Entscheidungsstichwort (Thema)
Betriebsbedingte Kündigung. Sozialauswahl
Leitsatz (redaktionell)
Dienststellenübergreifende Sozialauswahl bei Auflösung einer Technikerfachschule und gleichzeitigem Aufbau eines beruflichen Schulzentrums (mit Fachabteilung Technik) in anderer Trägerschaft
Normenkette
KSchG § 1 Abs. 2-3; BGB § 315
Verfahrensgang
Tenor
Die Revision des Beklagten gegen das Urteil des Sächsischen Landesarbeitsgerichts vom 30. August 1995 – 10 Sa 296/95 – wird auf seine Kosten zurückgewiesen.
Von Rechtes wegen!
Tatbestand
Der Kläger (geboren am 15. November 1948, verheiratet, zwei Kindern unterhaltsverpflichtet) war beim Beklagten bzw. dessen Rechtsvorgänger seit 1988 als Fachschullehrer für Elektrotechnik (u.a. elektrische Maschinen, elektrische Antriebe) an der ehemaligen Ingenieurschule für Verkehrstechnik „Erwin Kramer” bzw. der späteren Fachschule für Technik und Betriebswirtschaft Dresden beschäftigt, und zwar laut Arbeitsvertrag vom 28. Mai 1988 mit Änderung vom 11. Juni 1990.
In Vorbereitung der gemäß § 160 Sächs. Hochschulgesetz vom 4. August 1993 (SHG) angeordneten Auflösung ehemaliger Ingenieurschulen zum 3. Oktober 1993 erfolgte ein Erlaß des Sächsischen Staatsministeriums für Wissenschaft und Kunst (SMWK) vom 23. September 1992 folgenden Inhalts:
- „Die Ingenieurschulen und die Betriebswirtschaftlichen Fachschulen des Freistaates Sachsen verlieren zum 31.12.1992 ihren bisherigen Status.
- Studierende, die eine Ausbildung zum Ingenieur bzw. Ingenieurökonomen an einer der aufzulösenden Bildungseinrichtungen begonnen haben, können ihr Studium nach den bisherigen Ausbildungs- und Prüfungsordnungen fortsetzen und zu Ende führen.
Die Ausbildung wird, je nach den örtlichen Gegebenheiten, an folgenden am jeweiligen Standort neu gebildeten Bildungseinrichtungen fortgeführt:
- Fachhochschulen, in die nach Hochschulstrukturgesetz vom 10. April 1992 die Ingenieur- und Fachschulen integriert wurden,
- Staatliche Studienakademien der Berufsakademie Sachsen,
- Fachschulen in beruflichen Schulzentren,
- Fachschulen in privater Trägerschaft.
In den Fällen, in denen keine neue Bildungseinrichtung entsteht, wird die Ingenieurschule bis zur Beendigung der Ausbildung fortgeführt, längstens jedoch bis 30.06.1994.
…”
Infolge des Erlasses und der angekündigten Statusänderung zum 31.12.1992 bewarb sich der Kläger – etwa gegen Ende 1992 – unter anderem auch um eine Übernahme zum Sächsischen Staatsministeriums für Kultus (SMK) als zukünftiger, für die Lehrkräfte im Beruflichen Schulzentrum für Elektrotechnik (BSZ) Dresden zuständiger Personalbehörde. Seine Bewerbung wurde im April 1993 vom Oberschulamt abschlägig beschieden. Im Zuge der beim Kultusresort getroffenen Auswahl wurden die zum BSZ Dresden übernommenen Lehrkräfte in der Technikerausbildung eingesetzt, während die abgelehnten Bewerber – so auch der Kläger – zunehmend und vorrangig die auslaufende Ingenieurausbildung betreuten. Die Technikerausbildung wurde am BSZ fortgesetzt, wobei allerdings die Ausbildung gegenüber der an der früheren Fachschule für Technik und Betriebswirtschaft Unterschiede aufweist; so ermöglichte die frühere Einrichtung eine sog. Erstausbildung, während jetzt im BSZ eine Weiterbildung nach abgeschlossener Berufsausbildung angeboten wird.
