Entscheidungsstichwort (Thema)
Bereitschaftsdienstvergütung
Orientierungssatz
Nach Nr 6 Abschn B Abs 1 SR 2a BAT ist der Angestellte verpflichtet, "sich auf Anordnung des Arbeitgebers außerhalb der regelmäßigen Arbeitszeit an einer vom Arbeitgeber bestimmten Stelle aufzuhalten, um im Bedarfsfall die Arbeit aufzunehmen (Bereitschaftsdienst)". Der Klammerzusatz "Bereitschaftsdienst" zeigt, daß die Tarifvertragsparteien mit diesen Formulierungen den Begriff des Bereitschaftsdienstes definieren wollten, Der Bereitschaftsdienst stellt mithin keine volle Arbeitsleistung dar. Er ist seinem Wesen nach eine Aufenthaltsbeschränkung, verbunden mit der Verpflichtung, bei Bedarf sofort tätig zu werden.
Normenkette
BAT Anlage SR; BAT § 17
Verfahrensgang
LAG Niedersachsen (Entscheidung vom 27.09.1985; Aktenzeichen 12 Sa 193/84) |
ArbG Hildesheim (Entscheidung vom 20.11.1984; Aktenzeichen 1 Ca 159/84) |
Tatbestand
Die Parteien streiten darüber, ob von der Klägerin geleistete Bereitschaftszeiten als Rufbereitschaft oder als Bereitschaftsdienst im Sinne von Nr. 6 Abschn. B der Sonderregelungen zum BAT für Angestellte in Kranken-, Heil-, Pflege- und Entbindungsanstalten sowie in sonstigen Anstalten und Heimen, in denen die betreuten Personen in ärztlicher Behandlung stehen (SR 2 a BAT), zu vergüten sind.
Die Klägerin ist bei dem beklagten Landkreis als Röntgenhelferin angestellt und seit Juni 1968 im Krankenhaus C in S beschäftigt. Auf das Arbeitsverhältnis der Parteien finden kraft beiderseitiger Tarifbindung der Bundes-Angestelltentarifvertrag (BAT) sowie die diesen ändernden und ergänzenden Tarifverträge in ihrer jeweils gültigen Fassung Anwendung.
Die Klägerin wohnt etwa 500 m vom Krankenhaus entfernt und benutzt während von ihr abzuleistender Bereitschaftszeiten freiwillig ein Funkgerät (Pieper), dessen Reichweite auch ihre Wohnung erfaßt. Der Beklagte verlangt während der Bereitschaftszeiten von der Klägerin nicht, sich innerhalb der Reichweite des Funkgerätes aufzuhalten, sondern lediglich, auf irgendeine Weise jederzeit erreichbar zu sein.
Mit Verfügung vom 6. April 1972 hat der Beklagte für das medizinische Hilfspersonal des Krankenhauses allgemein die Rufbereitschaft eingeführt. Im einzelnen hat diese Verfügung u.a. folgenden Wortlaut:
"Mit Wirkung des Monats April wird für das medi-
zinische Hilfspersonal allgemein die Rufbereit-
schaft eingeführt. Nur die Angestellten, denen
ein Bereitschaftsdienstzimmer zugewiesen ist,
leisten Bereitschaftsdienst und müssen sich wäh-
rend der Bereitschaftsdienstzeit im Krankenhaus
aufhalten.
Um eine gerechte Vergütung der während des Be-
reitschaftsdienstes bzw. der Rufbereitschaft
anfallenden Arbeitszeiten zu erreichen, führt
jeder bereitschaftsdienstleistende Angestellte
ein Nachweisheft, in dem Tag des Bereitschafts-
dienstes und Uhrzeiten der geleisteten Arbeits-
zeiten einschließlich Wegezeiten angegeben sind.
Das Heft liegt während des Bereitschaftsdienstes
in der Pforte aus; die Eintragungen sind von dem
Pförtner gegenzuzeichnen."
