Entscheidungsstichwort (Thema)
Auslegung einer vertraglichen Schriftformklausel
Leitsatz (redaktionell)
Fortführung der Senatsrechtsprechung BAG 9. Oktober 1997 – 2 AZR 195/97 – RzK I 2 a Nr. 18 und BAG 16. September 1999 – 2 AZR 712/98 – AP GrO kath. Kirche Art. 4 Nr. 1, wonach für Vertragsänderungen, -ergänzungen und Nebenabreden vereinbarte Formvorschriften grds. nicht auch für Kündigungen gelten.
Normenkette
BGB §§ 125, 133, 157, 623
Verfahrensgang
Tenor
Die Revision des Klägers gegen das Urteil des Landesarbeitsgerichts Hamm vom 29. April 1999 – 6 Sa 1920/98 – wird auf Kosten des Klägers zurückgewiesen.
Von Rechts wegen !
Tatbestand
Der Kläger war bei der Beklagten seit 11. Mai 1998 als Angestellter zu einem monatlichen Bruttogehalt von 5.500,00 DM beschäftigt. Nach dem Vertrag waren die ersten sechs Monate des Arbeitsverhältnisses als Probezeit mit einer einmonatigen Kündigungsfrist zum Schluß des Kalendermonats vereinbart. Am Ende des Arbeitsvertrages heißt es:
„§ 13 Änderungen des Vertrages
Änderungen des Arbeitsvertrages sowie Nebenabreden u.s.w. bedürfen ausdrücklich der Schriftform. Mündliche Absprachen sind rechtsunwirksam.”
Der Vertrag sieht in § 11 ferner vor, daß Ausnahmeregelungen zum grundsätzlichen Ausschluß von Nebentätigkeiten schriftlich vereinbart werden.
Die Beklagte kündigte dem Kläger am 8. Juni 1998 mündlich zum 31. Juli 1998.
Der Kläger hat geltend gemacht, die Kündigung sei mangels Beachtung der in § 13 des Arbeitsvertrages geregelten Schriftform unwirksam. Er hat, soweit für die Revisionsinstanz von Belang, beantragt
festzustellen, daß das Arbeitsverhältnis der Parteien ungekündigt fortbesteht.
Die Beklagte hat zu ihrem Klageabweisungsantrag die Auffassung vertreten, § 13 des Vertrages betreffe nicht auch die Kündigung des Arbeitsverhältnisses. Falls doch, sei die Schriftformvereinbarung in dem Gespräch, in dem die streitige Kündigung erklärt worden sei, konkludent einvernehmlich aufgehoben worden.
Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen. Die Berufung des Klägers blieb erfolglos. Mit seiner vom Landesarbeitsgericht zugelassenen Revision begehrt der Kläger weiter eine Entscheidung nach dem genannten Antrag.
Entscheidungsgründe
Die Revision des Klägers ist unbegründet. Daß das Landesarbeitsgericht die streitige Kündigung für wirksam erachtet hat, ist revisionsrechtlich nicht zu beanstanden.
I. Das Landesarbeitsgericht hat § 13 des Arbeitsvertrages dahin ausgelegt, daß lediglich Änderungen des Vertrages und Nebenabreden der Schriftform bedürfen, nicht dagegen die auf Beseitigung des Schuldverhältnisses gerichtete Kündigung. Bei dem Zusatz „u.s.w.” handele es sich um eine inhaltsleere Floskel, aus der nicht hergeleitet werden könne, daß auch Kündigungen, also Rechtsgeschäfte von völlig anderem Zuschnitt und Gewicht, erfaßt werden sollten.
II. Dem folgt der Senat im Ergebnis und auch in der Begründung. Die streitige Kündigung ist nicht gemäß § 125 Satz 2 BGB unwirksam(Fortführung der Rechtsprechung des Senats, vgl. 9. Oktober 1997 – 2 AZR 195/97 – RzK I 2 a Nr. 18 und 16. September 1999 – 2 AZR 712/98 – AP GrO kath. Kirche Art. 4 Nr. 1; ebenso BAG 16. Mai 2000 – 9 AZR 245/99 – zur Veröffentlichung vorgesehen).
Die Auslegung von § 13 des Arbeitsvertrages (§§ 133, 157 BGB) durch das Landesarbeitsgericht dürfte zwar, weil es sich wohl um einen Formular-Arbeitsvertrag handelt, der uneingeschränkten revisionsgerichtlichen Überprüfung unterliegen(vgl. BAG 9. Oktober 1997 aaO mwN). Auch einer solch uneingeschränkten Überprüfung hält die Auslegung jedoch stand.
