Entscheidungsstichwort (Thema)
Abwicklung nach Einigungsvertrag
Normenkette
Einigungsvertrag Art. 13, 20, 38; Einigungsvertrag Anl. I Kap. XIX Sachgeb. A Abschn. III Nr. 1 Abs. 2-3; GG Art. 12 Abs. 1; AGB-DDR § 38
Verfahrensgang
Tenor
Die Revision der Klägerin gegen das Urteil des Sächsischen Landesarbeitsgerichts vom 30. August 1994 – 12 (10) Sa 100/93 – wird zurückgewiesen.
Die Klägerin hat die Kosten der Revision zu tragen.
Von Rechts wegen!
Tatbestand
Die Parteien streiten darüber, ob das Arbeitsverhältnis der Klägerin gemäß Art. 20 Abs. 1 Einigungsvertrag in Verbindung mit Anlage I Kapitel XIX Sachgebiet A Abschnitt III Nr. 1 Abs. 2, 3 (künftig: Nr. 1 Abs. 2, 3 EV) geruht und mit Ablauf des 30. September 1991 geendet hat.
Die im Jahre 1939 geborene Klägerin war seit 1962 in der Sektion „Marxismus/Leninismus” der Technischen Universität (TU) Dresden beschäftigt, zuletzt als ordentliche Professorin. Nach Auflösung der Sektion „Marxismus/Leninismus” Anfang 1990 wurde die Klägerin in der Sektion „Philosophie und Kulturwissenschaften” weiterbeschäftigt.
Am 11. Dezember 1990 beschloß die Sächsische Landesregierung „erste Schritte zur Neuordnung des Hochschulbereiches” durch Abwicklung von Teileinrichtungen. An der TU Dresden sollte die Sektion „Philosophie und Kulturwissenschaft außer Kustodie/Technikgeschichte”, „deren bisherige Aufgabenstellungen hinfällig geworden” seien, abgewickelt werden. In dem Beschluß vom 11. Dezember 1990 heißt es weiter, es sei vorgesehen, neue Fakultäten, Fachbereiche und Institute zu gründen. Zur Fortführung der laufenden studentischen Ausbildung würden im notwendigen Umfang befristete Arbeitsverträge abgeschlossen.
Mit Schreiben vom 13. Dezember 1990 teilte der Rektor der TU Dresden der Klägerin unter Hinweis auf die Abwicklungsentscheidung der Landesregierung mit, daß ihr Arbeitsverhältnis ab dem 2. Januar 1991 ruhe und nach Ablauf von neun Monaten ende, wenn keine Weiterbeschäftigung erfolge.
Die Klägerin hat geltend gemacht, ihr Arbeitsverhältnis habe nicht geruht und nicht geendet. Es wäre eine ausdrückliche Bestimmung vor dem 3. Oktober 1990 erforderlich gewesen, die Entscheidung über die Abwicklung hinauszuschieben. Der Abwicklungsbeschluß der Landesregierung sei inhaltlich unbestimmt und nicht ordnungsgemäß bekannt gemacht worden. Zuständig wäre das Parlament gewesen. Abwicklung setze die Auflösung in räumlich-gegenständlicher Hinsicht voraus. Eine Liquidation in diesem Sinne habe nicht stattgefunden. Die Sektion „Philosophie und Kulturwissenschaften” sei vollständig in die weiter aufrecht erhaltene Fakultät „Geistes- und Sozialwissenschaften” umgewandelt worden. Sie setze ihre Tätigkeit in Forschung und Lehre fort und beschäftige einen großen Teil des bisherigen wissenschaftlichen Personals befristet weiter. Auf das bisherige Organisationsgefüge sei aufgebaut worden. Der Abwicklungsbeschluß stelle im übrigen auf Strukturen und Bezeichnungen ab, die im Oktober 1989 vorhanden gewesen seien, sich jedoch bis zum Dezember 1990 bereits weitgehend geändert hätten. Die TU Dresden und auch die Sektion „Philosophie und Kulturwissenschaften” hätten sich bis dahin bereits einem grundlegenden demokratischen Wandlungsprozeß unterzogen. Die Fakultät für „Philosophie, Geistes- und Sozialwissenschaften” betreue auch die etwa 2.700 Studenten im „Studium Generale”.
