Entscheidungsstichwort (Thema)
Direktionsrecht des Arbeitgebers. Direktionsrecht, Ausübung nach billigem Ermessen. Vertragsauslegung. Konkretisierung der Arbeitspflicht. Betriebliche Übung. Sonstiges
Orientierungssatz
Weist der Arbeitgeber den Arbeitnehmer bei Abschluß des Arbeitsvertrags auf eine für den Arbeitsbereich des Arbeitnehmers geltende betriebliche Regelung über Zeit und Ort des Beginns und Endes der täglichen Arbeit hin, wird die zu diesem Zeitpunkt bestehende betriebliche Regelung nicht Inhalt des Arbeitsvertrags. Das Direktionsrecht des Arbeitgebers hinsichtlich der Festlegung von Ort und Zeit der Arbeitsleistung wird dadurch nicht eingeschränkt. Dies gilt auch, wenn die bei Vertragsschluß bestehende betriebliche Regelung über längere Zeit hinweg beibehalten wird und der Arbeitgeber von seinem Direktionsrecht insoweit keinen Gebrauch macht. Dadurch allein tritt weder eine Konkretisierung der Arbeitspflicht ein noch entsteht eine entsprechende betriebliche Übung.
Normenkette
BGB §§ 611, 315 Abs. 3; BMT-G II § 15 Abs. 1; Sondervereinbarung gemäß § 2 Abs. 2 S. 1 Buchst. a BMT-G für Arbeiter im Betriebs- und Verkehrsdienst von Nahverkehrsbetrieben § 7; BGB §§ 133, 157, 242
Verfahrensgang
Tenor
Von Rechts wegen!
Tatbestand
Die Parteien streiten darüber, ob eine Anordnung über Beginn und Ende der täglichen Arbeit vom Direktionsrecht der Beklagten gedeckt ist, und über die Wirksamkeit einer vorsorglich erklärten Änderungskündigung.
Die am 12. Juli 1957 geborene Klägerin ist seit dem 5. Dezember 1983, zunächst als Raumpflegerin, seit dem 3. Dezember 1984 als Kontrollschaffnerin bei der Beklagten beschäftigt. Nach § 2 des Arbeitsvertrags vom 12. September 1989 richtet sich das Arbeitsverhältnis nach den Vorschriften des BMT-G und der zusätzlich abgeschlossenen Tarifverträge in der jeweils geltenden Fassung.
Die Klägerin nahm bis zum 31. Dezember 1997, ebenso wie die anderen Kontrollschaffner der Beklagten, die tägliche Arbeit in der Weise auf, daß sie bei Dienstbeginn an der ihrer Wohnung nächstgelegenen Bus- oder Bahnstation in ein Fahrzeug einstieg und dort ihre Kontrolltätigkeit begann. Später traf sie mit Kollegen zusammen, mit denen sie gemeinsam kontrollierte. Entsprechend verfuhr sie bei Dienstende. Diese betriebliche Regelung war der Klägerin und den übrigen Kontrollschaffnern jeweils bei der Einstellung mitgeteilt worden. Am 22. Dezember 1997 wies die Beklagte die Klägerin und die übrigen Kontrollschaffner mit Zustimmung des Betriebsrats an, die tägliche Arbeit ab dem 1. Januar 1998 am Betriebshof aufzunehmen und zu beenden und von Dienstbeginn an in Gruppen zu kontrollieren. Dadurch verlängern sich die Wegezeiten der Klägerin um 60 Minuten täglich. Nachdem mehrere Kontrollschaffner gegen die Änderungsanordnung vor dem Arbeitsgericht Düsseldorf geklagt hatten und dieses in einem Verfahren festgestellt hatte, daß die Anordnung der Beklagten nicht von deren Direktionsrecht gedeckt sei, sprach die Beklagte zum Zwekke einer entsprechenden Änderung der Arbeitsbedingungen ua. gegenüber der Klägerin mit Schreiben vom 7. Mai 1998 eine fristgerechte Änderungskündigung zum 31. Dezember 1998 aus. Die Klägerin nahm das Änderungsangebot unter dem Vorbehalt, daß die Änderung der Arbeitsbedingungen nicht sozial ungerechtfertigt ist, mit Schreiben vom 13. Mai 1998 an.
