Entscheidungsstichwort (Thema)
Wegfall einer Tbc-Zulage
Normenkette
Ergänzungstarifvertrag vom 22. August 1973 – in Kraft getreten am 1. Juli 1973 zum Tarifvertrag betreffend Übernahme des Bundes-Angestelltentarifvertrages (
Verfahrensgang
LAG Düsseldorf (Urteil vom 24.03.1988; Aktenzeichen 5 Sa 1413/87) |
ArbG Essen (Urteil vom 09.06.1987; Aktenzeichen 6 Ca 1253/87) |
Tenor
Die Revision der Klägerin gegen das Urteil des Landesarbeitsgerichts Düsseldorf vom 24. März 1988 – 5 Sa 1413/87 – wird zurückgewiesen.
Die Klägerin hat die Kosten der Revision zu tragen.
Von Rechts wegen!
Tatbestand
Die Parteien streiten darüber, ob der Klägerin auch über den 1. April 1986 hinaus die ihr bis dahin gewährte tarifliche Tbc-Zulage in Höhe von DM 67,– monatlich zusteht.
Die Klägerin ist seit dem 1. Oktober 1982 als Krankenschwester in der Abteilung Bronchologie in der von der Beklagten betriebenen R. klinik in … beschäftigt. Nach § 2 des Arbeitsvertrages vom 25. Oktober 1982 richtet sich das Arbeitsverhältnis nach dem Tarifvertrag betreffend Übernahme des Bundes-Angestelltentarifvertrages (BAT) für Angestellte der Landesversicherungsanstalten vom 10. Oktober 1961 sowie den jeweils ergänzenden, ändernden, ersetzenden und sonstigen für die Art der Tätigkeit des Beschäftigten einschlägigen Tarifvereinbarungen, soweit jeweils tarifrechtliche Verbindlichkeit für die Landesversicherungsanstalt Rheinprovinz besteht.
Am 22. August 1973 schlossen die Beklagte sowie die Gewerkschaften ÖTV und DAG einen Tarifvertrag zur Ergänzung des Tarifvertrages vom 10. Oktober 1961 ab, der unter anderem folgenden Inhalt hat:
„§ 1
Bedienstete in Tbc-Kliniken, auf deren Arbeitsverhältnis der BAT Anwendung findet, erhalten eine monatliche Tbc-Zulage von 67,– DM.
…”
Die R. klinik wurde bis Ende 1985 als Tbc-Klinik bezeichnet und am 1. Januar 1986 in ein pneumologisches Zentrum umgewandelt. Der Anteil der dort behandelten Tbc-Kranken verringerte sich in der Vergangenheit kontinuierlich. Am 1. Januar 1986 verfügte die R. klinik bei einer Gesamtkapazität von 272 Betten in zehn Stationen nur noch über zwei Tbc-Stationen mit insgesamt 54 Betten. Mit Ausnahme der gemäß Protokollerklärung Nr. 1 Buchst. a zu Abschnitt A der Anlage 1 b zum BAT an die Pflegepersonen in den besonderen Tuberkuloseabteilungen oder Tuberkulosestationen zu zahlenden Zulage, stellte daher die Beklagte die Zahlung der Tbc-Zulagen an die Bediensteten der R.-klinik ab April 1986 ein, mit der Begründung, die Klinik könne nicht mehr als Tbc-Klinik im tariflichen Sinne bezeichnet werden.
Die Klägerin, die sich mit der vorliegenden Klage gegen die Zahlungseinstellung wendet, hat vorgetragen, die Tbc-Zulagengewährung könne nicht davon abhängen, wie sich die Klinik bezeichne. Entscheidend sei vielmehr, ob in der R. klinik Tbc-Patienten behandelt würden und deshalb weiterhin eine Infektionsgefahr bestehe. Es könne nicht darauf ankommen, ob überwiegend Tbc-kranke Patienten behandelt werden, weil andernfalls die Zulage bereits bei Inkrafttreten des Ergänzungstarifvertrages nicht mehr hätte gezahlt werden dürfen. Bereits 1973 seien nämlich weniger als die Hälfte der Betten in der R. klinik für Tbc-kranke Patienten reserviert gewesen. Die tarifliche Regelung gelte zudem solange weiter, bis sie durch eine andere Abmachung ersetzt worden sei. Dies sei vorliegend nicht geschehen, insbesondere habe die Beklagte auch keine Änderungskündigung erklärt. Darüber hinaus sei sie aufgrund einer Zeitungsanzeige der Beklagten eingestellt worden, in der auf die Zulage hingewiesen worden sei.