Die Klägerin hat – soweit in der Revisionsinstanz noch von Bedeutung – beantragt
festzustellen, daß das Arbeitsverhältnis zwischen den Parteien nicht seit dem 1. Januar 1991 ruhe, sondern über den 30. September 1991 hinaus fortbestehe.
Der Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen. Er hat vorgetragen, der Abwicklungsbeschluß habe keiner förmlichen Bekanntgabe bedurft. Die Sektion „Philosophie und Kulturwissenschaften” sei als Teileinrichtung der TU Dresden ausdrücklich gemäß Kabinettsbeschluß abgewickelt und aufgelöst worden. Das alte Organisationsgefüge sei liquidiert worden und bestehe nicht mehr. Die Sektion, die der marxistisch-leninistischen Weltanschauung verpflichtet gewesen sei, habe ihre Funktion verloren. Unschädlich sei, daß einzelne Arbeitsaufgaben fortgeführt würden, um Studienabschlüsse und den Übergang in neue Strukturen zu ermöglichen. Es handele sich insoweit um Abwicklungsarbeiten. Zum Zeitpunkt des Abwicklungsbeschlusses habe die Sektion trotz inhaltlicher Veränderungen in den Lehrprogrammen noch bestanden. Von einer demokratischen Umgestaltung könne bis dahin nicht die Rede sein. Die angestrebten Veränderungen seien im Planungsstadium steckengeblieben. Die Gründung der Fakultät „Geistes- und Sozialwissenschaften” sei erst auf der Grundlage des Sächsischen Hochschulerneuerungsgesetzes erfolgt. Erst im September 1991 sei eine Gründungskommission errichtet worden, die im September 1992 ein Stellenplankonzept vorgelegt habe.
Die Vorinstanzen haben die Klage abgewiesen. Mit der vom Landesarbeitsgericht zugelassenen Revision verfolgt die Klägerin ihr Klagziel weiter.
Entscheidungsgründe
Die Revision ist unbegründet. Das Landesarbeitsgericht hat die Klage zu Recht abgewiesen.
A. Das Landesarbeitsgericht hat zur Begründung seiner Entscheidung im wesentlichen ausgeführt:
Das Arbeitsverhältnis der Parteien habe gemäß Nr. 1 Abs. 2, 3 EV geruht und mit dem 30. September 1991 geendet. Bei der Sektion „Philosophie und Kulturwissenschaften” habe es sich um eine organisatorisch abgrenzbare Einrichtung mit eigener Aufgabenstellung und einer bestimmten Maß an Eigenverantwortlichkeit gehandelt. Die Auflösung dieser Teileinrichtung sei nicht willkürlich. Sie sei auch tatsächlich durchgeführt worden. Die Sektion habe sich in die Fachbereiche „marxistisch-leninistische Philosophie”, „marxistisch-leninistische Soziologie”, „Geschichte der Produktivkräfte”, „Kulturtheorie”, „Ästhetik und Kunstwissenschaften” und „Kustodie” gegliedert. Sie habe mit Ausnahme des Fernstudiums keine Studenten ausgebildet, sondern insbesondere die technischen Studienrichtungen in ideologisch bedingten Ausbildungsfächern betreut. Dem Vortrag der Klägerin könne nicht entnommen werden, daß die Sektion „Philosophie und Kulturwissenschaften” ganz oder in Teilen als Fakultät „Geistes- und Sozialwissenschaften” oder als „Philosophische Fakultät” weitergeführt werde. Zwar sei das Studium Generale für Studierende aller Sektionen im Wintersemester 1990/91 unter der Bezeichnung Sektion Philosophie und Kulturwissenschaften und im Sommersemester 1991 als Studienprogramm für Philosophie, Geistes- und Sozialwissenschaften angeboten worden. Die