Entscheidungsstichwort (Thema)

Abfindung aus Sozialplan

 

Normenkette

BetrVG 1972 § 112

 

Verfahrensgang

LAG Bremen (Urteil vom 06.08.1996; Aktenzeichen 1 Sa 238/95)

ArbG Bremen (Urteil vom 14.06.1995; Aktenzeichen 7 Ca 7569/94)

 

Tenor

Auf die Revision des Klägers wird das Urteil des Landesarbeitsgerichts Bremen vom 6. August 1996 – 1 Sa 238/95 – aufgehoben.

Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil des Arbeitsgerichts Bremen vom 14. Juni 1995 – 7 Ca 7569/94 – abgeändert.

Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 100.189,75 DM nebst 4 % Zinsen seit dem 28. Dezember 1994 zu zahlen.

Die Kosten des Rechtsstreits trägt die Beklagte.

Von Rechts wegen!

 

Tatbestand

Die Beklagte – früher die De. GmbH, heute die Da. GmbH – ist ein Unternehmen der Luft- und Raumfahrt und Tochter der Da. AG. Diese beschloß am 20. Oktober 1993 aufgrund geänderter wirtschaftlicher Verhältnisse erhebliche Umstrukturierungsmaßnahmen im Konzern. Dazu heißt es in einem am 29. Juni 1994 mit dem Konzernbetriebsrat vereinbarten Interessenausgleich u.a. wie folgt:

„Dieser Interessenausgleich entsteht anläßlich der von D. geplanten Umstrukturierung der Geschäftsfelder Luftfahrt und Verteidigung/Zivile Systeme.

(Es folgt eine Schilderung der wirtschaftlichen Situation)

Vor diesem Hintergrund hat D. ein Struktur- und Kapazitätsanpassungskonzept mit Datum vom 20. Oktober 1993 entwickelt und die zuständigen Arbeitnehmervertretungen darüber informiert.

Die einzelnen Maßnahmen

Schließung von Standorten

Verlagerung von Arbeitspaketen zwischen den verbleibenden und von zu schließenden in andere Standorte

sind in dem Konzept vom 20. Oktober 1993 beschrieben.

In den Verhandlungen hat der KBR wiederholt die Notwendigkeit einzelner Maßnahmen, insbesondere der Standortschließungen angezweifelt. Er hat gefordert, mit kollektiver Arbeitszeitreduzierung für die gesamte D., mit ausgedehnter Kurzarbeit, mit extensiver Ausweitung von Frühpensionierungen und mit Rücknahme von derzeit fremdvergebenen Aufgaben die Kündigung von Arbeitsverhältnissen und damit die Entlassung dieser Mitarbeiter in eine ungewisse persönliche Zukunft zu verhindern bzw. – wenn überhaupt – auf ein Minimum zu beschränken. Die Einwendungen des KBR wurden nach ausführlichen Erörterungen soweit wie möglich berücksichtigt. Sie sind in die Anlagen zu diesem Interessenausgleich eingegangen.

Insbesondere wurden mit Hilfe des Landes N. Regelungen gefunden, die es erlauben, den Standort L. aus dem Konzern zu lösen, gleichwohl allen Mitarbeitern Arbeitsplätze zu sichern.

Soweit sich die Notwendigkeit zum Abbau von Personal ergibt, erfolgt dieser vorrangig durch sozialverträgliche Maßnahmen wie Umsetzungen/Versetzungen innerhalb des Konzerns, Nichtersatz von Fluktuation, soweit möglich vorzeitige Pensionierungen, Aufhebungsverträge sowie das Angebot von Teilzeitverträgen, um weitestgehend betriebsbedingte Kündigungen zu vermeiden.

…”

Bei der angesprochenen Personalreduzierung handelt es sich um einen geplanten Abbau von rund 10.000 Arbeitsplätzen im gesamten Konzern.

Aufgrund des Beschlusses der Konzernleitung vom 20. Oktober 1993 schloß auch die Beklagte 1993 und 1994 mit einer Vielzahl von Arbeitnehmern Aufhebungsverträge.