Die Klägerin hat die Auffassung vertreten, die Anordnung vom 22. Dezember 1997 sei vom Direktionsrecht der Beklagten nicht gedeckt. Die Beklagte habe ihr bei der Einstellung zugesagt, die tägliche Arbeit mit dem Einstieg in eine Bahn oder einen Bus an der der Wohnung nächstgelegenen Haltestelle beginnen und entsprechend beenden zu dürfen. Diese Zusage sei Bestandteil des Arbeitsvertrags geworden. Zumindest habe sich ihre Tätigkeit durch die langjährige Handhabung auf diese Praxis konkretisiert. Da bei allen Kontrollschaffnern so verfahren worden sei, sei eine betriebliche Übung entstanden, von der sich die Beklagte nicht einseitig lösen könne. Die Anordnung entspreche auch nicht billigem Ermessen. Die dadurch entstehenden längeren Wegezeiten seien ihr nicht zuzumuten. Die Maßnahme sei entgegen der Behauptung der Beklagten auch nicht erforderlich. Die vorsorglich ausgesprochene Änderungskündigung sei unwirksam.
Die Klägerin hat beantragt
festzustellen, daß die Änderung der Arbeitsbedingungen durch die Kündigung vom 8. Mai 1998 sozial ungerechtfertigt ist.
Die Beklagte hat Klageabweisung beantragt und die Auffassung vertreten, die bis zum 31. Dezember 1997 bei Kontrollschaffnern praktizierte Regelung über Dienstbeginn und Dienstende sei nicht Inhalt des Arbeitsvertrags geworden. Bei der Einstellung sei die Klägerin, ebenso wie die übrigen Kontrollschaffner, lediglich auf die damals für Kontrollschaffner geltende betriebliche Arbeitszeitregelung hingewiesen worden. Damit sei aber keine vertragliche Zusage erteilt worden. Eine Konkretisierung des Arbeitsverhältnisses auf diese Art der Aufnahme und Beendigung der täglichen Arbeit sei nicht eingetreten, ebensowenig sei eine entsprechende betriebliche Übung entstanden. Die Anordnung entspreche billigem Ermessen. Die Durchführung gemeinsamer Kontrollen bewirke eine höhere Kontrollintensität. Dadurch könnten höhere Beförderungsentgelte erzielt werden. Durch die geänderte Regelung entfielen zudem Wartezeiten für die übrigen Gruppenmitglieder auf Grund von Verzögerungen bei Einzelkontrollen auf dem Anreiseweg. Die Verlagerung des Arbeitsendes auf den jeweiligen Betriebshof gewährleiste außerdem, daß Meldungen über Fahrgäste ohne gültigen Fahrausweis zügiger an die zuständige Rechtsabteilung gelangten als bisher. Schließlich verbessere die neue Regelung die Sicherheit der Kontrollschaffner. Diesen Belangen müsse das Interesse der Klägerin an der Beibehaltung kürzerer Wegezeiten weichen. Die hilfsweise ausgesprochene Änderungskündigung sei wirksam. Die Änderung der Arbeitsbedingungen der Kontrollschaffner sei unabweisbar notwendig, um die erforderliche Markt- und Wettbewerbsfähigkeit zu erreichen.
Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen. Das Landesarbeitsgericht hat die Berufung der Klägerin, mit der sie beantragt hat festzustellen, daß die Beklagte nicht berechtigt gewesen ist, im Rahmen des Direktionsrechts die streitigen Arbeitsbedingungen der Klägerin zum 1. Januar 1998 abzuändern und daß das Arbeitsverhältnis zu unveränderten Bedingungen fortbesteht, zurückgewiesen. Mit der Revision verfolgt die Klägerin den zuletzt gestellten Antrag weiter. Die Beklagte beantragt, die Revision zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
Die Revision hat keinen Erfolg. Zu Recht haben die Vorinstanzen die Klage als unbegründet abgewiesen. Die Klägerin hat ab dem 1. Januar 1998 die tägliche Arbeit am Betriebshof aufzunehmen und zu beenden. Dies hat die Beklagte am 22. Dezember 1997 wirksam angeordnet. Darauf, ob die Änderungskündigung wirksam war, die die Beklagte vorsorglich ausgesprochen hat, kommt es nicht an.
Nach §15 Abs. 1 BMT-G II beginnt und endet die Arbeitszeit an dem vorgeschriebenen Arbeitsplatz, bei wechselnden Arbeitsplätzen an dem jeweils vorgeschriebenen Arbeits- oder Sammelplatz. Nach § 7 der Sondervereinbarung gemäß § 2 Abs. 1 Satz 1 Buchst. a BMT-G für Arbeiter im Betriebs- und Verkehrsdienst von Nahverkehrsbetrieben ist Arbeitsplatz iSd. § 15 Abs. 1 BMT-G das Fahrzeug oder der angewiesene Aufenthaltsplatz.
- Die Klägerin unterfällt als Kontrollschaffnerin der genannten Sondervereinbarung. Ihr Arbeitsplatz ist daher der jeweilige Bus oder die Bahn, in der sie die Kontrolltätigkeit ausübt. Da sie in unterschiedlichen, ständig wechselnden Fahrzeugen kontrolliert, ist der Arbeitsplatz das ihr jeweils zur Kontrolle zugewiesene Fahrzeug. Diese Zuweisung bestimmt der Arbeitgeber in Ausübung seines Direktionsrechts. Die Anordnung vom 22. Dezember 1997 war vom Direktionsrecht der Beklagten gedeckt.
Das Direktionsrecht ermöglicht dem Arbeitgeber, die im Arbeitsvertrag nur rahmenmäßig umschriebene Leistungspflicht im einzelnen nach Zeit, Art und Ort zu bestimmen. Es gehört zum wesentlichen Inhalt eines jeden Arbeitsverhältnisses. Das Direktionsrecht des Arbeitgebers kann durch Gesetz, Tarifvertrag, Betriebsvereinbarung oder Einzelarbeitsvertrag eingeschränkt sein. Auch soweit es danach besteht, darf es nur nach billigem Ermessen im Sinne des § 315 Abs. 3 BGB ausgeübt werden (st. Rspr., vgl. etwa BAG 25. Oktober 1989 – 2 AZR 633/88 – AP BGB § 611 Direktionsrecht Nr. 36 = EzA KSchG § 1 Verhaltensbedingte Kündigung Nr. 30; 23. Juni 1993 – 5 AZR 337/92 – AP BGB § 611 Direktionsrecht Nr. 42 = EzA BGB § 611 Direktionsrecht Nr. 13; 11. Oktober 1995 – 5 AZR 1009/94 – AP BGB § 611 Direktionsrecht Nr. 45 = EzA BGB § 611 Direktionsrecht Nr. 16; 11. Oktober 1995 – 5 AZR 802/94 – AP BGB § 611 Arbeitszeit Nr. 9 = EzA BGB § 242 Betriebliche Übung Nr. 33).
Das Direktionsrecht der Beklagten hinsichtlich der Festlegung von Zeit und Ort der Arbeitsaufnahme durch die Klägerin ist weder durch Tarifvertrag, noch durch eine einzelvertragliche Vereinbarung oder durch betriebliche Übung eingeschränkt.
