Entscheidungsstichwort (Thema)
Betriebsratstätigkeit des Lehrers außerhalb der Arbeitszeit
Normenkette
BetrVG 1972 § 37 Abs. 3
Verfahrensgang
Hessisches LAG (Urteil vom 05.08.1988; Aktenzeichen 6 Sa 421/88) |
ArbG Kassel (Urteil vom 22.01.1988; Aktenzeichen 7 Ca 70/87) |
Tenor
Die Revision des Klägers gegen das Urteil des Landesarbeitsgerichts Frankfurt am Main vom 5. August 1988 – 6 Sa 421/88 – wird zurückgewiesen.
Auf die Revision der Beklagten wird das vorgenannte Urteil aufgehoben, soweit es der Klage stattgegeben und über die Kosten des Rechtsstreits entschieden hat.
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Kassel vom 22. Januar 1988 – 7 Ca 70/87 – wird zurückgewiesen.
Der Kläger trägt auch die Kosten der Berufung und der Revision.
Von Rechts wegen!
Tatbestand
Die Parteien streiten im Revisionsverfahren noch darüber, ob der Kläger Mehrarbeitsvergütung beanspruchen kann für Betriebsratstätigkeiten, die er in den Monaten Oktober bis Dezember 1986 aus betriebsbedingten Gründen außerhalb seiner Arbeitszeit erbracht haben will.
Die Beklagte betreibt in A – wie auch in anderen Orten der Bundesrepublik – ein Bildungszentrum, in dem hauptsächlich Deutsch- und Abiturkurse für junge ausländische Einwanderer durchgeführt werden. Eine Außenstelle befindet sich in W. In dem Bildungszentrum werden insgesamt rd. 40 bis 50 Mitarbeiter beschäftigt; überwiegend handelt es sich um Lehrer. Ein erheblicher Teil wird teilzeitbeschäftigt.
Der Kläger ist bei der Beklagten im Bildungszentrum A als Lehrer für die Fächer Deutsch und Geschichte beschäftigt. Gemäß Arbeitsvertrag beträgt seine wöchentliche Arbeitszeit 24 Unterrichtsstunden a 45 Minuten = 40 Zeitstunden. Sein Gehalt belief sich im Klagezeitraum auf monatlich 4.601,20 DM brutto.
Beide Parteien sind tarifgebunden. Die Beklagte hat mit der GEW am 24. September 1985 einen Manteltarifvertrag für das Bildungszentrum A (MTV A) abgeschlossen, der auszugsweise folgenden Wortlaut hat:
„§ 8 Arbeitszeit
(1) Die regelmäßige wöchentliche Arbeitszeit beträgt ausschließlich der Pausen 40 Stunden.
(2) Für Arbeitnehmer, die Lehrtätigkeit ausüben, beträgt die wöchentliche regelmäßige Unterrichtsverpflichtung 24 Stunden a 45 Minuten. Abweichungen von dieser Unterrichtsverteilung bedürfen der Zustimmung des Betriebsrates.
§ 9 Erholungsurlaub
…
(3) Für Lehrpersonal dient die über die Dauer des Erholungsurlaubs hinausgehende unterrichtsfreie Zeit zur Fort- und Weiterbildung. In diese Zeit können Exkursionen, Klassenfahrten und erforderlichenfalls Konferenzen gelegt werden. Näheres regelt eine Betriebsvereinbarung, die binnen 3 Monaten nach Inkrafttreten dieses Tarifvertrages abzuschließen ist.
…
§ 10 Freie Tage zur Unterrichtsvorbereitung, Fort- und Weiterbildung
(1) Zum Zweck der Unterrichtsvor- und nachbereitung sowie der Fort- und Weiterbildung erhält das in den AAP-Kursen tätige Lehrpersonal zusätzlich 5 weitere freie Tage pro Jahr, das in Sprachkursen tätige Lehrpersonal 2 weitere freie Tage pro Jahr.
(2) Das Nähere bezüglich der Verteilung dieser freien Tage im Jahr 1985 regelt eine bis 15.7.1985 abzuschließende Betriebsvereinbarung.
§ 11 Überstunden
(1) Überstunden sind in der Regel durch Freizeit innerhalb von 8 Wochen auszugleichen. Ausnahmen bedürfen der Zustimmung des Betriebsrates. Für Freizeitausgleich gelten keine Verfallfristen.
(2) Sollte ein Freizeitausgleich nicht möglich sein, so sind Überstunden zu vergüten.