Nach den insoweit nicht bestrittenen Aufzeichnungen der Klägerin hat sie vom Januar 1982 bis Juli 1983 während sämtlicher Dienste gearbeitet, zum Teil an sämtlichen Diensten eines Monats, mindestens jedoch zu 2/3 der Fälle.
Der Beklagte hat die Bereitschaftszeiten der Klägerin in den Monaten August 1983 bis Januar 1984 als Rufbereitschaften im tariflichen Sinne angesehen und vergütet. Bei einer Bewertung als Bereitschaftsdienst hätte die Klägerin unstreitig einen weiteren Vergütungsanspruch von 2.155,13 DM brutto.
Die Klägerin hat die Auffassung vertreten, die von ihr im streitigen Zeitraum geleisteten Dienste seien als Bereitschaftsdienste zu vergüten, da sie nicht nur in Ausnahmefällen, sondern fast ständig zur Arbeitsleistung herangezogen worden sei. In der Aushändigung des Empfangsgerätes zur Personenrufanlage liege zudem die Anordnung des Beklagten, sich außerhalb der regelmäßigen Arbeitszeit innerhalb der Reichweite des Funkgerätes, also an einer vom Beklagten bestimmten Stelle aufzuhalten.
Die Klägerin hat beantragt,
den Beklagten zur Zahlung von 2.155,13 DM
brutto nebst 4 % Zinsen seit dem 17.4.1984
zu verurteilen.
Der Beklagte hat Klagabweisung beantragt und vorgetragen, daß lediglich Rufbereitschaft angeordnet gewesen sei. Die Klägerin habe ihren Aufenthaltsort selbst bestimmen können, ohne an den Empfangsbereich des ihr auf ihren Wunsch ausgehändigten Funkgerätes gebunden zu sein. Auch bei Anordnung von Rufbereitschaft sei schließlich grundsätzlich mit Arbeitsanfall zu rechnen, so daß es im pflichtgemäßen Ermessen des Arbeitgebers liege, Rufbereitschaft oder Bereitschaftsdienst anzuordnen. Vorliegend hätten die Bereitschaftszeiten in der Nachtzeit gelegen, in der im Röntgenbereich erfahrungsgemäß nur in Ausnahmefällen Arbeit anfalle. Darüber hinaus seien entsprechend der Nr. 6 Abschn. B Abs. 2 bis 4 SR 2 a BAT die Berechnungsgrundlagen für die Vergütung des Bereitschaftsdienstes völlig anders geregelt als die nach Nr. 6 Abschn. B Abs. 6 SR 2 a BAT für die Rufbereitschaft. Deshalb sei eine nachträgliche Umwandlung von Rufbereitschaft in Bereitschaftsdienst nicht möglich. Schließlich sei auch nicht die nach Nr. 6 Abschn. B Abs. 5 SR 2 a BAT erforderliche bezirkliche oder örtliche Vereinbarung über die Zuweisung der Dienste zu den einzelnen Bereitschaftsdienststufen getroffen worden.
Das Arbeitsgericht hat der Klageforderung entsprochen. Das Landesarbeitsgericht hat die Berufung des beklagten Kreises zurückgewiesen. Mit der Revision verfolgt dieser seinen Klageabweisungsantrag weiter. Die Klägerin beantragt, die Revision zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
Die Revision ist begründet. Die Klägerin hat keinen Anspruch auf eine Vergütung der von ihr geleisteten Bereitschaftszeiten als Bereitschaftsdienst.
I. Das Landesarbeitsgericht hat ausgeführt, die Klägerin habe zwar entsprechend der Anordnung des Beklagten Rufbereitschaft geleistet. Die Anordnung von Rufbereitschaft anstelle von Bereitschaftsdienst durch den Beklagten sei jedoch rechtsmißbräuchlich gewesen. Nach der Anzahl der Rufbereitschaften mit Arbeitsleistung in den Jahren 1982/1983 habe der Beklagte mit der Anordnung von Rufbereitschaft in der streitbefangenen Zeit das ihm grundsätzlich zustehende Ermessen überschritten, die eine oder die andere Art der Bereitschaft anzuordnen. Nach den Erfahrungen der Vergangenheit habe der Beklagte nicht mehr davon ausgehen können, die Klägerin werde während der angeordneten Rufbereitschaft nur in Ausnahmefällen zur Arbeitsleistung herangezogen. Die Anordnung der Rufbereitschaft brauche die Klägerin daher nach Treu und Glauben nicht gegen sich gelten zu lassen, vielmehr könne sie einen Anspruch auf die entsprechende Bereitschaftsdienstvergütung geltend machen.
