Entscheidungsstichwort (Thema)
ZVK-Leistungen nach Ausscheiden aus fachlichem Geltungsbereich
Leitsatz (redaktionell)
1. Ansprüche eines Arbeitnehmers gegen seinen Arbeitgeber auf Leistungen der betrieblichen Altersversorgung können durch Tarifvertrag begründet werden. Der Tarifvertrag kann auch vorsehen, daß die Leistungen von einer gemeinsamen Einrichtung der Tarifvertragsparteien des Baugewerbes im Sinne von § 4 Abs 2 TVG (hier: Zusatzversorgungskasse des Baugewerbes als Versicherungsverein auf Gegenseitigkeit) erbracht werden sollen.
2. Scheidet der Arbeitgeber (GmbH) durch Verschmelzung mit anderen Gesellschaften aus dem betrieblichen Geltungsbereich der Bautarifverträge aus, erlischt auch das Versicherungsverhältnis des Arbeitnehmers zur Zusatzversorgungskasse.
a. Die Regelungen in den Bautarifverträgen über die Zusatzversorgungskasse im Baugewerbe gelten unmittelbar und zwingend für das Verhältnis der Einrichtung zu den tarifgebundenen Arbeitgebern und Arbeitnehmern. Verschmilzt das ursprünglich zum Baugewerbe gehörende Unternehmen mit anderen Gesellschaften zu einer neuen Gesellschaft, die nicht unter den betrieblichen Geltungsbereich des Bautarifvertrages fällt, erlischt die Mitgliedschaft des ursprünglichen Unternehmens im Arbeitgeberverband (Bestätigung von BAG Urteil vom 4. Dezember 1974 - 5 AZR 75/74 = AP Nr 2 zu § 3 TVG).
b. § 3 Abs 3 TVG, wonach die Tarifgebundenheit bestehen bleibt, bis der Tarifvertrag endet, ist auf Regelungen über gemeinsame Einrichtungen der Tarifvertragsparteien im Sinne von § 4 Abs 2 TVG nicht anzuwenden.
c. Auch § 4 Abs 5 TVG (Nachwirkung) gilt nicht für die in § 4 Abs 2 TVG genannten Regelungen über gemeinsame Einrichtungen, wenn der Arbeitgeber durch Änderung des Betriebszwecks aus dem betrieblichen Geltungsbereich des Tarifvertrages ausscheidet und keine Beiträge an die gemeinsame Einrichtung mehr zu erbringen hat.
3. Das Ausscheiden des Arbeitgebers aus dem betrieblichen Geltungsbereich der Tarifverträge für das Baugewerbe führt nicht zum Wegfall seiner Versorgungsverpflichtung. Die durch Verschmelzung entstandene Gesellschaft ist Rechtsnachfolgerin des ursprünglichen Arbeitgebers. Sie hat die Verbindlichkeiten des bisherigen Arbeitgebers zu erfüllen. Zu den aus dem Arbeitsvertrag zu erfüllenden Verpflichtungen gehört auch das Versorgungsversprechen. Das gilt auch bei tarifvertraglich begründeten Ansprüchen auf Versorgungsleistungen, die über eine gemeinsame Versorgungseinrichtung (Zusatzversorgungskasse) erfüllt werden sollen. Kann der Arbeitgeber seine Arbeitnehmer nicht mehr bei der Zusatzversorgungskasse versichern und für sie Beiträge entrichten, muß er selbst im Versorgungsfall gleichwertige Leistungen erbringen.
Orientierungssatz
Auslegung der §§ 5 und 6 des Tarifvertrages über eine zusätzliche Alters- und Invalidenbeihilfe im Baugewerbe vom 28.12.1979 und der §§ 5 und 12 des Tarifvertrages über eine Ergänzungsbeihilfe für langjährige Zugehörigkeit zum Baugewerbe vom 18.11.1985.
Verfahrensgang
Tatbestand
Die Parteien streiten darüber, ob die beklagte Zusatzversorgungskasse verpflichtet ist, dem Kläger eine höhere Beihilfe zum Altersruhegeld und eine höhere Ergänzungsbeihilfe nach den Tarifverträgen über die Zusatzversorgung im Baugewerbe zu zahlen.