Die Klägerin hat beantragt,
- die Beklagte zu verurteilen, an sie 804,– DM brutto nebst 4 % Zinsen seit dem 01.04.86 zu zahlen,
- festzustellen, daß die Beklagte verpflichtet ist, ihr die monatliche Tbc-Zulage in Höhe von 67,– DM auch in Zukunft zu zahlen.
Die Beklagte hat Klageabweisung beantragt und vorgetragen, die tarifliche Tbc-Zulage in Höhe von DM 67,– monatlich sei nur solange zu zahlen, als die Arbeitnehmer in einer Tbc-Klinik beschäftigt seien. Dies folge aus § 33 Abs. 3 BAT, der bestimme, eine Zulage sei nicht weiter zu gewähren, wenn die Voraussetzungen für die Zahlung der Zulage weggefallen sind. Diese Situation sei aufgrund der Umstrukturierung der R. klinik eingetreten.
Das Arbeitsgericht hat der Klage bis auf einen Teil des Zinsanspruches stattgegeben. Auf die Berufung der Beklagten hat das Landesarbeitsgericht die Klage abgewiesen. Mit der zugelassenen Revision erstrebt die Klägerin die Wiederherstellung des erstinstanzlichen Urteils.
Entscheidungsgründe
Die Revision ist unbegründet. Die Klägerin hat keinen Anspruch auf Fortzahlung der Tbc-Zulage.
I. Das Landesarbeitsgericht hat ausgeführt, die Klägerin habe keinen tarifvertraglichen Zulagenanspruch in Höhe von DM 67,– monatlich, denn nach dem Wortlaut und dem Willen der Parteien des Ergänzungstarifvertrages sei eine „Tbc-Klinik” ein Krankenhaus, in dem ausschließlich oder überwiegend Tbc-Kranke behandelt werden. Diese tariflichen Voraussetzungen seien durch die Reduzierung der Behandlung von Tbc-Kranken in der Vergangenheit weggefallen. Die Beklagte habe zwar mit der in anderen Krankenhäusern nicht gezahlten Zulage geworben, doch liege darin keine entsprechende einzelvertragliche Zusage, sondern nur der Hinweis auf einen tariflichen Anspruch. Einem möglichen vertraglichen Anspruch aufgrund betrieblicher Übung stehe das Schriftformerfordernis des § 4 Abs. 2 BAT entgegen. Denn die Tbc-Zulage sei eine Leistung außerhalb der Hauptrechte und -pflichten des Arbeitsverhältnisses der Parteien.
II. Diese Ausführungen des Berufungsgerichts halten der revisionsrechtlichen Überprüfung stand.
1. Die Klägerin hat keinen Anspruch nach § 1 des Ergänzungstarifvertrages aus dem Jahre 1973 auf Zahlung von 804,– DM brutto.