II. Diese Ausführungen des Landesarbeitsgerichts halten der revisionsrechtlichen Überprüfung nicht stand.
1.a) Nach Nr. 6 Abschn. B Abs. 1 SR 2 a BAT ist der Angestellte verpflichtet, "sich auf Anordnung des Arbeitgebers außerhalb der regelmäßigen Arbeitszeit an einer vom Arbeitgeber bestimmten Stelle aufzuhalten, um im Bedarfsfall die Arbeit aufzunehmen (Bereitschaftsdienst)". Der Klammerzusatz "Bereitschaftsdienst" zeigt, daß die Tarifvertragsparteien mit diesen Formulierungen den Begriff des Bereitschaftsdienstes definieren wollten. Der Bereitschaftsdienst stellt mithin keine volle Arbeitsleistung dar. Er ist seinem Wesen nach eine Aufenthaltsbeschränkung, verbunden mit der Verpflichtung, bei Bedarf sofort tätig zu werden (vgl. Böhm/Spiertz/Sponer/Steinherr, BAT, Stand Juni 1988, SR 2 a Nr. 6 Rz 7; Uttlinger/Breier/Kiefer, BAT, Stand Juni 1988, SR 2 c Erl. 6 a zu Nr. 8; Arndt/Baumgärtel in Fürst, GKÖD, Bd. IV, Teil 1, T § 15 BAT Rz 11; BAGE 8, 25 = AP Nr. 5 zu § 7 AZO; BAGE 8, 63 = AP Nr. 1 zu § 13 AZO; BAGE 12, 199 = AP Nr. 8 zu § 7 AZO; BAGE 10, 191 = AP Nr. 6 zu § 12 AZO; BAG Urteil vom 27. Februar 1985 - 7 AZR 552/82 - AP Nr. 12 zu § 17 BAT; Senatsurteil vom 25. September 1986 - 6 AZR 175/84 - nicht veröffentlicht). Damit ist dem Bereitschaftsdienst aber auch kein bestimmter Anteil an Arbeitsleistung begriffsimmanent.
b) Demgegenüber ist der Angestellte nach Nr. 6 Abschn. B Abs. 6 SR 2 a BAT verpflichtet, "sich auf Anordnung des Arbeitgebers außerhalb der regelmäßigen Arbeitszeit an einer dem Arbeitgeber anzuzeigenden Stelle aufzuhalten, um auf Abruf die Arbeit aufzunehmen (Rufbereitschaft)". Auch hier handelt es sich um eine tarifliche Definition des Begriffs "Rufbereitschaft".
2. Der Arbeitgeber darf allerdings nach Nr. 6 Abschn. B Abs. 6 Satz 2 SR 2 a BAT Rufbereitschaft nur dann anordnen, wenn erfahrungsgemäß lediglich in Ausnahmefällen Arbeit anfällt.