Der Beklagte ist eine gemeinsame Einrichtung der Tarifvertragsparteien des Baugewerbes in der Rechtsform eines Versicherungsvereins auf Gegenseitigkeit. Er gewährt den bei ihm versicherten Arbeitnehmern des Baugewerbes zusätzliche Leistungen zur gesetzlichen Rentenversicherung nach Maßgabe des Tarifvertrages über eine zusätzliche Alters- und Invalidenbeihilfe im Baugewerbe vom 28. Dezember 1979 (TVA) und des Tarifvertrags über eine Ergänzungsbeihilfe für langjährige Zugehörigkeit zum Baugewerbe vom 18. November 1985 (TVE). Beide Tarifverträge sind für allgemeinverbindlich erklärt worden.
Der am 27. November 1928 geborene Kläger war vom 19. April 1966 bis zum 25. Juli 1967 in einem Unternehmen des Baugewerbes beschäftigt. Anschließend, ab dem 1. August 1967, arbeitete er bei der "D gesellschaft mbH" (DOG) als Ofensetzer. Dieses Unternehmen gehörte ebenfalls zum Baugewerbe. Die DOG fusionierte am 17. April 1985 mit zwei Unternehmen der Metallbranche zur "S GmbH" (SMD). Die neue Gesellschaft unterlag nicht dem betrieblichen Geltungsbereich der oben genannten Tarifverträge und des Tarifvertrags über das Sozialkassenverfahren im Baugewerbe (VTV) vom 12. November 1986. Bei der SMD war der Kläger noch bis zum 1. Januar 1987 tätig. Dann war er arbeitslos. Seit dem 1. Dezember 1988 (Vollendung des 60. Lebensjahres am 27. November 1988) bezieht der Kläger vorgezogenes Altersruhegeld von der gesetzlichen Rentenversicherung.
Der Kläger verlangt eine (ungekürzte) Beihilfe zum Altersruhegeld (§ 4 Abs. 4 TVA) und (ungekürzte) Ergänzungsbeihilfe (§ 3 Abs. 2 TVE). Die beklagte Zusatzversorgungskasse (ZVK) will nur eine Teil-Rentenbeihilfe und eine Teil-Ergänzungsbeihilfe von je 8,-- DM monatlich zahlen; das sind 20 % der tariflichen Leistungen (vgl. § 6 Abs. 2 TVA und § 5 TVE). Die maßgeblichen Bestimmungen des TVA in der Fassung vom 14. Dezember 1988 lauten:
§ 1
Geltungsbereich
...
(2) Betrieblicher Geltungsbereich:
Betriebe, die unter den betrieblichen Geltungsbe-
reich des Tarifvertrages über das Sozialkassen-
verfahren im Baugewerbe (VTV) in der jeweils gel-
tenden Fassung fallen, ...
...
§ 3
Leistungsarten und Anspruchsberechtigte
(1) Die Kasse gewährt nach Maßgabe der Satzung
und der nachstehenden Bestimmungen zu den Renten
im Sinne der Vorschriften der Reichsversiche-
rungsordnung über die Rentenversicherung der Ar-
beiter bzw. des Angestelltenversicherungsgesetzes
eine der folgenden Leistungen:
a) Beihilfe zum Altersruhegeld;
...
(2) Eine Leistungspflicht der Kasse tritt ein
(Versicherungsfall), wenn ein versicherter Ar-
beitnehmer
a) einen Tatbestand erfüllt, der gegenüber dem
gesetzlichen Rentenversicherungsträger einen
Rentenanspruch nach Abs. 1 begründet, ...
...
(7) Als Tätigkeit im Baugewerbe gilt jede der in
§ 2 der Satzung beschriebenen Tätigkeiten.
§ 4
Leistungshöhe
(1) Die Beihilfe zum Altersruhegeld beträgt mo-
natlich 45,- DM, ab 1. Januar 1980 monatlich
55,- DM, ab 1. Januar 1989 monatlich 59,- DM,
wenn der Versicherte bei Eintritt des Versiche-
rungsfalles das 65. Lebensjahr vollendet hat. ...
...
(4) Tritt der Versicherungsfall nach dem
31. Dezember 1979 mit oder nach Vollendung des
60. Lebensjahres ein, so beträgt die Beihilfe
mit Vollendung des 60. Lebensjahres monatlich
40,- DM,
...
Die Beträge gemäß Satz 1 erhöhen sich mit Wirkung
vom 1. Januar 1989 um monatlich 4,- DM.
...