- Der BMT-G II schränkt das Direktionsrecht des Arbeitgebers hinsichtlich der Festlegung von Ort und Zeit der Arbeitsleistung nicht ein. Hinsichtlich der Festlegung der Fahrzeuge, in denen die geschuldete Tätigkeit zu erbringen ist und ab wann dies zu geschehen hat, gibt es keine einschränkende tarifliche Regelung (vgl. Scheuring/Lang/Hoffmann BMT-G II Stand November 2000 § 14 Erl. 13).
Die bis zum 31. Dezember 1997 geltende betriebliche Regelung über die Aufnahme und Beendigung der täglichen Arbeit für Kontrollschaffner ist nicht Inhalt des Arbeitsvertrags geworden.
Der schriftliche Arbeitsvertrag enthält eine solche Vereinbarung nicht. Auch mündlich wurde eine solche nicht getroffen. Die Klägerin hat vorgetragen, ihr sei während des Einstellungsgesprächs zugesagt worden, daß sie die tägliche Arbeit in der Weise beginnen könne, daß sie bei Dienstbeginn an der ihrer Wohnung nächstgelegenen Haltestelle in einen Bus oder eine Bahn einsteige und in dem betreffenden Fahrzeug die Kontrolltätigkeit aufnehme und bei Dienstschluß entsprechend verfahre. Das Landesarbeitsgericht hat dies nicht als einzelvertragliche Vereinbarung gewertet, sondern lediglich als Hinweis auf die seinerzeit geltende betriebliche Regelung angesehen. Diese Auslegung ist revisionsrechtlich nicht zu beanstanden.
- Die Auslegung sog. nichttypischer Willenserklärungen, um die es sich vorliegend handelt, obliegt dem Tatrichter. Sie ist revisionsrechtlich nur daraufhin überprüfbar, ob das Gericht der Tatsacheninstanz die wesentlichen Auslegungsgrundsätze der §§ 133, 157 BGB beachtet, nicht gegen Denkgesetze und Erfahrungssätze verstoßen und den Tatsachenstoff vollständig verwertet hat (st. Rspr. vgl. BAG 26. Mai 1992 – 9 AZR 27/91 – AP HGB § 74 Nr. 63 = EzA HGB § 74 Nr. 54, zu 2 der Gründe; 22. September 1992 – 1 AZR 235/90 – BAGE 71, 164, 171; 2. Juni 1987 – 3 AZR 626/85 – BAGE 55, 309, 314 mwN).
- Diesem eingeschränkten Prüfungsmaßstab hält die vom Landesarbeitsgericht vorgenommene Auslegung stand. Rechtsfehler der genannten Art sind weder ersichtlich noch von der Revision aufgezeigt. Daß die Beklagte bei der Einstellung eine Erklärung des Inhalts abgegeben hätte, die damals für Kontrollschaffner geltende Regelung werde auch in Zukunft – zumindest für sie – beibehalten, hat die Klägerin selbst nicht vorgetragen. Nach den mit Verfahrensrügen nicht angegriffenen und daher für den Senat bindenden Feststellungen des Landesarbeitsgerichts hat die Beklagte nur auf die betriebliche Regelung für Kontrollschaffner hingewiesen. Damit haben die Parteien jedoch nur vereinbart, daß die Aufnahme und Beendigung der täglichen Arbeit nach der jeweils geltenden betrieblichen Regelung erfolgen soll. Eine solche Vereinbarung ist nicht dahingehend auszulegen, daß die zu diesem Zeitpunkt geltende Praxis unabhängig von der jeweiligen betrieblichen Regelung unverändert für dieses Arbeitsverhältnis gelten soll. Ist ein Arbeitnehmer an der Beibehaltung einer solchen Praxis interessiert, muß er mit seinem Arbeitgeber eine Vereinbarung darüber treffen, daß diese für ihn unabhängig von der jeweiligen betrieblichen Regelung gelten soll (BAG 23. Juni 1992 – 1 AZR 57/92 – AP BGB § 611 Arbeitszeit Nr. 1 = EzA BGB § 611 Direktionsrecht Nr. 12 zur Lage der täglichen Arbeitszeit; 11. Oktober 1995 – 5 AZR 802/94 – AP BGB § 611 Arbeitszeit Nr. 9 = EzA BGB § 242 Betriebliche Übung Nr. 33). Daß dies vereinbart worden wäre, hat die Klägerin selbst nicht behauptet.
