, weil Tarifverträge Rechtsnormen enthalten (§ 1 Abs. 1 TVG) und insoweit Gesetze im materiellen Sinn sind (BAG Urteil vom 1. Juni 1983 - 4 AZR 566/80 - AP Nr. 5 zu § 611 BGB Deputat). Ein Verstoß gegen den verfassungsrechtlichen Gleichheitsgrundsatz kommt dann in Betracht, wenn die Tarifvertragsparteien tatsächliche Gleichheiten oder Ungleichheiten unberücksichtigt gelassen haben, die so bedeutsam sind, daß sie bei einer am allgemeinen Gerechtigkeitsdenken ausgerichteten Betrachtungsweise hätten beachtet werden müssen. Die Tarifvertragsparteien haben hiernach eine weitgehende Gestaltungsfreiheit. Sache des Gerichts ist es nicht zu prüfen, ob sie jeweils die gerechteste oder zweckmäßigste Regelung getroffen haben. Es hat lediglich zu kontrollieren, ob die bestehende Regelung die Grenzen des Gestaltungsspielraums der Tarifvertragsparteien und damit die Grenzen der Tarifautonomie überschreitet (BAG Urteil vom 1. Juni 1983, aaO; für das staatliche Gesetzesrecht: BVerfG Beschluß vom 26. März 1980 - 1 BvR 121/76 und 122/76 - AP Nr. 116 zu Art. 3 GG). Das ist dann der Fall, wenn die Tarifvertragsparteien Differenzierungen vornehmen, für die sachlich einleuchtende Gründe nicht vorhanden sind (BVerfG, aaO, zu B I 1 der Gründe).
b) Die sachliche Rechtfertigung einer unterschiedlichen Behandlung von Arbeitnehmergruppen in einer Norm ist am Zweck der Norm zu messen (vgl. für Gruppenbildung bei freiwilligen Leistungen BAGE 45, 76 = AP Nr. 67 zu § 242 BGB Gleichbehandlung, zu III 1 a der Gründe: Maßgebend ist der Zweck der Leistung). Tarifliche Ausschlußklauseln dienen der Rechtssicherheit und dem Rechtsfrieden. Sie sollen in kurzer überschaubarer Zeit Klarheit über das Bestehen von Ansprüchen aus dem Arbeitsverhältnis schaffen. Der Schuldner soll erfahren, ob und in welchem Umfang der Gläubiger noch Forderungen erhebt. Dies gilt insbesondere für noch ausstehende, von ihren tatsächlichen Voraussetzungen her offene und deshalb für den Schuldner nicht erkennbare Ansprüche, wie z.B. Mehrarbeitsvergütungen (vgl. BAGE 43, 71 = AP Nr. 78 zu § 4 TVG Ausschlußfristen, zu 2 b der Gründe; BAGE 47, 343 = AP Nr. 88 zu § 4 TVG Ausschlußfristen, zu II 3 b der Gründe; Wiedemann/Stumpf, TVG, 5. Aufl., § 4 Rz 367).
c) Gemessen an diesem Normzweck bestehen Bedenken gegen die Ansicht des Berufungsgerichts, zur Rechtfertigung unterschiedlicher Fristen für gewerbliche Arbeitnehmer und Angestellte an die tarifliche Regelung über die unterschiedlichen Kündigungsfristen für diese Arbeitnehmergruppen anzuknüpfen.
Längere Kündigungsfristen, die, wie vorliegend gemäß § 6 Nr. 2 und 3 MTV, nach der Dauer des Arbeitsverhältnisses und dem Alter des Arbeitnehmers gestaffelt sind, dienen der Sicherung der beruflichen Existenz der vom Arbeitsplatzverlust betroffenen, länger beschäftigten, in der Regel älteren Arbeitnehmer: Die Anpassung an eine veränderte berufliche Situation, die Suche einer anderen Arbeitsstelle soll erleichtert werden (BVerfG Beschluß vom 16. November 1982 - 1 BvL 16/75 und 36/79 - AP Nr. 16 zu § 622 BGB, zu B I der Gründe). Zwar treten Lohnstreitigkeiten erfahrungsgemäß häufiger im Zusammenhang mit der Beendigung des Arbeitsverhältnisses auf. Die Tarifvertragsparteien haben jedoch die Verfallfristen für beide Arbeitnehmergruppen unabhängig hiervon sowie von der Dauer des Arbeitsverhältnisses und der Länge der Kündigungsfristen festgelegt. Für den Fristbeginn ist ferner grundsätzlich die Fälligkeit des Anspruchs und spätestens die (rechtliche) Beendigung des Arbeitsverhältnisses, nicht dagegen der Ausspruch der Kündigung und damit die Kündigungsfrist maßgebend. Dies spricht dafür, daß das mit den Ausschlußfristen verfolgte Rechtssicherheitsinteresse unabhängig davon gewährleistet sein soll, ob das Arbeitsverhältnis im Anspruchszeitraum ungekündigt oder nach Ausspruch einer Kündigung nur noch befristet bis zum Kündigungstermin fortbesteht. Langjährig beschäftigte Angestellte können im übrigen längere Kündigungsfristen als die für Ansprüche während der Kündigungsfrist geltende Ausschlußfrist von drei Monaten nach Fälligkeit haben und deswegen wie gewerbliche Arbeitnehmer gezwungen sein, diese Ansprüche noch während des Bestehens des Arbeitsverhältnisses schriftlich geltend zu machen und dadurch ihr auslaufendes Arbeitsverhältnis zu belasten.