Der Kläger war seit 1959 bis zum 31. Dezember 1994 bei der Beklagten als technischer Angestellter beschäftigt. Sein Monatsgehalt betrug zuletzt 7.905,00 DM.

Die Parteien schlossen am 21. Januar 1994 einen Aufhebungsvertrag, in dem es u.a. heißt:

„1. Das Arbeitsverhältnis zwischen den Vertragsparteien wird aufgrund erheblicher betrieblicher Belange auf Veranlassung des Unternehmens im gegenseitigen Einvernehmen mit Ablauf des

31.12.1994

beendet.

2. Zum Ausgleich der damit verbundenen sozialen Härten erhält der Mitarbeiter eine Abfindung.

Diese beträgt unter Zugrundelegung der aktuellen Bezüge des Mitarbeiters

DM 167.679,00 (brutto).

4. Dieser Aufhebungsvertrag verliert darüber hinaus seine Gültigkeit, wenn die Anspruchsvoraussetzungen für eine Sozialversicherungsrente bei Vertragsabschluß vorliegen oder später bis zum Austrittszeitpunkt eintreten oder wenn das bestehende Arbeitsverhältnis zu einem anderen als dem im Aufhebungsvertrag vereinbarten Zeitpunkt endet.

5. Treten die Voraussetzungen für die Inanspruchnahme einer Sozialversicherungsrente vor Vollendung des 60. Lebensjahres ein (z.B. durch Berufs- oder Erwerbsunfähigkeit), so ist der auf die Zeit des vorzeitigen Rentenbezuges entfallende Anteil der Abfindung zurückzuzahlen.

Bei Abschluß dieses Vertrages wird unterstellt, daß der Mitarbeiter keinen Anspruch auf den Bezug von Arbeitslosenhilfe hat. Wird dennoch Arbeitslosenhilfe an den Mitarbeiter gewährt, sind diese Leistungen an das Unternehmen zu erstatten.

10. Mitarbeiter, die nach dem 31. Dezember 1993 aber vor Abschluß eines bis zum 31. Dezember 1995 geschlossenen Sozialplanes aus dem Unternehmen aufgrund eines Aufhebungsvertrages ausscheiden, erhalten auf Antrag eine Nachzahlung, sofern der Anspruch aus dem Sozialplan zum Zeitpunkt des Austritts höher gewesen wäre als die vom Unternehmen geleistete Abfindung.

…”

Die Abfindung des Klägers wurde nach dem sog. 55er-Modell berechnet, über das der Kläger eine Informationsschrift der Beklagten erhielt.

Der Kläger schied zum 31. Dezember 1994 aus den Diensten der Beklagten aus. Diese zahlte an ihn die vereinbarte Abfindung in Höhe von 167.679,00 DM.

Am 29. Juni 1994 vereinbarten die D. und der Konzernbetriebsrat einen Sozialplan, in dem es u.a. heißt:

„1. Geltungsbereich

Dieser Sozialplan gilt für alle Mitarbeiter, deren Arbeitsverhältnis infolge der im Interessenausgleich vom 29.6.94 beschriebenen Maßnahmen … ab 1.1.1994

  • eine Beendigungskündigung erhalten oder erhalten haben
  • einen Aufhebungsvertrag abschließen oder abgeschlossen haben
  • eine Eigenkündigung aussprechen oder ausgesprochen haben
  • von Versetzungsmaßnahmen betroffen sind
  • einen Vorruhestandsvertrag gemäß den Vorgaben im Interessenausgleich abschließen

2. Sozialplanleistungen beim Ausscheiden ohne Vorruhestand

2.1 Abfindungen

Ausscheidende Mitarbeiter erhalten folgende Abfindungsleistungen:

2.1.1 Eine Grundabfindung, die sich nach folgender Formel berechnet:

Lebensalter × Betriebszugehörigkeit × Bruttomonatsgehalt/-lohn

65

2.1.3 Desweiteren erhalten ausscheidende Mitarbeiter zusätzlich folgende Beträge:

2.1.8 Für Mitarbeiter mit vollendetem 58. Lebensjahr und älter gilt anstatt der Abfindungsregelung ausschließlich die Vorruhestandsregelung.