a) Der Ergänzungstarifvertrag findet nur auf „Bedienstete in Tbc-Kliniken” Anwendung. Die R. klinik ist jedoch seit Januar 1986 nicht mehr Tbc-Klinik. Im Krankenhauswesen ist es seit langer Zeit üblich, Krankenhäusern Zusatzbezeichnungen zu geben, die auf bestimmte Krankheiten hindeuten. Hierbei wird der Ausdruck „Klinik” verwendet, der nach dem allgemeinen Sprachgebrauch eine öffentliche oder private Krankenanstalt, ein „besonderes Krankenhaus für bestimmte Krankheiten” bedeutet (Brockhaus/Wahrig, Deutsches Wörterbuch, Bd. 4, 1982, S. 167). So nennen Brockhaus/Wahrig als Beispiele die Frauenklinik, die Kinderklinik, die Poliklinik. In diesem Sinne ist der Begriff Tbc-Kliniken in dem Ergänzungstarifvertrag vom 22. August 1973 zu verstehen. Wenn mit dem Begriff der speziellen Kliniken ein besonderes Krankenhaus für bestimmte Krankheiten bezeichnet wird, kann dies nur bedeuten, daß nach der Begriffsbestimmung in dem Krankenhaus die Krankheiten ausschließlich oder doch ganz überwiegend behandelt werden, die dem speziellen dem Wort „Klinik” vorangestellten Begriff entsprechen. Demnach kann als Tbc-Klinik nur ein Krankenhaus angesehen werden, in dem zumindest überwiegend Tbc-Erkrankte untergebracht sind und behandelt werden. Unstreitig erfüllt aber die R. klinik, in der die Klägerin beschäftigt ist, nicht den Begriff der Tbc-Klinik in diesem Sinne, da in ihr – jedenfalls im Klagezeitraum – ganz überwiegend Patienten untergebracht wurden bzw. werden, die nicht an Tbc erkrankt sind. Aus den vom Landesarbeitsgericht eingeholten Tarifauskünften der Tarifvertragsparteien folgt nichts anderes. Danach hatten sich die Tarifvertragsparteien bei Abschluß des Tarifvertrages aufgrund der damaligen Struktur der betreffenden Kliniken keine Gedanken über den Begriff „Tbc-Klinik” gemacht. Die insoweit abweichende Auskunft der Gewerkschaft ÖTV, bei Tarifabschluß sei ein Einvernehmen darüber erzielt worden, daß eine Krankenhauseinrichtung so lange unter den Begriff Tbc-Klinik fallen sollte, wie dort überhaupt Tbc-Kranke behandelt werden, hat keinen Niederschlag in der Ausgestaltung des Ergänzungstarifvertrages gefunden und ist deshalb vom Berufungsgericht im Rahmen der Tarifauslegung zutreffend nicht berücksichtigt worden (BAG Urteil vom 15. Juni 1989 – 6 AZR 466/87 – ZTR 1990, 18 f., m.w.N.). Etwas anderes könnte allenfalls dann angenommen werden, wenn die Beklagte bereits bei Abschluß des Tarifvertrages im Jahre 1973 Tbc-Kliniken betrieben hätte, die nicht überwiegend mit Tbc-kranken Patienten belegt worden waren. Nach den ungerügten Feststellungen des Landesarbeitsgerichts hat sich aber die entsprechende Behauptung der Klägerin als unrichtig herausgestellt. Somit ist die Tbc-Zulage tarifvertraglich eine Tätigkeitszulage, die nur so lange zu zahlen ist, als die Klägerin, in einer Tbc-Klinik arbeitet. Aus welchem Grunde die Tätigkeit in einer Tbc-Klinik entfällt, ist tarifvertraglich ohne Bedeutung, führt aber in jedem Fall zum Wegfall der tariflichen Anspruchsvoraussetzungen.
b) Dieser allgemeine Grundsatz, der das Wesen einer Tätigkeitszulage kennzeichnet, hat auch tarifvertraglich in § 33 Abs. 3 BAT einen Miederschlag gefunden, wonach mit Ablauf des Monats, in dem die Voraussetzungen für die Gewährung einer Zulage weggefallen sind, die Zahlung dieser Zulage einzustellen ist. Zwar ist der Klägerin zuzugeben, daß § 33 Abs. 3 BAT im vorliegendem Fall keine Anwendung findet, da sie keine Zulage nach dieser Tarifvorschrift geltend macht. Jedoch ist § 33 Abs. 3 BAT Ausdruck eines allgemeinen Grundsatzes, der für alle Tätigkeitszulagen gilt. Der BAT hat diesen Grundsatz aufgenommen, modifiziert ihn jedoch nicht. Dieser Tarifvertrag gilt auch für das Arbeitsverhältnis der Parteien aufgrund des Übernahmetarifvertrages vom 10. Oktober 1961. Wenn somit die Beklagte einzelvertraglich oder tariflich besondere Tätigkeitszulagen außerhalb des BAT ihren Arbeitnehmern gewährt, kann mangels anderweitiger Anhaltspunkte nicht davon ausgegangen werden, diese Tätigkeitszulagen sollten nach anderen Grundsätzen gezahlt werden als die Tätigkeitszulagen nach dem für die Beklagte ebenfalls geltenden BAT. Für Tätigkeitszulagen ist demnach die Ausübung der entsprechenden Tätigkeit anspruchsbegründendes Merkmal (vgl. auch BAG Urteil vom 29. Mai 1985 – 7 AZR 111/83 – AP Nr. 1 zu § 62 BMT-G II).
