Entscheidungsstichwort (Thema)

Eingruppierung von Technischem Lehrer

 

Leitsatz (redaktionell)

Eingruppierung eines Technischen Lehrers an Berufsschule; Fach Technologische Übungen als technischer Bereich; Grundsätze für die Auslegung von Erlassen.

 

Normenkette

BAT §§ 22, 23 Lehrer

 

Verfahrensgang

LAG Düsseldorf (Urteil vom 20.12.1988; Aktenzeichen 11 Sa 1018/88)

ArbG Wesel (Urteil vom 08.06.1988; Aktenzeichen 3 Ca 217/88)

 

Tenor

Auf die Revision des beklagten Landes wird das Urteil des Landesarbeitsgerichts Düsseldorf vom 20. Dezember 1988 – 11 Sa 1018/88 – aufgehoben.

Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Wesel vom 8. Juni 1988 – 3 Ca 217/88 – wird zurückgewiesen.

Der Kläger hat auch die Kosten dar Rechtsmittelinstanzen zu tragen.

Von Rechts wegen!

 

Tatbestand

Der 42jährige Kläger ist ausgebildeter Konditormeister und seit 6. September 1976 bei dem beklagten Land als Fachlehrer angestellt. Er unterrichtet an der beruflichen Schule des Kreises W. in D. 15 Wochenstunden im Fach „Technologische Übungen” und fünf Wochenstunden im Fach „Technik des Bäckerhandwerks”. Der Kläger erhielt zunächst Vergütung nach VergGr. V b BAT und bezieht seit 9. März 1983 nach sechsjähriger Bewährung Vergütung nach VergGr. IV b BAT. Seitdem führt er die Bezeichnung „Fachoberlehrer”. Nach dem übereinstimmenden Vortrag beider Parteien ist der Erlaß des Kultusministers Nordrhein-Westfalen vom 20. November 1981 (sogenannter Nichterfüllererlaß), der seit 1. Januar 1987 in der Fassung vom 7. Dezember 1986 gilt, Bestandteil des Arbeitsvertrages der Parteien.

Mit Schreiben vom 9. Juli 1986 und 7. Mai 1987 hat der Kläger vom beklagten Land Vergütung nach VergGr. IV a BAT ab 9. Januar 1986 verlangt. Der Kläger hat vorgetragen, seine überwiegende Tätigkeit sei die eines Lehrers in der Tätigkeit von Studienräten mit anderweitiger Ausbildung, die überwiegend Unterricht in einem wissenschaftlichen Fach erteilen, so daß er nach Ziff. 4.5 des Nichterfüllererlasses in VergGr. IV a BAT eingruppiert sei. Das Fach „Technologische Übungen” sei ein wissenschaftliches Fach. Dies ergebe sich aus den Richtlinien und Lehrplänen des Kultusministers Nordrhein-Westfalen für die Berufsschule in Nordrhein-Westfalen, Beruf Bäcker/Bäckerin. Der Unterricht werde von ihm ohne Anleitung durch einen Studienrat selbst vorbereitet und erteilt. Er vergebe im Fach „Technologische Übungen” auch eine eigene Note. Inzwischen erteile an der Schule, in der der Kläger unterrichte, auch ein Studienrat Unterricht in dem Fach „Technologische Übungen”.

Der Kläger hat beantragt

festzustellen, daß der Beklagte verpflichtet ist, dem Kläger seit dem 19. Januar 1986 Vergütung aus der VergGr. BAT IV a zu zahlen.

Das beklagte Land hat beantragt, die Klage abzuweisen. Es vertritt die Auffassung, der Kläger sei zu Recht gemäß Ziff. 5.2 des Nichterfüllererlasses in VergGr. IV b BAT eingruppiert, weil es sich bei ihm um einen „Technischen Lehrer” im Sinne des Nichterfüllererlasses handele. Das Fach „Technologische Übungen” sei außerdem ein Fach, welches die Tätigkeit von „Technischen Lehrern” erfordere. Angesichts dieser eindeutigen Zuordnung sei kein Raum für die Heranziehung der Auffangbestimmung in Ziff. 5.3 des Nichterfüllererlasses, nach der nur die übrigen Lehrer wie die entsprechenden Lehrer an Gymnasien eingruppiert würden. Außerdem sei das Fach „Technologische Übungen” kein wissenschaftliches Fach. Die „Technologischen Übungen” dienten der Ergänzung des Faches „Technologie” durch berufsbezogene Demonstrationen und Laborübungen.

Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen. Auf die Berufung des Klägers hat das Landesarbeitsgericht nach dem Klageantrag erkannt.

Mit der vom Landesarbeitsgericht zugelassenen Revision begehrt das beklagte Land die Wiederherstellung des erstinstanzlichen Urteils. Der Kläger beantragt Zurückweisung der Revision.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision ist begründet. Sie führt zur Aufhebung des Berufungsurteils und Wiederherstellung des erstinstanzlichen Urteils. Das Arbeitsgericht hat die Klage mit Recht abgewiesen. Das beklagte Land ist nicht verpflichtet, dem Kläger ab 19. Januar 1986 Vergütung nach VergGr. IV a BAT zu zahlen. Zu Unrecht kommt das Landesarbeitsgericht zu dem Ergebnis, daß Ziff. 5.3 des Nichterfüllererlasses (i.d.F. vom 7. Dezember 1986) auf den Kläger anwendbar ist. Denn der Kläger erfüllt die Voraussetzungen von Ziff. 5.1 bzw. 5.2 des Nichterfüllererlasses für Lehrer an beruflichen Schulen, so daß für ihn die Merkmale der Ziff. 4 des Erlasses für Lehrer an Gymnasien auch nicht in entsprechender Anwendung in Betracht kommen.

Da nach dem übereinstimmenden Vortrag beider Parteien der Erlaß des Kultusministers Nordrhein-Westfalen vom 20. November 1981 (sogenannter Nichterfüllererlaß), ab 1. Januar 1987 in der Fassung vom 7. Dezember 1986, Bestandteil des Arbeitsvertrages der Parteien ist, gelten die Bestimmungen des Erlasses zwischen den Parteien als Vertragsrecht. Danach kommen für die Vergütung des Klägers folgende Regelungen des Erlasses in Betracht:

Ziff. 5 des Erlasses vom 20. November 1981:

„5.

Lehrer an beruflichen Schulen

5.1

Lehrer in der Tätigkeit von Fachschuloberlehrern oder Technischen Lehrern

IV b

5.2

Lehrer in der Tätigkeit von Fachlehrern oder Werkstattlehrern

V b

nach mindestens sechsjähriger Bewährung in dieser Tätigkeit und in dieser Vergütungsgruppe

IV b

Die übrigen Lehrer werden wie die entsprechenden Lehrer an Gymnasien eingruppiert.”

Ziff. 5 des Erlasses in der Fassung vom 7. Dezember 1986 (für die Zeit ab 1. Januar 1987):

„5.

Lehrer an beruflichen Schulen

5.1

Lehrer

in der Tätigkeit von Technischen Lehrern und abgeschlossener Ingenieur- oder Fachhochschulausbildung

IV b

nach mindestens sechsjähriger Bewährung in dieser Tätigkeit und in dieser Vergütungsgruppe

IV a

5.2

Lehrer in der Tätigkeit von Technischen Lehrern, die eine andere als Ingenieur- oder Fachhochschulausbildung abgeschlossen haben

V b

nach mindestens sechsjähriger Bewährung in dieser Tätigkeit und in dieser Vergütungsgruppe

IV b

5.3

Lehrer

in der Tätigkeit von Fachlehrern oder Werkstattlehrern

V c

nach mindestens sechsjähriger Bewährung in dieser Tätigkeit und in dieser Vergütungsgruppe

V b

Die übrigen Lehrer werden wie die entsprechenden Lehrer an Gymnasien eingruppiert.”

In Ziff. 4 des Erlasses vom 20. November 1981, der noch unverändert gilt, heißt es:

„4.

Lehrer an Gymnasien

4.5

Lehrer in der Tätigkeit von Studienräten ohne Ausbildung nach den Fallgruppen 4.2, 4.3 oder 4.4 mit anderweitiger Ausbildung,

die überwiegend Unterricht in einem wissenschaftlichen Fach erteilen

IV a

nach mindestens sechsjähriger Bewährung in dieser Tätigkeit und in dieser Vergütungsgruppe

III”.

