Entscheidungsstichwort (Thema)
Verwirkung. Vertrauen auf falsche Rechtsansicht des Arbeitgebers
Orientierungssatz
1. Die Beendigung des Arbeitsverhältnisses eines Schwerbehinderten bedarf seit der Neufassung des § 19 SchwbG durch das Gesetz vom 9. Juli 1979 (BGBl I S 989) auch dann der vorherigen Zustimmung der Hauptfürsorgestelle, wenn sie im Falle des Eintritts der Erwerbsunfähigkeit auf Zeit ohne Kündigung erfolgt.
2. Zur Frage, unter welchen Voraussetzungen ein Arbeitnehmer bei einer derartigen Fallkonstellation sein Recht, sich auf das Fortbestehen seines Arbeitsverhältnisses zu berufen, verwirkt.
3. Zu § 62 Abs 1 des Manteltarifvertrages für Arbeiter der Länder vom 27.2.1964.
Normenkette
BGB § 242; MTL § 62 Abs. 1; MTL 2 § 62 Abs. 1; SchwbG § 19 Fassung 1979-10-08
Verfahrensgang
LAG Köln (Entscheidung vom 19.07.1985; Aktenzeichen 4 Sa 487/85) |
ArbG Aachen (Entscheidung vom 21.03.1985; Aktenzeichen 5 Ca 300/85) |
Tatbestand
Die Parteien streiten darüber, ob der Kläger sein Recht verwirkt hat, sich auf den Fortbestand seines Arbeitsverhältnisses über den 31. März 1981 hinaus zu berufen.
Der am 9. April 1944 geborene Kläger war seit dem 1. November 1971 bei der Polizei des beklagten Landes als Wagenpfleger beschäftigt. Gemäß § 2 des Arbeitsvertrages vom Oktober 1971 bestimmte sich der Inhalt des Arbeitsverhältnisses nach dem Manteltarifvertrag für die Arbeiter der Länder (MTL II) vom 27. Februar 1964 und den diesen ergänzenden oder ändernden Tarifverträgen.
Im November 1979 wurde der Kläger aus dienstlichen Gründen von dem bisherigen Dienstort E nach A versetzt. Aus gesundheitlichen Gründen hat er seine Tätigkeit dort nicht aufgenommen. Der Kläger ist seit November 1980 schwerbehindert im Sinne des Schwerbehindertengesetzes; die Minderung seiner Erwerbsfähigkeit beträgt 60 v. H. Dem beklagten Land war dies bekannt.
Mit Bescheid vom 11. März 1981 bewilligte die LVA Rheinprovinz dem Kläger auf seinen Antrag eine Erwerbsunfähigkeitsrente auf Zeit bis längstens 31. August 1982. Der Rentenbescheid wurde dem Kläger im Monat März 1981 zugestellt.
Mit Schreiben vom 23. März 1981 teilte das beklagte Land durch den Polizeipräsidenten A dem Kläger unter Bezugnahme auf § 62 Abs. 1 MTL II (in der damals geltenden Fassung) mit, daß das Arbeitsverhältnis mit Ablauf des Monats ende, in dem dem Kläger der Rentenbescheid zugestellt worden sei, demnach mit Ablauf des 31. März 1981. Zugleich stellte er dem Kläger ein Dienstleistungszeugnis aus, über das in der Folgezeit unter Einschaltung der für den Kläger zuständigen Gewerkschaft eine umfangreiche Korrespondenz geführt wurde. Die Zustimmung der Hauptfürsorgestelle zur Beendigung des Arbeitsverhältnisses des Klägers war nicht eingeholt worden.
Restliche Urlaubsansprüche aus dem Jahre 1979 wurden auf entsprechenden Antrag des Klägers vom 19. März 1981 abgegolten. Gleichzeitig gab der Kläger die ihm für den Dienstgebrauch überlassenen Gegenstände zurück. Das mit dem Ausscheiden aus dem Arbeitsverhältnis vom Kläger beantragte tarifliche Übergangsgeld wurde ihm gemäß den tariflichen Regelungen ausgezahlt.