3. Sozialplanleistungen bei Versetzung/Umzug innerhalb D.

4. Vorruhestandsregelungen

Beiderseits freiwillig abgeschlossene Vorruhestandsverträge gemäß den Vorgaben im Interessenausgleich werden nach dem in Anlage a aufgelisteten Regelungen ausgestaltet.

5. Sonderregelung L.

Arbeitnehmer des Betriebes L., deren Arbeitsverhältnis gem. § 613 a BGB auf eine Auffanggesellschaft des Landes N. übergeht, erhalten im Falle eines Widerspruchs gegen den Betriebsübergang und einer dann erforderlichen Kündigung keine Leistungen aus diesem Sozialplan, …

Bereits abgeschlossene Aufhebungs- und Vorruhestandsvereinbarungen werden vertragsgemäß abgewickelt.

6.1 Sollte eine Vorschrift dieses Sozialplans … unwirksam sein, behalten die übrigen Regelungen ihre Gültigkeit. …

…”

Hinsichtlich der in Nr. 4 des Sozialplans genannten Vorruhestandsregelungen heißt es in der Anlage a u.a.:

„Frühpensionierungsregelungen …

D. (die Beklagte):

Gesamtbetriebsvereinbarung über das vorzeitige Ausscheiden älterer Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter aus dem Unternehmen vom 4.2.1993 (Hinweis: ab Alter 58)

Modell zur Ermittlung von Abfindungszahlungen für Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, die mindestens 55 Jahre sind, aber noch nicht die Voraussetzungen der Altersgrenze gemäß BV „über das vorzeitige Ausscheiden älterer Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter” erfüllen, vom August 1993.”

Der Kläger ist der Ansicht, die Beklagte müsse seine Abfindung neu berechnen und die Differenz von 100.189,75 DM an ihn zahlen. Er hat beantragt, die Beklagte zu verurteilen, an ihn 100.189,75 DM nebst 4 % Zinsen seit dem 28. Dezember 1994 zu zahlen.

Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen.

Sie ist der Ansicht, dem Kläger stehe eine höhere Abfindung nicht zu. Ein solcher Anspruch ergebe sich schon nicht aus Nr. 10 des Aufhebungsvertrages, da der Kläger nicht vor, sondern nach Abschluß des Sozialplanes aus dem Unternehmen ausgeschieden sei. Aus dem Sozialplan ergebe sich auch kein Abfindungsanspruch für den Kläger. Der Sozialplan gelte nicht für die Arbeitnehmer des Standortes L., da dessen Überleitung auf eine Auffanggesellschaft im Interessenausgleich nicht geregelt sei. Im übrigen sei mit dem Kläger eine Vorruhestandsvereinbarung nach dem Modell 55 geschlossen worden. Das sei mit dem Kläger anläßlich des Abschlusses des Aufhebungsvertrages ausführlich erörtert worden. Die nach dem Modell 55 zu zahlende Abfindung sei berechnet worden. Nach diesem Modell berechne sich die Abfindung nach den Einkommensverlusten des Arbeitnehmers zwischen Ausscheiden aus dem Arbeitsverhältnis und frühestmöglichem Rentenbezug. Arbeitnehmer, die mit einer Vorruhestandsvereinbarung ausgeschieden seien, hätten keinen Anspruch auf eine nach Nr. 2.1 des Sozialplanes berechnete Abfindung, sondern seien auf die Vorruhestandsleistungen beschränkt. Ein Wahlrecht der mit Aufhebungsvertrag ausscheidenden Arbeitnehmer zwischen einer nach dem Modell 55 berechneten Abfindung und einer solchen nach dem Modell Divisor 100, bei dem sich die Abfindung vergangenheitsbezogen nach der Formel Alter × Betriebszugehörigkeit × Monatsgehalt: 100 berechnet habe, habe nach Abschluß des Sozialplanes nicht mehr bestanden.

