Entscheidungsstichwort (Thema)
Anspruch auf übertarifliche Sonderzahlungen für die Zeit des Erziehungsurlaubs
Normenkette
BGB §§ 611, 242, 823, 826; BErzGG §§ 15-16
Verfahrensgang
Tenor
1. Die Revision der Klägerin gegen das Urteil des Landesarbeitsgerichts Hamburg vom 2. Dezember 1997 – 2 Sa 51/97 – wird zurückgewiesen.
2. Die Klägerin hat die Kosten der Revision zu tragen.
Von Rechts wegen!
Tatbestand
Die Parteien streiten darüber, ob der Klägerin für die Zeit ihres Erziehungsurlaubs weitere Sonderzahlungen zustehen.
Die Klägerin ist seit 1990 bei der Beklagten als Bildschirmtypistin beschäftigt. Die Beklagte ist ein Versicherungsunternehmen mit ca. 2000 Beschäftigten. Nach dem Arbeitsvertrag vom 20. November 1990 unterliegt das Arbeitsverhältnis den Bestimmungen des Tarifvertrages für das private Versicherungsgewerbe. Das Bruttogehalt der Klägerin betrug 4.100,00 DM. Regelungen über eine Sonderzahlung enthält der Arbeitsvertrag nicht. Die Klägerin befand sich vom 21. Januar 1994 bis zum 24. November 1995 in Erziehungsurlaub. Sie begehrt für diesen Zeitraum weitere Sonderzahlungen in Höhe von 10.213,68 DM.
Die Beklagte zahlte auch an Mitarbeiterinnen, die sich in Erziehungsurlaub befanden, Sonderzuwendungen im Mai und im November jeden Jahres. Diese setzen sich jeweils zusammen aus einem tariflichen Teil (50 % im Mai und 80 % im November) sowie einem übertariflichen Teil. Der übertarifliche Anteil der Sonderzahlungen ist freiwillig.
Die Beklagte erklärte bei Auszahlung jeder einzelnen Sonderzahlung an ihre Mitarbeiter jeweils:
“Wir weisen an dieser Stelle wiederum daraufhin, daß die freiwilligen Leistungen des H… weder hinsichtlich der Höhe noch der Zahlungsweise für die Zukunft als bindend angesehen werden können. Auf die Zahlungen besteht auch kein Rechtsanspruch.”
Am 25. September 1991 vereinbarten die Tarifvertragsparteien eine Protokollnotiz, in der sie die Höhe der Sonderzahlungen an Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen, die sich in Erziehungsurlaub befinden, in der Höhe begrenzten; diese Protokollerklärung lautet wie folgt:
Protokollnotiz zu § 3 Ziff. 3 Abs. 3, § 13 Ziff. 9 Abs. 3, § 19 Ziff. 5 Abs. 4 und § 22 Ziff. 3 Abs. 4 MTV
Die Parteien stimmen darüber überein, daß die Nachzahlungsregelung für Arbeitnehmerinnen, die nach dem Mutterschaftsurlaub in das Unternehmen zurückkehren (jeweils Sätze 3 und 4 der genannten Bestimmungen) in gleichem Umfang, also begrenzt auf die Dauer und auf die anspruchsberechtigten Personen des früheren Mutterschaftsurlaubs, entsprechend anzuwenden ist, wenn das Arbeitsverhältnis nach Abschluß des Erziehungsurlaubs fortgesetzt wird.
Gleichwohl zahlte die Beklagte auch nach dem 25. September 1991 an ihre Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen die vollen tariflichen und übertariflichen Sonderzahlungen weiter, wenn diese im Anschluß an den Erziehungsurlaub sechs Monate ihr Arbeitsverhältnis fortsetzen. Hierzu ist in einem Merkblatt der Beklagten, das bis 1994 im Betrieb existierte, ausgeführt:
“Sonderzahlungen
Sie haben während des Erziehungsurlaubs Anspruch auf die Sonderzahlungen (im Mai bzw. im November). Der Anspruch auf den freiwillig gewährten Anteil der Sonderzahlungen besteht aber nur dann, wenn während der Zeit des Erziehungsurlaubs diese freiwilligen Anteile auch tatsächlich allen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern gewährt wurden.