(3) Für Beschäftigte, die keine Lehrtätigkeit ausüben, gelten zur Abgeltung von Überstunden die §§ 17 und 35 BAT entsprechend.
(4) Für Lehrpersonal wird folgende besondere Regelung getroffen:
- Außerhalb der regelmäßigen Arbeitszeit von 24 Unterrichtsstunden geleistete Arbeitszeit sind Überstunden.
- Bei Lehrpersonal wird die Überstunde mit ein-einhundertviertel (1/104) des regelmäßigen Monatseinkommens vergütet.
(5) Überstunden von Teilzeitkräften sind grundsätzlich ausgeschlossen. Entsteht bei Teilzeitkräften Bedarf von langfristiger Mehrarbeit, so soll dem entsprechenden Arbeitnehmer angeboten werden, die vertragliche Unterrichtsverpflichtung entsprechend dem Mehrbedarf aufzustocken. Sollte ein Arbeitnehmer hieran kein Interesse haben, so ist dieses Angebot anderen Teilzeitbeschäftigten zu unterbreiten. Erst nach Ausschöpfung dieser Möglichkeiten können bei Vorliegen betrieblicher und unterrichtlicher Belange Überstunden angeordnet werden.
(6) Für die Vergütung der Mehrarbeit von Teilzeitkräften gilt die Regelung für Vollzeitkräfte entsprechend.”
Der Kläger ist Vorsitzender des im Bildungszentrum A gebildeten fünfköpfigen Betriebsrates. Die Beklagte hatte befristet bis zum 31. August 1984 mit dem Kläger – ähnlich wie mit anderen Betriebsratsmitgliedern – vereinbart, eine pauschale Freistellung von wöchentlich drei Unterrichtsstunden zur Erledigung von Betriebsratsaufgaben zu gewähren. Dadurch wurde bewirkt, daß alle Betriebsratsmitglieder jeweils mittwochs unterrichtsfrei hatten und an diesem Tage ihre Betriebsratssitzungen durchführen konnten. Eine Anschlußvereinbarung kam nicht zustande. Gleichwohl stellte die Beklagte sicher, daß der Mittwoch für alle Betriebsratsmitglieder unterrichtsfrei blieb, indem sie beispielsweise die tatsächliche Unterrichtsverpflichtung des Klägers mit Rücksicht auf seine Betriebsratstätigkeit auf 19 Wochenstunden reduzierte. Hinzu kamen durch den Stundenplan Freistunden und konkrete Unterrichtsausfälle wegen anstehender Betriebsratstätigkeiten. Der Umfang dieser Freistellungen im Klagezeitraum ergibt sich aus einer von der Beklagten mit Schriftsatz vom 28. Dezember 1987 vorgelegten Aufstellung und ist in zeitlicher Hinsicht zwischen den Parteien unstreitig. Für den Kläger ergeben sich hieraus 34,8 Unterrichtsstunden pauschaler Freistellung, 42,2 freie Unterrichtsstunden nach Stundenplan und 48 Unterrichtsstunden, die wegen Betriebsratstätigkeiten konkret ausgefallen sind.
Ab August 1986 kündigte der Kläger der Beklagten in etwa wöchentlichen Abständen an, er sei vom Betriebsrat mit bestimmten Aufgaben betraut worden, und forderte entsprechende Arbeitsfreistellung. Während des Klagezeitraumes übersandte er sieben Ankündigungen und bediente sich dazu folgenden Formulars:
„…
auf der Betriebsratssitzung vom … bin ich mit der Durchführung folgender Aufgaben betraut worden: …
Da die mir zur Verfügung stehende Vor- und Nachbereitungszeit für meinen Unterricht in der nächsten Zeit in vollem Umfang durch folgende Tätigkeiten …
in Anspruch genommen werden wird, kann ich dem Beschluß der o. a. Betriebsratssitzung ohne Einbußen in meiner Arbeit nur außerhalb meiner Arbeitszeit im Rahmen von Überstunden nachkommen.
Die Erledigung wird etwa … Stunden beanspruchen.
Da die Aufgaben jeweils umgehend zu erledigen sind, teilen Sie mir bitte morgen mit, ob ich sie während meiner Unterrichtszeit bzw. der damit zusammenhängenden Vor- und Nachbereitungszeit erledigen soll. In letzterem Fall teilen Sie mir bitte gleichzeitig mit, welche der oben angeführten Tätigkeiten entfallen sollen, damit ich die Schüler rechtzeitig über die auf sie zukommenden autodidaktischen Anforderungen informieren und sie darauf vorbereiten kann.
