Entscheidungsstichwort (Thema)
Berechnung der Urlaubsvergütung. Freischichtenmodell
Orientierungssatz
Nach § 10.10.3 Abs 3 des Manteltarifvertrages für die gewerblichen Arbeitnehmer in der Metallindustrie Schleswig- Holstein vom 12.7.1984 (Teil 1) ist die Urlaubsvergütung einschließlich der zusätzlichen Urlaubsvergütung an den für die betreffenden Abrechnungszeiträume, in die der Urlaub fällt, festgelegten Entgeltzahlungstagen zu zahlen, also am Lohnzahlungstag für den betreffenden Monat.
Normenkette
TVG § 1; BUrlG §§ 3, 1, 13, 11; GG Art. 3 Abs. 1; BetrVG § 77 Abs. 3, § 87 Abs. 1 Nr. 2
Verfahrensgang
Tatbestand
Der Kläger ist bei der Beklagten als gewerblicher Arbeitnehmer beschäftigt. Auf das Arbeitsverhältnis ist kraft beiderseitiger Organisationszugehörigkeit der Manteltarifvertrag für die gewerblichen Arbeitnehmer in der Metallindustrie Schleswig-Holsteins (MTV) anzuwenden.
§ 2 A MTV (Teil 2) vom 12. Juli 1984 (in Kraft getreten am
1. April 1985) lautet:
"§ 2
Arbeitszeit und Zuschläge
A. Arbeitszeit
1. Regelmäßige Arbeitszeit
Die tarifliche wöchentliche Arbeitszeit ohne
Pausen beträgt 38,5 Stunden.
Die Arbeitszeit im Betrieb wird im Rahmen des
Volumens, das sich aus der für den Betrieb fest-
gelegten wöchentlichen Arbeitszeit von 38,5
Stunden im Durchschnitt aller Vollzeitbeschäftigten
ergibt, durch Betriebsvereinbarung geregelt.
Dabei können für Teile des Betriebes, für
einzelne Arbeitnehmer oder für Gruppen von
Arbeitnehmern unterschiedliche wöchentliche
Arbeitszeiten festgelegt werden.
Die individuelle regelmäßige wöchentliche
Arbeitszeit kann zwischen 37 und 40 Stunden
(Vollzeitbeschäftigte) betragen.
.....
Die individuelle regelmäßige wöchentliche
Arbeitszeit kann gleichmäßig oder ungleichmäßig
auf fünf Werktage in der Woche verteilt werden.
Eine davon abweichende Verteilung kann nach
Maßgabe der betrieblichen Erfordernisse mit dem
Betriebsrat vereinbart werden. Die wöchentliche
Arbeitszeit muß im Durchschnitt von 2 Monaten
erreicht werden.
2. Die Arbeitszeit an den einzelnen Werktagen
sowie Beginn und Ende der täglichen Arbeitszeit
und der Pausen werden gemäß § 87 BetrVG durch
Betriebsvereinbarung nach Maßgabe der betrieb-
lichen Erfordernisse unter Beachtung der
arbeitszeitrechtlichen Vorschriften festgesetzt.
3. Auslastung der betrieblichen Anlagen
Aus Anlaß der Neufestlegung der Arbeitszeit
wird die Auslastung der betrieblichen Anlagen
und Einrichtungen nicht vermindert. Bei einer
Differenz zwischen Betriebsmittelnutzungszeit
und der Arbeitszeit für die einzelnen Arbeit-
nehmer kann der Zeitausgleich auch in Form von
freien Tagen erfolgen. Dabei muß zur Vermeidung
von Störungen im Betriebsablauf eine möglichst
gleichmäßige Anwesenheit der Arbeitnehmer
gewährleistet sein. Bei der Festlegung der
freien Tage sind die Wünsche der Arbeitnehmer
zu berücksichtigen.
....."
In § 3 MTV (Teil 2) ist bestimmt:
"§ 3
Berechnung des Durchschnittsstundenverdienstes
Der in diesem Manteltarifvertrag und anderen
Tarifverträgen genannte Durchschnittsstundenver-
dienst wird für Akkord-, Prämien- und Zeitlohn-
arbeiter errechnet aus dem Durchschnittsverdienst
des letzten abgerechneten Lohnabrechnungszeit-
raumes (ausschließlich der Zuschläge für Mehr-,
Nacht-, Sonn- und Feiertagsarbeit).
Die Berechnung der Entgeltfortzahlung bei
Arbeitsunfähigkeit infolge Krankheit (§ 12 Nr. 1
MTV Teil 1), die Erstattung des Lohnausfalls an
Wochenfeiertagen (§ 2 A Ziffer 11) und die
Berechnung der Urlaubsvergütung - einschließlich
der zusätzlichen Urlaubsvergütung (§ 10 Nr. 10) -
richten sich nach den dort genannten Bestimmungen."