Im Mai 1982 beantragte der Kläger bei der zuständigen LVA die Weiterbewilligung der zum 31. August 1982 befristeten Erwerbsunfähigkeitsrente. Dies wurde mit Bescheid vom 6. September 1982, der nach erfolglosen Rechtsbehelfen bestandskräftig geworden ist, von der LVA abgelehnt.
Der Kläger war nach eigenen Angaben weiterhin bis Februar 1984 arbeitsunfähig krank. Am 10. Januar 1984 sprach er beim Polizeipräsidenten A erneut wegen seines Arbeitszeugnisses vor und erhielt ein nochmals geringfügig geändertes Zeugnis. Mit Schreiben vom 16. Februar 1984 bewarb sich der Kläger beim Polizeipräsidenten A um die Neueinstellung als Zivilfahrer.
Unter Hinweis auf die Nichtverlängerung seiner Erwerbsunfähigkeitsrente beantragte er mit Schreiben vom 20. Februar 1984 die Wiedereinstellung gemäß § 62 Abs. 5 MTL II (in der damals geltenden Fassung) zum frühestmöglichen Zeitpunkt.
Die Anträge wurden von dem Polizeipräsidenten mit Schreiben vom 24. Februar 1984 mit der Begründung abgelehnt, ein geeigneter Arbeitsplatz sei nicht zu besetzen und es sei auch nicht abzusehen, wann eine entsprechende Stelle verfügbar sein werde.
Mit Schreiben vom 14. Januar 1985 machte der Kläger geltend, das zwischen den Parteien bestehende Arbeitsverhältnis sei zum 31. März 1981 nicht rechtswirksam beendet worden, weil die zur Beendigung des Arbeitsverhältnisses nach dem Schwerbehindertengesetz - SchwbG - erforderliche Zustimmung der Hauptfürsorgestelle nicht eingeholt worden sei, obwohl schon zum damaligen Zeitpunkt die Dienststelle Kenntnis von seiner Schwerbehinderung gehabt habe. Das Arbeitsverhältnis bestehe daher unverändert fort.
Der Polizeipräsident lehnte eine Weiterbeschäftigung des Klägers mit dem Hinweis darauf ab, etwaige Rechte des Klägers seien zwischenzeitlich verwirkt.
Mit seiner am 22. Februar 1985 eingegangenen Klage hat der Kläger den Fortbestand seines Arbeitsverhältnisses über den 31. März 1981 hinaus geltend gemacht. Er meint, eine Verwirkung sei nicht eingetreten, da er die Regelung des § 19 SchwbG nicht gekannt und auf die Wirksamkeit der Erklärung des Polizeipräsidenten vom 23. März 1981 vertraut habe. Sein gesamtes Verhalten nach Erhalt dieser Beendigungsmitteilung sei eine ganz normale und automatische Folge seines Vertrauens auf die Richtigkeit dieser Mitteilung gewesen. Das beklagte Land habe seine Fürsorgepflicht verletzt und in schuldhafter Weise die einschlägigen gesetzlichen und tarifvertraglichen Vorschriften nicht beachtet.
Der Kläger hat beantragt
festzustellen, daß zwischen den Parteien
ein Arbeitsverhältnis über den 31. März
1981 hinaus weiterhin fortbesteht.
Das beklagte Land hat beantragt, die Klage abzuweisen.
Es hat vorgetragen, im nachhinein sei nicht mehr feststellbar, aufgrund welchen Versäumnisses die Hauptfürsorgestelle bei der Beendigung des Arbeitsverhältnisses des Klägers nicht eingeschaltet worden sei. Keinem der Beteiligten sei der Mangel bewußt gewesen. Die Beendigung des Arbeitsverhältnisses sei in allen Einzelheiten tatsächlich vollzogen worden. Der Kläger habe durch sein Verhalten über die ganzen Jahre hinweg immer wieder zu erkennen gegeben, daß auch aus seiner Sicht das Arbeitsverhältnis zum 31. März 1981 beendet sei. Unter Berücksichtigung dieser Umstände sei hinsichtlich des Feststellungsbegehrens des Klägers Verwirkung eingetreten.
Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen. Die Berufung des Klägers ist ohne Erfolg geblieben.