Arbeitsgericht und Landesarbeitsgericht haben die Klage abgewiesen. Mit der zugelassenen Revision verfolgt der Kläger seinen Klageanspruch weiter, während die Beklagte um Zurückweisung der Revision bittet.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision des Klägers ist begründet. Der Kläger kann aufgrund der Vereinbarung im Aufhebungsvertrag eine Abfindung in der Höhe verlangen, wie sie sich aus der Nr. 2.1 ff. des Sozialplanes ergibt.

I. Das Landesarbeitsgericht hat seine Entscheidung damit begründet, daß der Kläger eine Abfindung nach dem Modell 55 erhalten und damit eine Vorruhestandsvereinbarung geschlossen habe. Arbeitnehmer, die „mit Vorruhestand” ausgeschieden seien, hätten nach dem Sozialplan keinen Anspruch auf eine Abfindung.

Dem vermag der Senat nicht zu folgen.

II. Dem Kläger steht eine höhere Abfindung zu.

1. Dem steht zunächst nicht die in Nr. 10 des Aufhebungsvertrages getroffene Regelung entgegen, wonach der Mitarbeiter „vor Abschluß eines Sozialplanes” aus dem Unternehmen „ausgetreten” sein muß. Der Sozialplan ist am 29. Juni 1994 abgeschlossen worden. Das Ausscheiden des Klägers aus dem Unternehmen der Beklagten erfolgte erst zum 31. Dezember 1994.

Ein wörtliches Verständnis dieser Regelung in Nr. 10 des Aufhebungsvertrages ergibt keinen Sinn. Es ist kein vernünftiger Grund ersichtlich, warum ein Arbeitnehmer, dessen Arbeitsverhältnis vor dem zu erwartenden Abschluß eines Sozialplanes endet, einen Nachbesserungsanspruch haben soll, ein Arbeitnehmer, dessen Arbeitsverhältnis erst danach sein Ende findet, hingegen nicht. Zu diesem unverständlichen Ergebnis würde die Ansicht der Beklagten selbst dann führen, wenn am gleichen Tag mit zwei Arbeitnehmern ein Aufhebungsvertrag geschlossen wurde, der aufgrund unterschiedlicher Kündigungsfristen zu einem unterschiedlichen Austrittstermin führt, der Sozialplan aber zwischen den beiden Austrittsterminen abgeschlossen wird.

Sinn und Zweck der Regelung in Nr. 10 des Aufhebungsvertrages ist es, der Tatsache vorzubeugen, daß ein Arbeitnehmer, der wegen der geplanten Schließung des Standortes L. schon vor Abschluß eines Sozialplanes in die Beendigung seines Arbeitsverhältnisses einwilligt, sich hinsichtlich einer Abfindung schlechter steht als ein Arbeitnehmer, der den Abschluß eines Aufhebungsvertrages ablehnt, deswegen betriebsbedingt gekündigt wird und eine Abfindung aus dem zu erwartenden Sozialplan erhält. Dieses Ziel kann aber nur erreicht werden, wenn maßgebender Zeitpunkt nicht der Abschluß des Sozialplanes selbst, sondern derjenige Zeitpunkt ist, von dem an von den Umstrukturierungsmaßnahmen betroffene Arbeitnehmer Leistungen aus dem abzuschließenden Sozialplan verlangen können. Wollte man allein auf den Zeitpunkt des Austritts vor Abschluß des Sozialplanes abstellen, könnte sich in keinem Fall ein Nachzahlungsanspruch ergeben, da ein Anspruch aus diesem Sozialplan, der höher sein könnte als die gezahlte Abfindung, zum Zeitpunkt des Austritts mangels eines bereits abgeschlossenen Sozialplanes gar nicht bestanden hätte.

