Entscheidungsstichwort (Thema)
Übergang von Arbeitsverhältnissen kraft Gesetzes
Normenkette
BGB § 613a
Verfahrensgang
LAG Brandenburg (Urteil vom 24.02.1993; Aktenzeichen 5 Sa 357/92) |
ArbG Neuruppin (Urteil vom 04.05.1992; Aktenzeichen 2 (1) Ca 2221/91) |
Tenor
Die Revision der Klägerin gegen das Urteil des Landesarbeitsgerichts Brandenburg vom 24. Februar 1993 – 5 Sa 357/92 – wird zurückgewiesen.
Die Klägerin hat die Kosten der Revision zu tragen.
Von Rechts wegen!
Tatbestand
Die Parteien streiten darüber, ob das Arbeitsverhältnis der Klägerin mit dem Landkreis K. auf die Beklagte übergegangen ist.
Die im Jahre 1939 geborene Klägerin wurde am 2. Mai 1957 beim Rat des Kreises K. zunächst als Wartungskraft eingestellt. Gemäß Vereinbarung vom 11. März 1959 mit dem Rat des Kreises K. war sie seit dem 1. März 1959 als Erzieherin im Kindergarten der Beklagten mit 12 Wochenstunden beschäftigt. Ab dem 1. September 1982 wurde sie als Helferin mit 30 Wochenstunden im Kindergarten eingesetzt.
Der Landrat des Landkreises K. teilte mit Rundverfügung vom 11. Oktober 1990 den kreisangehörigen Städten und Gemeindeverwaltungen folgendes mit:
„Mit dem Inkrafttreten des Kommunalgesetzes am 6. Mai 1990 geht ein wesentlicher Teil der bisher zentral ausgeübten Verwaltung, in die Verantwortung der Städte und Gemeinden über.
Dem Rechnung tragend und der vorgesehenen Bildung von Kindertagesstätten entsprechend, wird eine einheitliche Personalbewirtschaftung von Kinderkrippen und Kindergärten angestrebt.
Deshalb wird verfügt:
Mit Wirkung vom 1.1.1990 geht die Personalbewirtschaftung der Kindergärten des Landkreises K. in den Amtsbereich der Städte- und Gemeindeverwaltungen über. Dazu sind durch Sie in Abstimmung mit dem Schulamt bis zum 31.12.1990
- die arbeitsrechtlichen Vorgänge und
- die Haushaltsvorgänge bezüglich der Personalkosten protokollarisch abzuschließen.
Zur Übernahme der Personalkosten und Gehaltsunterlagen und zur Einweisung in die Personalbewirtschaftung des pädagogischen Personals wird Ihnen eine gesonderte Einladung durch das Schulamt zugehen. Konkrete Absprachen, den einzelnen Kindergarten betreffend, können in dem Zusammenhang mit den verantwortlichen Mitarbeitern geführt werden.
Entsprechend den Aufgaben der Schulaufsichtsbehörde berührt diese Verfügung nicht deren Rechte und Pflichten im Sinne der unteren Kreisaufsichtsbehörde.”
In einem vom Bürgermeister der Beklagten und dem Kreisschulrat unterzeichneten „Übergabeprotokoll” vom 13. Dezember 1990 heißt es dazu u.a.:
„Mit Wirkung vom 1.1.1991 wird bezugnehmend auf die Rundverfügung des Landrates für den Landkreis K. vom 11.10.1990 die Personalbewirtschaftung für Kindergärtnerinnen in die Verantwortung der Stadt- bzw. Gemeindeverwaltungen übergeben.”
Die Klägerin ist in der Rubrik „Überleitung des pädagogischen Personals” nicht genannt.
Der Landkreis K. kündigte das Arbeitsverhältnis der Klägerin unter dem 28. November 1990 zum 31. März 1991. Das vom Kreisschulrat unterzeichnete Kündigungsschreiben trägt den Briefkopf „Landkreis K. – der Landrat – Schulamt” und verweist zur Begründung der Kündigung auf die Reduzierung der Kindergartengruppen, die es ermögliche, alle Planstellen mit ausgebildeten Kräften zu besetzen; für die Beschäftigung der Klägerin bestehe deshalb kein Bedarf mehr. Die Klägerin wurde bis zum 31. März 1991 weiter im Kindergarten der Beklagten beschäftigt und erhielt ihre Vergütung auch nach dem 31. Dezember 1990 von dem Landkreis K. Auf die Kündigungsschutzklage der Klägerin gegen den Landkreis K. hat das Arbeitsgericht Neuruppin mit Urteil vom 4. Mai 1992 rechtskräftig festgestellt, daß das Arbeitsverhältnis nicht durch die Kündigung vom 28. November 1990 aufgelöst worden ist.