Fortführung von Teilen des Lehrstoffes belege jedoch nicht den Erhalt von Aufgaben und bisherigen Strukturen, spreche eher für eine Abwicklung bis zur abgeschlossenen Neustrukturierung der Hochschule. Dementsprechend habe das nichtwissenschaftliche Personal weiterarbeiten und hätten bestimmte Dozenten befristet weiterhin unterrichten können. Gerade im universitären Bereich müsse dem Beklagten die Regelung vorbehalten bleiben, wie die bisherigen Studien zu Ende gebracht oder unter veränderten Bedingungen fortgesetzt werden könnten. Die Grundordnung der TU vom 17. September 1990 habe zu keiner Neuorganisation geführt. Ihre Grundlage sei die vorläufige Hochschulordnung vom 18. September 1990 gewesen, die am 1. Oktober 1990 in Kraft getreten sei. Die danach erforderliche Genehmigung der Grundordnung durch den zuständigen Minister sei von der Klägerin nicht näher dargelegt worden, auch fehle es an einem Beweisantritt. Es sei daher davon auszugehen, daß die Organisation der Hochschule rechtswirksam nicht geändert worden sei.
B. Diese Ausführungen halten der revisionsgerichtlichen Überprüfung stand.
I. Nach der Rechtsprechung des erkennenden Senats ist von folgender Auslegung der die Überführung und Abwicklung von Einrichtungen der ehemaligen DDR-Verwaltung regelnden Bestimmungen des Einigungsvertrages auszugehen:
1. Gemäß Art. 13 Abs. 1 und 2 EV regelt die zuständige Landesregierung oder die zuständige oberste Bundesbehörde die Überführung oder Abwicklung der Verwaltungsorgane und sonstigen der öffentlichen Verwaltung oder Rechtspflege dienenden Einrichtungen. Zu diesen Einrichtungen gehören u.a. auch solche der Bildung und Wissenschaft, deren Rechtsträger die öffentliche Verwaltung ist (Art. 13 Abs. 3 EV). Soweit Einrichtungen ganz oder teilweise auf den Bund überführt werden, bestehen die Arbeitsverhältnisse der dort beschäftigten Arbeitnehmer zum Bund. Entsprechendes gilt bei Überführung auf bundesunmittelbare Körperschaften. Anstalten und Stiftungen des öffentlichen Rechts. Die Arbeitsverhältnisse der übrigen Arbeitnehmer ruhen ab dem Tage des Wirksamwerdens des Beitritts oder eines um bis zu drei Monate hinausgeschobenen Zeitpunkts. Wird der Arbeitnehmer nicht innerhalb von sechs Monaten weiterverwendet, endet das Arbeitsverhältnis mit Ablauf dieser Frist; hat der Arbeitnehmer am Tag des Wirksamwerdens des Beitritts das 50. Lebensjahr vollendet, beträgt die Frist neun Monate (Nr. 1 Abs. 2 EV). Dies gilt gemäß Nr. 1 Abs. 3 EV entsprechend für die Arbeitnehmer bei Einrichtungen, die Aufgaben der Länder wahrnehmen.
2. Die Überführung einer Einrichtung gemäß Art. 13 EV bedurfte einer auf den verwaltungsinternen Bereich zielenden Organisationsentscheidung der zuständigen Stelle. Diese Überführungsentscheidung war mangels außenwirksamer Regelung kein Verwaltungsakt (BAG Urteil vom 3. September 1992 – 8 AZR 45/92 – BAGE 71, 147 = AP Nr. 1 zu Art. 13 Einigungsvertrag; BVerwG Urteil vom 12. Juni 1992 – 7 C 5.92 – BVerwGE 90, 220 = ZIP 1992, 1275). Sie konnte formfrei ergehen, also auch konkludent verlautbart werden. Sie konnte eine Einrichtung als ganze oder als eine Teileinrichtung betreffen (BAG Urteil vom 3. September 1992, a.a.O.).