§ 10.10 MTV (Teil 1) vom 31. März 1979 lautet:
"10. Urlaubsvergütung und zusätzliche Urlaubsvergütung
10.1(1) Für den Urlaub gemäß § 10 Ziffer 2 bzw. § 10
Ziffer 4 bemißt sich die Urlaubsvergütung nach
dem durchschnittlichen Arbeitsverdienst, den
der Arbeitnehmer in den letzten abgerechneten
13 Wochen bzw. abgerechneten drei Monaten vor
dem Beginn des Urlaubs erhalten hat.
(2) Mit Zustimmung der Tarifvertragsparteien kann
ein anderer Bezugszeitraum durch Betriebsver-
einbarung vereinbart werden.
10.2(1) Bei der Berechnung des durchschnittlichen
Arbeitsverdienstes bleiben außer Betracht:
einmalige Sonderzahlungen, wie z. B.
Jubiläumsgeld, Weihnachtssonderzahlungen usw.,
Trennungsgelder, Fahrtkosten, Fernauslösungen,
Nahauslösungen nur, soweit sie nicht als
Einkommen zu versteuern sind,
vermögenswirksame Leistungen und dergleichen,
sowie bereits im Bezugszeitraum gezahlte
Urlaubsvergütungen und Lohnfortzahlung im
Krankheitsfalle.
(2) Bei Verdiensterhöhungen nicht nur vorüberge-
hender Natur, die vor Urlaubsbeginn eintreten,
ist von dem erhöhten Verdienst auszugehen.
Treten diese während des Urlaubs ein, so sind
sie vom Zeitpunkt der Erhöhung an zu berück-
sichtigen.
(3) Verdienstkürzungen, die im Berechnungszeitraum
infolge von Kurzarbeit, Arbeitsausfällen oder
unverschuldeter Arbeitsversäumnis eintreten,
bleiben für die Berechnung der Urlaubsvergütung
außer Betracht.
(4) Ändert sich die vertragliche Arbeitszeit des
Arbeitnehmers während des Bezugszeitraumes oder
während des Urlaubs, so bemißt sich die
Urlaubsvergütung nach dem durchschnittlichen
Arbeitsverdienst, den der Arbeitnehmer im
Bezugszeitraum, bezogen auf die neue vertrag-
liche Arbeitszeit, erzielt hätte.
(5) Durch Betriebsvereinbarung kann festgelegt
werden, daß die Berechnung der Durchschnitts-
zahlen nicht für jeden einzelnen Arbeitnehmer,
sondern für bestimmte Gruppen einheitlich
durchgeführt werden kann.
10.3(1) Für den Erholungsurlaub gemäß § 10 Ziffer 2
bzw. § 10 Ziffer 4 - nicht jedoch für bezahlte
Freistellung von der Arbeit aus anderen Gründen -
wird für jeden Urlaubstag eine zusätzliche Urlaubs-
vergütung in Höhe von 50 % der nach vorstehenden
Ziffern 10.1 und 10.2 für den Urlaubstag
ermittelten Vergütung (= 100 %) gezahlt.
(2) Die zusätzliche Urlaubsvergütung bleibt außer
Ansatz bei der Berechnung von Zahlungen auf der
Grundlage eines Durchschnittsverdienstes (z. B.
Zuschläge, Ausfallvergütungen, Lohnfortzahlung,
Urlaubsvergütungen, Zuschüsse, Unterstützungen).
Sie gilt als einmalige Zuwendung im Sinne der
Sozialversicherung.
(3) Die Urlaubsvergütung einschließlich der
zusätzlichen Urlaubsvergütung ist an den für
die betreffenden Abrechnungszeiträume, in die
der Urlaub fällt, festgelegten Entgeltzahlungs-
tagen zu zahlen.
(4) Abweichend hiervon kann durch nicht erzwingbare
Betriebsvereinbarung festgelegt werden, daß die
zusätzliche Urlaubsvergütung an festen Stich-
tagen gezahlt wird.
In einem solchen Falle ist insoweit eine
Abschlagszahlung ausgeschlossen.
(5) Dem Arbeitnehmer ist vor Antritt des Urlaubs
eine angemessene Abschlagszahlung zu leisten.
Eine Abschlagszahlung entfällt, wenn der Arbeit-
nehmer weniger als 5 Tage des Jahresurlaubs
innerhalb eines Lohnabrechnungszeitraumes in
Anspruch nimmt, oder sichergestellt ist, daß
der Arbeitnehmer an den festgelegten Lohnzah-
lungstagen über die Urlaubsvergütung verfügen
kann. Die Abschlagszahlung kann bargeldlos
erfolgen. Im Einvernehmen mit dem Betriebsrat
können betrieblich anderweitige Regelungen
getroffen werden."