Fällig werden die Sonderzahlungen allerdings erst dann, wenn sie nach Wiederaufnahme ihrer Tätigkeit mindestens sechs Monate gearbeitet haben.”
Nachdem die Beklagte im Sommer 1994 nach ihren Angaben die Protokollnotiz vom 25. September 1991 registrierte und feststellte, daß sie die Höhe der Sonderzahlungen jeweils auf der Grundlage des gesamten Erziehungsurlaubs berechnet hat, obwohl nach der Protokollnotiz nur die ersten vier Monate des Erziehungsurlaubes berücksichtigungsfähig waren, zog sie die restlichen Merkblätter ein und teilte in einem Rundschreiben vom November 1994 mit, daß sie die Sonderzahlungen an die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter im Erziehungsurlaub nicht mehr in der bisherigen Weise weiterzahlen werde. Ein derartiges Rundschreiben ist der Klägerin nicht zugegangen.
Die Beklagte hat der Klägerin im Mai 1994 eine anteilige Sonderzahlung in Höhe von 604,20 DM gewährt. Zusätzlich hat die Klägerin sechs Monate nach Beendigung des Erziehungsurlaubes weitere 2.416,80 DM als Sonderzahlung für 1994 erhalten. Im November 1994 und Mai 1995 erhielt die Klägerin keine Sonderzahlung; im November 1995 zahlte die Beklagte an die Klägerin anteilig 766,52 DM.
Die Klägerin ist der Meinung, sie habe einen Anspruch auf die vollen Sonderzahlungen nach Maßgabe der Regelungen wie sie im Merkblatt beschrieben seien. Rechtsgrundlage hierfür sei das Merkblatt, betriebliche Übung, der arbeitsrechtliche Gleichbehandlungsgrundsatz, positive Vertragsverletzung, sowie ein Verstoß gegen die Mitbestimmungsrechte des Betriebsrats. Außerdem hätten die Mitarbeiterinnen der Personalabteilung, Frau W… und Frau B… die Sonderzahlungen zugesagt.
Die Klägerin beantragt,
die Beklagte zu verurteilen, an sie 10.213,68 DM brutto nebst 4 % Zinsen seit Klagezustellung zu zahlen.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Die Beklagte ist der Auffassung, ein Anspruch aus dem Arbeitsvertrag bzw. einer betrieblichen Übung bestehe nicht, da die Zahlungen stets freiwillig erfolgt seien. Die Personalabteilung der Beklagten habe zunächst eine Protokollnotiz der Tarifvertragsparteien vom 25. September 1991 übersehen und sei deshalb einem Irrtum unterlegen. Nach Erkenntnis dieses Irrtums sei die Zahlung eingestellt worden; eine betriebliche Übung könne hieraus nicht hergeleitet werden. Ein Verstoß gegen den Gleichbehandlungsgrundsatz liege nicht vor, da die Mitarbeiterinnen, auf die sich die Klägerin berufe, nicht vergleichbar seien; sie hätten den Erziehungsurlaub nämlich bereits im Zeitraum zwischen Februar 1991 und November 1992 beendet. Eine Zusage durch Mitarbeiterinnen der Beklagten sei nicht erfolgt.
Das Arbeitsgericht hat der Klage stattgegeben. Das Landesarbeitsgericht hat die Klage abgewiesen. Mit der Revision begehrt die Klägerin die Wiederherstellung des arbeitsgerichtlichen Urteils. Die Beklagte bittet um Zurückweisung der Revision.
Entscheidungsgründe
Die Revision der Klägerin ist nicht begründet.