Eine überführungsfähige Teileinrichtung war gegeben, wenn sie ihre Aufgabe selbständig erfüllen konnte. Dies setzte eine organisatorisch abgrenzbare Funktionseinheit mit eigener Aufgabenstellung und der Fähigkeit zu einer aufgabenbezogenen Eigensteuerung voraus. Die Organisationsentscheidung nach Art. 13 EV war weder personen- noch arbeitsplatzbezogen. Sie betraf funktionsfähige Organisationseinheiten, die vor dem 3. Oktober 1990 die Fähigkeit zu aufgabenbezogener Eigensteuerung und selbständiger Aufgabenerfüllung besaßen.
3. Eine Einrichtung oder Teileinrichtung wurde im Sinne von Art. 13 EV überführt, wenn der Träger öffentlicher Verwaltung die (Teil-)Einrichtung unverändert fortführte oder er sie unter Erhaltung der Aufgaben, der bisherigen Strukturen sowie des Bestandes an sächlichen Mitteln in die neue Verwaltung eingliederte (BAG Urteil vom 28. Januar 1993 – 8 AZR 169/92 – BAGE 72, 176 = AP Nr. 3 zu Art. 13 Einigungsvertrag). Die Überführung erforderte eine auf Dauer angelegte Fortsetzung der Verwaltungstätigkeit. Wurde die Einrichtung nur vorläufig mit dem Ziele der Auflösung fortgeführt, lag hierin keine Überführung gemäß Art. 13 EV (BAG Urteil vom 28. Januar 1993, a.a.O.). Bedeutsam sind die Übernahme der Grundstücke, der Büro- und Diensträume, der Arbeitsmittel, der Arbeitsergebnisse, der Leitungsstrukturen sowie vorrangig der Aufgaben, die der alten Einrichtung das Gepräge gaben. Dies können in der Regel nur konkrete Aufgaben sein. Ob die jeweiligen Rechtsgrundlagen des Verwaltungshandelns der Einrichtung das Gepräge geben, ist im Einzelfall festzustellen.
4. Gesetzliche Folge der Nichtüberführung war die Abwicklung. Es bedurfte hierzu keiner besonderen Abwicklungsentscheidung (BVerwG Urteil vom 12. Juni 1992, a.a.O.). Weil die Abwicklung immer dann eintrat, wenn es an einer positiven, ggf. auch konkludenten Überführungsentscheidung fehlte, war nur durch sie die Abwicklung der Einrichtung zu verhindern. Folglich trat die Abwicklung auch dann ein, wenn wegen negativer Kompetenzkonflikte sich kein neuer Träger öffentlicher Verwaltung berufen fühlte, (rechtzeitig) eine Entscheidung gem. Art. 13 EV zu fällen. Die Abwicklung einer Einrichtung bedurfte zu ihrer Wirksamkeit keiner Bekanntgabe.
Die Abwicklung war auf die Liquidation der Einrichtung gerichtet. In diesem Falle ruhten die Arbeitsverhältnisse der in der abzuwickelnden Einrichtung Beschäftigten grundsätzlich ab dem 3. Oktober 1990. Dieser Ruhensbeginn konnte um bis zu drei Monate hinausgeschoben werden. Die Kündigungsvorschriften des Mutterschutzrechtes durften allerdings nicht durchbrochen werden. Die ruhenden Arbeitsverhältnisse endeten kraft Gesetzes nach Ablauf von sechs bzw. neun Monaten Wartezeit, wenn nicht der einzelne Arbeitnehmer weiterverwendet wurde (BAG Urteil vom 3. September 1992, a.a.O.). Das galt unabhängig davon, ob das Arbeitsverhältnis gemäß § 38 Abs. 1 AGB-DDR durch Vertrag oder gemäß § 38 Abs. 2 AGB-DDR durch Berufung bzw. Wahl begründet worden ist.