Sollte ich von Ihnen bis morgen keinen Bescheid i. o. S. erhalten haben, gehe ich davon aus, daß ich die angeführten Betriebsratstätigkeiten außerhalb meiner regulären Arbeitszeit durchführen soll.”
Jeweils monatlich stellte der Kläger formularmäßig sämtliche für Betriebsratstätigkeiten aufgewandten Zeiten zusammen und begehrte deren Ausgleich durch Stundenentlastung. Die Abrechnungen umfaßten für den Klagezeitraum (1. Oktober bis 21. Dezember 1986) insgesamt 203 Zeitstunden. Die Beklagte lehnte eine Erfüllung der Ansprüche unter anderem unter Hinweis auf die erfolgten Freistellungen ab.
Der Kläger hat im wesentlichen vorgetragen, er habe sich mit seinem gesamten Verhalten an der Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts vom 31. Oktober 1985 (BAGE 50, 76 ff. = AP Nr. 52 zu § 37 BetrVG 1972) orientiert. Alle geltend gemachten Zeiten habe er entsprechend seinen umfangreichen Erläuterungen zur Erledigung erforderlicher Betriebsratstätigkeiten benötigt. Die Beklagte habe durch „beredtes Schweigen” auf seine Ankündigungen die jeweiligen Betriebsratstätigkeiten als erforderlich anerkannt. Sämtliche Betriebsratstätigkeiten habe er außerhalb seiner Arbeitszeit durchgeführt. Zeiten einer pauschalen Freistellung könnten ihm nicht angerechnet werden. Es sei im Bildungszentrum A nicht ungewöhnlich, daß Lehrkräfte tatsächlich nur zu 18 statt vereinbarter 24 Unterrichtsstunden eingesetzt würden. Fast jede Lehrkraft habe wie er einen unterrichtsfreien Tag in der Woche zur Verfügung gehabt. Der geringere Unterrichtseinsatz sei daher nicht auf seine Stellung als Betriebsratsmitglied zurückzuführen. Die Freistunden nach Stundenplan dürften ihm ebenfalls nicht angerechnet werden. Ansonsten werde er gegenüber Kollegen, die nicht dem Betriebsrat angehörten, benachteiligt. Die von der Beklagten in der ansonsten zutreffenden Auflistung angegebenen 21 Freistunden während der Herbstferien (4. bis 10. Oktober 1986) seien ohnehin unterrichtsfreie Zeit gewesen. Im übrigen sei ein Teil der Unterrichtsstunden nur auf andere Tage verlegt worden. Er habe „etwa im Umfange des Unterrichtsausfalls” Lehrtätigkeit später nachgeholt oder vorgezogen. Eine Verrechnung könne nur erfolgen, soweit Unterrichtsstunden konkret wegen Betriebsratstätigkeit ausgefallen seien und er diesen Unterricht nicht nachgeholt habe. Durch ihr „beredtes Schweigen” auf seine Ankündigungen habe die Beklagte auch zum Ausdruck gebracht, daß die Betriebsratstätigkeiten nicht während der Arbeitszeit ausgeführt werden sollten. Eine kurzfristige Freistellung sei der Beklagten auch gar nicht möglich gewesen. Infolgedessen sei auch das Merkmal „aus betriebsbedingten Gründen” im Sinne des § 37 Abs. 3 Satz 1 BetrVG erfüllt.
Zur Bezifferung seines Hauptantrages hat der Kläger die 203 Zeitstunden im Verhältnis 40 Arbeitsstunden = 24 Unterrichtsstunden in 121,8 Unterrichtsstunden umgerechnet. Er könne unmittelbar Befreiung von Unterrichtsstunden verlangen, da nur dann auch andere Arbeiten entfallen könnten. Zur Bezifferung seines zweiten Hilfsantrages hat der Kläger gemäß § 11 Abs. 4 MTV A einen Stundensatz von 44,24 DM (1/104 seines Monatsverdienstes) angesetzt.
Der Kläger hat beantragt,
die Beklagte zu verurteilen, den Kläger im Umfang von 121,8 Unterrichtsstunden von der Unterrichtsverpflichtung freizustellen,
hilfsweise,
dem Kläger im Umfang von 203 Arbeitsstunden Freizeitausgleich zu gewähren,
höchst hilfsweise,
die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger 8.980,72 DM brutto nebst 4 % Zinsen seit dem 16. Februar 1987 zu zahlen.
Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen.
Sie hat das ungeordnete Aneinanderreihen von angeblich erforderlichen Betriebsratstätigkeiten gerügt. Es fehle eine Differenzierung, inwieweit der Kläger trotz pauschaler und konkreter Freistellungszeiten überhaupt außerhalb seiner Arbeitszeit aus betriebsbedingten Gründen tätig geworden sei. Überdies hat die Beklagte viele vom Kläger aufgelistete Betriebsratstätigkeiten dem Grunde und dem Stundenansatz nach bereits für nicht erforderlich gehalten, so etwa die Prozeßvorbereitung und -führung im vorliegenden Rechtsstreit. Die Fahrzeiten anläßlich der Betriebsratssitzungen jeweils mittwochs seien nicht zu berücksichtigen, da der Kläger ansonsten Unterricht hätte erteilen müssen. Die 125 Unterrichtsstunden, von denen der Kläger unstreitig freigestellt worden war, seien im Verhältnis 3:5 in 208,33 Zeitstunden umzurechnen, so daß der Kläger innerhalb dieser Zeiten sämtliche Betriebsratstätigkeiten hätte erfüllen können.
Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen.
Auf die Berufung des Klägers hat das Landesarbeitsgericht dem zweiten Hilfsantrag des Klägers in Höhe von 3.426,39 DM (77,45 Stunden × 44,24 DM pro Stunde) stattgegeben und die Berufung im übrigen zurückgewiesen. Gegen dieses Urteil haben beide Parteien die vom Landesarbeitsgericht zugelassene Revision eingelegt. Während die Beklagte weiterhin die vollständige Abweisung der Klage begehrt, greift der Kläger das Berufungsurteil nur insoweit an, als es seinem zweiten Hilfsantrag nicht in voller Höhe stattgegeben hat.
Entscheidungsgründe
Die Revision des Klägers, mit der er nur noch seinen auf Mehrarbeitsvergütung gerichteten zweiten Hilfsantrag weiterverfolgt, war zurückzuweisen. Dagegen führt die Revision der Beklagten zur Wiederherstellung des klageabweisenden Ersturteils. Denn dem Kläger steht für den Klagezeitraum ein Anspruch auf Mehrarbeitsvergütung nicht zu.
I. Das Landesarbeitsgericht ist zutreffend davon ausgegangen, daß als Anspruchsgrundlage für die Klageforderung lediglich § 37 Abs. 3 Satz 2 BetrVG in Betracht kommt und daß diese Vorschrift unter anderem voraussetzt, daß die geleistete Betriebsratstätigkeit im Sinne des § 37 Abs. 2 BetrVG erforderlich war und im Sinne des § 37 Abs. 3 Satz 1 BetrVG außerhalb der Arbeitszeit stattfand. Gemäß § 37 Abs. 2 BetrVG ist Betriebsratstätigkeit grundsätzlich während der Arbeitszeit durchzuführen (vgl. BAGE 29, 242 = AP Nr. 29 zu § 37 BetrVG 1972; BAGE 50, 76 = AP Nr. 52 zu § 37 BetrVG 1972); insbesondere sind auch Betriebsratssitzungen in der Regel während der Arbeitszeit abzuhalten (§ 30 Satz 1 BetrVG). Soweit diese Betriebsratstätigkeiten zur ordnungsgemäßen Durchführung der Aufgaben des Betriebsrats erforderlich sind, ist das Betriebsratsmitglied hierfür gemäß § 37 Abs. 2 BetrVG ohne Minderung seines Arbeitsentgelts von seiner beruflichen Tätigkeit freizustellen. Lediglich zum Ausgleich für (erforderliche) Betriebsratstätigkeiten, die aus betriebsbedingten Gründen außerhalb der Arbeitszeit durchzuführen sind, hat das Betriebsratsmitglied gemäß § 37 Abs. 3 Satz 1 BetrVG einen Anspruch auf bezahlten Freizeitausgleich. Soweit dieser Freizeitausgleich aus betriebsbedingten Gründen nicht vor Ablauf eines Monats gewährt werden kann, ist die aufgewendete Zeit gemäß § 37 Abs. 3 Satz 2 BetrVG wie Mehrarbeit zu vergüten.