Als die Parteien den Aufhebungsvertrag schlossen, war nicht bekannt, welchen Inhalt der abzuschließende Sozialplan haben werde. Dieser konnte Arbeitnehmer, die – wie der Kläger – erst nach dem 1. Januar 1994 Aufhebungsverträge geschlossen hatte, in seinen Geltungsbereich einbeziehen und Abfindungen vorsehen, die höher ausfallen, als die vereinbarten Abfindungen. In einem solchen Fall hätte der Arbeitnehmer ohnehin einen unmittelbaren Anspruch auf die höhere Sozialplanleistung, da der Sozialplan als Betriebsvereinbarung unmittelbar und zwingend wirkt und unmittelbare Ansprüche der Arbeitnehmer begründet. Für diesen Fall bedürfte es einer Regelung, wie sie in Nr. 10 des Aufhebungsvertrages getroffen wurde, ohnehin nicht. Der Sozialplan konnte weiter diese Arbeitnehmer einbeziehen, insgesamt aber für sie Abfindungen vorsehen, die niedriger ausfielen als die im Aufhebungsvertrag vereinbarte Abfindung. In einem solchen Fall ergab sich naturgemäß kein Nachzahlungsanspruch, der Arbeitnehmer konnte jedoch die höhere vertragliche Abfindung behalten. Der Sozialplan konnte schließlich – wie vorliegend geschehen – diejenigen Arbeitnehmer, die schon vor dem 1. Januar 1994 Aufhebungsverträge geschlossen hatten, von seinem Geltungsbereich ausnehmen. Ein unmittelbarer Anspruch des Arbeitnehmers auf eine nach dem Sozialplan berechnete Abfindung bestand dann nicht, sofern der gewählte Stichtag sachgerecht war. Gerade einer solchen Regelung sollte die Vereinbarung Nr. 10 des Aufhebungsvertrages vorbeugen. Der Arbeitnehmer, der schon frühzeitig, d.h. vor einem zu erwartenden Stichtag einen Aufhebungsvertrag schloß, sollte dadurch keinen Nachteil im Vergleich zu denjenigen Arbeitnehmern haben, die vom Geltungsbereich des Sozialplanes erfaßt werden und aus diesem Sozialplan eine höhere Abfindung beanspruchen können.

Mit diesem Inhalt der Nachbesserungsklausel in Nr. 10 des Aufhebungsvertrages hat der Kläger einen Anspruch auf eine höhere Abfindung, sofern sich eine solche aus dem Sozialplan ergibt.

2. Der Sozialplan vom 29. Juni 1994 regelt entgegen der Ansicht der Beklagten auch Ansprüche der Arbeitnehmer des Standortes L.

Die von der Konzernleitung beschlossenen Umstrukturierungsmaßnahmen sahen zunächst die Schließung des Standortes L vor. Auch im Interessenausgleich werden die Schließung von Standorten als Maßnahmen der Umstrukturierung genannt. Wenn es im Interessenausgleich dann weiter heißt, daß der Standort L aus dem Konzern herausgelöst werden könne und mit Hilfe der Auffanggesellschaft Arbeitsplätze erhalten bleiben können, so folgt daraus nicht, daß alle Maßnahmen in bezug auf den Standort L. nicht mehr Gegenstand des Interessenausgleichs sind und daher der Sozialplan nach seiner Nr. 1 nicht mehr für Maßnahmen im Hinblick auf den Standort L. gilt. Die Betriebspartner haben vielmehr unter Nr. 5 des Sozialplanes gerade Sonderregelungen für den Standort L. getroffen, indem sie bestimmt haben, daß Arbeitnehmer, die dem Übergang ihres Arbeitsverhältnisses auf die Auffanggesellschaft widersprechen und deswegen gekündigt werden müssen, keine Abfindung erhalten sollen. Sie haben weiter darauf hingewiesen, daß bereits abgeschlossene Aufhebungs- und Vorruhestandsvereinbarungen vertragsgemäß abzuwickeln sind. Im übrigen ist unter den Parteien unstreitig, daß die Arbeitnehmer des militärischen Bereichs des Standortes L. nicht auf die Auffanggesellschaft übergegangen sind, sondern in der Folgezeit betriebsbedingt gekündigt wurden. Von daher bestand überhaupt kein Anlaß, Maßnahmen in bezug auf den Standort L. vom Interessenausgleich auszunehmen und den Geltungsbereich des Sozialplanes auf die anderen Standorte im Konzernbereich zu beschränken.