Nach Zustimmung der Hauptfürsorgestelle – der Kläger ist den Schwerbehinderten gleichgestellt (GdB 30) – und Beteiligung der Personalvertretung kündigte der Beklagte mit Schreiben vom 7. Juli 1994 das Arbeitsverhältnis zum 31. Dezember 1994 wegen Auflösung der Beschäftigungsstelle und damit verbundenen Wegfalls des Arbeitsplatzes als Fachschullehrer auf.
Der Kläger hat geltend gemacht, sein bisheriger Arbeitsplatz sei nicht weggefallen, denn die Fachschule sei nicht aufgelöst worden, sondern bestehe im neugegründeten BSZ als Fachschulabteilung Technik weiter fort. Es liege lediglich eine neue Organisation vor, wobei nach wie vor Jugendlichen eine Ausbildung zum Techniker bis zu 2 Jahren angeboten werde, ohne daß sich Ausbildungsinhalte und Lehrpläne geändert hätten; insbesondere sei keine Änderung aufgrund der neuen Strukturen eingetreten, auch fungiere der frühere Direktor der Fachschule jetzt als Abteilungsleiter im BSZ.
Die von ihm, dem Kläger, betreute Stelle werde nunmehr von dem Ingenieur M. eingenommen, seinem ehemaligen Schüler. Dieser nehme am BSZ die gleichen Aufgaben wie früher er, der Kläger, wahr; so habe er u.a. 10,8 Stunden pro Woche in verschiedenen Bereichen der Technikerausbildung (elektrische Maschinen, elektrische Antriebe und elektromagnetische Verträglichkeit) unterrichtet. Bis zum Sommersemester 1993 sei er nur in der Technikerausbildung und erst ab dem Wintersemester 1993 zusätzlich in der Ingenieurausbildung tätig gewesen. Dem Ingenieur M. fehle im übrigen die erforderliche Befähigung als staatlich geprüfter Lehrer für das höhere Lehramt, während er, der Kläger, über eine fachschulpädagogische Ausbildung verfüge. Seine Bewerbung sei erfolglos geblieben, obwohl er den Schwerbehinderten gleichgestellt und M. andererseits wesentlich jünger sei. Auch seine Bewerbungen um eine Stelle als Professor seien sämtlich abschlägig beschieden worden.
Der Kläger hat beantragt,
- festzustellen, daß das Arbeitsverhältnis durch die ordentliche Kündigung vom 7. Juli 1994 zum 31. Dezember 1994 nicht aufgelöst worden ist,
- den Beklagten zu verurteilen, ihn, den Kläger, bis zum rechtskräftigen Abschluß des Rechtsstreits zu unveränderten Bedingungen weiterzubeschäftigen.