II. Das Landesarbeitsgericht hat auch zutreffend erkannt, daß die Anspruchsvoraussetzung „außerhalb der Arbeitszeit” in § 37 Abs. 3 BetrVG nur erfüllt ist, soweit die Betriebsratstätigkeit zusätzlich zu der (durch Arbeitsleistung oder weitere erforderliche Betriebsratstätigkeit ausgefüllten) vertraglichen Arbeitszeit des Betriebsratsmitglieds geleistet wird. Der Kläger muß sich daher auf die von ihm dargelegten Betriebsratstätigkeiten zunächst die Zeiten anrechnen lassen, für die ihn die Beklagte zur Durchführung von Betriebsratstätigkeit von seiner beruflichen Tätigkeit freigestellt hatte.
Wie der Senat bereits in seinem Urteil vom 15. Februar 1989 – 7 AZR 193/88 – (zur Veröffentlichung in der Fachpresse bestimmt) entschieden hat, geht der Gesetzgeber in § 37 Abs. 3 BetrVG erkennbar davon aus, daß es sich bei der außerhalb der Arbeitszeit durchgeführten Betriebsratstätigkeit um eine zusätzliche, d. h. zu der beruflichen Tätigkeit des Betriebsratsmitglieds hinzutretende zeitliche Belastung handelt. Das ergibt sich bereits aus Sinn und Zweck des § 37 Abs. 3 BetrVG, dem Betriebsratsmitglied einen Ausgleich für eine aus betrieblichen Gründen unvermeidbare Mehrbelastung zu geben, die über die übliche Arbeitszeit des Betriebsratsmitglieds hinausgeht. Auch im Gesetzeswortlaut selbst ist dies deutlich zum Ausdruck gekommen. Denn nach § 37 Abs. 3 Satz 2 BetrVG ist, wenn die Arbeitsbefreiung aus betriebsbedingten Gründen nicht gewährt werden kann, die aufgewendete Zeit „wie Mehrarbeit” zu vergüten. Diese Regelung rechtfertigt sich allein daraus, daß der Gesetzgeber vorausgesetzt hat, daß die außerhalb der Arbeitszeit geleistete Betriebsratstätigkeit nicht anstelle der während der Arbeitszeit an sich zu leistenden beruflichen Tätigkeit, sondern zusätzlich angefallen ist.
Dies gilt insbesondere auch für Lehrer und sonstige Arbeitnehmer, die die Lage ihrer Arbeitszeit teilweise selbst bestimmen können. Soweit der Sechste Senat des Bundesarbeitsgerichts in seinem vom Kläger angeführten Urteil vom 31. Oktober 1985 (BAGE 50, 76 = AP Nr. 52 zu § 37 BetrVG 1972) und dem daran anschließenden Urteil vom 3. Dezember 1987 (BAGE 57, 96 = AP Nr. 62 zu § 37 BetrVG 1972) für den Personenkreis des Lehrers besondere Grundsätze aufgestellt hat, betraf dies anders gelagerte Fragestellungen. Das erstgenannte Urteil befaßt sich ausschließlich mit der Mitteilungspflicht des Lehrers an den Arbeitgeber, daß Betriebsratstätigkeit außerhalb der Arbeitszeit bevorstehe und aus betriebsbedingten Gründen nicht innerhalb der Arbeitszeit geleistet werden könne; das Urteil konstituiert diese Mitteilungspflicht als zusätzliche Voraussetzung zu den sich bereits unmittelbar aus § 37 Abs. 3 BetrVG ergebenden Anspruchsvoraussetzungen. In dem zweitgenannten Urteil ist zutreffend im wesentlichen ausgeführt, daß der Arbeitgeber den Lehrer für die Durchführung von Betriebsratstätigkeit in der Regel nicht auf die für die Vor- und Nacharbeit des Unterrichts erforderlichen Zeiten verweisen kann; außerhalb der Schulzeit und der Zeit für Verwaltungsaufgaben anfallende Betriebsratstätigkeit sei daher regelmäßig als außerhalb der Arbeitszeit liegend anzusehen. Dies hat das genannte Urteil jedoch nur für den Fall entschieden, daß der Lehrer nicht bereits für seine Betriebsratstätigkeit von einem Teil seiner Unterrichtsverpflichtungen befreit worden war, so daß die Betriebsratstätigkeit für ihn zusätzlich anfiel. Der oben dargestellte Grundsatz, daß Betriebsratstätigkeit außerhalb der Arbeitszeit i. S. des § 37 Abs. 3 BetrVG nur geleistet wird, soweit sie über bereits gewährte Freistellungen hinausgeht, wird daher auch durch dieses Urteil nicht berührt.