§ 5
Wartezeit
(1) Als Wartezeit gelten
a) alle Zeiten der Tätigkeit als gewerblicher
Arbeitnehmer oder als Angestellter in einem
Betrieb im Sinne von § 2 Abschnitt II der
Satzung, ...
...
(3) Die Mindestdauer der Wartezeit beträgt 220
Monate. ...
...
(5) Von der Wartezeit gem. Abs. 1 und 2 müssen
wenigstens 60 Monate innerhalb der letzten 9
Jahre vor dem Zeitpunkt liegen, zu dem der Tatbe-
stand gem. § 3 Abs. 2 Buchst. a) eingetreten ist
und die Wartezeit (Abs. 1 und 2) abgelaufen
ist,...
...
§ 6
Unverfallbarkeit des Leistungsanspruches und
Erlöschen des Versicherungsverhältnisses
(1) Scheidet ein Versicherter aus dem Baugewerbe
im Sinne des § 3 Abs. 7 nach dem 21. Dezember
1974 und vor Eintritt des Versicherungsfalles
aus, so behält er eine Anwartschaft auf den un-
verfallbaren Teil der Beihilfen gem. § 3 Abs. 1
Buchst. a) und b), wenn er bei seinem Ausscheiden
aus dem Baugewerbe
a) das 35. Lebensjahr vollendet hat und
b) mindestens 10 Jahre in einem Arbeitsverhält-
nis zu ein und demselben Betrieb (Un-
ternehmen) des Baugewerbes gestanden hat.
(2) Der unverfallbare Teil der Beihilfe beträgt
20 % der Beihilfe, wenn der Versicherte minde-
stens 10 Jahre,
...
Wartezeit (§ 5 Abs. 1 und 2) zurückgelegt hat.
(3) Scheidet ein Versicherter aus dem Baugewerbe
i.S. von § 3 Abs. 7 aus, ohne die Voraussetzungen
des Abs. 1 erfüllt zu haben, so endet das Versi-
cherungsverhältnis zur Kasse. Eine Abfindung wird
nicht gezahlt. ...
(4) Ein erloschenes Versicherungsverhältnis lebt
wieder auf, wenn der Arbeitnehmer erneut eine Tä-
tigkeit im Baugewerbe im Sinne von § 3 Abs. 7
aufnimmt. Die Ansprüche gem. Abs. 1 und 2 bleiben
davon unberührt. Es werden jedoch höchstens die
Leistungen gem. § 4 gewährt. Ein erloschenes Ver-
sicherungsverhältnis lebt auch dann wieder auf,
wenn der Arbeitnehmer aus dem Baugewerbe im Sinne
von § 3 Abs. 7 ausgeschieden und der Versiche-
rungsfall innerhalb der ersten zwölf Monate nach
diesem Ausscheiden eingetreten ist.
...
(6) Die Vorschriften der §§ 2 bis 5, 16, 27 und
28 des Gesetzes zur Verbesserung der betriebli-
chen Altersversorgung finden keine Anwendung.
Der TVE in der Fassung vom 14. Dezember 1988 enthält folgende, dem TVA entsprechende Vorschriften:
§ 1
Geltungsbereich
...
(2) Betrieblicher Geltungsbereich:
Betriebe, die unter den betrieblichen Geltungsbe-
reich des Tarifvertrages über das Sozialkassen-
verfahren im Baugewerbe (VTV) in der jeweils gel-
tenden Fassung fallen, ...
...
§ 3
Ergänzungsbeihilfe zum Altersruhegeld und zur
Berufs- oder Erwerbsunfähigkeitsrente
(1) Beihilfeberechtigte mit Anspruch auf eine
Beihilfe gemäß § 3 Abs. 1 Buchst. a) und b), § 4
Abs. 1 bis 6 TVA haben Anspruch auf eine Ergän-
zungsbeihilfe. Sie beträgt mindestens 22,- DM mo-
natlich.
(2) Die Ergänzungsbeihilfe beträgt nach Erfüllung
einer Wartezeit gem. §5 Abs. 1 und 2 TVA von
180 Monaten 40,- DM monatlich,
...
§ 5
Unverfallbare Ergänzungsleistungen
(1) Beihilfeberechtigte mit Anspruch auf den un-
verfallbaren Teil einer Beihilfe gem. §6 TVA
haben Anspruch auf einen unverfallbaren Teil der
Ergänzungsbeihilfe. Dieser beträgt nach Erfüllung
einer Wartezeit gem. §5 Abs. 1 und 2 TVA von
...