Macht ein Arbeitnehmer des öffentlichen Dienstes der ehemaligen DDR geltend, sein Arbeitsverhältnis sei gemäß Nr. 1 Abs. 2 oder 3 EV auf den neuen Träger öffentlicher Verwaltung übergegangen und bestehe als aktives fort, hat er die Überführung seiner Beschäftigungs(teil-)einrichtung darzulegen und ggf. zu beweisen (BAG Urteil vom 15. Oktober 1992 – 8 AZR 145/92 – BAGE 71, 243 = AP Nr. 2 zu Art. 13 Einigungsvertrag).
5. Art. 38 Abs. 1 EV bewirkte nicht die gesetzliche Überführung aller Einrichtungen der Wissenschaft und Forschung. Diese Bestimmung ist nicht die speziellere Regelung gegenüber Art. 13 EV. Beide Normen stehen vielmehr selbständig nebeneinander. Art. 13 Abs. 3 EV bezieht Einrichtungen der Bildung und Wissenschaft in die Regelung der Überführung oder Abwicklung ausdrücklich mit ein (vgl. nur Senatsurteil vom 15. Dezember 1994 – 8 AZR 51/93 – n.v., zu B II der Gründe).
II. Die von der Revision hiergegen erhobenen, im wesentlichen verfassungsrechtlich hergeleiteten Einwände greifen nicht durch. Insbesondere bedarf es nicht einer unmittelbaren oder entsprechenden Anwendung des Verwaltungsverfahrensgesetzes, um den Grundsätzen der Rechtssicherheit und des Vertrauensschutzes Geltung zu verschaffen. Schon das Bundesverwaltungsgericht (BVerwGE 90, 220, 224 ff.) hat überzeugend ausgeführt, daß die vom Bundesverfassungsgericht hervorgehobenen verfassungsrechtlichen Anforderungen gerade auch bei der hier vertretenen Auslegung gewahrt sind.
III. Bei Anwendung der dargestellten Grundsätze auf den Streitfall ergibt sich, daß das Arbeitsverhältnis der Parteien gemäß Nr. 1 Abs. 2 Satz 5 i.V.m. Abs. 3 EV mit Ablauf des gesetzlichen Ruhenszeitraumes von neun Monaten geendet hat. Die Klägerin gehörte zu den übrigen Arbeitnehmern der öffentlichen Verwaltung der DDR im Sinne von Nr. 1 Abs. 2 Satz 2 EV, deren Arbeitsverhältnisse wegen unterbliebener Überführung der Beschäftigungseinrichtung kraft Gesetzes ruhten und endeten.
1. Das Landesarbeitsgericht hat die Sektion „Philosophie und Kulturwissenschaften” zutreffend als überführungsfähige Teileinrichtung der öffentlichen Verwaltung nach Art. 13 EV angesehen, die als solche abgewickelt werden konnte. Es hat darauf hingewiesen, die Sektion sei organisatorisch gegenüber anderen Sektionen abgrenzbar gewesen und habe eine eigene Aufgabenstellung besessen. Die nötige Eigenverantwortlichkeit habe sich aus der verantwortlichen Leitung durch einen Direktor ergeben. Dementsprechend hat der Senat die Sektion Philosophie der Universität Leipzig als überführungsfähige Teileinrichtung gemäß Art. 13 EV angesehen und sie mit einer Fakultät nach bundesdeutschem Muster, zumindest einem selbständig arbeitenden Hochschulinstitut verglichen (Urteil vom 4. August 1994 – 8 AZR 641/92 – n.v., zu B II 1 der Gründe; vgl. auch Senatsurteile vom 15. Dezember 1994 – 8 AZR 23/93 – und – 8 AZR 895/93 – jeweils zu B III 1 der Gründe). Entgegen der Auffassung der Revision kommt es nicht darauf an, ob das gesamte technische Personal weiterbeschäftigt worden ist und ob die Personalverantwortung bei der Verwaltung der TU oder der Sektion lag.