a) Die Tarifvertragsparteien haben nicht ausgeführt, was unter "Ausnahmefall" zu verstehen ist. Nach dem herkömmlichen Sprachgebrauch ist unter Ausnahme eine Abweichung von der geltenden Regel zu verstehen (vgl. Duden, Das große Wörterbuch der deutschen Sprache, 1976, Stichwort: Ausnahme). Das bedeutet, Rufbereitschaft darf nur dann angeordnet werden, wenn Arbeit zwar gelegentlich anfallen kann, die Zeiten ohne Arbeitsanfall aber die Regel sind. Ist nach den bisherigen Erfahrungen voraussichtlich mit dem Anfall von Arbeit zu rechnen, liegt kein Ausnahmefall mehr vor (vgl. Crisolli/Tiedtke/Ramdohr, Das Tarifrecht der Angestellten im öffentlichen Dienst, Stand Juli 1988, Bd. 2, Anl. 2 c Nr. 8 Erl. 31). Allerdings kann dabei nicht allein auf einen bestimmten Prozentsatz von Arbeitsanfall abgestellt werden; auch die Häufigkeit der einzelnen Arbeitseinsätze ist von Bedeutung. Insofern läßt sich, wie auch ein Vergleich mit den tariflichen Regelungen zum Bereitschaftsdienst deutlich macht, keine starre oder absolute Grenze ziehen. Der tariflich geregelte Bereitschaftsdienst kennt nämlich keine Grenzen der Arbeitsleistung nach unten. Bereitschaftsdienst kann auch bei einer Arbeitsleistung von 0 bis 10 v.H. innerhalb des Bereitschaftsdienstes angeordnet werden. Es hat aber gemäß Nr. 6 Abschn. B Abs. 2 a SR 2 a BAT eine Zuordnung zur Stufe B (mehr als 10 bis 25 v.H. Arbeitsleistung innerhalb des Bereitschaftsdienstes) zu erfolgen, wenn der Angestellte in der Zeit von 22.00 Uhr bis 6.00 Uhr erfahrungsgemäß durchschnittlich mehr als dreimal dienstlich in Anspruch genommen wird. Das läßt erkennen, daß die Tarifvertragsparteien bei der Abgrenzung von Rufbereitschaft zum Bereitschaftsdienst einerseits nicht auf einen bestimmten Prozentsatz von Arbeitsleistung abstellen wollten, andererseits bei der Bewertung von Leistungen außerhalb der regelmäßigen Arbeitszeit nicht nur der prozentualen zeitlichen Belastung, sondern auch der Häufigkeit der Einsätze besondere Bedeutung beigemessen haben.
b) Daraus folgt, daß sowohl bei Bereitschaftsdienst wie bei Rufbereitschaft der t a t s ä c h l i c h e Arbeitsleistungsanteil für sich gesehen rechtlich unerheblich ist; er kann allenfalls indirekt als Indiz für den zu erwartenden Arbeitsleistungsanteil bedeutsam werden (vgl. BAG Urteil vom 27. Februar 1985, aaO; Clemens/Scheuring/Steingen/Wiese, BAT, Stand April 1988, Nr. 6 SR 2 a Erl. 3; Böhm/Spiertz/Sponer/Steinherr, aaO, SR 2 a Nr. 6 Rz 17; Crisolli/Tiedtke/Ramdohr, aaO, Anl. 2 c Nr. 8 Erl. 6; Uttlinger/Breier/Kiefer, aaO, SR 2 c Erl. 6 a am Ende zu Nr. 8). Aber auch der z u e r w a r t e n d e Arbeitsleistungsanteil grenzt nicht Rufbereitschaft, Bereitschaftsdienst und Vollarbeit voneinander ab, sondern betrifft nur die Frage, was angeordnet werden darf. Rufbereitschaft oder Bereitschaftsdienst, die der Arbeitgeber nicht hätte anordnen dürfen, bleiben gleichwohl Rufbereitschaft oder Bereitschaftsdienst und werden nicht etwa von selbst zu Bereitschaftsdienst oder volle Arbeitsleistung (BAG Urteil vom 27. Februar 1985, aaO).