Mit der vom Landesarbeitsgericht zugelassenen Revision beantragt der Kläger, die vorinstanzlichen Urteile aufzuheben und festzustellen, daß zwischen den Parteien über den 31. März 1981 hinaus ein Arbeitsverhältnis besteht. Des weiteren beantragt er nunmehr hilfsweise, das beklagte Land zu verurteilen, ihn wieder zu beschäftigen. Das beklagte Land beantragt, die Revision zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
Die Revision des Klägers ist begründet, denn sein Feststellungsbegehren ist - entgegen der Ansicht der Vorinstanzen - nicht verwirkt.
I. Das Landesarbeitsgericht hat insbesondere ausgeführt:
Zwar sei die für die Beendigung des Arbeitsverhältnisses mit dem schwerbehinderten Kläger gemäß § 19 Schwerbehindertengesetz - SchwbG - in der Fassung der Bekanntmachung vom 8. Oktober 1979 (BGBl. I S. 1649) vorgeschriebene vorherige Zustimmung der Hauptfürsorgestelle von dem Beklagten nicht eingeholt worden. Der Kläger habe aber seine Rechte aus dem erweiterten Beendigungsschutz des § 19 SchwbG verwirkt.
Das Recht, sich auf Gründe für die Unwirksamkeit der Beendigung des Arbeitsverhältnisses zu berufen, könne verwirken. Die Frage, ob die Auflösung des Arbeitsverhältnisses hingenommen werde oder nicht, dulde keinen langen Schwebezustand. Dies sei aus der Regelung des § 4 KSchG ablesbar, die für die beiden praktisch wichtigsten Gründe der Unwirksamkeit einer Kündigung - fehlende soziale Rechtfertigung und fehlender wichtiger Grund - den Arbeitnehmer zu einer Entscheidung innerhalb von drei Wochen zwinge. Die Unwirksamkeit der Kündigung aus anderen Gründen müsse ebenfalls innerhalb einer angemessenen Frist geltend gemacht werden. Wegen der gleichen Interessenlage gelte dies auch bei der Beendigung des Arbeitsverhältnisses durch Tarifvertrag infolge Erwerbsunfähigkeit.
Das Zeitmoment der Verwirkung sei bei einem Zeitraum von ca. vier Jahren zwischen der faktischen Abwicklung des Arbeitsverhältnisses zum 31. März 1981 und der klageweisen Geltendmachung der Unwirksamkeit der Beendigung des Arbeitsverhältnisses erfüllt.
Gleiches gelte auch für das Umstandsmoment, da der Kläger sich nach der faktischen Beendigung des Arbeitsverhältnisses nicht lediglich untätig verhalten, sondern durch sein gesamtes Verhalten sogar den Eindruck erweckt habe, auch er gehe von einer wirksamen Beendigung des Arbeitsverhältnisses aus und werde sie nicht in Frage stellen. In diesem Zusammenhang sei beachtlich, daß der Kläger die Auszahlung des Übergangsgeldes beantragt und sowohl im Jahre 1981 als auch noch im Jahre 1984 eine Abänderung des erteilten Arbeitszeugnisses begehrt habe. Insbesondere die im Jahre 1984 beantragte Wiedereinstellung gemäß § 62 Abs. 5 MTL II habe eine rechtliche Beendigung des Arbeitsverhältnisses vorausgesetzt.
Selbst nach Ablehnung des Wiedereinstellungsantrages am 24. April 1984 (richtig: 24. Februar 1984) sei der Kläger wiederum fast ein Jahr untätig geblieben, ohne die Wirksamkeit der Beendigung seines Arbeitsverhältnisses auch nur andeutungsweise in Zweifel zu ziehen.
Das beklagte Land habe aus dem gesamten Verhalten des Klägers berechtigterweise den Schluß ziehen können, der Kläger werde die Wirksamkeit der Beendigung des Arbeitsverhältnisses zum 31. März 1981 nicht in Frage stellen. Es habe bezüglich seines Arbeitsplatzes auch bereits Dispositionen getroffen.