Der Kläger unterrichtet seit seiner Einstellung im Jahre 1976 überwiegend das Fach „Technologische Übungen” (15 Stunden wöchentlich) und zu einem nicht überwiegenden Teil das Fach „Technik des Bäckerhandwerks” (fünf Stunden wöchentlich). Damit ist diese Tätigkeit für seine Eingruppierung nach dem Nichterfüllererlaß maßgebend. Sowohl der Unterricht in dem Fach „Technologische Übungen” als auch in dem Fach „Technik des Bäckerhandwerks” erfüllt das Merkmal des Technischen Lehrers an beruflichen Schulen, so daß dem Kläger nach Ziff. 5.1 des Erlasses vom 20. November 1981 und Ziff. 5.2 des Erlasses in der Fassung vom 7. Dezember 1986 Vergütung nach VergGr. IV b BAT zusteht.

Die Erlasse des Kultusministers Nordrhein-Westfalen sind nach den Regeln des Verwaltungsrechts auszulegen. Die Vereinbarung der Erlasse richtet sich zwar nach den Regeln des BGB. Ihr Inhalt, der sich als behördeninterne Anweisung darstellt, gehört jedoch dem öffentlichen Recht an. Diesen Rechtscharakter verlieren Erlasse auch dann nicht, wenn sie kraft Vereinbarung als Vertragsrecht im Rahmen eines Arbeitsverhältnisses Anwendung finden. Als Bestandteil des öffentlichen Rechts sind Erlasse Kundgabe des hoheitlichen Handelns staatlicher Organe. Daher richtet sich ihre Auslegung nach verwaltungsrechtlichen Grundsätzen. Danach ist – entsprechend dem Grundsatz des § 133 BGB – der wirkliche Wille des Hoheitsträgers zu erforschen und nicht an dem buchstäblichen Sinn des Auszugs einer Willenserklärung zu haften (vgl. Forsthoff, Lehrbuch des Verwaltungsrechts, 10. Aufl., Band I, § 9), wobei aber nur der Wille berücksichtigt werden kann, der in dem Erlaß oder mit ihm in Zusammenhang stehenden Schriftstücken seinen Niederschlag gefunden hat, weil der Adressat (Behördenbediensteter), der ihn anzuwenden hat, ihn aus sich heraus verstehen muß. Hierbei ist insbesondere die systematische und die teleologische Interpretation von Bedeutung (Wolff/Bachof, Verwaltungsrecht I, 9. Aufl., S. 28 III). Demgemäß ist auch der Gesamtzusammenhang der Regelungen der einzelnen Erlasse des Kultusministers ein wichtiges Auslegungskriterium (BAG Urteil vom 8. Juni 1988 – 4 AZR 91/88 – nicht veröffentlicht).

Das Fach „Technologische Übungen”, das der Kläger unterrichtet, dient nach den Richtlinien und Lehrplänen für die Berufsschule in Nordrhein-Westfalen – Beruf Bäcker/Bäckerin – nicht der Fertigkeitsvermittlung, sondern ergänzt die Technologie durch berufsbezogene Demonstrationen und Laborübungen. Lernziele der technologischen Übungen sind u.a. „Handhabung und Pflege der Maschinen, Werkzeug und Geräte kennenlernen”, „physikalische Eigenschaften von Stoffen und Stoffmischungen untersuchen”, „Nährstoffe und Wirkstoffe in Lebensmitteln qualitativ nachweisen”, „Mikroorganismen qualitativ und quantitativ nachweisen”. Damit gehören die technologischen Übungen zum technischen Bereich. Technik bedeutet „Gesamtheit der Mittel, Instrumente, Verfahren und Methoden, die dazu dienen, die Natur aufgrund der Kenntnis und Anwendung ihrer Gesetze dem Menschen nutzbar zu machen” (Brockhaus/Wahrig, Deutsches Wörterbuch, Band 6, 1984, S. 190). Ob dies in wissenschaftlicher oder praktischer Weise betrieben wird, ist für den Begriff der Technik unmaßgeblich. Damit fällt die Tätigkeit des Klägers insoweit unter den Begriff „Technischer Lehrer”. Dies trifft auch zu, soweit er über die Technik des Bäckerhandwerks unterrichtet.