§ 16.1 MTV (Teil 1) lautet:
"§ 16
Erlöschen von Ansprüchen
1. Ausschlußfristen
1.1 Alle beiderseitigen Ansprüche aus dem Arbeits-
verhältnis und solche, die mit dem Arbeitsver-
hältnis in Verbindung stehen, sind
- dem Arbeitgeber gegenüber bei der Personal-
abteilung oder einer entsprechenden zuständigen
Stelle,
- dem Arbeitnehmer gegenüber durch persönliche
Aushändigung oder Zusendung an die letzte von
ihm angegebene Anschrift
schriftlich innerhalb folgender Ausschlußfristen
geltend zu machen:
a) Ansprüche auf Zuschläge aller Art innerhalb
von 4 Wochen nach Aushändigung oder Zusendung
der Entgeltabrechnung, bei der sie hätten
abgerechnet werden müssen, wobei die Zuwendung
der Entgeltabrechnung an die letzte vom
Arbeitnehmer angegebene Anschrift erfolgen
kann. Als Anschrift gilt auch die Bankverbin-
dung, wenn üblicherweise über diese zugestellt
wurde,
b) alle übrigen Ansprüche innerhalb von 3 Monaten
nach ihrer Fälligkeit.
1.2 Nach Ablauf dieser Fristen ist eine Geltend-
machung von Ansprüchen ausgeschlossen (Ausschluß-
fristen gemäß § 4 Ziffer 4 TVG).
1.3 Diese Ausschlußfristen gelten nicht für die
Erstattungsansprüche des Arbeitgebers gegen den
Arbeitnehmer, wenn der Arbeitgeber vom Finanzamt
wegen nicht oder nicht ausreichend einbehaltener
Lohn- und Kirchensteuer nachträglich in Anspruch
genommen wird.
1.4 Die Ausschlußfristen gelten nicht für Ansprüche
aus vorsätzlich begangener unerlaubter Handlung."
In einer von der Beklagten mit dem Betriebsrat getroffenen Betriebsvereinbarung vom 21. März 1985 ist u. a. geregelt:
"Betriebsvereinbarung
--------------------
.....
1. Individuelle regelmäßige Arbeitszeit
------------------------------------
Die individuelle regelmäßige Arbeitszeit aller
vollzeitbeschäftigten Mitarbeiterinnen und
Mitarbeiter beträgt 38,5 Stunden wöchentlich.
2. Betriebsmittelnutzungszeit
--------------------------
Aus Anlaß der Neufestlegung der Arbeitszeit wird
die Auslastung der betrieblichen Anlagen und
Einrichtungen nicht vermindert. Bei einer Diffe-
renz zwischen Betriebsmittelnutzungszeit und der
Arbeitszeit für die einzelnen Arbeitnehmer kann
der Zeitausgleich auch in Form von freien Tagen
erfolgen. Dabei muß zur Vermeidung von Störungen
im Betriebsablauf eine möglichst gleichmäßige
Anwesenheit der Arbeitnehmer gewährleistet sein.
Die regelmäßige Arbeitszeit beträgt von Mo - Fr.
8 Stunden.
.....
3. Freie Tage
----------
Die Inanspruchnahme von Freischichten erfolgt
individuell. Der Arbeitnehmer kann die Freistel-
lung im Rahmen der durch Tarifvertrag definierten
Zeiträume für einen von ihm gewünschten Tag
verlangen, und zwar vorzugsweise Montags und
Freitags.
.....
Jeder Mitarbeiter, der in der Zeit vom 1.4. bis
31.12.85 im Unternehmen beschäftigt ist, erhält
7 freie Tage. Für alle nach dem 1.4.85 Einge-
stellten und vor dem 31.12.85 Ausscheidenden
erfolgt die Berechnung entsprechend anteilig.
.....
6. Bezahlung
---------
Die Bezahlung der Arbeitstage bei gewerblichen
Mitarbeitern erfolgt auf einer Basis von 40 Stunden
bei Vollzeitbeschäftigten. Für die freien Tage
erfolgt keine Bezahlung.
....."
Im Jahre 1985 standen dem Kläger 36 Urlaubstage zu. Davon hat er nach dem 1. April 1985 20 Tage genommen. Außerdem wurde ihm ein Tag bezahlter Sonderurlaub gewährt. Im September 1985 war der Kläger an zwei Tagen arbeitsunfähig krank.