Bei Abwägung der beiderseitigen Interessen sei es dem beklagten Land nach Treu und Glauben nicht zumutbar, das Arbeitsverhältnis mit dem Kläger fortzusetzen, auch wenn es die gesetzliche Regelung des § 19 SchwbG nicht beachtet habe. Der Gesetzesverstoß sei deshalb nicht als so schwer zu werten, weil erst durch die Änderung dieser Vorschrift durch Gesetz vom 9. Juli 1979 die Zustimmungsbedürftigkeit einer Beendigung des Arbeitsverhältnisses infolge Erwerbsunfähigkeit auf Zeit begründet worden sei und weil alle Wahrscheinlichkeit dafür spreche, daß bei einer rechtzeitigen Rüge des Klägers der Hauptfürsorgestelle gar nichts anderes übriggeblieben wäre, als der Beendigung des Arbeitsverhältnisses zuzustimmen, und das Arbeitsverhältnis dann wirksam beendet worden wäre. Der Kläger hätte sich über seine Rechte aus dem Arbeitsverhältnis innerhalb eines zumutbaren Zeitraums informieren müssen.
Unter Berücksichtigung des § 62 Abs. 1 MTL II habe das Arbeitsverhältnis der Parteien mit Ablauf des Monats geendet, in dem dem Kläger der Rentenbescheid zugestellt worden sei.
II. Diesen Ausführungen des Landesarbeitsgerichts vermag der Senat nicht zu folgen. Die Vorinstanzen sind zwar wie die Parteien zu Recht davon ausgegangen, daß das Arbeitsverhältnis mangels Zustimmung der Hauptfürsorgestelle trotz Eintritts der Erwerbsunfähigkeit auf Zeit nach § 19 SchwbG nicht beendet worden ist. Entgegen der Ansicht der Vorinstanzen hat der Kläger jedoch sein Recht, sich auf das Fortbestehen seines Arbeitsverhältnisses zu berufen, nicht verwirkt.
Die Verwirkung ist ein außerordentlicher Rechtsbehelf. Grundsätzlich kann jedermann bei der Geltendmachung seiner Rechte die gesetzlichen, tariflichen oder vertraglichen Verjährungs- oder Ausschlußfristen voll ausnutzen, ohne daß ihm daraus ein Rechtsnachteil erwächst. Ausnahmsweise kann indessen ein Recht schon vor dem Ablauf dieser Fristen verwirken, wenn seit der Möglichkeit, das Recht geltend zu machen, längere Zeit verstrichen ist und besondere Umstände hinzutreten, die die verspätete Geltendmachung als einen Verstoß gegen Treu und Glauben (§ 242 BGB) und damit rechtsmißbräuchlich erscheinen lassen.
Hiervon ist auch das Landesarbeitsgericht ausgegangen. Es hat aber zu Unrecht angenommen, im vorliegenden Falle seien die Voraussetzungen der Verwirkung gegeben.
Der Kläger hat zwar fast vier Jahre seit seinem tatsächlichen Ausscheiden aus den Diensten des beklagten Landes am 31. März 1981 verstreichen lassen, bevor er sich erstmals mit Schreiben vom 14. Januar 1985 darauf berief, daß sein Arbeitsverhältnis trotz Bewilligung der Erwerbsunfähigkeitsrente nicht beendet worden sei, weil es an der dazu nötigen Zustimmung der Hauptfürsorgestelle gefehlt habe. Es ist dem Landesarbeitsgericht auch zuzugeben, daß die Frage, ob die Auflösung des Arbeitsverhältnisses hingenommen wird oder nicht, keinen langen Schwebezustand duldet; denn der Arbeitgeber hat ein dringendes Interesse daran, möglichst bald zu erfahren, ob er seine Betriebsführung darauf einstellen kann, daß es bei dem Ausscheiden des Arbeitnehmers bleibt. Gleichwohl ist eine Verwirkung hier nicht eingetreten, weil es an dem neben dem Zeitfaktor weiter erforderlichen sogenannten "Umstandsmoment" fehlt. Es liegt nur vor, wenn der Berechtigte durch sein Verhalten den Eindruck erweckt hat, er wolle sein Recht endgültig nicht mehr geltend machen, der Verpflichtete sich darauf eingerichtet hat und ihm deshalb die verspätete Inanspruchnahme nach Treu und Glauben nun nicht mehr zugemutet werden kann (vgl. etwa BAGE 6, 165, 168 = AP Nr. 9 zu § 242 BGB Verwirkung, zu III der Gründe; BAG Beschluß vom 14. November 1978 - 6 ABR 11/77 - AP Nr. 39 zu § 242 BGB Verwirkung). Es muß sich also um eine illoyal verspätete Geltendmachung handeln. Ob dies der Fall ist, richtet sich nicht nur nach dem Verhalten des Berechtigten; vielmehr ist das Gesamtverhalten beider Parteien, mithin auch dasjenige des Verpflichteten, zu würdigen (BGHZ 25, 47, 52).