180 Monaten 7,20 DM monatlich,
...
§ 12
Betriebsrentengesetz
Die Vorschriften der §§ 2 bis 5, 16, 27 und 28
des Gesetzes zur Verbesserung der betrieblichen
Altersversorgung finden auf Ansprüche aus diesem
Tarifvertrag keine Anwendung.
Der Kläger hat die Auffassung vertreten, er sei nicht im Sinne der tarifvertraglichen Bestimmungen aus dem Baugewerbe "ausgeschieden". Er habe nach der Fusion der drei Gesellschaften sein Arbeitsverhältnis zu unveränderten Bedingungen fortgesetzt. Während des bestehenden Arbeitsverhältnisses habe er nichts davon erfahren, daß die SMD kein baugewerblicher Betrieb sei. Bei entsprechender rechtzeitiger Unterrichtung hätte er sich zur Wahrung seiner Rechte auf tarifvertragliche Altersversorgung eine neue Beschäftigung im Baugewerbe gesucht. Aufgrund des Versicherungsverhältnisses sei auch der Beklagte verpflichtet gewesen, ihn davon zu unterrichten, daß er durch die Fusion im Sinne der tarifvertraglichen Bestimmungen "aus dem Baugewerbe ausscheide". Die Beschäftigungszeit bei der SMD müsse ihm als baugewerblich angerechnet werden. Für die Berechnung der Beihilfe zum Altersruhegeld und der Ergänzungsbeihilfe sei daher eine Wartezeit von 245 Monaten zugrundezulegen.
Der Kläger verlangt für den Zeitraum November 1988 bis Oktober 1989 eine Beihilfe von 520,00 DM (2 x 40,00 DM und 10 x 44,00 DM) und eine Ergänzungsbeihilfe von 840,00 DM (12 x 70,00 DM), insgesamt 1.360,00 DM. Davon läßt er sich die für diesen Zeitraum erhaltenen 192,00 DM (12 x 16,00 DM) anrechnen.
Der Kläger beantragt,
1. den Beklagten zu verurteilen, an ihn
1.168,00 DM brutto zuzüglich 4 % Zinsen aus
dem entsprechenden Nettobetrag seit dem
5. November 1991 zu zahlen;
2. festzustellen, daß ihm ein Anspruch auf unge-
kürzte Beihilfe zum Altersruhegeld und Ergän-
zungsbeihilfe unter Zugrundelegung einer War-
tezeit von 245 Monaten, ab dem 1. November
1989 zusteht.
Der Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen. Er hat die Auffassung vertreten, der Kläger habe keinen Anspruch auf Versicherungsleistungen, die über dasjenige hinausgingen, was ihm aufgrund einer unverfallbaren Anwartschaft nach § 6 TVA und § 5 TVE zustehe. Der Kläger sei mit der Fusion der Gesellschaften am 17. April 1985 aus dem Geltungsbereich des TVA und des TVE ausgeschieden. Über etwaige Rechtsfolgen des Ausscheidens aus dem fachlichen Geltungsbereich der Sozialkassentarifverträge hätte allenfalls der Arbeitgeber den Kläger aufklären müssen. Ihn, den Beklagten, treffe jedenfalls insoweit keine Unterrichtungspflicht.
Das Arbeitsgericht hat dem zunächst allein gestellten Feststellungsantrag (nunmehr Antrag zu 2) stattgegeben. Dagegen hat der Beklagte Berufung eingelegt. Im Wege der Anschlußberufung hat der Kläger die Klage um den Leistungsantrag (Antrag zu 1) erweitert. Das Landesarbeitsgericht hat die Berufung des Beklagten im wesentlichen zurückgewiesen. Es ist von einer Wartezeit von 227 Monaten für die Berechnung der Versicherungsleistungen ausgegangen; dem Leistungsantrag hat es in Höhe von 748,00 DM stattgegeben. Die weitergehende Anschlußberufung des Klägers hat das Landesarbeitsgericht zurückgewiesen.
Gegen dieses Urteil haben beide Parteien Revision eingelegt. Der Kläger verlangt die vollen Beihilfen auf der Grundlage einer Beschäftigungszeit von 245 Monaten. Der Beklagte will nur Rente aufgrund der unverfallbaren Anwartschaft zahlen.