Bei der Berechnung des Urlaubsentgelts für 21 Urlaubstage sowie der Lohnfortzahlung für zwei Krankheitstage legte die Beklagte einen durchschnittlichen Stundenlohn von 17,69 DM zugrunde und vergütete mit diesem Stundensatz jeweils 7,7 Stunden für die Urlaubs- und die Krankheitstage. Entsprechend verfuhr die Beklagte bei der Berechnung des zusätzlichen Urlaubsgelds (zusätzliche Urlaubsvergütung), das sie für das gesamte Kalenderjahr 1985 im Juni 1985 auszahlte.
Mit dieser Berechnung ist der Kläger nicht einverstanden. Er hat die Auffassung vertreten, die Beklagte sei verpflichtet, jeweils von acht Stunden für die Bezahlung jedes Urlaubstags und auch der Krankheitstage auszugehen. Dann ergebe sich eine Differenz von 217,59 DM zu seinen Gunsten.
Nachdem die Beklagte an den Kläger weitere 47,76 DM gezahlt hatte, hat der Kläger mit seiner am 30. September 1985 zugestellten Klage beantragt, die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger 169,83 DM (brutto) nebst 4 % Zinsen auf den sich ergebenden Nettobetrag seit dem 30. September 1985 zu zahlen. Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen.
Arbeitsgericht und Landesarbeitsgericht haben der Klage stattgegeben. Mit der Revision verfolgt die Beklagte ihr Verfahrensziel weiter. Der Kläger bittet, die Revision zurückzuweisen. Soweit die Parteien darüber streiten, ob dem Kläger für zwei Krankheitstage ein weiteres Entgelt in Höhe von 5,31 DM nebst zugehörigen Zinsen zusteht, hat der Senat den Rechtsstreit an den hierfür zuständigen Fünften Senat abgegeben.
Entscheidungsgründe
Die Revision der Beklagten ist begründet, ohne daß es auf die Ausführungen des Landesarbeitsgerichts in der Sache ankommt. Sie führt zur Zurückverweisung der Sache an das Landesarbeitsgericht.
I. Das Landesarbeitsgericht hat zum Anspruch des Klägers auf Zahlung des Differenzbetrages zur Urlaubsvergütung und zur zusätzlichen Urlaubsvergütung festgestellt, daß der Kläger nach dem 1. April 1985 20 Tage Urlaub sowie einen Tag Sonderurlaub erhalten hat. Diese Feststellungen reichen für eine Entscheidung in der Sache nicht aus. Nach § 16.1.1 b MTV (Teil 1) sind u. a. Vergütungsansprüche innerhalb einer Ausschlußfrist von drei Monaten nach ihrer Fälligkeit schriftlich geltend zu machen. Nach Ablauf dieser Fristen ist eine Geltendmachung von Ansprüchen ausgeschlossen (§ 16.1.2 MTV (Teil 1)).
Das Landesarbeitsgericht hat keine Feststellungen getroffen, zu welchem Zeitpunkt der Kläger vor der Zustellung der Klage am 30. September 1985 Urlaub erhalten und ob und wann er seine Ansprüche auf Zahlung der Differenzbeträge geltend gemacht hat, für den Fall, daß ihm Urlaub und Sonderurlaub vor dem 30. Juni 1985 gewährt worden ist.
Nach § 10.10.3 Abs. 3 MTV (Teil 1) ist die Urlaubsvergütung einschließlich der zusätzlichen Urlaubsvergütung an den für die betreffenden Abrechnungszeiträume, in die der Urlaub fällt, festgelegten Entgeltzahlungstagen zu zahlen, also am Lohnzahlungstag für den betreffenden Monat. Damit wäre mit Rücksicht auf die Klagerhebung der Kläger gehalten gewesen, jedenfalls dann seine Ansprüche schriftlich gegenüber der Beklagten geltend zu machen, wenn ihm Urlaub vor dem 30. Juni 1985 gewährt worden ist. Ist der Urlaub nach dem 1. April und vor dem 1. Juni erteilt worden, hängt der Erfolg der Klage ganz oder teilweise davon ab, ob er den von ihm mit der Klage geforderten Betrag ganz oder teilweise schriftlich von der Beklagten verlangt hat. Um dem Landesarbeitsgericht Gelegenheit zu geben, Feststellungen hierzu zu treffen, muß der Rechtsstreit an das Landesarbeitsgericht zurückverwiesen werden (§ 565 Abs. 1 Satz 1 ZPO).
II. Ist die Klage rechtzeitig erhoben, wird das Landesarbeitsgericht für eine Entscheidung in der Sache die Rechtsgrundsätze zu beachten haben, die der erkennende Senat seiner zugleich verkündeten Entscheidung 8 AZR 472/86 - zur Veröffentlichung bestimmt - zugrunde gelegt hat.
Michels-Holl Dr. Leinemann Dr. Peifer
Dr. Weiss Rheinberger
Fundstellen