I. Das Landesarbeitsgericht hat zur Begründung seiner Entscheidung im wesentlichen ausgeführt, ein Anspruch der Klägerin auf weitere Sonderzahlungen ergebe sich nicht unter dem Gesichtspunkt der betrieblichen Übung. Zwar sei ein solcher Anspruch nicht bereits ausgeschlossen, weil sich der Arbeitgeber über seine Bindung geirrt oder irrtümlich angenommen habe, er sei aus anderen Gründen zur Leistung nicht verpflichtet. Entscheidend sei, ob die Klägerin aufgrund des Verhaltens des Arbeitgebers annehmen durfte, sie habe bei Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses Anspruch auf die vollen Sonderzahlungen für die Dauer des Erziehungsurlaubs. Hierbei sei zu berücksichtigen, daß die Beklagte auch im Anschluß an die Protokollnotiz vom 25. September 1991 an Mitarbeiterinnen, die sich im Erziehungsurlaub befanden, die an sich nicht entstandenen Ansprüche auf die freiwillige Sonderzahlung gleichwohl erfüllt habe. Weiterhin habe die Beklagte durch das von ihrer Personalabteilung verfaßte Merkblatt kundgetan, daß die Mitarbeiterinnen während des Erziehungsurlaubs Anspruch auf Sonderzahlungen im Mai bzw. im November haben. Soweit die Beklagte im Merkblatt zwischen Ansprüchen der Mitarbeiterinnen und freiwilligen Anteilen an der Sonderzahlung unterschieden habe, spreche dies dafür, daß sich der Arbeitgeber gemäß dem Tarifvertrag verhalten wollte. Der Arbeitgeber wollte lediglich seine tariflichen Verpflichtungen erfüllen und habe sich hinsichtlich des Umfanges geirrt. Bei dieser Sachlage könne die Klägerin nicht darauf vertrauen, daß die Beklagte sich über ihre tariflichen Verpflichtungen hinaus selbständig zur Zahlung der vollen Sonderzahlung verpflichten wollte. Das Merkblatt sei keine Anspruchsgrundlage, da die Beklagte den Anspruch auf Sonderzahlungen nur nach Maßgabe der normativen Vorgaben für gegeben erachtet habe. Auch der Arbeitsvertrag sowie die §§ 3 Ziff. 3 und 13 Ziff. 9 des Manteltarifvertrages vom 31. Oktober 1980 für das private Versicherungsgewerbe für die Bundesrepublik Deutschland und im Land Berlin enthielten keine Anspruchsgrundlage für weitere Sonderzahlungen. Ein Schadensersatzanspruch wegen Verletzung der Fürsorgepflicht des Arbeitgebers bestehe nicht, da nicht davon ausgegangen werden könne, die Klägerin habe allein wegen der falschen Vorstellung über die Höhe der Sonderzahlung ihren Erziehungsurlaub angetreten. In den Erklärungen der Frauen W… und B… aus der Personalabteilung, daß auch während des Erziehungsurlaubs die vollen Sonderzahlungen gewährt würden, könne eine Zusicherung des Arbeitgebers mit Verpflichtungscharakter nicht gesehen werden, da sie nicht in dem Bewußtsein abgegeben worden seien, daß an sich ein Anspruch nicht bestünde. Der arbeitsrechtliche Gleichbehandlungsgrundsatz rechtfertige einen Anspruch der Klägerin nicht, da die von der Klägerin benannten Mitarbeiterinnen ihren Erziehungsurlaub spätestens im November 1992 beendet hätten und aus diesem Grunde mit der Klägerin nicht vergleichbar seien. Eine Verletzung von § 87 Abs. 1 Nr. 10 BetrVG liege nicht vor, da die einseitige Einstellung der aufgrund einer fehlerhaften Tarifanwendung erfolgten Leistungen keine Neuordnung der Verteilungsgrundsätze darstelle.
Den Ausführungen des Landesarbeitsgerichts ist im Ergebnis zuzustimmen.