Der Beklagte hat zu seinem Klageabweisungsantrag vorgetragen, die bisherige Beschäftigungsstelle des Klägers, die Fachschule für Technik und Betriebswirtschaft, sei mit Wirkung zum 3. Oktober 1993 aufgelöst worden; der Kläger sei zuletzt ausschließlich im Bereich der Ingenieurausbildung tätig gewesen, da eine Beschäftigungsmöglichkeit nach Beendigung des vorletzten Jahrganges von Technikern nicht mehr möglich gewesen sei; der letzte Student der Einrichtung, an der der Kläger beschäftigt gewesen sei, habe die Einrichtung zum 1. Februar 1994 (Ende des Unterrichts) bzw. zum 30. Juni 1994 (Ingenieurabschlußarbeit) verlassen. Der Arbeitsplatz des Klägers sei damit am 30. Juni 1994 weggefallen. Wegen der Auflösung der Fachschule insgesamt sei keine Sozialauswahl erforderlich gewesen; Weiterbeschäftigungsmöglichkeiten seien ohne Erfolg geprüft worden. Daß mit dem Erlaß vom 23. September 1992 die Ausbildung an einer neu zu bildenden Einrichtung fortzusetzen sei, besage nichts darüber, daß die ehemalige Einrichtung nicht doch aufgelöst worden sei. Das BSZ vermittle eine berufliche Weiterbildung mit entsprechendem, berufsqualifizierendem Abschluß, wobei lediglich die frühere Ingenieurschule örtlich Beschäftigungsstelle sei. An der völligen Andersartigkeit der Ausbildung ändere nichts, daß teilweise ein Unterrichtsstoff vermittelt werde, der früher auch in der Fachschule für Technik vermittelt worden sei. Die Technikerausbildung betreffe lediglich einen Unterrichtszweig in dem Beruflichen Schulzentrum für Elektrotechnik, das daneben noch andere Schulformen, wie Berufsschule, Berufsfachschule, Fachoberschule und berufliches Gymnasium vereine. Auch die Lehrpläne seien entsprechend der veränderten Aufgabenstellung nicht zu vergleichen. Gegen eine Fortführung oder Eingliederung der früheren Fachschule spreche auch die Tatsache, daß Träger des BSZ die Stadt Dresden sei, die die Fachschule für Technik und Betriebswirtschaft vom SMWK „übernommen” habe, wobei die „Umnutzung” der Schule als Berufliches Schulzentrum für Elektrotechnik mit Fachschulabteilung ab 1. Januar 1994 durch die Landeshauptstadt Dresden beschlossen worden sei. Das BSZ betreibe damit lediglich in einem Teilbereich Ausbildung, wie sie früher in der Fachschule für Technik und Betriebswirtschaftslehre angeboten worden sei.
Schließlich macht der Beklagte geltend, der Kläger sei schon längere Zeit nicht mehr in der Technikerausbildung beschäftigt gewesen. Für die von Herrn M. ausgeübte Tätigkeit, der Lehrer für Elektrotechnik und als Dipl.-Ingenieur Berufsschullehrer sei, sei eine fachschulpädagogische Ausbildung nicht notwendig.
Das Arbeitsgericht hat nach den Klageanträgen erkannt. Die Berufung des Beklagten ist erfolglos geblieben. Mit der vom Landesarbeitsgericht zugelassenen Revision erstrebt der Beklagte nach wie vor die Klageabweisung.
Entscheidungsgründe
Die Revision des Beklagten ist nicht begründet. Die Vorinstanzen haben zutreffend entschieden, daß die dem Kläger erklärte Kündigung vom 7. Juli 1994 unwirksam ist.
I. Das Landesarbeitsgericht hat seine Entscheidung im wesentlichen wie folgt begründet: Die Kündigung sei nicht durch dringende betriebliche Erfordernisse im Sinne des § 1 Abs. 2 KSchG bedingt, weil noch eine Beschäftigung für den Kläger im Fachschulbereich des BSZ möglich gewesen sei. Das ergebe sich aus den unstreitigen Angaben des Klägers, daß der vom BSZ mittlerweile beschäftigte Herr M. die gleichen Aufgaben versehe wie der Kläger, wobei auch nach Darstellung des Beklagten erhebliche Ausbildungsinhalte gleich und damit auch die Tätigkeit des Lehrpersonals vergleichbar seien. Der Hinweis des Beklagten darauf, daß die Beschäftigungsmöglichkeiten nicht im selben Verwaltungszweig vorlägen, sei dann unbeachtlich, wenn der öffentliche Arbeitgeber Verwaltungsaufgabe und Verwaltungsorganisation einer Dienststelle aufgebe, um zumindest teilweise und vergleichbar die Aufgabe im Rahmen einer anderen, neugegründeten Verwaltungsorganisation auszuführen. Er habe damit nämlich gleichzeitig über den Wegfall von Haushaltsmitteln für die aufzulösende Einrichtung und Zuweisung von Haushaltsmitteln an die neue Verwaltungsorganisation entschieden, was er unter dem Gesichtspunkt der Personalhoheit habe berücksichtigen müssen.