Die Klägerin hat geltend gemacht, ihr Arbeitsverhältnis sei gemäß § 613 a BGB vom Landkreis K. auf die Beklagte übergegangen. Die Beklagte habe den Kindergarten so übernommen, wie er zuvor vom Landkreis betrieben worden sei. Sie habe ihn rechtsgeschäftlich erworben, indem sie sich entschlossen habe, ihn weiterzuführen. Ihr sei die Leitungs- und Organisationsmacht eingeräumt worden. § 613 a BGB sei im Falle der Überleitung von Betrieben durch Verordnung bei Arbeitsverhältnissen im öffentlichen Dienst zumindest analog anwendbar. Anderenfalls entstehe eine Lücke im Bestandsschutz der Arbeitnehmer.
Die Klägerin hat beantragt
festzustellen, daß ihr Arbeitsverhältnis mit der Übernahme der Einrichtung durch die Beklagte mit dieser zu unveränderten Bedingungen fortbestehe.
Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen. Sie hat geltend gemacht, eine Betriebsübernahme sei nicht erfolgt. Die Kindergärten seien schon immer von den Städten und Gemeinden selbst geführt worden. Der Kindergarten S. habe sich stets bei ihr befunden. Er sei in ihren Räumen und mit ihren Sachmitteln betrieben worden. Das technische Personal habe im Arbeitsverhältnis zu ihr gestanden. Lediglich das pädagogische Personal sei dem Rat des Kreises zugeordnet gewesen und erst jetzt durch die Gemeinde zu finanzieren. Die Trägerschaft der Gemeinde gemäß der Verordnung über Kindereinrichtungen der Vorschulerziehung vom 22. April 1976 sei aber keineswegs auf den Kreis übertragen gewesen. Der Kindergarten sei auch kein Betrieb im Sinne des § 613 a BGB. Ein Rechtsgeschäft liege nicht vor, sondern lediglich eine Verfügung des Landrats und damit allenfalls eine Punktionsübertragung.
Das Arbeitsgericht hat der Klage stattgegeben. Das Landesarbeitsgericht hat sie abgewiesen. Mit der vom Landesarbeitsgericht zugelassenen Revision begehrt die Klägerin die Wiederherstellung des erstinstanzlichen Urteils.
Entscheidungsgründe
Die Revision ist nicht begründet. Die Entscheidung des Landesarbeitsgerichts hält einer revisionsgerichtlichen Überprüfung stand.
I. Das Landesarbeitsgericht hat im wesentlichen ausgeführt, durch das Urteil des Arbeitsgerichts sei zwischen der Klägerin und dem Landkreis K. der Bestand eines Arbeitsverhältnisses rechtskräftig festgestellt worden. Dieses Arbeitsverhältnis sei nicht auf die Beklagte übergegangen. Ein Arbeitsvertrag sei zwischen den Parteien nicht abgeschlossen worden. Ein Betriebsübergang nach § 613 a BGB habe nicht stattgefunden. Der Kindergarten sei bereits vor dem 1. Januar 1991 durch die Gemeinde betrieben worden. Diese habe Ausstattung, Gebäude und technisches Personal gestellt, über die Aufnahme der Kinder entschieden sowie die Nutzungsbefugnis und die Leitungsmacht besessen. So sei es auch in der Verordnung vom 22. April 1976 vorgesehen gewesen. Daran ändere der Umstand nichts, daß das pädagogische Personal wegen des hohen Stellenwertes eines Kindergartens als Einrichtung zur sozialistischen Erziehung der Kinder beim Rat des Kreises angestellt gewesen sei. Die Beklagte sei zu keiner Zeit aus der Trägerschaft für den Kindergarten S. entlassen worden. Auch nach dem Jugendhilfeorganisationsgesetz vom 20. Juli 1990 und dem Kinder- und Jugendhilfegesetz vom 28. Juni 1990 sei sie Trägerin des Kindergartens geblieben.