Die Arbeitspflicht der Klägerin hatte sich nicht auf die bis zum 31. Dezember 1997 geltende betriebliche Regelung konkretisiert.
Zwar können sich nur rahmenmäßig umschriebene Arbeitspflichten im Laufe der Zeit auf bestimmte Arbeitsbedingungen konkretisieren. Dazu genügt jedoch nicht schon der bloße Zeitablauf. Vielmehr müssen besondere Umstände hinzutreten, aus denen sich ergibt, daß der Arbeitnehmer nicht in anderer Weise eingesetzt werden soll (vgl. BAG 24. April 1996 – 5 AZR 1032/94 – PersR 1997, 179, zu II 2e aa der Gründe mwN). Solche besonderen Umstände liegen hier nicht vor. Die Klägerin hat sich lediglich darauf berufen, daß sie jahrelang die tägliche Arbeit entsprechend der bis zum 31. Dezember 1997 geltenden betrieblichen Regelung aufgenommen und beendet hat und daß die betriebliche Regelung auch mit allen anderen Kontrollschaffnern vereinbart wurde. Daraus konnte die Klägerin jedoch nicht entnehmen, daß sie künftig nicht in anderer Weise eingesetzt würde. Allein aus der Beibehaltung einer betrieblichen Regelung hinsichtlich Ort und Zeit der Arbeitsleistung über einen längeren Zeitraum hinweg kann ein Arbeitnehmer nach Treu und Glauben nicht auf den Willen des Arbeitgebers schließen, diese Regelung auch künftig unverändert beizubehalten (BAG 23. Juni 1992 – 1 AZR 57/92 – aaO, zu II 4 der Gründe zur Lage der Arbeitszeit; 11. Oktober 1995 – 5 AZR 802/94 – aaO, zu II 2c der Gründe).
Ein Anspruch der Klägerin, ab dem 1. Januar 1998 die tägliche Arbeit weiterhin wie vorher aufnehmen und beenden zu dürfen, ergibt sich nicht aus betrieblicher Übung.
- Unter einer betrieblichen Übung ist die regelmäßige Wiederholung bestimmter Verhaltensweisen des Arbeitgebers zu verstehen, aus denen die Arbeitnehmer schließen können, ihnen solle eine Leistung oder Vergünstigung auf Dauer gewährt werden. Ob sich der Arbeitgeber binden wollte oder nicht, ist danach zu beurteilen, inwieweit die Arbeitnehmer dies aus dem Erklärungsverhalten des Arbeitgebers unter Berücksichtigung von Treu und Glauben (§ 242 BGB) sowie aller Begleitumstände gemäß §§ 133, 157 BGB schließen durften (BAG 11. Oktober 1995 – 5 AZR 802/94 – aaO, zu II 2a der Gründe mwN auf die st. Rspr.).
- Danach ist – unabhängig von der Frage, ob die Festlegung der Leistungspflicht im Wege des Direktionsrechts überhaupt als Gewährung einer Leistung oder Vergünstigung in diesem Sinne angesehen werden kann – die von der Klägerin behauptete betriebliche Übung nicht entstanden. Allein daraus, daß die Beklagte die bis zum 31. Dezember 1997 geltende Regelung jahrelang unverändert gelassen hatte, konnten die Kontrollschaffner nicht schließen, die Beklagte wolle sich verpflichten, diese Regelung auf Dauer beizubehalten und auf die Ausübung ihres insoweit bestehenden Direktionsrechts künftig verzichten. Dazu hätte es weiterer Umstände bedurft (vgl. BAG 23. Juni 1992 – 1 AZR 57/92 – aaO, zu II 4 der Gründe zur Lage der Arbeitszeit). Solche Umstände hat die Klägerin nicht vorgetragen.