Mit den Einwänden des Klägers gegen eine Anrechnung der erfolgten Freistellungen hat sich bereits das Landesarbeitsgericht rechtsfehlerfrei auseinandergesetzt. Nach seinen nicht mit Verfahrensrügen angegriffenen tatsächlichen Feststellungen erfolgte die Freistellung des Klägers gerade mit Rücksicht auf seine Betriebsratstätigkeit. Auch ohne ausdrückliche Vereinbarung war es für alle Beteiligten selbstverständlich, daß die Freistellungen es erst ermöglichten, daß der Betriebsrat jeweils mittwochs seine Sitzungen abhielt. Im übrigen ist es ausreichend, daß dem Kläger diese Zeiten tatsächlich zur Verfügung standen, so daß er die Betriebsratstätigkeiten nicht außerhalb seiner Arbeitszeit erledigen mußte. Der Umstand, daß möglicherweise alle anderen Lehrer ebenso einen unterrichtsfreien Tag besaßen, berechtigt den Kläger nicht zu der Annahme, er habe ohne weiteres Anspruch auf drei bezahlte Freistunden pro Woche, zumal etliche seiner Kollegen nur teilzeitbeschäftigt wurden und eventuell deshalb einen Tag unterrichtsfrei hatten. Im übrigen hat das Landesarbeitsgericht zutreffend dargelegt, daß sich der Kläger als Träger eines betriebsverfassungsrechtlichen Ehrenamtes nicht mit seinen übrigen Kollegen vergleichen könne, soweit diese ebenfalls stundenplanbedingte Freistunden hätten. Wenn derartige Freistunden für Betriebsratstätigkeiten sinnvoll nutzbar seien, müsse sie sich der Kläger anrechnen lassen, weil er insoweit nicht aus betriebsbedingten Gründen auf die Ausführung der Betriebsratstätigkeit in seiner außerschulischen Freizeit angewiesen sei.
III. Das Landesarbeitsgericht hat jedoch den Umfang der dem Kläger anzurechnenden Freistellungen zu Lasten der Beklagten unrichtig berechnet.
1. Das Landesarbeitsgericht ist dabei im Ansatz zutreffend von der Aufstellung ausgegangen, die die Beklagte als Anlage zu ihrem Schriftsatz vom 28. Dezember 1987 vorgelegt hat. Insoweit hat das Landesarbeitsgericht festgestellt, daß der sich aus dieser Aufstellung ergebende Umfang der Freistellung des Klägers in zeitlicher Hinsicht unstreitig sei. Diese Feststellung ist gemäß § 561 ZPO für den Senat bindend, da sie nicht durch Verfahrensrügen angegriffen wurde.
2. Aus dieser Aufstellung ergeben sich für den Kläger, selbst wenn man zu seinen Gunsten die in die Zeit der Herbstferien (4. bis 10. Oktober 1986) fallenden Unterrichtsbefreiungen außer Betracht läßt, 31,8 Unterrichtsstunden pauschaler Freistellung, 21,2 Freistunden nach Stundenplan und 48 Unterrichtsstunden, die konkret wegen Betriebsratstätigkeit ausgefallen sind. Diese insgesamt 101 Unterrichtsstunden sind im Verhältnis 3:5 in Zeitstunden umzurechnen, so daß sich der Kläger insgesamt 168,33 Zeitstunden anrechnen lassen muß, während derer er bereits für Betriebsratstätigkeiten freigestellt war.
a) Das Landesarbeitsgericht ist demgegenüber lediglich zu einer Freistellungszeit von insgesamt 95,05 Zeitstunden gelangt. Dieser Berechnung kann der Senat nicht folgen. Sie beruht im wesentlichen darauf, daß das Landesarbeitsgericht dem Kläger die ihm gewährten Freistellungen lediglich in dem Umfang anrechnen will, der einer vom Kläger geschuldeten „schulischen Anwesenheitszeit” entspreche, von der das Landesarbeitsgericht meint, daß sie nach dem bereits angeführten Urteil des Bundesarbeitsgerichts vom 3. Dezember 1987 (aaO) für den Umfang der Anrechnung maßgeblich sei.
