Entscheidungsstichwort (Thema)
Erziehungsurlaub. Gratifikation. Teilzeitbeschäftigung
Normenkette
Tarifvertrag über die tarifliche Absicherung eines Teiles eines 13. Monatseinkommens vom 30. Oktober 1976 nach dem Stand vom 3. Juli 1984 in der Eisen-, Metall-, Elektro- und Zentralheizungsindustrie Nordrhein-Westfalens § 2; Richtlinie der Adam Opel AG Nr. 24/37 vom 1. Dezember 1986 Abschnitte 2 und 3
Verfahrensgang
LAG Hamm (Urteil vom 13.10.1988; Aktenzeichen 10 Sa 810/88) |
ArbG Bochum (Urteil vom 01.03.1988; Aktenzeichen 4 Ca 979/87) |
Tenor
Die Revision der Klägerin gegen das Urteil des Landesarbeitsgerichts Hamm vom 13. Oktober 1988 – 10 Sa 810/88 – wird kostenpflichtig zurückgewiesen.
Von Rechts wegen!
Tatbestand
Die Parteien streiten um die Höhe einer Weihnachtsgratifikation für das Jahr 1986.
Die 1950 geborene Klägerin ist seit dem Jahre 1969 bei der Beklagten (zuletzt) als Werkmeisterin beschäftigt. Ihr Bruttomonatsverdienst betrug für den im Streitfall maßgeblichen Monat September 1986 5.051,– DM brutto. Auf das Arbeitsverhältnis der Parteien findet der Tarifvertrag über die tarifliche Absicherung eines Teiles eines 13. Monatseinkommens vom 30. Oktober 1976 nach dem Stand vom 3. Juli 1984 in der Eisen-, Metall-, Elektro- und Zentralheizungsindustrie Nordrhein-Westfalens (im folgenden; TV 13. ME) kraft Tarifbindung Anwendung.
Die Beklagte zahlte ihren Mitarbeitern neben der tariflichen Sonderzahlung eine übertarifliche Weihnachtsgratifikation nach Maßgabe sog. Richtlinien. In der Richtlinie Nr. 24/37 vom 1. Dezember 1986 heißt es u.a.:
„Die Gratifikation ist, soweit sie den Anspruch nach den Tarifverträgen über betriebliche Sonderzahlungen übersteigt, eine einmalige, freiwillige Zahlung der Firma und wird ohne Rechtsanspruch für die Zukunft gegeben als Anerkennung für die Leistung im abgelaufenen Jahr und als Ansporn für weitere zuverlässige Mitarbeit und Betriebstreue. …”
2. Berechnung der Weihnachtsgratifikation
…
2.1.1 Bei Wechsel von Vollbeschäftigung in Teilzeit- oder Halbtagsbeschäftigung oder umgekehrt im laufenden Kalenderjahr, errechnet sich das prozentuale Verhältnis nach den in der Anlage dargestellten Beispielen (3) und (4).
…
3. Sonderfälle …
3.4 Mitarbeiterinnen, die im Rahmen des Mutterschutzgesetzes verlängerten Mutterschaftsurlaub in Anspruch nehmen, wird die volle Weihnachtsgratifikation entsprechend dem Eintrittsdatum gewährt.
Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, die von der Möglichkeit des Erziehungsurlaubs Gebrauch machen, erhalten für jeden vollen Kalendermonat des Erziehungsurlaubs 1/12 des Festbetrages „C” und für jeden Kalendermonat der Beschäftigung 1/12 des sich nach ihrem Betriebszugehörigkeitsstichtag ergebenden Betrages.”
Die Klägerin entband am 28. Januar 1986. Nach Ablauf der Mutterschutzfrist des § 6 Abs. 1 MuSchG beanspruchte sie für die Zeit vom 26. März bis 27. Juli 1986 Erziehungsurlaub nach dem BErzGG. Währenddessen ging sie in der Zeit vom 1. April 1986 bis 25. Juli 1986 bei der Beklagten einer Teilzeitbeschäftigung von 18 Stunden/Woche nach näherer Maßgabe einer schriftlichen Vereinbarung der Parteien vom 24. Februar 1986 nach. Ab 28. Juli 1986 setzte sie das Arbeitsverhältnis als Vollzeitbeschäftigte fort.
Die Beklagte kürzte der Klägerin die volle Gratifikation von 5.051,– DM um 859,– DM auf 4.192,– DM entsprechend der Richtlinie 2.1.1 und dem Beispiel 3 der Anlage.
Hiergegen wendet sich die Klägerin mit der vorliegenden Klage. Sie hat gemeint, auch ihr stehe eine Weihnachtsgratifikation in Höhe eines vollen Bruttomonatsgehaltes zu, weil durch den Erziehungsurlaub das Arbeitsverhältnis in seinem rechtlichen Bestand nicht berührt sei. Im übrigen sei ihr Fall mit dem des in der Richtlinie erwähnten Mutterschaftsurlaubes vergleichbar. Frauen, die Erziehungsurlaub genommen hätten, dürften auch nicht schlechter gestellt werden als andere Arbeitnehmer.
