Entscheidungsstichwort (Thema)

Zeugnisanspruch. tarifliche Ausschlußfrist

 

Orientierungssatz

Nach § 18 Abs 1d der für allgemeinverbindlich erklärten Manteltarifvertrages für den Einzelhandel von Nordrhein-Westfalen vom 1.4.1977 wird der Anspruch auf Erteilung eines qualifizierten Zeugnisses von der dort vereinbarten tariflichen Ausschlußfrist umfaßt.

 

Normenkette

TVG § 4; BGB § 630

 

Verfahrensgang

LAG Düsseldorf (Entscheidung vom 17.10.1984; Aktenzeichen 12 Sa 963/84)

ArbG Düsseldorf (Entscheidung vom 09.05.1984; Aktenzeichen 5 Ca 138/84)

 

Tatbestand

Die Parteien streiten darüber, ob der Beklagte verpflichtet ist, dem Kläger ein qualifiziertes Zeugnis zu erteilen.

Der Beklagte betreibt ein Schuhwarengeschäft in Düsseldorf. Er unterhält unter anderem auch eine Filiale in Köln. Der Kläger war in der Zeit vom 1. Juli 1977 bis zum 30. Juni 1980 bei dem Beklagten als Angestellter beschäftigt. Nach einer vierwöchigen Einarbeitungszeit wurde ihm die Leitung der Filiale des Beklagten in Köln übertragen. Mit dem 1. August 1979 versetzte der Beklagte den Kläger nach Düsseldorf zurück, wo er in der Folgezeit als Verkäufer arbeitete.

Unter dem 12. Februar 1980 erteilte der Beklagte dem Kläger ein Zwischenzeugnis, in dessen letztem Absatz es heißt:

"Herr W erfüllt die ihm gestellten Auf-

gaben zu unserer vollsten Zufriedenheit. Er ist

stets ehrlich, pünktlich, fleißig und zuver-

lässig, und im Umgang mit Kunden zeigt er ein

hervorragendes Können."

Mit Schreiben vom 28. April 1980 kündigte der Beklagte das Arbeitsverhältnis des Klägers zum 30. Juni 1980. In dem von dem Kläger angestrengten Kündigungsschutzstreit vor dem Arbeitsgericht Düsseldorf begründete der Beklagte die Kündigung im wesentlichen damit, der Kläger sei seiner Tätigkeit als Verkäufer völlig lustlos und dementsprechend mit geringem Erfolg nachgegangen. Dies wurde vom Kläger bestritten. Außerdem stritten die Parteien darum, ob das Zwischenzeugnis vom 12. Februar 1980 inhaltlich richtig oder vom Beklagten nur aus Gefälligkeit erteilt worden sei, um dem Kläger die Stellensuche zu erleichtern. Der Rechtsstreit wurde am 5. November 1980 durch einen Vergleich beendet, der folgenden Wortlaut hat:

1. Die Parteien sind sich darüber einig, daß

das Arbeitsverhältnis des Klägers am

30. Juni 1980 aufgrund ordnungsgemäßer

betriebsbedingter Kündigung des Beklagten

sein Ende gefunden hat.

2. Der Beklagte zahlt an den Kläger eine Ab-

findung im Sinne der §§ 9, 10 KSchG,

3 Ziffer 9 Einkommenssteuergesetz in Höhe

von 2.400,-- DM netto.

3. Mit Erfüllung dieses Vergleichs sind sämt-

liche gegenseitigen Ansprüche der Parteien

aus dem Arbeitsverhältnis des Klägers und

seiner Beendigung, insbesondere die An-

sprüche aus der Klage und der Widerklage,

abgegolten.

Nach Abschluß des Vergleichs wurde dem Kläger das Zwischenzeugnis, das er zu den Gerichtsakten gereicht hatte, ausgehändigt.

Mit Schreiben vom 9. Dezember 1983 verlangte der Kläger von dem Beklagten ein Schlußzeugnis mit dem Inhalt des Zwischenzeugnisses vom 12. Februar 1980, aus dem auch der Zeitpunkt der Beendigung des Arbeitsverhältnisses hervorgehe. Der Beklagte lehnte dies mit Schreiben vom 14. Dezember 1983 ab.