Eine derartige Deutung der Ausführungen des genannten Urteils ist jedoch nicht berechtigt. Ersichtlich hat der Sechste Senat des Bundesarbeitsgerichts in jenem Urteil die anrechenbare Arbeitszeit keineswegs auf die „schulische Anwesenheitszeit” eines Lehrers beschränkt. Das Urteil enthält insoweit nur den zutreffenden Hinweis, daß der Arbeitgeber einen Lehrer grundsätzlich nicht einseitig darauf verweisen könne, Betriebsratstätigkeit nur während der häuslichen Arbeitszeit zu verrichten. Dem Arbeitgeber bleibe nur die Möglichkeit, Betriebsratsmitglieder von Unterrichtsstunden, Verwaltungstätigkeiten oder der Teilnahme an Konferenzen freizustellen. Wenn der Lehrer jedoch von einem Teil des Unterrichts entlastet werde, reduziere sich mittelbar auch der Umfang der häuslichen Arbeit. Damit hat der Sechste Senat eben doch anerkannt, daß eine Freistellung vom Unterricht sich auf die gesamte Arbeitszeit eines Lehrers auswirke und daher – nach proportionaler Umrechnung der Unterrichtsstunden in Zeitstunden – insgesamt anrechenbar sei.
b) Im Entscheidungsfall hat daher die Umrechnung der dem Kläger anzurechnenden 101 Unterrichtsstunden in Zeitstunden im Verhältnis 3:5 (24 Unterrichtsstunden = 40 Arbeitsstunden) zu erfolgen. Nach § 8 Abs. 1 MTV A beträgt die wöchentliche Arbeitszeit 40 Stunden; für Lehrer sieht § 8 Abs. 2 i. Verb. m. § 11 Abs. 4 MTV A eine wöchentliche regelmäßige Unterrichtsverpflichtung von 24 Stunden zu je 45 Minuten vor. Diesen Umrechnungsfaktor hat sich auch der Kläger zu eigen gemacht, als er seinen Hauptantrag bezifferte. Dieser Maßstab entspricht der gängigen Praxis im Betrieb der Beklagten und wird dort auch zur Regelung von Teilzeitverträgen herangezogen, wie z. B. im Parallelfall des Klägers C (7 AZR 597/88) das Verhältnis von 21 Unterrichtsstunden zu 35 Arbeitsstunden deutlich macht.
Daß auch die Vor- und Nachbereitungsarbeiten durch die Freistellung von Unterrichtsstunden entsprechend reduziert werden, hat bereits der Sechste Senat in seinem oben angeführten Urteil vom 3. Dezember 1987 zutreffend ausgeführt. Mangels abweichender Anhaltspunkte ist mithin im Entscheidungsfalle davon auszugehen, daß der Kläger durch jede ersparte Unterrichtsstunde nicht nur die 45 Unterrichtsminuten, sondern 1/24 seiner wöchentlichen Gesamtarbeitszeit von 40 Stunden, also 100 Minuten, von der Arbeit freigestellt war.
Demgegenüber kann sich, wie schon das Landesarbeitsgericht zutreffend erkannt hat, die vom Kläger angeführte sogenannte „Knight-Wegenstein-Studie” nur zu Lasten des Klägers auswirken. Denn gerade wenn, wie der Kläger darlegt, diese Studie besagen soll, daß ein mit 24 Unterrichtsstunden beschäftigter Lehrer wöchentlich weit mehr als 40 Stunden arbeiten müsse, kann dies nur zu einem für den Kläger ungünstigeren Umrechnungsfaktor führen, weil dann auf jede ersparte Unterrichtsstunde ein noch größerer ersparter Gesamtzeitaufwand entfiele.
IV. Insgesamt ergibt sich damit, daß sich der Kläger für den Klagezeitraum 168,33 Arbeitsstunden bereits erfolgter Freistellungen auf die von ihm geltend gemachten Betriebsratstätigkeiten anrechnen lassen muß. Ein Anspruch aus § 37 Abs. 3 BetrVG auf Freizeitausgleich bzw. Mehrarbeitsvergütung stünde ihm daher allenfalls zu, wenn und soweit er in diesem Zeitraum mehr als 168,33 Stunden erforderliche Betriebsratstätigkeit außerhalb der Arbeitszeit geleistet hätte. Dies ist jedoch nicht der Fall. Vielmehr können von den vom Kläger geltend gemachten 203 Stunden allenfalls 160,5 Stunden als erforderliche Betriebsratstätigkeit anerkannt werden.