Entscheidungsgründe
Die Revision des Beklagten ist begründet; die Revision des Klägers ist unbegründet. Der Kläger kann vom Beklagten weder eine höhere Beihilfe zum Altersruhegeld noch eine höhere Ergänzungsbeihilfe verlangen. Über Ansprüche gegen den Rechtsnachfolger des früheren Arbeitgebers ist nicht zu entscheiden.
I. Der Kläger kann von der beklagten ZVK nur die ihm gezahlten Teilleistungen verlangen. Er ist vor Eintritt des Versicherungsfalles mit einer unverfallbaren Anwartschaft aus dem Baugewerbe ausgeschieden (§ 6 TVA und § 5 TVE). Er hat deshalb nur Anspruch auf den unverfallbaren Teil seiner Anwartschaft. Der Senat kann der abweichenden rechtlichen Beurteilung des Landesarbeitsgerichts nicht folgen.
1. Das Landesarbeitsgericht hat angenommen § 6 Abs. 1 TVA greife hier nicht ein. Der Kläger sei aus dem Baugewerbe nicht "ausgeschieden" im Sinne dieser tarifvertraglichen Bestimmung. Der Begriff "ausscheiden" beinhalte ein gewisses finales Handeln. Auf keinen Fall sei es als "ausscheiden" zu werten, wenn der Arbeitnehmer nichts davon erfährt, daß sein Beschäftigungsbetrieb die Eigenschaft eines baugewerblichen Betriebs verliert. Der Kläger habe erstmals am 5. Juni 1987 erfahren, daß es sich bei seinem Betrieb seit dem 17. April 1985 nicht (mehr) um einen baugewerblichen Betrieb handelte. Greife damit § 6 TVA nicht ein, ergebe sich eine Lücke im Tarifvertrag, die von den Tarifvertragsparteien nicht beabsichtigt gewesen sei. Die vorhandene Lücke sei unter Rückgriff auf § 5 Abs. 8 Satz 1 TVA (Fälle der Abkehr vom Baugewerbe wegen gesundheitlicher Gründe nach Erfüllung der Wartezeit) zu füllen. Der Berechnung der Beihilfe könnten allerdings nur Zeiten des Baugewerbes zugrundegelegt werden (227 Monate).
2. Dem stimmt der Senat nicht zu. § 6 Abs. 1 TVA ist auch auf Fälle der vorliegenden Art anzuwenden. Durch den mit der Fusion der DOG zur SMD vollzogenen Branchenwechsel ist der Kläger aus dem betrieblichen Geltungsbereich der Bautarifverträge und damit aus dem Versicherungsverhältnis zur beklagten ZVK ausgeschieden. Auf die Kenntnis des Klägers von der (mangelnden) Tarifbindung seines Arbeitgebers kommt es nicht an. Es gelten die allgemeinen Grundsätze des Tarifvertragsrechts.
a) Nach § 4 Abs. 2 TVG gelten, sofern im Tarifvertrag gemeinsame Einrichtungen der Tarifvertragsparteien vorgesehen und geregelt sind, diese Regelungen unmittelbar und zwingend für die Satzung dieser Einrichtung und das Verhältnis der Einrichtung zu den tarifgebundenen Arbeitgebern und Arbeitnehmern. Tarifgebunden sind die Mitglieder der Tarifvertragsparteien (§ 3 Abs. 1 TVG). Dazu gehörte die am 17. April 1985 neu entstandene SMD nicht. Dieses Unternehmen war kein Mitglied der Arbeitgeberverbände, die mit der Industriegewerkschaft Bau-Steine-Erden die maßgeblichen Tarifverträge, den TVA und den TVE, abgeschlossen haben.