Mit seiner am 9. Januar 1984 eingereichten Klage hat der Kläger die Erteilung eines qualifizierten Zeugnisses begehrt und die Auffassung vertreten, der Zeugnisanspruch werde weder von der Ausgleichsklausel des Vergleichs vom 5. November 1980 noch von der Verfallklausel des Manteltarifvertrages für den Einzelhandel in Nordrhein-Westfalen vom 1. April 1977 erfaßt. Die Erfüllung des Zeugnisanspruches sei für den Beklagten mit keinerlei Kosten oder Aufwendungen verbunden; dagegen habe das Abschlußzeugnis für sein berufliches Fortkommen eine weit über das frühere Arbeitsverhältnis mit dem Beklagten hinausgehende Bedeutung. Es verstoße daher gegen Treu und Glauben, wenn der Beklagte die Erteilung des Zeugnisses mit Hinweis auf die Ausschlußfrist verweigere.

Der Kläger hat beantragt,

den Beklagten zu verurteilen, ihm hinsichtlich

seiner Tätigkeit als Angestellter im Betrieb

des Beklagten in der Zeit vom 1. Juli 1977 bis

30. Juni 1980 ein Zeugnis zu erteilen, dessen

Inhalt dem 2. und 3. Absatz des Zwischenzeug-

nisses vom 12. Februar 1980 entspricht.

Der Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen. Er hat die Auffassung vertreten, ein Zeugnisanspruch des Klägers bestehe bereits wegen Ziffer 3 des Vergleichs vom 5. November 1980 nicht mehr. Der Anspruch des Klägers sei zudem bereits nach dem Manteltarifvertrag für den Einzelhandel in Nordrhein-Westfalen verfallen.

Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen. Das Landesarbeitsgericht hat die Berufung des Klägers zurückgewiesen. Mit der zugelassenen Revision verfolgt der Kläger sein Klagebegehren weiter.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision des Klägers ist nicht begründet.

Das Berufungsgericht ist zu Recht davon ausgegangen, daß der Kläger den ihm nach § 630 BGB zustehenden Anspruch auf Erteilung eines qualifizierten Zeugnisses nicht mehr geltend machen kann, da er nach der in dem einschlägigen Manteltarifvertrag enthaltenen Ausschlußfrist verfallen ist.

I. 1. Auf das Arbeitsverhältnis der Parteien findet der durch Bekanntmachung des Bundesministers für Arbeit und Soziales vom 7. Juli 1977 für allgemeinverbindlich erklärte Manteltarifvertrag für den Einzelhandel von Nordrhein-Westfalen vom 1. April 1977 Anwendung. Dessen § 18 Abs. 1 d hat folgenden Wortlaut:

"1. Die Ansprüche aus dem Arbeitsverhältnis

verfallen wie folgt:

....

d) 6 Monate nach ihrer Fälligkeit:

alle übrigen aus dem Tarifvertrag

und dem Arbeitsverhältnis ent-

standenen Ansprüche."

Der Manteltarifvertrag vom 1. April 1977 ist zwar am 31. Dezember 1979 außer Kraft getreten und die Tarifvertragsparteien haben am 13. Dezember 1980 einen neuen, inzwischen ebenfalls für allgemeinverbindlich erklärten Manteltarifvertrag geschlossen. Dieser ist am 1. Januar 1981 in Kraft getreten. Darin haben die Tarifvertragsparteien die Ausgleichsformel in § 20 Abs. 1 d dahin neugefaßt, daß nur die aus dem Arbeitsverhältnis entstandenen finanziellen Ansprüche innerhalb von sechs Monaten nach Fälligkeit geltend gemacht werden müssen.

Da die Parteien des Rechtsstreits das Arbeitsverhältnis durch den Vergleich vom 5. November 1980 mit Wirkung vom 30. Juni 1980 aufgelöst haben, sind die Bestimmungen des ab 1. Januar 1981 geltenden Manteltarifvertrages jedoch in keinem Fall auf das Arbeitsverhältnis der Parteien und auch nicht auf daraus resultierende nachwirkende Verpflichtungen anzuwenden.

Das Berufungsgericht ist zu Recht davon ausgegangen, daß der Manteltarifvertrag vom 1. April 1977 trotz dessen Aufhebung zum 31. Dezember 1979 und damit zugleich Aufhebung der Allgemeinverbindlichkeit weiter auf das Arbeitsverhältnis der Parteien anwendbar gewesen ist. Solange beiderseitig nicht tarifgebundene Arbeitgeber und Arbeitnehmer nach Ablauf der Allgemeinverbindlichkeit eines Tarifvertrages keine abweichenden Vereinbarungen treffen, gelten die alten Tarifbestimmungen kraft nachwirkenden Rechts weiter (BAG 12, 194 = AP Nr. 11 zu § 5 TVG).