II. Die Klägerin hat keinen Anspruch auf Zahlung weiterer Sonderzuwendungen für die Dauer ihres Erziehungsurlaubs.
1. Die Klägerin begehrt mit der zulässigen Klage übertarifliche Leistungen; der Anspruch auf die tariflichen Sonderzahlungen in den Monaten Mai und November der jeweiligen Jahre ist von der Beklagten erfüllt worden. Auf den Manteltarifvertrag für das private Versicherungsgewerbe in der Bundesrepublik Deutschland und im Land Berlin in der Fassung vom 25. Oktober 1990 (MTV) kann der Klageanspruch daher nicht gestützt werden. Durch die Protokollnotiz vom 25. September 1991 zu § 3 Ziff. 3 Abs. 3, § 13 Ziff. 9 Abs. 3, § 19 Ziff. 5 Abs. 4 und § 22 Ziff. 3 Abs. 4 MTV haben die Tarifvertragsparteien den tariflichen Anspruch auf Sonderzuwendungen im Erziehungsurlaub auf die Höhe vor Inkrafttreten des Bundeserziehungsgeldgesetzes zurückgeführt. Soweit die Beklagte die Protokollnotiz erst 1994 inhaltlich wahrgenommen hat, hat sie sich zunächst über die Höhe der tariflichen Zahlungspflichten geirrt; in diesem Falle ist die Beklagte nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts (Urteil vom 26. August 1987 – 4 AZR 155/87 – AP Nr. 1 zu § 1 TVG Tarifverträge: Brotindustrie) berechtigt, die über den Tarifvertrag hinaus gewährten Leistungen einseitig einzustellen (BAG Urteile vom 21. April 1982 – 4 AZR 671/79 – BAGE 38, 291, 295 = AP Nr. 5 zu § 1 TVG Tarifverträge: Bundesbahn; vom 29. Januar 1986 – 4 AZR 279/84 – AP Nr. 17 zu § 75 BPersVG; vom 7. Mai 1986 – 4 AZR 556/83 – BAGE 52, 33 = AP Nr. 12 zu § 4 BAT). Dies findet seine Rechtfertigung darin, daß ein Arbeitgeber, der an einen Tarifvertrag gebunden ist, die tarifgemäßen Leistungen erbringen will, nicht aber freiwillige Leistungen.
2. Der von der Klägerin mit der Klage geltend gemachte Anspruch folgt nicht aus einer betrieblichen Übung.
Eine betriebliche Übung setzt ein gleichförmiges und wiederholtes Verhalten des Arbeitgebers voraus, aus dem die Arbeitnehmer schließen können, ihnen würde die Leistung auch künftig gewährt (st. Rspr. vgl. BAG Urteil vom 5. Februar 1971 – 3 AZR 28/70 – BAGE 23, 213, 218 ff. = AP Nr. 10 zu § 242 BGB Betriebliche Übung, zu I 1 und 2 der Gründe; Urteil vom 16. Juli 1996 – 3 AZR 352/95 – AP Nr. 7 zu § 1 BetrAVG Betriebliche Übung). Die betriebliche Übung stellt eine Willenserklärung des Arbeitgebers dar, die von den Arbeitnehmern konkludent angenommen wird (§ 151 BGB); dadurch erwachsen arbeitsvertragliche Ansprüche der Arbeitnehmer auf die üblich gewordenen Leistungen. Für die Begründung eines solchen Anspruchs aus betrieblicher Übung kommt es dabei nicht darauf an, ob der Arbeitgeber einen Verpflichtungswillen hatte; maßgebend ist vielmehr, ob die Arbeitnehmer aus dem Erklärungsverhalten des Arbeitgebers unter Berücksichtigung von Treu und Glauben sowie aller Begleitumstände auf einen Bindungswillen des Arbeitgebers schließen dürften und das entsprechende Angebot stillschweigend annehmen konnten (§ 151 BGB). Die Bindungswirkung tritt ein, wenn die Arbeitnehmer aufgrund des Verhaltens des Arbeitgebers darauf vertrauen dürfen, die Leistung solle auch für die Zukunft gewährt werden (BAG Urteile vom 26. Mai 1993 – 4 AZR 130/93 – BAGE 73, 191 = AP Nr. 3 zu § 12 AVR Diakonisches Werk; vom 7. Mai 1986 – 4 AZR 556/83 – BAGE 52, 33, 49 = AP Nr. 12 zu § 4 BAT, zu 5 der Gründe; vom 3. August 1982 – 3 AZR 503/79 – BAGE 39, 271, 276 = AP Nr. 12 zu § 242 BGB Betriebliche Übung, zu II 2 der Gründe). Auf die subjektiven Vorstellungen des Arbeitgebers kommt es nicht an; entscheidend ist, ob der Arbeitnehmer dem Verhalten des Arbeitgebers einen Verpflichtungswillen entnehmen kann. Eine irrtümliche Leistung des Arbeitgebers kann eine betriebliche Übung dann nicht begründen, wenn der Arbeitnehmer aus den Umständen den Irrtum erkennen konnte (BAG Urteile vom 11. November 1997 – 3 AZR 163/96 – n.v.; vom 26. Mai 1993 – 4 AZR 130/93 – aaO; vom 28. Mai 1996 – 3 AZR 619/95 – n.v.) und der Arbeitgeber den Irrtum nach Kenntniserlangung korrigiert, indem er die übertariflichen Leistungen einstellt und die überzahlten Beträge – soweit rechtlich möglich – zurückfordert (BAG Urteil vom 26. November 1998 – 6 AZR 335/97 – zur Veröffentlichung vorgesehen). Ein Anspruch auf Gleichbehandlung im Irrtum besteht danach nicht.
Nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts wird durch eine mindestens dreimalige vorbehaltlose Gewährung einer Weihnachtsgratifikation eine arbeitsvertragliche Verpflichtung des Arbeitgebers aus dem Gesichtspunkt der betrieblichen Übung begründet, wenn nicht die Umstände des Falles eine andere Auslegung bedingen. Daraus folgt, daß sich der Arbeitgeber von dieser Verpflichtung nicht mehr einseitig lossagen kann (BAG Urteil vom 14. August 1996 – 10 AZR 69/96 – AP Nr. 47 zu § 242 BGB Betriebliche Übung); der Arbeitgeber kann sich nur mittels einer Änderungskündigung oder einer Änderungsvereinbarung von der arbeitsvertraglichen Verpflichtung lösen (BAG Urteil vom 26. März 1997 – 10 AZR 12/96 – AP Nr. 50 zu § 242 BGB Betriebliche Übung). Für das Entstehen einer betrieblichen Übung können jedoch nur solche Zahlungen herangezogen werden, die nicht bereits aufgrund anderer kollektiv- oder individualrechtlicher Anspruchsgrundlagen erfolgten (BAG Urteile vom 27. Juni 1985 – 6 AZR 392/81 – BAGE 49, 151, 159 = AP Nr. 14 zu § 17 BetrVG 1972, zu 4b der Gründe; vom 9. Februar 1989 – 8 AZR 310/87 – BAGE 61, 87, 93 = AP Nr. 40 zu § 77 BetrVG 1972, zu II 2 der Gründe; vom 6. August 1998 – 6 AZR 458/96 – n.v.).
Vorliegend ist auch durch die ohne tarifvertragliche Verpflichtung erfolgten Sonderzahlungen nach Vereinbarung der Protokollnotiz vom 6. September 1991 bis 1994 eine betriebliche Übung nicht entstanden. Die übertariflichen Zahlungen der Beklagten erfolgten jeweils unter einem Freiwilligkeitsvorbehalt. Die Klägerin hat mit den Sonderzahlungen zweimal jährlich ein Schreiben erhalten, welches auszugsweise lautet:
“Wir weisen an dieser Stelle wiederum daraufhin, daß die freiwilligen Leistungen des H… weder hinsichtlich der Höhe noch der Zahlungsweise für die Zukunft als bindend angesehen werden können. Auf die Zahlung besteht auch kein Rechtsanspruch.”
Ein Rechtsanspruch der Klägerin auf diese freiwilligen Leistungen konnte daher im Wege der betrieblichen Übung nicht entstehen. Durch den Hinweis hat die Beklagte klargestellt, daß nur der tarifliche Teil der Sonderleistung als Verpflichtung angesehen werde; darüber hinaus sollte keine Bindungswirkung entstehen. Es war somit der erkennbare Wille der Beklagten, daß sich der Freiwilligkeitsvorbehalt auf die irrtümlich gezahlte Zuwendung erstreckte. Dies war auch den Arbeitnehmern erkennbar.
Auch das Merkblatt vom April 1993 führt nicht zum Entstehen einer betrieblichen Übung. In Nr. 8 des Merkblattes ist darauf hingewiesen, daß Sonderzahlungen freiwillig gewährt werden. Zutreffend hat das Landesarbeitsgericht angenommen, daß das Merkblatt zwischen Ansprüchen auf die Sonderleistung und freiwilligen Anteilen an den Sonderzahlungen unterscheidet. Die irrtümlich weiter gezahlten tariflichen Sonderzahlungen sind nicht den Ansprüchen, sondern den freiwilligen Anteilen an der Sonderzahlung zuzuordnen und unterfallen daher dem Freiwilligkeitsvorbehalt (vgl. Senatsurteil vom gleichen Tage – 10 AZR 569/98 – n.v.).