Das Arbeitsverhältnis der Klägerin sei auch nicht in analoger Anwendung des § 613 a BGB auf die Beklagte übergeleitet worden. Die „Übergabe der Personalbewirtschaftung für Kindergärtnerinnen” in die Verantwortung der Beklagten sei mit dem Übergang eines Betriebes oder Betriebsteiles nicht vergleichbar. Sie beziehe sich allein auf die finanztechnische Zuordnung von Personalkosten. Für eine analoge Anwendung des § 613 a BGB hätten zumindest Aufgaben einer Körperschaft auf eine andere übertragen werden müssen. § 128 Abs. 4 BRRG sei nicht analog anzuwenden, es liege keine sog. öffentlich-rechtliche Funktionsnachfolge vor. Die Grundsätze über gewerbsmäßige unerlaubte Arbeitnehmerüberlassung im Sinne des ÄUG kämen nicht zur Anwendung; die „Arbeitnehmerüberlassung” sei nicht gewerbsmäßig und jedenfalls bis zum Inkrafttreten der Verordnung vom 18. September 1990 ausdrücklich vorgesehen gewesen. Aus der Überführung der Beschäftigungseinrichtung der Klägerin gemäß dem Einigungsvertrag könne ein Übergang des Arbeitsverhältnisses auf die Beklagte nicht, hergeleitet werden.
II. Diesen Ausführungen schließt sich der Senat im Ergebnis an.
- Die Beklagte hat den schlüssigen Vortrag der Klägerin, zwischen ihr und dem Landkreis K. habe ein Arbeitsverhältnis bestanden, nicht bestritten. Es bedarf daher keiner Prüfung der Frage, ob und ggf. welche Bindung die rechtskräftige Entscheidung des Arbeitsgerichts im Kündigungsrechtsstreit für den vorliegenden Rechtsstreit erzeugt.
- Das Arbeitsverhältnis der Klägerin ist nicht auf die Beklagte übergegangen.
a) In der ehemaligen DDR wurden staatliche Kindereinrichtungen, zu denen nach §§ 1, 3 der Verordnung über Kindereinrichtungen der Vorschulerziehung vom 22. April 1976 (GBl. DDR I S. 201) auch Kindergärten gehörten, als Einrichtungen der Räte der Stadtbezirke, Städte und Gemeinden geführt (vgl. § 5 Abs. 1 der Verordnung) Die pädagogischen Kräfte an diesen Einrichtungen wurden von den Räten der Kreise eingesetzt (vgl. § 5 Abs. 2 der Verordnung). Diese Zuordnung ist nicht durch Rechtsvorschriften zur Regelung der Rechtsverhältnisse der Kindergärten geändert worden.
aa) Ein Übergang des Arbeitsverhältnisses folgte nicht aus der Verordnung über Tageseinrichtungen für Kinder vom 18. September 1990 (GBl. DDR I S. 1577). Dessen § 4 sah vor, daß u.a. Gemeinden und Landkreise Träger von Tageseinrichtungen für Kinder sein konnten und freien Trägern der Vorrang gegeben werden sollte. Das Personal mußte pädagogisch ausgebildet sein und über das erforderliche berufliche Können, persönliche Eignung und Engagement verfügen (§ 12 der Verordnung). Eine Regelung, der die rechtliche Zuordnung des Personals entnommen werden könnte, bestand nicht.
bb) Nach § 14 des Brandenburgischen Kindertagesstättengesetzes (KitaG) vom 10. Juni 1992 (GVBl. I S. 178, in Kraft seit 1. Juli 1992), das die Verordnung vom 18. September 1990 abgelöst hat, sind Träger eines Kindergartens vornehmlich Träger der freien Jugendhilfe, Gemeinden und Gemeindeverbände. Nur wenn weder ein Träger der freien Jugendhilfe bereit noch die Gemeinde in der Lage ist, den Kindergarten zu betreiben, ist der Kreis als Träger der öffentlichen Jugendhilfe (Jugendhilfeorganisationsgesetz vom 20. Juli 1990 – GBl. DDR I S. 891) subsidiär selbst hierzu verpflichtet (§ 14 Abs. 3 KitaG). Für Kindergärten, deren Träger bereits die Gemeinde war, ergibt sich hieraus keine Veränderung.