c) Wie der Siebte Senat des Bundesarbeitsgerichts bereits in der Entscheidung vom 27. Februar 1985 (aaO) zum inhaltsgleichen Abs. 2 der Nr. 8 SR 2 c BAT ausgeführt hat, wird gemäß Abs. 2 der Nr. 6 Abschn. B SR 2 a BAT die Zeit des Bereitschaftsdienstes nach dem Maß der während des Bereitschaftsdienstes erfahrungsgemäß durchschnittlich anfallenden Arbeitsleistungen in bestimmtem Umfang als Arbeitszeit gewertet. Dabei wird Arbeitsleistung innerhalb des Bereitschaftsdienstes zwar nur von 0 bis 49 vom Hundert berücksichtigt. Das rechtfertigt indessen nicht den Schluß, bei einem höheren tatsächlichen oder zu erwartenden Arbeitsleistungsanteil sei kein Bereitschaftsdienst mehr gegeben. Denn die tarifvertragliche Regelung kann nur in der Weise und mit dem Inhalt zur Anwendung gebracht werden, wie sie von den Tarifvertragsparteien erkennbar zum Ausdruck gebracht worden ist (BAG Urteil vom 9. August 1978 - 4 AZR 77/77 - AP Nr. 5 zu § 17 BAT). Dabei kann nicht der enge Zusammenhang zwischen dem Abs. 2 der Nr. 6 Abschn. B SR 2 a BAT zu den Absätzen 5 und 1 übersehen werden. Nach Abs. 5 erfolgt nämlich die Zuweisung zu den einzelnen Stufen des Bereitschaftsdienstes durch bezirkliche oder örtliche Vereinbarung, die "für alle geleisteten Bereitschaftsdienste ohne Rücksicht auf die im Einzelfalle angefallene Arbeit" gilt. Ist mehr als 49 v.H. Arbeitsleistung zu erwarten, soll demnach eine solche Vereinbarung nicht abgeschlossen werden. Darüber hinaus darf nach Abs. 1 der Nr. 6 Abschn. B SR 2 a BAT der Arbeitgeber in diesem Fall Bereitschaftsdienst nicht anordnen. Es ist deshalb als bewußte Entscheidung der Tarifvertragsparteien anzusehen, daß sie für diesen Fall eine Vergütungsregelung nicht getroffen und insbesondere eine Bewertung als Arbeitszeit nicht vorgenommen haben. Die Vorschrift des Abs. 2 bietet mithin keinen Anhaltspunkt dafür, daß hier Bereitschaftsdienst gegenüber Vollarbeit begrifflich abgegrenzt wird; vielmehr geht es allein um die vergütungsmäßige Bewertung des zulässigen Bereitschaftsdienstes.
d) Aus dieser erkennbar bewußt vorgenommenen Begrenzung der tariflichen Vergütungsregelung auf Bereitschaftsdienste mit höchstens 49 v.H. Arbeitsleistungsanteil folgt auch, daß hinsichtlich der vergütungsrechtlichen Bewertung von Bereitschaftsdiensten mit höherem Arbeitsleistungsanteil eine offene Tariflücke vorliegt, deren Schließung den Gerichten versagt ist. Gerade im vorliegenden Zusammenhang liegt die Möglichkeit nahe, daß eine Bewertung von Bereitschaftsdienst mit mehr als 49 v.H. Arbeitsleistungsanteil als volle Arbeitszeit sogar dem Willen der Tarifvertragsparteien widersprechen würde, weil sie für viele Arbeitnehmer einen Anreiz zur Leistung unzulässigen Bereitschaftsdienstes schaffen würde (vgl. BAG Urteil vom 4. Dezember 1986 - 6 AZR 123/84 - unveröffentlicht).
e) Die gleichen Überlegungen gelten hinsichtlich der Rufbereitschaft. Auch hier haben die Tarifvertragsparteien, wie die Regelung in der Nr. 6 Abschn. B Abs. 6 Unterabs. 4 SR 2 a BAT zeigt, allein eine Vergütungsregelung getroffen und keine begriffliche Abgrenzung zwischen Rufbereitschaft und Bereitschaftsdienst. Auch hier ist deshalb von einer offenen Tariflücke auszugehen.