d) Im Hinblick auf die Klarstellungs- und Befriedungsfunktion der Ausschlußklausel ist jedoch ein sachlicher Grund für die unterschiedliche Bemessung der Fristen zur schriftlichen Geltendmachung von Ansprüchen darin zu sehen, daß insbesondere die Vergütungsansprüche von gewerblichen Arbeitnehmern, die grundsätzlich im Stundenlohn beschäftigt werden, von ihren tatsächlichen Voraussetzungen her offen und für den Arbeitgeber nicht erkennbar sowie schwieriger zu berechnen sind als die Ansprüche von Angestellten. Wie die Revision selbst einräumt, sind die Lohnberechnungen für die grundsätzlich im Stundenlohn beschäftigten gewerblichen Arbeitnehmer wegen Zahlung von Zuschlägen, Überstundenprozenten usw. schwieriger als die Vergütungsabrechnungen von Angestellten. Für bestimmte Gruppen von gewerblichen Arbeitnehmern ergeben sich zusätzliche Abrechnungsschwierigkeiten, so z.B. für Fahrer und Beifahrer von Kraftfahrzeugen im Hinblick auf die Vorschriften über Lenkzeiten, Ruhezeiten und Fahrtpausen (vgl. § 2 Nr. 3 MTV), ferner für Pförtner, Nachtwächter oder in ähnlicher Funktion tätige Arbeitnehmer, bei denen in erheblichem Umfang Arbeitsbereitschaft oder Rufbereitschaft anfällt und eine bestimmte Arbeitszeit nicht eingehalten werden kann, insbesondere dann, wenn keine von den allgemeinen Bestimmungen über Mehr-, Nacht-, Schicht-, Sonn- und Feiertagsarbeit geltenden Vorschriften des § 3 MTV abweichende einzelarbeitsvertragliche Sonderregelung getroffen worden ist (§ 3 Nr. 11 MTV). Weiter können gemäß § 5 Nr. 8 Buchst. b MTV alle Arbeiten von gewerblichen Arbeitnehmern, deren Eigenart es gestattet, im Akkord durchgeführt werden. Bei der Abrechnung solcher Vergütung treten erfahrungsgemäß häufiger Schwierigkeiten gerade hinsichtlich der Feststellung der tatsächlichen Voraussetzungen auf als bei nicht leistungsbezogenen Entgelten.
Wenn die Tarifvertragsparteien deshalb für gewerbliche Arbeitnehmer eine kürzere Frist zur schriftlichen Geltendmachung von Ansprüchen und entsprechend auch für Ansprüche des Arbeitgebers festgelegt haben, so ist diese Differenzierung gegenüber der Gruppe der Angestellten am Normzweck der Fristenregelung ausgerichtet und stellt keine willkürliche sachfremde Ungleichbehandlung gegenüber der Gruppe der Angestellten dar. Bei zweistufigen Ausschlußfristenregelungen dient die erste Stufe der formlosen oder schriftlichen Geltendmachung dem Zweck, alsbald Klarheit darüber zu schaffen, welcher Ansprüche sich der Kläger gegenüber dem Schuldner berühmt. Zweck der zweiten Stufe der gerichtlichen Geltendmachung ist es, darüber hinaus klarzustellen, welche Ansprüche der Gläubiger sogar gerichtlich durchsetzen will (BAGE 22, 241, zu 2 b der Gründe; Senatsurteil vom 21. Mai 1987 - 2 AZR 373/86 -, zu II 3 a aa der Gründe). Dem Klarstellungsinteresse des Schuldners ist mit der schriftlichen Geltendmachung zunächst Rechnung getragen. Er weiß, welcher Ansprüche sich der Gläubiger berühmt. Die gerichtliche Geltendmachung soll nur noch die Ungewißheit beseitigen, ob der Gläubiger die Ansprüche auch gerichtlich durchsetzen will. Sie ist nicht mehr abhängig von der Art der Ansprüche und der Schwierigkeit ihrer Feststellung, so daß kein Grund ersichtlich ist, diese Frist für die Gruppe der Arbeiter und Angestellten unterschiedlich zu bemessen. Dem haben die Tarifvertragsparteien Rechnung getragen und diese Frist einheitlich auf einen Monat nach Ablauf der Frist zur schriftlichen Geltendmachung festgelegt. Auch dies zeigt, daß sie bei der unterschiedlichen Bemessung der Frist zur schriftlichen Geltendmachung sich an dem spezifischen Zweck dieser Frist ausgerichtet haben.
Die den gewerblichen Arbeitnehmern eingeräumte Frist von sechs Wochen nach Fälligkeit zur schriftlichen Geltendmachung ihrer Ansprüche ist auch nicht unangemessen kurz und aus diesem Grund wegen Verstoßes gegen den sich aus dem Rechtsstaatsprinzip ergebenden Grundsatz der Verhältnismäßigkeit unwirksam (vgl.dazu Wiedemann/Stumpf, aaO, § 4 Rz 403).
III. Beide Vorinstanzen haben somit zu Recht den Klageanspruch für verwirkt angesehen. Die Revision ist deshalb mit der Kostenfolge aus § 97 Abs. 1 ZPO als unbegründet zurückzuweisen.
Hillebrecht Triebfürst Ascheid
Dr. Müller Brenne
Fundstellen