Bei Anwendung dieser Grundsätze auf den vorliegenden Fall ergibt sich, daß der Kläger sein Recht, sich auf das Fortbestehen seines Arbeitsverhältnisses zu berufen, nicht verwirkt hat. Daß der Kläger erst nach nahezu vier Jahren mit der Geltendmachung seines Rechts hervorgetreten ist, hat seine Ursache in erster Linie in einem pflichtwidrigen Verhalten der die Personalangelegenheiten des Klägers bearbeitenden zuständigen Stelle des beklagten Landes selbst. Diese war auch aufgrund der arbeitsvertraglichen Fürsorgepflicht dem Kläger gegenüber gehalten, die zu seinen Gunsten bestehenden gesetzlichen Vorschriften zu beachten. Der zuständige Personalsachbearbeiter hätte, wenn er sich pflichtgemäß mit den einschlägigen gesetzlichen Vorschriften vertraut gemacht hätte, wissen müssen, daß die Beendigung des Arbeitsverhältnisses eines Schwerbehinderten seit der Neufassung des § 19 SchwbG durch das Gesetz vom 9. Juli 1979 (BGBl. I S. 989) auch dann der vorherigen Zustimmung der Hauptfürsorgestelle bedarf, wenn sie im Falle des Eintritts der Erwerbsunfähigkeit auf Zeit ohne Kündigung erfolgt. Stattdessen hat das beklagte Land dem Kläger mit Schreiben vom 23. März 1981 mitgeteilt, sein Arbeitsverhältnis ende gemäß der für ihn geltenden tariflichen Regelung des § 62 Abs. 1 MTL II mit dem Ablauf des Monats, in dem ihm der Rentenbescheid zugestellt worden sei, also mit dem Ablauf des 31. März 1981.
Der rechtsunkundige Kläger konnte auf die Richtigkeit dieser Mitteilung des beklagten Landes vertrauen. Er hatte keine Veranlassung, an der dargestellten Rechtsfolge zu zweifeln. Der Kläger befand sich hier in einer anderen Lage als etwa ein Arbeitnehmer, der sich einer Kündigungserklärung seines Arbeitgebers gegenübersieht oder dessen Arbeitgeber sich auf die Beendigung des Arbeitsverhältnisses infolge einer auf seinen Wunsch vertraglich vereinbarten Befristung beruft. In diesen Fällen geht es dem Arbeitgeber ersichtlich um die Verfolgung eigener Interessen. Bei der Kündigung will er rechtsgestaltend in ein ihm nachteilig gewordenes Rechtsverhältnis eingreifen und es beenden oder ändern; bei der Berufung auf eine Befristung geht es ihm um die Nutzung einer von ihm selbst in seinem Interesse herbeigeführten Vertragsgestaltung. Deshalb hat der betroffene Arbeitnehmer in solchen Fällen allen Anlaß, die Rechtslage zu prüfen und sich darüber schlüssig zu werden, ob und gegebenenfalls wie er auf das Vorgehen seines Arbeitgebers reagieren soll. Im Streitfalle stellte sich dem Kläger die Mitteilung des beklagten Landes vom 23. März 1981 jedoch nicht als eine Erklärung zur eigenen Interessenwahrung dar, sondern lediglich als eine Unterrichtung über die aus der Bewilligung der Erwerbsunfähigkeitsrente auf Zeit durch die LVA nach der einschlägigen tariflichen Regelung sich ergebende objektive Rechtslage; denn das beklagte Land hatte in dem Schreiben die Beendigung des Arbeitsverhältnisses der Parteien als kraft tariflicher Automatik ohne weiteres eintretende Rechtsfolge der Rentenbewilligung dargestellt. Die Richtigkeit dieser ihm von kompetenter Stelle des beklagten Landes gegebene Darstellung der Rechtslage in Frage zu stellen, hatte der Kläger keinen Grund. Hierauf konnte er vielmehr vertrauen, und er hat sich auch in der Folgezeit darauf verlassen.