Die Klägerin hat beantragt,
die Beklagte zu verurteilen, an sie 859,– DM brutto nebst 4 % Zinsen seit Klagezustellung zu zahlen.
Die Beklagte hat Klageabweisung beantragt und gemeint, es sei genau entsprechend der Regelung 2.1.1 der Richtlinie verfahren, in der der Wechsel von Vollbeschäftigung in Teilzeitbeschäftigung geregelt sei. Die ausdrückliche Regelung für die Mitarbeiterinnen, die im Rahmen des Mutterschutzgesetzes verlängerten Mutterschaftsurlaub in Anspruch nähmen, beruhten auf der unterschiedlichen gesetzlichen Ausgestaltung von Mutterschaftsurlaub und Erziehungsurlaub.
Arbeitsgericht und Landesarbeitsgericht haben die Klage abgewiesen. Mit der vom Landesarbeitsgericht zugelassenen Revision verfolgt die Klägerin weiter ihr erstinstanzliches Ziel, während die Beklagte Zurückweisung der Revision beantragt.
Entscheidungsgründe
Die Revision ist unbegründet.
I. Das Landesarbeitsgericht hat gemeint, die Kürzung des den tariflichen Anspruch übersteigenden freiwilligen Teiles der Jahressonderleistung sei möglich, weil nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts die Kürzung tariflicher Gratifikationsansprüche wegen Inanspruchnahme von Erziehungsurlaub statthaft sei. Eine mittelbare Diskriminierung der Frauen liege nicht vor. Erziehungsurlaub werde zwar überwiegend von Frauen im Mutterschaftsverhältnis wahrgenommen, könne aber auch von Männern in Anspruch genommen werden.
II. Dem Landesarbeitsgericht kann nur im Ergebnis zugestimmt werden.
1. Der tarifliche Anspruch der Klägerin beträgt für das Jahr 1986 nach § 2 TV 13. ME maximal 2.525,50 DM. Er ist mit der Zahlung von 4.192,– DM erfüllt. So streiten sich die Parteien entgegen der teilweise mißverständlichen Ausführungen des Landesarbeitsgerichts auch nicht über einen tariflichen, sondern über die Kürzung eines übertariflichen Anspruch der Klägerin. Das übersieht die Revision, die sich allein mit dem ungeschmälerten Bestand des tariflichen Anspruchs befaßt.
2. Die Revision greift die Wertung des Landesarbeitsgerichts zur Kürzung des übertariflichen Anspruchs gemäß der von der Beklagten gegebenen Richtlinie nicht an. Der Senat hält die Handhabung der Beklagten für zulässig.
a) Die Beklagte hat den Anspruch der Klägerin nicht nach Abschn. 3 der Richtlinie Nr. 24/37 gemindert. Zwar hat die Klägerin Erziehungsurlaub im Sinne des Abschn. 3.4 Abs. 2 der Richtlinie genommen. Die Beklagte hat von dem sich daraus ergebenden Kürzungsrecht jedoch keinen Gebrauch gemacht. Sie hat vielmehr die Bestimmungen des Abschn. 2.1.1 Abs. 4 angewandt. Auch dessen Voraussetzungen waren bei der Klägerin gegeben, als sie im Jahre 1986 von Vollbeschäftigung in Teilzeitbeschäftigung und danach wieder in Vollbeschäftigung wechselte. Ihr Anspruch auf übertarifliche Gratifikation ermäßigte sich daher wie im Rechenbeispiel 3 der Anlage. Die konkrete Berechnung für ihre Vergütung ist danach vorgenommen worden und unter den Parteien rechnerisch unstreitig.
b) Die Richtlinie verstößt nicht gegen höherrangiges Recht. Sie ist nicht unwirksam. Sie stellt eine Gesamtzusage der Beklagten an ihre Arbeitnehmer dar, über die tariflichen Ansprüche in Hessen, Nordrhein-Westfalen, Rheinland-Pfalz und Berlin hinaus eine Gratifikation als freiwillige Leistung zu erbringen. Diese Gratifikation hat – wie Präambel und Ausgestaltung zeigen – Mischcharakter. Sie belohnt einmal geleistete Arbeit; sie ist ferner Anerkennung für die Leistung im abgelaufenen Jahr und mit ihr ist die Erwartung auf zuverlässige künftige Arbeit und Betriebstreue verbunden. Der Arbeitgeber ist bei der Gestaltung derartiger Gesamtzusagen vorbehaltlich etwaiger Mitbestimmungsrechte des Betriebsrats nach § 87 Abs. 1 Nr. 10 BetrVG frei. Er darf dabei allerdings nicht gegen zwingendes Recht verstoßen. Ein derartiger Verstoß ist nicht ersichtlich. Die Regelungen der Gesamtzusage stehen in Übereinstimmung mit den Art. 3 und 6 GG, den §§ 611 a und 612 a BGB sowie Art. 119 EWG-Vertrag.
III. Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO.
Unterschriften
Dr. Jobs, Dr. Freitag, Dörner, Ostkamp, Kamm
Fundstellen