3. Der Beklagte durfte nach alledem in den hier streitbefangenen Zeiträumen August 1983 bis Januar 1984 keine Rufbereitschaft anordnen. Denn die Erfahrungen der vorangegangenen Zeiträume 1982/1983 haben bewiesen, daß während der angeordneten "Rufbereitschaftszeiten" mit Arbeitsanfall zu rechnen war. Aus dem Vortrag der Parteien sind auch keine Anhaltspunkte erkennbar aufgrund derer angenommen werden könnte, der in den Monaten Januar 1982 bis Juli 1983 eingetretene Arbeitsanfall sei lediglich vorübergehender Natur und es könnten sich irgendwelche Änderungen in der Folgezeit ergeben. Insofern ist von diesen Werten als Erfahrungswert auch für die Zukunft auszugehen, wenn keine organisatorischen oder personellen Änderungen eintreten.
a) Die tarifwidrige Anordnung von Rufbereitschaft hat jedoch - ungeachtet dessen, daß der Beklagte die Anordnung in der jetzigen Form nicht aufrechterhalten darf - weder eine Umdeutung in Bereitschaftsdienst noch die Verpflichtung des Beklagten zur Folge, nunmehr nach billigem Ermessen Bereitschaftsdienst anzuordnen.
b) Entgegen der Auffassung der Klägerin wandelt sich eine in unzulässiger Weise angeordnete Rufbereitschaft nicht automatisch in Bereitschaftsdienst um. Auch ist der Ermessensspielraum des Beklagten insoweit nicht eingeengt, weil er bereits die Leistung von Bereitschaftsdienst tatsächlich gefordert und entgegengenommen hätte. Denn der Rufbereitschaft ist, wie ausgeführt, kein bestimmter Anteil an Arbeitsleistung begriffsimmanent. Wesentliches Unterscheidungskriterium zwischen Rufbereitschaft und Bereitschaftsdienst ist vielmehr allein, ob der Arbeitnehmer seinen Aufenthaltsort selbst bestimmen kann oder nicht (BAG Urteil vom 27. Februar 1985 - 7 AZR 552/82 -, aaO; Röhsler, Die Arbeitszeit, 1973, S. 33 f.; Böhm/Spiertz/Sponer/Steinherr, aaO, SR 2 a Nr. 6 Rz 7; Uttlinger/Breier/Kiefer, aaO, SR 2 c Erl. 6 a zu Nr. 8). Zwar wird die Rufbereitschaft auch als "schwächere" oder "besonders leichte Form des Bereitschaftsdienstes" bezeichnet (vgl. Clemens/Scheuring/Steingen/Wiese, aaO, SR 2 a Erl. 11; Röhsler, aaO, S. 34), dies aber nicht wegen eines verschieden hohen Arbeitsanfalls, sondern wegen der Möglichkeit, wenn auch in Grenzen, den Aufenthaltsort frei zu wählen. Diese Unterscheidung haben auch die Tarifvertragsparteien in ihrer Definition in Nr. 6 Abschn. B Abs. 1 und 6 SR 2 a BAT getroffen. Dem Arbeitsanfall kommt bei der Begriffsabgrenzung keine Bedeutung zu. Beachtet werden muß die zu erwartende oder erfahrungsgemäß anfallende Arbeitsleistung allein bei der Frage, ob Rufbereitschaft oder Bereitschaftsdienst angeordnet werden darf. Deshalb ist trotz der Unzulässigkeit der Anordnung von Rufbereitschaft eine Umdeutung in Bereitschaftsdienst ausgeschlossen (BAG Urteil vom 27. Februar 1985, aaO).
c) Die Anordnung von Bereitschaftsdienst anstelle von Rufbereitschaft würde darüber hinaus der Vorschrift des Abs. 7 der Nr. 6 Abschn. B SR 2 a BAT widersprechen, wonach Bereitschaftsdienst der Stufe A und B in aller Regel nicht mehr als siebenmal, der Stufe C oder D nur sechsmal im Kalendermonat angeordnet werden darf. Aus den Leistungsnachweisen der Klägerin ergibt sich aber regelmäßig eine höhere Anzahl von Diensten im Monat.