2. Der Beklagte hat die Sektion „Philosophie und Kulturwissenschaften” weder durch ausdrückliche noch durch konkludente Organisationsentscheidung überführt.
a) Der Beklagte hat eine ausdrückliche Abwicklungsentscheidung getroffen. Die Landesregierung war nach Art. 13 Abs. 1 EV hierfür zuständig. Im Falle ihrer Unzuständigkeit wäre im übrigen ebenfalls die Abwicklung eingetreten, da diese nur durch eine positive (ausdrückliche oder konkludente) Überführungsentscheidung verhindert werden konnte. Anhaltspunkte dafür, die Abwicklungsentscheidung sei willkürlich gewesen, bestehen nicht. Die Klägerin bringt mit diesem Einwand auch nur um Ausdruck, die Entscheidung sei nach ihrer Auffassung nicht „ernsthaft” gewesen, in Wahrheit habe gar keine Abwicklung erfolgen sollen, die Sektion sei unter anderem Namen fortgeführt worden.
b) Die Sektion „Philosophie und Kulturwissenschaften” wurde in Vollzug des Kabinettsbeschlusses vom 11. Dezember 1990 aufgelöst und abgewickelt. Sie ist durch eine neue, anderen Zwecken dienende und anders organisierte Einrichtung ersetzt worden. Ihre bisherigen Aufgaben und Strukturen bestehen nicht fort. Die Herausnahme bestimmter Randbereiche aus der Abwicklung vermag daran nichts zu ändern.
aa) Die wesentliche Aufgabenstellung der Sektion ist weggefallen. Sie bestand nach den unangefochtenen Feststellungen des Landesarbeitsgerichts darin, die technischen Studienrichtungen in ideologisch bedingten Ausbildungsfächern zu betreuen. Die neuen Ausbildungsziele (Studium Generale) unterscheiden sich hiervon grundlegend. Das spricht dafür, nicht lediglich eine (teilweise) Änderung der Lehrinhalte in einer weiterhin bestehenden Einrichtung anzunehmen. Eine wissenschaftliche Einrichtung erhält nämlich das maßgebende Gepräge durch den Inhalt ihrer Forschung und Lehre. Die Sektion wurde durch die genannten Aufgaben entscheidend geprägt. Deren Wegfall läßt die Verwaltungstätigkeit insgesamt als eine andere erscheinen. Auch die Ausbildung von Studenten im Fernstudium findet nicht mehr statt. Die Auffassung der Klägerin, es wäre in jedem Falle eine Auflösung in räumlich-gegenständlicher Hinsicht erforderlich gewesen, trifft nicht zu.
bb) Den veränderten Organisations- und Leitungsstrukturen kommt daneben wesentliches Gewicht zu. Die frühere Gliederung der Sektion findet sich in der neu gegründeten Fakultät nicht wieder.
Der Auffassung des Landesarbeitsgerichts ist zuzustimmen, die Klägerin habe auch insoweit die Voraussetzungen einer Überführung nicht dargelegt. Ein schlüssiger Vortrag der darlegungs- und beweisbelasteten Klägerin hätte die substantiierte Darstellung der bisherigen Strukturen, Einzelaufgaben und wesentlichen sächlichen Mittel der Organisationseinheit vorausgesetzt. Darüber hinaus wären die fortgeführten Aufgaben und übernommenen Strukturen und Sachmittel anzugeben gewesen (vgl. Senatsurteil vom 14. Oktober 1993 – 8 AZR 369/92 – n.v., zu 2 a der Gründe). Der Vortrag der Klägerin wird dem nicht gerecht. Entgegen der Auffassung der Revision wird die Klägerin durch die dargestellten Anforderungen nicht überfordert. Die Strukturen der früheren Sektion und der jetzigen Fakultät liegen ebenso offen zutage wie die frühere und heutige Aufgabenstellung.