II. Dem folgt der Senat im Ergebnis und auch in wesentlichen Teilen der Begründung. Die Revision rügt zu Unrecht, das Berufungsgericht habe die Möglichkeit der Weiterbeschäftigung des Klägers in einer anderen Dienststelle desselben Verwaltungszweiges bejaht, obwohl das BSZ nicht demselben Verwaltungszweig zuzuordnen sei wie die aufgelöste Einrichtung.
1. Das Berufungsgericht ist zutreffend davon ausgegangen, die Möglichkeit, den Kläger an seinem bisherigen Arbeitsplatz weiterzubeschäftigen, sei durch dringende betriebliche Erfordernisse (§ 1 Abs. 2 Satz 1 KSchG) weggefallen.
a) Dringende betriebliche Erfordernisse im Sinne dieser Vorschrift liegen vor, wenn sich der Arbeitgeber zu einer organisatorischen Maßnahme entschließt, bei deren Umsetzung das Bedürfnis für die Weiterbeschäftigung eines oder mehrerer Arbeitnehmer entfällt (ständige Rechtsprechung des BAG, vgl. Urteil vom 1. Juli 1976 – 2 AZR 322/75 – BAGE 28, 131, 133 = AP Nr. 2 zu § 1 KSchG 1969 Betriebsbedingte Kündigung, zu II 2 der Gründe; vom 29. März 1990 – 2 AZR 369/89 – BAGE 65, 61, 68 = AP Nr. 50 zu § 1 KSchG 1969 Betriebsbedingte Kündigung, zu B II 1 der Gründe und vom 15. Dezember 1994 – 2 AZR 320/94 – AP Nr. 66, a.a.O., zu B I der Gründe). Der Entschluß des Arbeitgebers, zur Stillegung eines Betriebes bzw. einer Dienststelle stellt eine derartige unternehmerische Entscheidung dar, die nicht auf ihre Notwendigkeit und Zweckmäßigkeit zu prüfen ist, sondern nur einer eingeschränkten Mißbrauchskontrolle unterliegt (Senatsurteil vom 15. Dezember 1994 – 2 AZR 320/94 – AP, a.a.O., m.w.N.).
b) Nach den nicht mit einer ausdrücklichen Gegenrüge des Klägers angegriffenen Feststellungen des Landesarbeitsgerichts ist die bisherige Fachschule für Technik und Betriebswirtschaft, an der der Kläger zuletzt beschäftigt war, spätestens zum 30. Juni 1994 geschlossen worden, so daß das Berufungsgericht zutreffend davon ausgegangen ist, in der bisherigen Dienststelle habe damit keine Beschäftigungsmöglichkeit für den Kläger mehr bestanden. Die Schließung der Fachschule beruhte auf der gemäß § 160 SHG angeordneten Auflösung ehemaliger Ingenieurschulen, die mit dem Erlaß des SMWK vom 23. September 1992 bereits vorbereitet worden war.
2. Die aus Anlaß einer Betriebsstillegung bzw. Auflösung einer Dienststelle ausgesprochene Kündigung ist nur dann durch ein dringendes betriebliches Erfordernis „bedingt”, wenn der Arbeitgeber keine Möglichkeit hat, den Arbeitnehmer anderweitig zu beschäftigen. Dies folgt aus dem „ultima ratio-Grundsatz”, dem vor allem bei der betriebsbedingten Kündigung maßgebliche Bedeutung zukommt (BAG Urteil vom 27. September 1984 – 2 AZR 62/83 – BAGE 47, 26, 31 = AP Nr. 8 zu § 2 KSchG 1969, zu B II der Gründe). Der nach der Generalklausel des § 1 Abs. 2 Satz 1 KSchG zu prüfende „ultima ratio-Grundsatz” ist in § 1 Abs. 2 Satz 2 KSchG normativ konkretisiert. Nach § 1 Abs. 2 Satz 2 Nr. 1 b KSchG ist eine Kündigung auch dann sozial ungerechtfertigt, wenn der Arbeitnehmer an einem anderen Arbeitsplatz in demselben Betrieb oder einem anderen Betrieb des Unternehmens weiterbeschäftigt werden kann und der Betriebsrat frist- und formgerecht widersprochen hat. Entsprechendes gilt in der öffentlichen Verwaltung nach § 1 Abs. 2 Satz 2 Nr. 2 b KSchG, wenn der Arbeitnehmer zwar nicht an einem anderen Arbeitsplatz in derselben Dienststelle, jedoch in einer anderen Dienststelle desselben Verwaltungszweiges an demselben Dienstort einschließlich seines Einzugsgebietes weiterbeschäftigt werden kann.