3. Der Anspruch auf eine nach dem Sozialplan berechnete Abfindung ist nicht deswegen ausgeschlossen, weil die Parteien eine Vorruhestandsregelung getroffen haben.

a) Eine Vorruhestandsvereinbarung nach dem Modell 55, wie sie die Parteien geschlossen haben, schließt einen Anspruch auf eine Abfindung nicht aus. Nach Nr. 2.1.8 des Sozialplanes gilt nur für „Mitarbeiter mit vollendetem 58. Lebensjahr und älter” anstatt der Abfindungsregelung ausschließlich die Vorruhestandsregelung.

Nur Arbeitnehmer, die 58 Jahre und älter sind, haben daher keinen Anspruch auf eine nach Nr. 2.1 berechnete Abfindung.

Jüngere Arbeitnehmer werden von der Abfindungsregelung auch dann nicht ausgeschlossen, wenn sie eine Vorruhestandsregelung nach dem Modell 55 geschlossen haben.

Etwas anderes folgt auch nicht aus den Vorruhestandsregelungen in Nr. 4 des Sozialplanes. Wenn es hier heißt, daß beiderseits freiwillig abgeschlossene Vorruhestandsverträge gem. den Vorgaben im Interessenausgleich nach den in Anlage a aufgelisteten Regelungen ausgestaltet werden, so bedeutet dies nur, daß solche Vorruhestandsregelungen den in der Anlage a genannten jeweiligen betrieblichen Regelungen über den Vorruhestand entsprechen müssen. Welche Ansprüche aus dem Sozialplan Arbeitnehmer mit danach abgeschlossenen Vorruhestandsverträgen haben, wird in Nr. 4 des Sozialplanes nicht geregelt.

b) Eine solche Regelung macht auch Sinn. Wenn Vorruhestandsvereinbarungen durchweg durch „Aufhebungsverträge” getroffen wurden, dann erstreckt sich der Geltungsbereich des Sozialplanes nach seiner Nr. 1 auch auf Arbeitnehmer, die einen solchen Aufhebungsvertrag abschließen oder abgeschlossen haben. Diesen Arbeitnehmern steht nach Nr. 2.1 des Sozialplanes als „ausscheidenden Mitarbeitern” grundsätzlich eine Abfindung zu. Auf diese Abfindung wird die in den Aufhebungsverträgen vereinbarte Abfindung nach Nr. 2.1.6 angerechnet. Lediglich Mitarbeiter mit vollendetem 58. Lebensjahr und älter sind allein auf die Vorruhestandsregelung angewiesen. Es entspricht üblicher Praxis in Sozialplänen und ist vom Regelungsermessen der Betriebspartner gedeckt, wenn rentennahe Jahrgänge nicht die übliche, vergangenheitsbezogen berechnete Abfindung erhalten, sondern ihre Entschädigung für den Verlust des Arbeitsplatzes nach den mehr oder weniger genau berechneten Einkommenseinbußen bis zum Bezug einer Sozialversicherungsrente berechnet wird (vgl. zuletzt BAG Urteil vom 31. Juli 1996 – 10 AZR 45/96 – AP Nr. 103 zu § 112 BetrVG 1972). Die Betriebspartner haben diesen Kreis der geringer zu entschädigenden rentennahen Arbeitnehmer auf diejenigen beschränkt, die das 58. Lebensjahr vollendet haben. Jüngere Arbeitnehmer sollen Anspruch auf die Abfindung haben, auf die jedoch die in Aufhebungsverträgen vereinbarte Abfindung, mag diese auch wie eine Vorruhestandsleistung nach dem Modell 55 berechnet worden sein, anzurechnen ist.