Für Technische Lehrer an beruflichen Schulen bestehen in Ziff. 5 des zwischen den Parteien vereinbarten Eingruppierungserlasses besondere Tätigkeitsmerkmale, die für Lehrer ohne abgeschlossene Ingenieur- oder Fachhochschulausbildung eine Vergütung höchstens nach VergGr. IV b BAT vorsehen. Damit fällt der Kläger nicht unter den Begriff der „übrigen Lehrer” im Sinne von Ziff. 5.3 des Erlasses, die wie die entsprechenden Lehrer an Gymnasien eingruppiert werden. Für die Anwendung der Ziff. 4.5 des Erlasses (Lehrer in der Tätigkeit von Studienräten mit anderweitiger Ausbildung, die überwiegend Unterricht in einem wissenschaftlichen Fach erteilen) ist damit kein Raum. Ziff. 4.5 gilt – was das Landesarbeitsgericht übersieht – zunächst nur für Lehrer an Gymnasien. Lehrer an beruflichen Schulen können danach auch dann nicht ohne weiteres nach Ziff. 4.5 des Erlasses eingruppiert werden, wenn sie in der Tätigkeit von Studienräten überwiegend Unterricht in einem wissenschaftlichen Fach erteilen. Ziff. 4.5 des Erlasses kann auf Lehrer an beruflichen Schulen vielmehr nur dann Anwendung finden, wenn in Ziff. 5 des Erlasses keine speziellen Tätigkeitsmerkmale für Lehrer an beruflichen Schulen bestehen. Dies trifft jedoch für Technische Lehrer – wie den Kläger – nicht zu. Für diese Gruppe von Lehrern bestehen in Ziff. 5 des Erlasses spezielle Tätigkeitsmerkmale. Nur soweit Lehrer an beruflichen Schulen von den speziellen Tätigkeitsmerkmalen der Ziff. 5 des Erlasses nicht erfaßt sind und in der Tätigkeit von Studienräten überwiegend Unterricht in einem wissenschaftlichen Fach erteilen (z.B. Mathematik), kommt für sie über die Verweisungsbestimmungen in Ziff. 5.2 bzw. 5.3 des Erlasses eine Eingruppierung nach Ziff. 4.5 des Erlasses in Betracht.

Daran ändert sich nichts, wenn – wie der Kläger in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat vorgetragen hat – das beklagte Land im Jahre 1989 mit einem Technischen Lehrer einer Berufsschule, der wissenschaftlichen Unterricht erteilt, Vergütung nach Ziff. 4.5 des Erlasses vereinbart hat. Eine solche Auslegung hat in dem Erlaß keinen Niederschlag gefunden und muß daher unberücksichtigt bleiben. Sollte das beklagte Land allerdings mit allen Technischen Lehrern an beruflichen Schulen, die überwiegend Unterricht in einem wissenschaftlichen Fach erteilen, Vergütung nach Ziff. 4.5 des Erlasses vereinbaren, könnte unter Umständen ein Anspruch des Klägers auf Gleichbehandlung bestehen. Hierfür besteht jedoch nach dem Sachvortrag beider Parteien und den Feststellungen der Vorinstanzen kein Anhaltspunkt.

Wenn damit nach dem Erlaß für Lehrer an Gymnasien in der Tätigkeit von Studienräten, die überwiegend Unterricht in einem wissenschaftlichen Fach erteilen, im Ergebnis eine höhere Vergütung festgesetzt ist als für Lehrer an beruflichen Schulen, die ebenfalls in der Tätigkeit von Studienräten überwiegend Unterricht in einem wissenschaftlichen Fach erteilen, verstößt dies insoweit nicht gegen den Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 GG oder den arbeitsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatz. Gymnasien und berufliche Schulen verfolgen unterschiedliche Bildungsziele. Damit liegt schon von daher eine unterschiedliche Tätigkeit zwischen Lehrern an einem Gymnasium und Lehrern an beruflichen Schulen vor, die eine unterschiedliche Vergütung rechtfertigt (vgl. auch BAG Urteil vom 14. Juli 1982 – 4 AZR 423/81 – AP Nr. 30 zu § 611 BGB Lehrer, Dozenten).

Der Kläger hat gemäß § 97 Abs. 1 ZPO die Kosten seiner erfolglosen Revision zu tragen.

 

Unterschriften

Dr. Neumann, Dr. Freitag, Dr. Etzel, Peter Jansen, Dr. W. Knapp

 

Fundstellen

Dokument-Index HI1099371

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