Dem Merkblatt ist auch keine eigenständige Anspruchsgrundlage für die von der Klägerin geltend gemachten Sonderzahlungen zu entnehmen. Durch das Merkblatt wird lediglich der Rechtsstand wiedergegeben, wie er sich aus den bestehenden individual- und kollektivrechtlichen Verpflichtungen ergibt.
Der von der Klägerin mit der Klage geltend gemachte Anspruch auf Zahlung weiterer Sonderzuwendungen kann auch nicht auf die Verletzung des arbeitsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatzes gestützt werden.
Der Gleichbehandlungsgrundsatz gebietet dem Arbeitgeber, die Arbeitnehmer oder Gruppen von Arbeitnehmern, die sich in gleicher Lage befinden, gleichzubehandeln. Er verbietet die willkürliche Schlechterstellung einzelner Arbeitnehmer innerhalb einer Gruppe, wie auch eine sachfremde Gruppenbildung (BAG Urteil vom 19. August 1992 – 5 AZR 513/91 – AP Nr. 102 zu § 242 BGB Gleichbehandlung). Sachfremd ist eine Differenzierung dann, wenn es für sie keine billigenswerten Gründe gibt. Liegt ein solcher Grund nicht vor, kann der übergangene Arbeitnehmer verlangen, nach Maßgabe der allgemeinen Regelung behandelt zu werden (BAG Urteil vom 10. März 1998 – 1 AZR 509/97 – AP Nr. 207 zu § 611 BGB Gratifikation). Diese Grundsätze gelten auch für Leistungen, die der Arbeitgeber freiwillig gewährt (BAG Urteil vom 6. Dezember 1995 – 10 AZR 198/95 – AP Nr. 187 zu § 611 BGB Gratifikation). Danach hat die Klägerin keinen Anspruch auf Zahlung der Sonderzuwendung, da die Sonderzahlung auch an andere Arbeitnehmerinnen, die mit der Klägerin gleichzubehandeln sind, nicht gezahlt wurde. Soweit sich die Klägerin auf die Arbeitnehmerinnen beruft, deren Erziehungsurlaub bereits im November 1992 beendet war, sind diese Arbeitnehmerinnen mit der Klägerin nicht zu vergleichen.
Die Klägerin kann sich nicht auf eine Gleichbehandlung hinsichtlich der von der Beklagten irrtümlich gewährten Anteile der tariflichen Sonderzahlung berufen. Der arbeitsrechtliche Gleichbehandlungsgrundsatz greift nur bei einem gestaltenden Verhalten des Arbeitgebers ein, nicht jedoch bei einem bloßen – auch vermeintlichen – Normenvollzug (BAG Urteil vom 26. November 1998 – 6 AZR 335/97 – zur Veröffentlichung vorgesehen). Anders wäre es nur, wenn der Arbeitgeber auch nach Erkenntnis seines Irrtums die bis dahin ohne Rechtsgrund erbrachten Leistungen weitergewährt und rechtlich mögliche Rückforderungsansprüche nicht geltend macht. Erst ab diesem Zeitpunkt läge ein gestaltendes Verhalten des Arbeitgebers vor, indem er bewußt zusätzliche freiwillige Leistungen erbringt. Stellt der Arbeitgeber dagegen die rechtsgrundlosen irrtümlich geleisteten Zahlungen alsbald nach Kenntniserlangung von seinem Irrtum ein und ergreift er alle rechtlich möglichen Maßnahmen zur nachträglichen Korrektur seines Irrtums, ist für die Anwendung des arbeitsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatzes kein Raum (BAG Urteil vom 26. November 1998 – 6 AZR 335/97 – aaO).
Vorliegend ergibt sich, daß die Beklagte nach Erkenntnis ihres Irrtums in Bezug auf die Protokollnotiz vom 25. September 1991 die gebotenen und rechtlich möglichen Maßnahmen zur Korrektur dieses Irrtums ergriffen hat. Sie hat die Merkblätter aus dem Verkehr genommen und für die Zukunft die irrtümlichen Zahlungen eingestellt. Die Beklagte hat damit alle ihr zu Gebote stehenden und rechtlich möglichen Maßnahmen durchgeführt; daß den früher begünstigten Arbeitnehmerinnen die bereits geleisteten Zahlungen verblieben sind, steht dem nicht entgegen, da die Rückforderung dieser Beträge – wie die Beklagte zu Recht angenommen hat – aus Rechtsgründen problematisch war.