1. Von den vom Kläger geltend gemachten 203 Stunden Betriebsratstätigkeit hat zunächst bereits das Landesarbeitsgericht zu Recht 30,5 Stunden abgezogen, so daß als Zwischenergebnis lediglich 172,5 Stunden verbleiben. Zum einen hat das Landesarbeitsgericht – so z. B. hinsichtlich der vom Kläger erstellten Grafiken – das Vorliegen einer erforderlichen Betriebsratstätigkeit verneint. Zum anderen hat es – z. B. hinsichtlich vom Kläger gefertigter Aufstellungen – die vom Kläger angegebenen Zeitansätze als überzogen angesehen.
Diese Würdigung des Landesarbeitsgerichts läßt einen Rechtsfehler – jedenfalls zum Nachteil des Klägers – nicht erkennen. Sie wird auch von der klägerischen Revision nicht substantiiert, sondern im wesentlichen nur mit dem Hinweis angegriffen, den Betriebsrat bzw. dem einzelnen Betriebsratsmitglied stehe ein weiter Beurteilungsspielraum zu, ob und in welchem zeitlichen Umfang eine Betriebsratstätigkeit erforderlich sei.
Diese Rüge greift nicht durch. Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts kommt es für die Anwendung des unbestimmten Rechtsbegriffs der Erforderlichkeit in § 37 Abs. 2 und Abs. 6 BetrVG auf den Standpunkt eines vernünftigen Dritten an, der die Interessen des Betriebes einerseits und die Interessen des Betriebsrats und der Arbeitnehmerschaft andererseits gegeneinander abzuwägen hat; dabei läßt sich auch der erforderliche Umfang einer Betriebsratstätigkeit nur nach den konkreten Verhältnissen des Einzelfalles beurteilen (vgl. z. B. BAGE 25, 348 = AP Nr. 5 zu § 37 BetrVG 1972; BAG Urteil vom 21. November 1978 – 6 AZR 247/76 – AP Nr. 34 aa0; BAGE 53, 186 = AP Nr. 58, aa0; BAG Urteil vom 16. März 1988 – 7 AZR 557/87 – AP Nr. 63, aa0).
Im Entscheidungsfalle ist kein Anhaltspunkt dafür ersichtlich und auch von der Revision nicht dargetan worden, daß das Landesarbeitsgericht, das erkennbar von der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts ausgegangen ist, insoweit abweichende Rechtsgrundsätze zugrunde gelegt oder den Sachvortrag nicht vollständig oder nicht widerspruchsfrei gewürdigt hätte. Auch die Revision hat nicht dargelegt, aufgrund welchen konkreten Sachvortrags das Landesarbeitsgericht zu einem anderen Ergebnis hätte gelangen sollen. Im Gegenteil hätte es sogar näher gelegen, wenn das Landesarbeitsgericht aufgrund des recht unsubstantiierten klägerischen Sachvortrags die Erforderlichkeit der Betriebsratstätigkeit des Klägers in noch größerem Umfange verneint hätte.
2. Von dem somit verbleibenden Zwischenergebnis von 172,5 Stunden sind darüber hinaus mindestens zwölf weitere Stunden abzusetzen, bei denen es sich nicht um erforderliche Betriebsratstätigkeit, die aus betriebsbedingten Gründen außerhalb der Arbeitszeit geleistet wurde, handeln kann. Nach seinem eigenen Vortrag hat der Kläger die in den Positionen 5 bis 9 und 31 und 32 seiner mit Schriftsatz vom 13. Juli 1987 vorgelegten Aufstellung aufgeführten Tätigkeiten im Gesamtumfang von zwölf Stunden während der Herbstferien (4. – 10. Oktober 1986) verrichtet. Nach § 9 Abs. 3 MTV A dient für Lehrpersonal die über die Dauer des Erholungsurlaubs hinausgehende unterrichtsfreie Zeit zur Fort- und Weiterbildung. In diese Zeit können Exkursionen, Klassenfahrten und erforderlichenfalls Konferenzen gelegt werden. Infolgedessen fehlt es insoweit an einer Verknüpfung der Arbeitszeit mit einer Unterrichtsverpflichtung, deren vollständige Erfüllung darauf schließen ließe, die gesamte Arbeitszeit des Klägers sei damit ausgefüllt gewesen. Überdies hat der Kläger nicht dargelegt, inwieweit er die Betriebsratstätigkeit zusätzlich zu der in § 9 Abs. 3 MTV A umschriebenen Arbeitsleistung und damit außerhalb seiner Arbeitszeit durchgeführt haben will.
V. Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 91, 97 ZPO.
Unterschriften
Dr. Seidensticker, Schliemann, Dr. Steckhan, Nehring, Kordus
Fundstellen