2. Der Anspruch auf Erteilung eines Zeugnisses wird auch von der tariflichen Ausschlußklausel umfaßt. Es handelt sich um einen Anspruch aus dem Arbeitsverhältnis, auch wenn er erst bei dessen Beendigung entsteht (BAG 42, 41 = AP Nr. 10 zu § 70 BAT). Der Auffassung der Revision, der Zeugnisanspruch sei generell nicht unter tarifliche Verfallklauseln zu fassen, weil er Ausfluß der nachwirkenden Fürsorgepflicht des Arbeitgebers ist, kann nicht gefolgt werden. Sinn und Zweck der Ausschlußklausel ist es, alsbald Klarheit über Ansprüche zu schaffen, die ihren Ursprung im Arbeitsverhältnis haben. Auch für den Zeugnisanspruch besteht ein alsbaldiges Klärungsinteresse. Der Zeugnisanspruch verjährt erst nach 30 Jahren. Der Arbeitgeber wird nach einem längeren Zeitraum nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses vielfach nicht mehr in der Lage sein, die Leistungen und die Führung des Arbeitnehmers im Betrieb richtig zu beurteilen.

3. Zu Unrecht meint die Revision weiter, der Zeugnisanspruch könne deshalb nicht von einer tariflichen Ausschlußfrist umfaßt werden, weil es sich um einen "unabdingbaren" Anspruch handele. Der Anspruch auf Zeugniserteilung kann zwar nicht im voraus und für die Zukunft ausgeschlossen werden. Für die Zeit nach Beendigung des Arbeitsvertrages können die Arbeitsvertragsparteien und auch die Tarifvertragsparteien einen solchen Anspruch einschränken, und zwar auch, was die zeitliche Geltendmachung anbetrifft (BAG 42, 41 = AP Nr. 10 zu § 70 BAT).

4. Der Revision kann auch nicht in der Argumentation gefolgt werden, die Ausschlußfrist in § 18 Abs. 1 d des MTV vom 1. April 1977 sei einschränkend dahin auszulegen, daß lediglich finanzielle Ansprüche aus dem Arbeitsverhältnis davon erfaßt würden. Die Tarifvertragsparteien haben die Ausschlußklausel zwar mit Wirkung vom 1. Januar 1981 auf die finanziellen Ansprüche aus dem Arbeitsverhältnis beschränkt. Aus dieser Änderung geht hervor, daß Ansprüche nicht finanzieller Art zuvor von der Verfallfrist umfaßt worden sind. Dafür, daß es sich bei der Änderung des Tarifvertrags lediglich um eine Klarstellung handelte, sind keine Anhaltspunkte ersichtlich. Die Auslegung der Tarifvertragsklausel durch das Berufungsgericht ist daher nicht zu beanstanden.

II. Der Kläger hat die Frist zur Geltendmachung des Anspruchs auf Erteilung eines Zeugnisses versäumt. Der Anspruch wird in der Regel bei Beendigung des Arbeitsverhältnisses fällig. Da die Parteien sich vorliegend über den Zeitpunkt der Beendigung des Arbeitsverhältnisses mit Vergleich vom 5. November 1980 geeinigt hatten, trat die Fälligkeit des Anspruchs spätestens mit diesem Zeitpunkt ein. Als der Kläger mit Schreiben vom 9. Dezember 1983 das Zeugnis von dem Beklagten begehrte, war der Anspruch daher längst verfallen.

III. Die Berufung auf die Ausschlußklausel verstößt auch nicht gegen den Grundsatz von Treu und Glauben.

Die Revision macht geltend, vorliegend sei es dem Beklagten ohne große Mühe möglich, den Anspruch zu erfüllen, da er sich an der Beurteilung in dem Zwischenzeugnis halten und diese bei der Erteilung des Schlußzeugnisses verwenden könne. Nach den Feststellungen des Landesarbeitsgerichts, die insoweit mit Verfahrensrügen nicht angegriffen sind, haben die Parteien in dem Kündigungsrechtsstreit darüber gestritten, ob die Angaben in dem Zwischenzeugnis den Tatsachen entsprechen oder ob dieses Zwischenzeugnis nur deswegen so positiv abgefaßt worden ist, um dem Kläger die Suche nach einer neuen Arbeitsstelle zu erleichtern. Es kann daher keine Rede davon sein, daß der Arbeitgeber nach Treu und Glauben an den Inhalt des Zwischenzeugnisses gebunden wäre.

Dr. Thomas Michels-Holl Schneider

Prof. Dr. Krems Ehrenamtlicher Richter

Schumacher ist wegen

Urlaubsabwesenheit an

der Unterschrift ver-

hindert.

Dr. Thomas

 

Fundstellen

Dokument-Index HI440338

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