a) Von einer derartigen Weiterbeschäftigungsmöglichkeit ist das Berufungsgericht vorliegend ausgegangen, und zwar ungeachtet des Hinweises des Beklagten, daß es nur um eine Beschäftigungsmöglichkeit innerhalb des gleichen Verwaltungszweiges gehen könne. Demgemäß rügt die Revision, das Landesarbeitsgericht habe verkannt, daß die bisherige Beschäftigungsstelle ersatzlos aufgelöst worden sei, da der bisherige Träger öffentlicher Verwaltung, nämlich das SMWK, die Verwaltungstätigkeit dauerhaft eingestellt habe, während die Ausbildung im BSZ in der Trägerschaft der Stadt Dresden und damit im Verantwortungsbereich des SMK, also einem getrennten Verwaltungszweig, stehe.
b) Es kann dahingestellt bleiben, ob die klägerische Behauptung zutrifft, ungeachtet der Auflösung der Fachschule für Technik und Betriebswirtschaft bestehe diese teilweise als integrierter Bestandteil des BSZ – mit Ausnahme der Ingenieurausbildung – fort, was an sich auch die weiterbestehende Integration im selben Verwaltungszweig voraussetzt. Denn dem Landesarbeitsgericht ist jedenfalls darin zu folgen, daß über den Verwaltungszweig hinaus eine dem öffentlichen Arbeitgeber zuzurechnende Weiterbeschäftigungsmöglichkeit dann angenommen werden muß, wenn dieser die bisherige Verwaltungsaufgabe und Verwaltungsorganisation einer Dienststelle durch Gesetz und Erlaß auflöst, um – wenn auch nur teilweise – vergleichbare Aufgaben im Rahmen einer neugebildeten Strukturform und Verwaltungsorganisation in einem anderen Verwaltungsbereich auszuführen. Wenn dem nicht so wäre – und darin ist dem Kläger Recht zu geben – könnte die öffentliche Hand immer unter Begründung einer neuen Verwaltungsorganisation und unter Zuweisung eines neuen Verwaltungszweiges jede Dienststelle ersatzlos auflösen und die dort beschäftigten Mitarbeiter entlassen, obwohl deren anderweitige Verwendung im Rahmen derselben oder jedenfalls vergleichbaren Tätigkeit möglich gewesen wäre.
So hat auch der Senat bei einer ähnlichen Situation in der Privatwirtschaft entschieden (Urteile vom 10. November 1994 – 2 AZR 242/94 – AP Nr. 65 zu § 1 KSchG 1969 Betriebsbedingte Kündigung und vom 5. Oktober 1995 – 2 AZR 269/95 – AP Nr. 71, a.a.O., auch zur Veröffentlichung in der Amtlichen Sammlung vorgesehen), verlagere der Arbeitgeber Beschäftigungsmöglichkeiten von einem Betrieb des Unternehmens in einen anderen, so genieße das Arbeitsverhältnis des bisherigen Arbeitsplatzinhabers Bestandsschutz (§ 1 Abs. 2 u. 3 KSchG), und zwar selbst dann, wenn dieselbe oder zumindest ganz überwiegend gleichgebliebene Arbeit höher vergütet werde. Der Senat hat dies unabhängig von den Regelungen des § 1 Abs. 2 Satz 2 Nr. 1 b und Nr. 2 b KSchG mit dem allgemeinen Verhältnismäßigkeitsgrundsatz (ultima ratio-Grundsatz) begründet. Dies gilt jedenfalls bei der vorliegenden Fallkonstellation nicht zuletzt auch im Hinblick auf den Gesichtspunkt der Einheit des öffentlichen Dienstes (vgl. dazu BAG Urteil vom 15. Mai 1985 – 5 AZR 161/84 – AP Nr. 9 zu § 611 BGB Ausbildungsbeihilfe; BVerfGE 40, 237) und der nach § 12 Abs. 2 BAT – vorliegend gilt laut Arbeitsvertrag der BAT-Ost – ermöglichten leichteren Versetzungsmöglichkeiten.