Die Begriffskombination „Änderungen des Arbeitsvertrages” impliziert, daß der Vertrag in geänderter Form fortbesteht. Eine Kündigung des Arbeitsvertrages als dessen „Änderung” zu bezeichnen, entspricht nicht dem allgemeinen Sprachgebrauch. Bereits die Überschrift von § 13 spricht deshalb dafür, daß die Klausel nur inhaltliche Änderungen oder Ergänzungen des im übrigen fortbestehenden Arbeitsvertrages, nicht aber Kündigungen erfaßt. Sie soll, wie sich auch aus Satz 2 entnehmen läßt, verhindern, daß im fortbestehenden Arbeitsverhältnis Streit über Ansprüche und Rechte der Parteien entsteht, die angeblich nach Abschluß des Arbeitsvertrages vom 1. Mai 1998 mündlich oder konkludent eingeräumt worden sein sollen. Mit dem Zusatz „u.s.w.” in Satz 1 soll dieser Zweck möglichst umfassend gesichert werden, also verhindert werden, daß derartige Ansprüche oder Rechte zB aus einer betrieblichen Übung oder aus einer Konkretisierung der geschuldeten Tätigkeit abgeleitet werden. Inwieweit § 13 des Arbeitsvertrages dies leisten kann, ist vorliegend nicht zu entscheiden. Jedenfalls hätte, wenn auch die auf Beseitigung des Arbeitsvertrages gerichtete und damit auf einer ganz anderen Ebene liegende Kündigung dem Schriftformzwang unterstellt werden sollte, dies durch Aufnahme eines entsprechenden Begriffs in den Katalog des § 13 Satz 1 oder in anderer Weise klargestellt werden müssen(vgl. BAG 9. Oktober 1997 aaO).
Dies gilt um so mehr, als der Vertrag in § 11 eine weitere Formvorschrift für ein bestimmtes Rechtsgeschäft vorsieht. Wenn dann die Kündigung, die auf eine Beendigung des Arbeitsverhältnisses zielt und daher von besonderem Gewicht ist, im Vertrag nicht als formbedürftig genannt ist, kann nicht angenommen werden, daß sie nach dem Willen beider Vertragspartner gleichwohl der Schriftform unterliegen sollte. Vielmehr ergibt die Auslegung des Vertrages das Gegenteil so eindeutig, daß sich ein Rückgriff auf die sogenannte Unklarheitenregel verbietet. Die Unklarheitenregel wäre nur anzuwenden, wenn nach Ausschöpfung der in Betracht kommenden Auslegungsmöglichkeiten ein nicht behebbarer Zweifel bliebe und mindestens zwei Auslegungen rechtlich vertretbar wären(BAG 8. September 1998 – 9 AZR 255/97 – AP BGB § 611 Nettolohn Nr. 10 = EzA BGB § 611 Aufhebungsvertrag Nr. 32, zu III 4 der Gründe).
Schließlich ergibt sich die Unwirksamkeit der streitigen Kündigung entgegen der vom Kläger in der Revisionsinstanz vertretenen Auffassung auch nicht aus dem zum 1. Mai 2000 in Kraft getreten § 623 BGB in Verbindung mit § 125 BGB. Gestaltungswirkung entfaltet bereits die Kündigung als privatautonome Willenserklärung des Arbeitgebers. Ob die Gestaltungswirkung eintritt, kann grundsätzlich nur nach der beim Zugang (§ 130 BGB) der Willenserklärung bestehenden Rechtslage beurteilt werden. Wollte der Gesetzgeber ein durch eine Kündigung aufgelöstes privatrechtliches Rechtsverhältnis, wie es das Arbeitsverhältnis darstellt, rückwirkend oder mit der Gesetzesänderung ex nunc neu begründen, bedürfte dies – ungeachtet der Frage der verfassungsrechtlichen Zulässigkeit – einer ausdrücklichen oder jedenfalls eindeutigen Regelung(vgl. BAG 21. Januar 1999 – 2 AZR 624/98 – AP KSchG 1969 § 1 Namensliste Nr. 3 = EzA KSchG § 1 Soziale Auswahl Nr. 39, zu II 1 der Gründe; BAG 10. Februar 1999 – 2 AZR 716/98 – AP KSchG 1969 § 1 Soziale Auswahl Nr. 40 = EzA KSchG § 1 Soziale Auswahl Nr. 38, zu II 2 a der Gründe; siehe auch BAG 16. Mai 2000 – 9 AZR 245/99 – zur Veröffentlichung vorgesehen, zu I 3 der Gründe). An einer solchen Regelung fehlt es, weshalb § 623 BGB vor dem 1. Mai 2000 zugegangene Kündigungen nicht erfaßt. Auch im übrigen sind Rechtsfehler des angefochtenen Urteils weder ersichtlich noch werden solche von der Revision gerügt.
Unterschriften
Bepler für den wegen Urlaubs an der Unterschriftsleistung verhinderten Richter am Bundesarbeitgericht Bröhl, Fischermeier, Bepler, Thelen, Sieg
Veröffentlichung
Veröffentlicht am 06.07.2000 durch Anderl, Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle
Fundstellen