cc) Der Abwicklung steht nicht entgegen, daß sich die personelle Besetzung überwiegend nicht verändert hat und ein Großteil der Hochschullehrer und Mitarbeiter (befristet) weiterbeschäftigt wurde. Der Beklagte ist damit nur seiner gesetzlichen Verpflichtung nachgekommen, die Arbeitnehmer nach Möglichkeit wiedereinzugliedern. Die Fortführung von Aufgaben oder Übernahme von bestehenden Strukturen ist damit nicht notwendig verbunden. Der Beklagte mußte sich nicht auf die Kündigung einzelner fachlich nicht ausreichend qualifizierter, persönlich ungeeigneter oder wegen mangelnden Bedarfs nicht mehr verwendbarer Arbeitnehmer beschränken. Das wäre nur dann der Fall gewesen, wenn lediglich Teilaufgaben und einzelne Strukturen weggefallen oder verändert worden wären. Dagegen war hier die grundlegende Zielsetzung der gesamten Sektion betroffen. Andere, nicht abgewickelte Teile der Hochschule behalten demgegenüber auch unter nicht sozialistischen Bedingungen einen Sinn.
dd) Die Fortführung der Ausbildung der Studenten besagt nichts für eine Überführung. Sie lag entweder im Rahmen der Abwicklung (vgl. Senatsurteil vom 4. August 1994, a.a.O., zu B II 2 der Gründe, m.w.N.) oder erfolgte schon innerhalb der neugebildeten Einrichtung der Technischen Universität.
c) Die Überführungsentscheidung betrifft die Einrichtung in ihrer aktuellen Gestalt. Änderungen der Aufgabenstellung und der Organisation bis zum Beitrittszeitpunkt, insbesondere im Verlaufe des Jahres 1990, sind daher zu berücksichtigen (Senatsurteile vom 27. Oktober 1994 – 8 AZR 247/93 – n.v., zu III 2 b der Gründe; vom 15. Dezember 1994 – 8 AZR 895/93 – n.v., zu B III 2 b cc der Gründe; vom 15. Dezember 1994 – 8 AZR 23/93 – zur Veröffentlichung vorgesehen, zu B III 2 b cc der Gründe). Die Klägerin hat allerdings keine derart grundlegenden Änderungen vorgetragen, daß sich die Entscheidung der Landesregierung vom 11. Dezember 1990 und ihre Umsetzung in Wahrheit nur noch als Übernahme einer schon vorher errichteten neuen Einrichtung darstellen würde. Ihr Vortrag, die betreffende Sektion habe sich bereits bis Dezember 1990 einem grundlegenden demokratischen Wandlungsprozeß unterzogen, ist unsubstantiiert. Er läßt keine gefestigte und dauerhafte Änderung der Einrichtung im Hinblick auf Aufgabenstellung und Organisationsstruktur erkennen. Die Vorlage des Forschungshandbuchs vom Juni 1990 und der Vorlesungsverzeichnisse vom Wintersemester 1990/91 und Sommersemester 1991 ist insoweit wenig aussagekräftig. Die in diesem Zusammenhang erhobene Rüge der Revision, das Landesarbeitsgericht habe den Vortrag im Schriftsatz vom 29. August 1994 zur Auflösung der Sektion Marxismus-Leninismus, zur Gründung neuer Institute und zum Inkrafttreten der Grundordnung der TU vom 17. September 1990 übergangen, ist unbegründet. Auch bei Berücksichtigung dieses Vortrags ergibt sich keine andere Beurteilung. Eine endgültige Änderung der grundlegenden Aufgabenstellungen und Strukturen konnte nicht durch die Universität allein geregelt werden. Das Landesarbeitsgericht hat demnach zu Recht auf die fehlende Genehmigung der Grundordnung durch den zuständigen Minister hingewiesen. Entgegen der Auffassung der Revision kommt es auch nicht auf eine Veränderung gerade zwischen dem 2. und dem 4. Oktober 1990 an.