c) Der Umstand, daß die Tbc-Zulage ein Äquivalent für die Infektionsgefahr ist, führt zu keiner anderen Auslegung. Er zeigt vielmehr, daß die Tarifvertragsparteien die Infektionsgefahr nur dann als erhöht angesehen haben, wenn ein Arbeitnehmer in einem Krankenhaus arbeitet, in dem ausschließlich oder ganz überwiegend Tbc-Patienten untergebracht sind. Sind dagegen im Verhältnis zur Gesamtunterbringungszahl nur wenige Tbc-Patienten untergebracht, ist dementsprechend auch die Infektionsgefahr geringer. Somit ist die von der Beklagten angeordnete Beschränkung der Zulagengewährung auf die Pflegepersonen in den Tuberkulosestationen gem. der Protokollnotiz Nr. 1 Buchst. a des Abschnitts A der Anlage 1 b zum BAT sachgerecht und vernünftig.
2. Auch ein Anspruch der Klägerin auf Weiterzahlung der Zulage kraft betrieblicher Übung besteht nicht. Eine betriebliche Übung liegt nur dann vor, wenn bestimmte Verhaltensweisen regelmäßig wiederholt werden, die bei den Betriebsangehörigen den Eindruck einer Gesetzmäßigkeit oder eines Brauches erwecken, d.h. ein Vertrauen darauf begründen, die Leistung oder Vergünstigung werde auf Dauer gewahrt. Dabei ist entscheidend darauf abzustellen, wie das stetige Verhalten des Arbeitgebers nach Treu und Glauben aus der Sicht der begünstigten Arbeitnehmer zu bewerten ist; es genügt, daß der Arbeitgeber den objektiven Tatbestand der betrieblichen Übung wissentlich herbeigeführt hat (ständige Rechtsprechung, vgl. BAGE 40, 126, 133 = AP Nr. 1 zu § 3 TV Arb Bundespost; BAG Urteil vom 23. Juni 1988 – 6 AZR 137/86 – BAGE 59, 73, 84 f. = AP Nr. 33 zu § 242 BGB Betriebliche Übung; BAGE 49, 290, 295 = AP Nr. 22 zu § 242 BGB Betriebliche Übung). Selbst wenn schon vor dem 1. April 1986 die tariflichen Anspruchsgrundlagen für die Zulage entfallen waren, hat die Beklagte durch die dann rechtsgrundlos erfolgte Zahlung ein solches Vertrauen nicht erweckt. Mangels anderweitiger Anhaltspunkte ist nämlich davon auszugehen, daß sie sich zur Zahlung der Zulage aufgrund des Ergänzungstarifvertrages für verpflichtet hielt, aber keine darüber hinausgehenden vertraglichen Ansprüche begründen wollte. Die Beklagte ist eine öffentlich-rechtliche Anstalt, die – wie allgemein im öffentlichen Dienst – nur auf der Grundlage der einzelvertraglichen Vereinbarung bzw. des Tarifvertrages zahlt. Die Klägerin konnte deshalb nicht davon ausgehen, die Beklagte wolle ihr eine über ihren Arbeitsvertrag hinausgehende Leistung gewähren. In einem solchen Fall kann sich der Arbeitgeber von der Weitergewährung der Zulage einseitig ohne Änderungskündigung und ohne Einschaltung des Personalrats lossagen (BAG Urteil vom 23. April 1986 – 4 AZR 90/85 – AP Nr. 118 zu §§ 22, 23 BAT 1975; BAGE 52, 33 = AP Nr. 12 zu § 4 BAT).
3. Der Hinweis der Klägerin auf die Stellenanzeigen der Beklagten mit dem Hinweis auf die Zulage begründet keinen einzelvertraglichen Anspruch. Zutreffend hat das Landesarbeitsgericht darin lediglich einen Hinweis auf einen entsprechenden tariflichen Anspruch gesehen.
III. Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO.
Unterschriften
Dr. Röhsler, Dörner, Schneider, Dr. Steinhäuser, Schwarck
Fundstellen