4. Ist innerhalb der angeordneten Rufbereitschaft aber nicht nur in Ausnahmefällen mit Arbeitsanfall zu rechnen, so ändert auch das an dieser Anordnung nichts. Der Arbeitgeber darf in diesem Falle nach Abs. 6 Satz 2 der Nr. 6 Abschn. B SR 2 a BAT Rufbereitschaft nicht anordnen. Ordnet er diese gleichwohl an, so handelt es sich um unzulässige Rufbereitschaft, nicht aber um - automatisch umgewandelten - Bereitschaftsdienst. Ein tariflicher Vergütungsanspruch kann sich daher nur aus Nr. 6 Abschn. B Abs. 6 Unterabs. 4 bis 6 SR 2 a BAT ergeben; daneben kommen allenfalls nichttarifliche Ansprüche in Betracht.
5. Solche nichttariflichen, auf allgemeinen Regelungen beruhende Ansprüche auf eine höhere Vergütung der von der Klägerin geleisteten Rufbereitschaften sind nicht erkennbar.
a) Der Klägerin ist zwar zuzugestehen, daß ab August 1983 Arbeitsanfall innerhalb der Rufbereitschaften nicht nur in Ausnahmefällen zu erwarten und deshalb die Anordnung der Rufbereitschaft während des gesamten Anspruchszeitraumes unzulässig war. Gleichwohl hat, wie dargestellt, die Klägerin Rufbereitschaft und nicht etwa Bereitschaftsdienst geleistet. Denn die Klägerin hat während der Rufbereitschaften des Anspruchszeitraumes nicht in solchem Umfang Arbeit geleistet, daß eine volle Arbeitsleistung oder jedenfalls ein krasses Mißverhältnis im Sinne des § 138 BGB zwischen Arbeitsleistung während der Rufbereitschaften und der hierfür gezahlten Vergütung angenommen werden könnte. Hierfür geben weder der Parteivortrag der Klägerin noch die Feststellungen des Landesarbeitsgerichts einen Anhaltspunkt ab, zumal die Klägerin nicht vorgetragen hat, welche Dauer die einzelnen Arbeitsleistungen während der Rufbereitschaften hatten.
b) Auch die Voraussetzungen für Schadenersatzansprüche sind von der Klägerin nicht dargelegt worden. Sie hätte insoweit eine schuldhafte Pflichtverletzung des beklagten Landkreises dartun müssen. Allein die tarifwidrige Anordnung von Rufbereitschaft reicht hierfür nicht aus. Darüber hinaus wären Schadenersatzansprüche nicht ohne weiteres auf eine Bewertung und Vergütung der Rufbereitschaft als Bereitschaftsdienst (welcher Stufe ?) oder gar volle Arbeitszeit gerichtet. Auch insoweit hätte die Klägerin im einzelnen darlegen müssen, wie lange sie jeweils gearbeitet und welche Vergütung sie hierfür erhalten hat.
c) Ferner könnte die Klägerin aus dem Gesichtspunkt der ungerechtfertigten Bereicherung lediglich Vergütung der tatsächlich geleisteten Arbeit als Arbeitszeit verlangen (vgl. BAG Urteil vom 27. Februar 1985, aaO). Die Klägerin hat jedoch nichts dafür vorgetragen, daß sie während der Rufbereitschaften des Anspruchszeitraumes Arbeit in solchem Umfang und von solcher Dauer geleistet hätte, daß eine Vergütung über die nach Nr. 6 Abschn. B Abs. 6 Unterabs. 4 bis 6 SR 2 a BAT geleistete Vergütung hinaus feststellbar wäre.
III. Die Kostenentscheidung folgt aus § 91 ZPO.
Dr. Röhsler Dörner Schneider
Ostkamp Dr. Hoffmann
Fundstellen
BR/Meuer AFG § 169, 04-08-88, 6 AZR 48/86 (LT1) |
ZTR 1989, 147-149 (ST1) |
EzBAT, Rufbereitschaft Nr 4 (ST1) |