Der Beklagte selbst hat hier vorgetragen, für das neu gegründete BSZ und die darin neu eingerichteten Fachschulen nach dem Sächsischen Schulgesetz seien Lehrkräfte benötigt worden und für den Einsatz in den genannten Bereichen des BSZ seien insbesondere auch Bewerber aus den bisherigen Ingenieur- und aufgelösten Fachschulen in Betracht gekommen; diese Lehrkräfte hätten sich daher auch für die neu entstandenen Stellen an den Fachschulen nach dem Sächsischen Schulgesetz entsprechend einer Stellenausschreibung des SMK vom 1. Oktober 1992 beworben. Alsdann hat das Oberschulamt Dresden, wie seinem Schreiben vom 7. April 1993 zu entnehmen ist, eine Liste der Bewerbungen aus dem Kreis der Beschäftigten der aufgelösten ehemaligen Einrichtung dem damaligen Direktor zugeleitet, wobei die Lehrkräfte genannt wurden, deren Bewerbung nach Abschluß des Auswahlverfahrens – wie auch beim Kläger – nicht berücksichtigt worden war. Nach den für den Senat verbindlichen Feststellungen des Landesarbeitsgerichts (§ 561 ZPO) versieht auch der Schüler des Klägers, der Ingenieur M., die gleichen Aufgaben im BSZ, wie sie der Kläger an der früheren Fachschule ausgeführt hat. Die Revision hat auch nicht die weitere Feststellung gerügt, nach der eigenen Darstellung des Beklagten seien erhebliche Ausbildungsinhalte gleich und damit die Tätigkeit des Lehrpersonals vergleichbar geblieben. Der Beklagte hat also seinerzeit selbst in den unterschiedlichen Verwaltungszweigen – einerseits Ressort des SMWK und andererseits Verwaltungsbereich des SMK – keinen Hinderungsgrund gesehen, seinen Personalbedarf aus dem jeweiligen anderen Ressort zu decken. Daß dem so ist, wird letztlich auch dadurch belegt, daß der frühere Direktor der Fachschule für Technik und Betriebswirtschaft nunmehr im BSZ als Leiter der Abteilung Technik beschäftigt wird. Das Berufungsgericht hat demnach zutreffend darauf abgestellt, daß der Beklagte, der einerseits die Auflösung der früheren Fachschule für Technik und Betriebswirtschaft bewirkte und andererseits im Zusammenhang damit durch seine Organisationsänderung das BSZ ins Leben rief, kraft seiner Personalhoheit Weiterverwendungsmöglichkeiten – auch für den Kläger – berücksichtigen mußte.