Eine weitere Überlegung spricht für dieses Verständnis der Sozialplanregelung. Mitarbeiter, die älter als 55 Jahre aber noch keine 58 Jahre sind, konnten wählen, ob sie einen Aufhebungsvertrag nach dem Modell Divisor 100 oder nach dem Modell 55 abschließen wollten. Beide Auflösungsverträge unterschieden sich in der Regel nur durch die Höhe der nach unterschiedlichen Grundsätzen berechneten Abfindung. Die Arbeitnehmer werden regelmäßig die höhere Abfindung gewählt haben. War es damit mehr oder weniger zufallsabhängig, welchen Aufhebungsvertrag diese Mitarbeiter schlossen, lag es nahe, diese Mitarbeiter auch im Sozialplan gleichzubehandeln, indem in Nr. 2.1.8 des Sozialplanes nur die Mitarbeiter ausschließlich auf die Vorruhestandsregelung verwiesen wurden, die älter als 58 Jahre waren. Eine Regelung, die Mitarbeitern mit einer nach dem Modell Divisor 100 berechneten Abfindung eine weitere Abfindung zusprach, Mitarbeiter mit einer nach dem Modell 55 berechneten Abfindung jedoch vom Sozialplan ausschloß, wäre sachlich nicht gerechtfertigt gewesen. Die Abfindung aus dem Sozialplan war für erstere in jedem Fall höher als die vertraglich vereinbarte Abfindung, da das Produkt aus Alter × Betriebszugehörigkeit × Monatsverdienst lediglich durch 65 anstatt durch 100 geteilt wurde. Mitarbeiter, die eine nach dem Modell 55 berechnete Abfindung gewählt haben, wären auf diese beschränkt, auch wenn die Sozialplanabfindung – wie im Falle des Klägers – höher ist. Daß nach dem Abschluß des Sozialplanes eine solche Wahlmöglichkeit für die Arbeitnehmer nicht mehr bestand, ist insoweit unerheblich. Der Kläger hat seinen Aufhebungsvertrag noch vor dem 29. Juni 1994 geschlossen.

c) Wenn die Beklagte geltend macht, die Betriebspartner wie auch die Einigungsstelle seien übereinstimmend der Ansicht gewesen, daß alle mit einer Vorruhestandsregelung ausgeschiedenen Mitarbeiter von der Sozialplanabfindung ausgeschlossen sein sollten, so kann sie damit nicht gehört werden. Sozialpläne sind Betriebsvereinbarungen und damit Normenverträge. Sie sind wie Gesetze und Tarifverträge auszulegen. Abzustellen ist zunächst auf den Wortlaut, den systematischen Zusammenhang der einzelnen Regelungen und auf deren Sinn und Zweck. Der subjektive Wille der Vertragspartner kann nur insoweit berücksichtigt werden, als er in der Regelung selbst seinen Niederschlag gefunden hat. Daran fehlt es im vorliegenden Falle.

Diese haben in Nr. 2.1.8 des Sozialplanes nicht gesagt, daß (alle) Mitarbeiter mit einer Vorruhestandsregelung ausschließlich auf diese verwiesen sind, sie haben vielmehr ausdrücklich nur die „Mitarbeiter mit vollendetem 58. Lebensjahr” genannt, obwohl ihnen bekannt war, daß auch Mitarbeiter zwischen 55 und 58 Jahren Vorruhestandsregelungen abgeschlossen haben oder solche abschließen können.

Damit erweist sich die Klage als begründet. Die Entscheidungen der Vorinstanzen waren daher abzuändern.

III. Die Kostenentscheidung folgt aus § 91 ZPO.

 

Unterschriften

Matthes, Richter Prof. Dr. Jobs ist durch Urlaub an der Unterschrift verhindert Matthes, Hauck, N. Schuster, Peters

 

Fundstellen

Dokument-Index HI1126945

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