Die neue Gesellschaft ist als Rechtsnachfolgerin der DOG auch nicht in die tarifrechtlichen Bindungen der DOG an den TVA und TVE eingetreten. Die Tarifbindung der DOG beruhte auf ihrer Mitgliedschaft im Arbeitgeberverband des Baugewerbes. Die Mitgliedschaft der DOG zum Arbeitgeberverband des Baugewerbes ist nach § 38 BGB nicht übertragbar (BAG Urteil vom 4. Dezember 1974 - 5 AZR 75/74 - AP Nr. 2 zu § 3 TVG, zu 2 b der Gründe). Sie ist mit der Fusion der DOG mit den beiden Unternehmen der Metallbranche am 17. April 1985 erloschen.
b) Der Rechtsgedanke des § 3 Abs. 3 TVG über den Fortbestand der Tarifgebundenheit bei Beendigung des Tarifvertrags ist im Falle der Verschmelzung juristischer Personen nicht heranzuziehen (für die Verschmelzung von Genossenschaften nach §§ 93 a ff. GenG vgl. BAG Urteil vom 4. Dezember 1974, aaO, zu 2 c der Gründe). Die Verschmelzung führt zwar zu einer Rechtsnachfolge. Der Rechtsnachfolger darf aber nicht an die Rechtsfolgen einer von ihm nicht veranlaßten Koalitionszugehörigkeit seines Vorgängers gebunden werden. Das wäre mit dem Grundsatz der Koalitionsfreiheit (Art. 9 Abs. 3 GG) nicht vereinbar (vgl. Wiedemann/Stumpf, TVG, 5. Aufl., § 3 Rz 80 f.; Löwisch/Rieble, TVG, 1992, § 3 Rz 47, 80; a.A. Däubler, Tarifvertragsrecht, 3. Aufl., Rz 1577; Seiter, Betriebsinhaberwechsel, 1980, S. 148, m.w.N.). Dies gilt jedenfalls für die in § 4 Abs. 2 TVG genannten Regelungen.
c) Die Allgemeinverbindlichkeit der beiden Tarifverträge kann dem Kläger ebenfalls nicht weiterhelfen. TVA und TVE sind zwar für allgemein verbindlich erklärt worden. Dennoch wirken die Tarifverträge nicht fort, weil der Betrieb des Arbeitgebers seit dem 17. April 1985 nicht dem fachlichen Geltungsbereich dieser Tarifverträge unterfällt. § 5 TVG ersetzt nur die Tarifgebundenheit auf Arbeitgeber- und Arbeitnehmerseite. Die Rechtsnormen eines für allgemeinverbindlich erklärten Tarifvertrages erfassen die nicht tarifgebundenen Arbeitgeber und Arbeitnehmer "in seinem Geltungsbereich" (§ 5 Abs. 4 TVG), nicht aber Arbeitgeber und Arbeitnehmer außerhalb des fachlichen Geltungsbereiches. Tarifverträge verlieren ihre Wirksamkeit, wenn der Arbeitgeber wegen eines Produktionswechsels nicht mehr unter den fachlichen Geltungsbereich des Tarifvertrages fällt (BAG Urteil vom 26. September 1979 - 4 AZR 819/77 - BAGE 32, 113, 120 = AP Nr. 17 zu § 613 a BGB; für die Ausgliederung und rechtliche Verselbständigung einer Betriebsabteilung vgl. auch BAG Urteil vom 1. April 1987 - 4 AZR 77/86 - BAGE 55, 154 = AP Nr. 64 zu § 613 a BGB).
d) Schließlich kann der Kläger seinen Anspruch nicht mit der in § 4 Abs. 5 TVG angeordneten Nachwirkung begründen. Die Nachwirkung gilt nicht für die Regelungen über gemeinsame Einrichtungen.
Nach § 4 Abs. 5 TVG gelten nach Ablauf des Tarifvertrags seine Rechtsnormen weiter, bis sie durch eine andere Abmachung ersetzt werden. Zwar ist unter "Ablauf" des Tarifvertrags in erster Linie die zeitliche Begrenzung des Tarifvertrags zu verstehen (Wiedemann/Stumpf, TVG, 5. Aufl., § 4 Rz 181 i.V.m. Rz 8). § 4 Abs. 5 TVG ist aber nach Sinn und Zweck der Vorschrift auch dann anwendbar, wenn die Tarifbindung aus anderen Gründen weggefallen ist. Es muß sichergestellt werden, daß die Arbeitsverhältnisse auch nach Beendigung des Tarifvertrages nicht inhaltsleer werden oder durch dispositives Gesetzesrecht ergänzt werden müssen. Der Tarifvertrag soll weiterwirken, bis eine andere kollektivvertragliche oder einzelvertragliche Abrede an seine Stelle tritt (BAG Urteil vom 18. März 1992 - 4 AZR 339/91 - AP Nr. 13 zu § 3 TVG; BAG Urteil vom 2. Dezember 1992 - 4 AZR 277/92 - AP Nr. 14 zu § 3 TVG, zu B III 2 a der Gründe, auch zur Veröffentlichung in der Amtlichen Sammlung des Gerichts vorgesehen; Wiedemann/Stumpf, aaO, § 4 Rz 185).