Dieses Ergebnis wird durch folgende Kontrollüberlegung bestätigt: Hätte der Beklagte statt der Zuweisung der Technikerausbildung in ein anderes Ressort diese an der bisherigen Fachschule umorganisiert, wobei Arbeitsplätze weggefallen wären, hätte selbstverständlich eine soziale Auswahl nach § 1 Abs. 3 KSchG innerhalb derselben Dienststelle erfolgen müssen, so daß die Belange des Klägers zu berücksichtigen gewesen wären.
c) Fallen in einer Dienststelle Beschäftigungsmöglichkeiten weg, besteht aber an einer anderen Stelle für einen Teil der betroffenen Arbeitnehmer eine Weiterbeschäftigungsmöglichkeit, so hat der Arbeitgeber, soweit die Arbeitnehmer fachlich und persönlich geeignet sind, durch eine Sozialauswahl nach den Grundsätzen des § 1 Abs. 3 KSchG zu entscheiden, welche der zur Kündigung anstehenden Arbeitnehmer er weiterbeschäftigt (Senatsurteile vom 10. November 1994 – 2 AZR 242/94 – AP Nr. 65, a.a.O. und vom 15. Dezember 1994 – 2 AZR 320/94 – AP Nr. 66, a.a.O., zu III 2 der Gründe). Dabei kann der Arbeitgeber die erforderliche Sozialauswahl nicht dadurch umgehen, daß er die freien Arbeitsstellen zunächst mit den Arbeitnehmern seiner Wahl besetzt und dann den anderen sozial schutzwürdigeren Arbeitnehmern mit der Begründung kündigt, eine Sozialauswahl sei nicht mehr möglich, weil keine freien Stellen mehr vorhanden seien (Senatsurteile a.a.O.). Zwar ist bei der Beurteilung des Kündigungssachverhalts grundsätzlich auf den Kündigungszeitpunkt abzustellen. Dies bedeutet aber nicht, daß bei einer vorweggenommenen Stellenbesetzung durch den Arbeitgeber der Kündigungsschutz des Arbeitnehmers entfiele. Erfolgen die Besetzung der freien Stelle und die Kündigung aufgrund eines einheitlichen Vorgehens, so sind beide Erklärungen des Arbeitgebers bei der Prüfung der Voraussetzungen des § 1 KSchG auch als Einheit zu würdigen; der Arbeitgeber kann sich nach § 162 BGB nicht auf den von ihm durch die vorweggenommene Stellenbesetzung selbst verursachten Wegfall der freien Stellen im Kündigungszeitpunkt berufen (Senatsurteil vom 15. Dezember 1994 – 2 AZR 320/94 – AP, a.a.O.).
d) Dabei braucht nicht vertieft zu werden, ob vorliegend schon § 1 Abs. 3 KSchG gilt, wogegen allerdings wegen der dienststellenübergreifenden Personalentscheidungen in noch dazu unterschiedlichen Verwaltungszweigen des öffentlichen Arbeitgebers und auch deshalb Bedenken bestehen, weil vorliegend der Personalbedarf für die Abteilung Technik des BSZ ja nicht nur aus der früheren Fachschule für Technik und Betriebswirtschaft rekrutiert worden ist (siehe dazu auch Senatsurteil vom 15. Dezember 1994 – 2 AZR 320/94 – AP Nr. 66, a.a.O., zu III 3 der Gründe). Denn auch wenn § 1 Abs. 3 KSchG nicht unmittelbar oder entsprechend angewandt wird, führt dies nicht zu einem anderen Ergebnis. Der Arbeitgeber ist in seiner Auswahlentscheidung unter den vorstehend zu c) genannten Umständen nicht völlig frei und – wie die Revision geltend macht – berechtigt, soziale Belange der betroffenen Arbeitnehmer überhaupt nicht mitzuberücksichtigen. Erst die Auswahlentscheidung des Arbeitgebers bestimmt nämlich, wem gegenüber die Kündigung nach § 1 Abs. 2 KSchG sozial gerechtfertigt ist. Die Auswahlentscheidung konkretisiert deshalb den Inhalt einer Schutznorm zugunsten eines von mehreren Arbeitnehmern; eine solche Entscheidung darf der Arbeitgeber nicht nach