3. a) Die Rüge der Klägerin, sie sei über die Abwicklungsentscheidung nicht ordnungsgemäß unterrichtet worden, bleibt erfolglos. Die kraft Gesetzes eingetretene Abwicklung der (Teil-)Einrichtung mit der Folge des Ruhens der Arbeitsverhältnisse bedurfte zu ihrer Wirksamkeit keiner Bekanntgabe. Doch konnte sich der neue Arbeitgeber des öffentlichen Dienstes im Verhältnis zum einzelnen Arbeitnehmer auf das Ruhen des Arbeitsverhältnisses erst ab Bekanntgabe der gesetzlichen Ruhensfolge berufen (vgl. nur Senatsurteil vom 15. Dezember 1994 – 8 AZR 23/93 – zur Veröffentlichung vorgesehen, zu B III 3 der Gründe, m.w.N.). Die Bekanntgabe mußte nicht notwendig durch den für die Abwicklung zuständigen Rechtsträger erfolgen (Senatsurteile vom 26. August 1993 – 8 AZR 249/92 – und – 8 AZR 257/92 – beide n.v., zu III 4 bzw. II 4 der Gründe). Im Streitfalle genügte es jedenfalls, daß der Rektor der Hochschule im Schreiben vom 13. Dezember 1990 auf den Beschluß der Landesregierung vom 11. Dezember 1990 hinwies. Eine Ungewißheit über die Abwicklung konnte für die Klägerin nicht entstehen.
b) Das Ruhen der Arbeitsverhältnisse von Beschäftigten an nicht überführten Einrichtungen trat zwar grundsätzlich am 3. Oktober 1990 ein. Doch konnte der Zeitpunkt des Ruhens der Arbeitsverhältnisse nach der Fußnote zu Nr. 1 Abs. 2 Satz 2 EV um bis zu drei Monate hinausgeschoben werden. Entgegen der Auffassung der Revision mußte das nicht notwendig bis spätestens 2. Oktober 1990 geschehen. Die entsprechende Anwendung der Fußnote ermöglichte vielmehr ein nachholendes Hinausschieben des Ruhensbeginns im Bereich der erst mit dem Wirksamwerden des Beitritts neu entstandenen Länder (Senatsurteil vom 20. Juni 1995 – 8 AZR 450/93 – zur Veröffentlichung vorgesehen, zu II 3 der Gründe). Von dieser Möglichkeit hat der Beklagte wirksam Gebrauch gemacht, indem er der Klägerin mitteilte, deren Arbeitsverhältnis ruhe ab dem 2. Januar 1991. Dies ist nach den unangefochtenen Feststellungen des Landesarbeitsgerichts bereits im Dezember 1990 geschehen. Damit war auch die maßgebende Kündigungsfrist eingehalten (vgl. Senatsurteil vom 23. September 1993 – 8 AZR 268/92 – AP Nr. 4 zu Art. 13 Einigungsvertrag, auch zur Veröffentlichung in der Amtlichen Sammlung vorgesehen, zu II 2 d der Gründe).
4. Die im Jahre 1939 geborene Klägerin gehört zu dem Kreis älterer Arbeitnehmer, für deren Wiedereingliederung der Staat besondere Bemühungen unternehmen muß (vgl. Urteil des Bundesverfassungsgerichts vom 24. April 1991 – BVerfGE 84, 133 = AP Nr. 70 zu Art. 12 GG). Ein Anspruch auf Einstellung in den öffentlichen Dienst war damit aber noch nicht verbunden. Der Eintritt der Rechtsfolgen gemäß Nr. 1 Abs. 2 und 3 EV blieb – abgesehen von dem Bereich des Mutterschutzes – unberührt (Senatsurteile vom 28. Januar 1993, a.a.O., zu III der Gründe; vom 6. Juli 1995 – 8 AZR 337/93 – n.v., zu II 5 der Gründe, m.w.N.).
C. Die Klägerin hat die Kosten ihrer erfolglosen Revision gemäß § 97 Abs. 1 ZPO zu tragen.
Unterschriften
Ascheid, Richter am BAG Dr. Wittek ist durch Urlaub an der Leistung der Unterschrift verhindert. Ascheid, Mikosch, Dr. P. Umfug, H. Hickler
Fundstellen