Die Nachwirkung nach § 4 Abs. 5 TVG gilt aber nicht für die in § 4 Abs. 2 TVG genannten Regelungen über gemeinsame Einrichtungen, wenn der Arbeitgeber durch Änderung des Betriebszwecks aus dem fachlichen Geltungsbereich des Tarifvertrags herausfällt und keine Beiträge an die gemeinsame Einrichtung mehr zu erbringen hat. Die Regelungen eines Tarifvertrags über eine gemeinsame Einrichtung betreffen sowohl die Ansprüche der Arbeitnehmer gegen die Einrichtung als auch der Arbeitgeber (vgl. Löwisch/Rieble, aaO, § 4 Rz 108 ff.). Für die Beitragsbeziehung ist zu beachten, daß in die gemeinsamen Einrichtungen nur Verbandsmitglieder aufgenommen werden können. Eine Zwangsmitgliedschaft würde Art. 9 Abs. 3 GG widersprechen.
3. Endet die Wirksamkeit eines Tarifvertrages über eine gemeinsame Einrichtung der Tarifvertragsparteien, enden auch die Rechtsbeziehungen der gemeinsamen Einrichtung zu den Arbeitgebern und den Arbeitnehmern. Die Beitragspflichten der Arbeitgeber erlöschen ebenso wie die Leistungsansprüche der Arbeitnehmer aufgrund des Versicherungsverhältnisses, das sich aus den aufgrund der Satzung bestehenden Allgemeinen Versicherungsbedingungen ergibt (vgl. Sperner/Brocksiepe/Egger/Henrich/Unkelbach, Die Sozialkassen der Bauwirtschaft, 1976, Anm. 1 zu § 5 ZVK-TV). Zwischen der Beitragspflicht der Arbeitgeber und dem Erwerb von entsprechenden Ansprüchen auf Versicherungsleistungen besteht ein unlösbarer Zusammenhang (vgl. Urteil des Senats vom 30. Juli 1985 - 3 AZR 384/83 - AP Nr. 13 zu § 1 BetrAVG Zusatzversorgungskassen).
4. Auf die Verletzung von Aufklärungspflichten kann der Kläger den geltend gemachten Anspruch nicht mit Erfolg stützen. Aus dem Rechtsverhältnis zwischen dem Beklagten als Versicherer und dem Kläger als Versichertem folgt keine Pflicht des Beklagten, den Kläger über die Beendigung des Versicherungsverhältnisses bei Wegfall der Tarifbindung aufzuklären. Solche Aufklärungspflichten treffen den Arbeitgeber. Nach dem Tarifvertrag über das Sozialkassenverfahren erfährt der Beklagte von der tatsächlichen Beschäftigung von Arbeitnehmern im Baugewerbe erst, wenn die entsprechenden Versicherungsnachweise ihm ausgefüllt vorgelegt werden. Der Beklagte wird regelmäßig nicht in der Lage sein, Arbeitnehmer eines Baugewerbes bereits im Zeitpunkt des Ausscheidens des Betriebes aus dem Geltungsbereich der Bautarifverträge über den eventuellen Verlust ihrer Beihilfeansprüche zu informieren.
5. Der Kläger kann keine höhere Teilleistung verlangen. Nach § 6 Abs. 1 TVA, § 5 Abs. 1 TVE besteht, sofern der Versicherte vor dem Versicherungsfall aus dem Baugewerbe ausscheidet, die Anwartschaft auf den unverfallbaren Teil der Beihilfen und der Ergänzungsbeihilfen nur nach Maßgabe dieser Bestimmungen fort. Nach § 6 Abs. 6 TVA, § 12 TVE findet § 2 BetrAVG keine Anwendung. Diese Regelung ist zulässig. Von § 2 BetrAVG kann in Tarifverträgen abgewichen werden (§ 17 Abs. 3 Satz 1 BetrAVG).