Ein Übergang des Arbeitsverhältnisses läßt sich insbesondere nicht aus § 16 Abs. 2 KitaG herleiten, wonach der Kreis als der örtliche Träger der öffentlichen Jugendhilfe die Einrichtung mit mindestens 70 % der Kosten des erforderlichen pädagogischen Personals bezuschußt. Damit geht das KitaG davon aus, daß das pädagogische Personal von der Einrichtung selbst beschäftigt und bezahlt wird. Es ordnet aber keinen Übergang der Arbeitsverhältnisse an, sondern trifft nur finanzielle Folgeregelungen für erforderliche Personalkosten. Wie sich der Träger der Einrichtung das erforderliche Personal beschafft, wird gerade nicht geregelt.
cc) Die Klägerin kann auch nichts aus dem Gesetz über die Selbstverwaltung der Gemeinden und Landkreise in der DDR (Kommunalverfassung) vom 17. Mai 1990 (GBl. DDR I S. 255) für sich herleiten. Nach § 2 Abs. 2 dieses Gesetzes gehört es zu den Selbstverwaltungsaufgaben der Gemeinden, ein breites öffentliches Angebot an Kinderbetreuungseinrichtungen zu sichern und zu fördern. Durch diese Aufgabenzuweisung wurde die Neuzuordnung des Personals im vorliegenden Fall zwar veranlaßt, aber nicht herbeigeführt. Die Norm gestaltet nicht, unmittelbar die Arbeitsverhältnisse an den genannten Einrichtungen.
b) Ein Übergang des Arbeitsverhältnisses auf die Beklagte folgt nicht aus § 613 a BGB. Die Klägerin hat die Voraussetzungen eines Betriebsübergangs nicht dargelegt. Nach den öffentlich-rechtlichen Vorgaben blieb die schuld- und sachenrechtliche Zuordnung der den Kindergarten ausmachenden Betriebsmittel unverändert. Daß die Beklagte mit einem Teil der früheren Beschäftigten des Landkreises K. Arbeitsverträge geschlossen hat, begründet keinen Betriebsübergang. Die personelle Verantwortung macht nicht das Substrat des Kindergartens aus, steht der konkret zu erbringenden Dienstleistung nicht gleich. Es kann deshalb dahingestellt bleiben, ob die Erwägungen des Europäischen Gerichtshofs zur Auslegung der Richtlinie 77/187/EWG im Falle der vertraglichen „Übernahme der Verantwortung für Reinigungsaufgaben” (vgl. Entscheidung des EuGH vom 14. April 1994 – RsC-392/92 – ZIP 1994, 1036) überhaupt auf die Reorganisation der öffentlichen Verwaltung der neuen Bundesländer übertragen werden können.
c) Eine analoge Anwendung von § 613 a BGB kommt nicht in Betracht. Es fehlt an einer planwidrigen Regelungslücke, die durch Analogie gefüllt werden müßte. Der vorliegende Fall ist vom Normzweck des § 613 a BGB nicht umfaßt. Diese Bestimmung schützt den Arbeitnehmer vor dem Verlust des Arbeitsplatzes im Falle eines Betriebsinhaberwechsels, indem er die Arbeitsverhältnisse bei neuer rechtlicher Zuordnung der wesentlichen Betriebsmittel entsprechend zuordnet. Er gewährleistet, daß der Inhaber der wesentlichen Betriebsmittel zugleich Arbeitgeber wird. Normzweck des § 613 a BGB ist es aber nicht, dort wo Arbeitgeberstellung und Inhaberschaft der Betriebsmittel noch nie in einer Person zusammengefallen sind, diese „Personalunion” kraft Gesetzes herbeizuführen. Der Normzweck des § 613 a BGB ändert sich auch nicht dadurch, daß Arbeitgeber, Arbeitnehmer und Betriebsinhaber die „Personalunion” für einzelne Arbeitnehmer durch Rechtsgeschäft herbeiführen.
d) Nach § 128 Abs. 3 BRRG haben die aufnehmenden Körperschaften im Falle einer teilweisen Eingliederung einer anderen Körperschaft deren Beamte zu einem Teil „zu übernehmen”. Danach ist kein gesetzlicher Übergang von Beamtenverhältnissen, sondern die Umsetzung der Übernahmeentscheidung mittels Verwaltungsakts erforderlich (vgl. BVerwG Beschluß vom 3. März 1981 – 7 B 36.81 – Buchholz 415.1 – Nr. 33). Wäre eine analoge Anwendung dieser Norm möglich, würde allenfalls eine Pflicht zur Übernahme von Personal begründet, jedoch kein gesetzlicher Arbeitgeberwechsel geregelt.
III. Die Klägerin hat gemäß § 97 Abs. 1 ZPO die Kosten ihres erfolglosen Rechtsmittels zu tragen.
Unterschriften
Ascheid, Dr. Wittek, Mikosch, Plenge, Brückmann
Fundstellen