Die Klägerin kann ihren Anspruch auch nicht auf die behaupteten Aussagen der Personalsachbearbeiterinnen Frau W… und Frau B… stützen. Insoweit hat die Beklagte das Vorliegen von Zusagen bestritten, die beweisbelastete Klägerin hat auf die Zeuginnen verzichtet und damit den Beweis für das Vorliegen solcher Zulagen nicht erbracht.
Ein Anspruch der Klägerin besteht auch nicht aufgrund einer positiven Vertragsverletzung durch die Beklagte. Zwar geht die Klägerin zu Recht davon aus, daß eine positive falsche Information die Beklagte schadenersatzpflichtig machen würde, auch ohne Aufklärungs- oder Beratungspflicht. Es ist kein Gesichtspunkt ersichtlich, daß die Beklagte vorsätzlich oder fahrlässig durch das Merkblatt eine Fehlinformation geben wollte, die als schuldhafte Verletzung einer Nebenleistungspflicht anzusehen ist.
Das Merkblatt ist, soweit es die tarifliche Rechtslage wiedergibt, richtig. Danach besteht ein Anspruch der Klägerin auf die tariflichen Sonderzahlungen während des Erziehungsurlaubs, soweit die tariflichen Voraussetzungen gegeben sind. Hinsichtlich des freiwilligen Anteils der Sonderzahlung konnte die Klägerin aufgrund des ihr jeweils erteilten Hinweises auf die Freiwilligkeit der Leistung von einem Anspruch nicht ausgehen. Das Merkblatt nimmt in Satz 2 der Nr. 8 ausdrücklich Bezug auf die Freiwilligkeit dieser Leistung. Daher ist kein Anhaltspunkt ersichtlich, daß die Beklagte vorsätzlich oder fahrlässig durch das Merkblatt eine Fehlinformation geben wollte, die als schuldhafte Verletzung einer Nebenleistungspflicht anzusehen wäre. Somit ist auch keine Verpflichtung der Beklagten gegeben, die Klägerin über die Folgen der Protokollnotiz zum Manteltarifvertrag aufzuklären. Im übrigen ist auch nicht ersichtlich, daß die Klägerin bei einer richtigen Information bzw. Aufklärung durch die Beklagte über die Protokollnotiz ihren Erziehungsurlaub nicht angetreten bzw. abgebrochen hätte. Dafür, daß aber gerade eine eventuelle Fehlinformation bzw. mangelhafte Aufklärung kausal für den Schaden war, trägt die Klägerin die Darlegungs- und Beweislast.
Die Klägerin kann ihren klageweise geltend gemachten Anspruch nicht auf eine eventuelle Verletzung des § 87 Abs. 1 Nr. 10 BetrVG stützen. Dagegen spricht zum einen schon, daß die Protokollnotiz eine tarifvertragliche Regelung darstellt, die nach § 87 Abs. 1 erster Halbsatz BetrVG ein Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats ausschließt. Im übrigen würde eine Verletzung des Mitbestimmungsrechts nicht dazu führen, daß Ansprüche, die vorher nicht bestanden haben, durch die Verletzung des Mitbestimmungsrechts begründet werden (BAG Urteil vom 15. November 1994 – 5 AZR 682/93 – BAGE 78, 272 = AP Nr. 121 zu § 242 BGB Gleichbehandlung); ein Mitbestimmungsverstoß wäre nämlich nicht geeignet, Ansprüche entstehen zu lassen, die vor der mitbestimmungspflichtigen Maßnahme nicht bestanden und auch bei Beachtung des Mitbestimmungsrechts nicht entstanden wären (BAG Urteil vom 17. November 1998 – 1 AZR 147/98 – zur Veröffentlichung in der Fachpresse vorgesehen).
III. Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO.
Unterschriften
Dr. Jobs, Hauck, Hermann, N. Schuster
zugleich für den erkrankten Vorsitzenden Richter Dr. Freitag
Fundstellen