freiem Belieben, sondern nur nach billigem Ermessen im Sinne von § 315 Abs. 3 BGB treffen (Senatsurteil vom 10. November 1994 – 2 AZR 242/94 – AP Nr. 65 zu § 1 KSchG 1969 Betriebsbedingte Kündigung, zu B III der Gründe, m.w.N.; ebenso für die Kündigung nach dem Einigungsvertrag wegen mangelnden Bedarfs BAG Urteile vom 19. Januar 1995 – 8 AZR 914/93 – AP Nr. 12 zu Art. 13 Einigungsvertrag; vom 10. Oktober 1996 – 8 AZR 677/94 – nicht veröffentlicht, zu B I 1 c bis f der Gründe und Senatsurteil vom 5. Oktober 1995 – 2 AZR 1019/94 – AP Nr. 55 zu Einigungsvertrag Anlage I Kap. XIX). Die Grundsätze der Billigkeit sind nur gewahrt, wenn alle wesentlichen Umstände des Falles abgewogen und die beiderseitigen Interessen angemessen berücksichtigt sind; es entspricht nicht der Billigkeit, wenn der Arbeitgeber bei der Anwendung der Schutznorm lediglich unternehmerische Interessen verwirklicht; der Arbeitgeber muß seine einseitige, einzelne Arbeitnehmer belastende Auswahlentscheidung nach vernünftigen, sachlichen Gesichtspunkten treffen und billiges Ermessen (§ 315 Abs. 1 BGB) wahren; der öffentliche Arbeitgeber hat bei der Auswahl deshalb auch die sozialen Gesichtspunkte zu berücksichtigen, wobei dienstliche Gründe und soziale Belange des Arbeitnehmers gegeneinander abzuwägen sind.
Der Kläger hat dargestellt, die Sozialauswahl sei fehlerhaft, weil sein Schüler, der Ingenieur M., beschäftigt werde, während er als der ältere und den Schwerbehinderten gleichgestellte Arbeitnehmer gekündigt worden sei. Der Beklagte ist dem nicht entgegengetreten, sondern hat den Standpunkt vertreten, eine Sozialauswahl sei wegen Wegfalls der Beschäftigungsstelle nicht notwendig; vergleichbare Arbeitnehmer habe es nicht gegeben. Der Beklagte hat sich insbesondere nicht zu dem Vorbringen des Klägers geäußert, der wesentlich jüngere Ingenieur M. ohne fachschulpädagogische Ausbildung werde im Gegensatz zum Kläger weiterbeschäftigt. Der Beklagte hat insoweit erstinstanzlich nur vorgetragen, der Kläger sei nicht ernstlich an einer Tätigkeit im Berufsschulbereich interessiert gewesen; entsprechend habe sich der damalige Direktor der Fachschule in einem Schreiben an die Hauptfürsorgestelle geäußert, der Kläger sehe sich vielmehr für eine von mehreren Professorenstellen befähigt. Angesichts der unstreitigen Tatsache, daß der Kläger sich auch um eine Übernahme in das Lehrerverhältnis beim SMK beworben hat – seine Bewerbungen um eine Professorenstelle sind erfolglos geblieben –, muß davon ausgegangen werden, die Auswahlentscheidung des Beklagten sei zu Lasten des Klägers fehlerhaft getroffen worden. Der Beklagte hat von sich aus keine betrieblichen Gründe dargelegt, die eine Bevorzugung des Arbeitnehmers M. begründen könnten.
Das Landesarbeitsgericht hat sich zwar zu dieser Frage nicht geäußert. Der Senat kann aber in dem vorstehend gekennzeichneten Sinne selbst entscheiden, zumal nicht ersichtlich ist, welche neuen Gesichtspunkte der Beklagte anführen könnte. Er hat auch in der Revisionsinstanz hierzu nichts vorgetragen.
3. Mit der Entscheidung über den Feststellungsantrag wird der Rechtsstreit rechtskräftig abgeschlossen. Über den bisher geltend gemachten Anspruch des Klägers auf vorläufige Weiterbeschäftigung für die Dauer des Rechtsstreits war daher nicht mehr zu befinden.
Unterschriften
Etzel, Bitter, Bröhl, Frey, Röder
Fundstellen