Das spätere Verhalten des Klägers beruht entscheidend auf dem durch das Schreiben des beklagten Landes vom 23. März 1981 beim Kläger hervorgerufenen Irrtum über die Rechtslage. Das gilt für seinen Antrag auf Gewährung des die Beendigung des Arbeitsverhältnisses voraussetzenden tariflichen Übergangsgeldes ebenso wie für die Geltendmachung seiner restlichen Urlaubsansprüche und seine wiederholten Anträge auf Änderung seines Zeugnisses wie auch für die im Februar 1984 erfolgte Geltendmachung eines tariflichen Wiedereinstellungsanspruchs beim beklagten Land. Aus diesem Verhalten des Klägers konnte das beklagte Land nur den Schluß ziehen, daß der Kläger auf die Richtigkeit der Mitteilung vom 23. März 1981 vertraute und demgemäß mit dem beklagten Land von der automatischen Beendigung seines Arbeitsverhältnisses infolge der Rentenbewilligung ausging; nicht aber konnte das beklagte Land daraus entnehmen, der Kläger wolle Rechte aus seinem etwa fortbestehenden Arbeitsverhältnis endgültig nicht mehr geltend machen.
Entgegen der Ansicht des Landesarbeitsgerichts verhält sich der Kläger, wenn er sich nunmehr auf die fehlende Zustimmung der Hauptfürsorgestelle beruft, nicht etwa deswegen illoyal gegenüber dem beklagten Land, weil bei einer rechtzeitigen Rüge des Klägers der Hauptfürsorgestelle aller Wahrscheinlichkeit nach gar nichts anderes übrig geblieben wäre, als der Beendigung des Arbeitsverhältnisses zuzustimmen, und das Arbeitsverhältnis dann wirksam beendet worden wäre. Es ist schon nicht ersichtlich, worauf das Landesarbeitsgericht seine Annahme stützt, die Hauptfürsorgestelle hätte der Beendigung des Arbeitsverhältnisses des Klägers die Zustimmung nicht versagen dürfen. Allein die Tatsache der zeitweisen Erwerbsunfähigkeit des Klägers hätte hierzu nicht ausgereicht; denn sonst wäre die Vorschrift des § 19 SchwbG in ihrer Neufassung durch das Gesetz vom 9. Juli 1979 mit der dadurch erfolgten Einbeziehung der Beendigung des Arbeitsverhältnisses eines Schwerbehinderten durch Bewilligung einer Erwerbsunfähigkeitsrente auf Zeit in den Kreis der zustimmungsbedürftigen Beendigungstatbestände überflüssig. Insbesondere im vorliegenden Falle, in dem die Erwerbsunfähigkeitsrente nur für etwa eineinhalb Jahre gewährt worden ist, wäre durchaus zu erwägen gewesen, der Beendigung des Arbeitsverhältnisses nicht zuzustimmen, um dem Kläger für den Fall der Wiederherstellung seiner Erwerbsfähigkeit nach Ablauf des Bewilligungszeitraumes seinen Arbeitsplatz zu erhalten und ihm dadurch den Wiedereintritt in das Arbeitsleben zu ermöglichen.
Aus diesen Gründen erscheint die wesentlich durch das Verhalten des beklagten Landes selbst verursachte späte Geltendmachung des Fortbestehens seines Arbeitsverhältnisses durch den Kläger nicht illoyal; dem beklagten Land war es unter Berücksichtigung der hier gegebenen besonderen Umstände zuzumuten, dem verspäteten Begehren des Klägers zu entsprechen. Es wäre unbillig, die Folgen eines vom beklagten Land zu vertretenden Rechtsirrtums den schwerbehinderten Kläger tragen zu lassen. Der auf Verurteilung zur Weiterbeschäftigung gerichtete Hilfsantrag des Klägers ist damit gegenstandslos. Über ihn war nicht mehr zu entscheiden, weil schon der Hauptantrag Erfolg hat.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 91 ZPO.
Dr. Seidensticker Roeper Dr. Becker
Nehring Dr. Zachert
Fundstellen