II. Mit dem Erlöschen des Anspruchs auf Versicherungsleistungen ist nicht zugleich der Anspruch des Klägers auf die ihm vom Arbeitgeber versprochene betriebliche Altersversorgung erloschen. Es kommt vielmehr ein Anspruch des Klägers gegen die SMD als Rechtsnachfolgerin der DOG in Betracht. Verspricht ein Arbeitgeber einem Arbeitnehmer Leistungen der betrieblichen Altersversorgung, so kann er sich der Versorgungsverpflichtung nicht durch Betriebsveräußerung oder Fusion entziehen. Der Rechtsnachfolger tritt in die Rechte und Pflichten des bisherigen Arbeitgebers ein. Zu den Rechten und Pflichten gehört auch das Versorgungsversprechen. Dies gilt auch bei tarifvertraglich begründeten Ansprüchen auf Versorgungsleistungen, die über eine gemeinsame Versorgungseinrichtung erfüllt werden sollen. Die eingegangene Verpflichtung muß der Arbeitgeber einlösen.
1. Beim Betriebsübergang ergibt sich die Verpflichtung des Betriebserwerbers aus § 613 a Abs. 1 Satz 1 BGB. Bei tarifvertraglichen Verpflichtungen kommt eine schuldrechtliche Fortgeltung des Tarifvertrags nach § 613 a Abs. 1 Satz 2 BGB in Betracht. Die Rechtsnormen des Tarifvertrags, der beim Veräußerer galt, werden Inhalt des Arbeitsverhältnisses zwischen dem neuen Inhaber und dem Arbeitnehmer und dürfen vor Ablauf eines Jahres nach dem Zeitpunkt des Übergangs nicht zum Nachteil des Arbeitnehmers geändert werden. Auch wenn mit dem Betriebsübergang ein Branchenwechsel verbunden ist, ändert sich an der einmal begründeten arbeitsvertraglichen Geltung der Tarifnorm nichts (BAGE 55, 154, 166 f. = AP Nr. 64 zu § 613 a BGB; Löwisch/Rieble, aaO, § 4 Rz 50).
2. Diese Grundsätze sind auch bei einer Gesamtrechtsnachfolge durch Fusion anzuwenden. Die Übernahme der Arbeitsverhältnisse einschließlich ihrer kollektivrechtlichen Regelungen ist in Fällen einer gesetzlichen Gesamtrechtsnachfolge durch Verschmelzung nicht weniger gerechtfertigt als bei einer rechtsgeschäftlichen Betriebsübernahme. Auch die § 613 a BGB zugrundeliegende EG-Richtlinie vom 14. Februar 1977 (77/187/EWG, ABl. EG Nr. L 61, S. 26) stellt in Art. 1 Abs. 1 die Verschmelzung der vertraglichen Übernahme gleich. § 613 a Abs. 1 Satz 2 BGB ist daher bei einer Verschmelzung von Unternehmen entsprechend anzuwenden (vgl. Löwisch/Rieble, aaO, § 3 Rz 82; Erman/Hanau, BGB, 9. Aufl., § 613 a Rz 102; Hanau, Festschrift für Gaul, 1992, S. 287, 302 f.).
3. Kann der neue Arbeitgeber, wie im Streitfall die SMD, wegen Branchenwechsels den übernommenen Arbeitnehmer nicht mehr bei der gemeinsamen Einrichtung versichern und Beiträge entrichten, so muß er gleichwertige Leistungen erbringen. Im vorliegenden Fall muß die SMD die Teil-Versicherungsleistungen, die der Kläger von der Zusatzversorgungskasse erhält, entsprechend aufstocken.
4. Über die Ansprüche des Klägers gegen den Rechtsnachfolger seines früheren Arbeitgebers kann der Senat in diesem Verfahren nicht entscheiden. Der Kläger hat nur die Zusatzversorgungskasse verklagt.
Dr. Heither Richter Griebeling ist arbeits- Dr. Wittek
unfähig krank und an der Unter-
schrift verhindert.
Dr. Heither
Stabenow Großmann
Fundstellen
BB 1994, 724 |
DB 1994, 1683-1684 (LT1-3) |
EWiR 1994, 325 (S) |
NZA 1994, 848 |
NZA 1994, 848-851 (LT1-3) |
ZAP, EN-Nr 465/94 (S) |
AP § 1 BetrAVG Zusatzversorgungskassen (LT1-3), Nr 42 |
EzA § 1 BetrAVG Zusatzversorgung, Nr 6 (LT1-3) |
PersF 1994, 1067 (K) |
VersR 1994, 1091 (L) |