Die Ausübung des Direktionsrechts durch die Beklagte entspricht billigem Ermessen (§ 315 Abs. 3 BGB).
- Eine Leistungsbestimmung entspricht billigem Ermessen, wenn die wesentlichen Umstände des Falles abgewogen und die beiderseitigen Interessen angemessen berücksichtigt worden sind (st. Rspr., vgl. etwa BAG 25. Oktober 1989 – 2 AZR 633/88 – AP BGB § 611 Direktionsrecht Nr. 36 = EzA KSchG § 1 Verhaltensbedingte Kündigung Nr. 30, zu II 2b aa der Gründe; 11. Oktober 1995 – 5 AZR 1009/94 – aaO, zu I 1 der Gründe). Ob die beiderseitigen Interessen angemessen berücksichtigt worden sind, unterliegt der gerichtlichen Kontrolle (§ 315 Abs. 3 Satz 2 BGB). Diese ist in der Revisionsinstanz uneingeschränkt überprüfbar (BAG 25. Oktober 1989 – 2 AZR 633/88 – aaO; 11. Oktober 1995 – 5 AZR 1009/94 – aaO; 24. April 1996 – 5 AZR 1031/94 – AP BGB § 611 Direktionsrecht Nr. 48 = EzA BGB § 611 Direktionsrecht Nr. 18, zu 1 der Gründe; 17. Dezember 1997 – 5 AZR 332/96 – BAGE 87, 311, 317). Die Billigkeitskontrolle ist allerdings in erster Linie Aufgabe der Tatsacheninstanz, weil es bei ihr darum geht, die besonderen tatsächlichen Gegebenheiten eines Falles festzustellen und zu würdigen. Stehen die für die Entscheidung maßgeblichen Tatsachen jedoch fest, kann das Revisionsgericht die Beurteilung selbst vornehmen (BAG 11. Oktober 1995 – 5 AZR 1009/94 – aaO; 24. April 1996 – 5 AZR 1031/94 – aaO; 17. Dezember 1997 – 5 AZR 332/96 – aaO).
Das Landesarbeitsgericht hat es als ohne weiteres einsichtig angesehen, daß durch die gemeinsame Aufnahme der Kontrolltätigkeit am Betriebshof die Kontrolldichte erhöht und damit die Effektivität des Kontrolldienstes verbessert wird. Schutzwürdige Belange der Klägerin seien durch die Anordnung der Beklagten nicht betroffen, da sie keinen Anspruch darauf habe, eine für sie zufällig günstigere Regelung über den Ort des Dienstbeginns bzw. des Dienstendes künftig beizubehalten.
Diese Würdigung ist im Ergebnis nicht zu beanstanden. Zwar hat das Landesarbeitsgericht die längeren Wegezeiten, die die Klägerin nunmehr täglich aufzuwenden hat, und damit ihre Belange bei der Abwägung der beiderseitigen Interessen nicht berücksichtigt. Dies ändert jedoch nichts daran, daß die Anordnung der Beklagten im Ergebnis billigem Ermessen entspricht. Diese Entscheidung konnte der Senat selbst treffen, da die für die Abwägung erforderlichen Tatsachen feststehen.
Die Beklagte hat die Anordnung im wesentlichen mit wirtschaftlichen Erwägungen begründet und vorgetragen, die gemeinsame Kontrolle während der gesamten Arbeitszeit solle eine höhere Kontrollintensität bewirken, wodurch höhere Beförderungsentgelte erzielt werden könnten. Damit sprechen erhebliche wirtschaftliche Gesichtspunkte für die von der Beklagten getroffene Anordnung. Zwar hat die Klägerin bestritten, daß die Verlagerung von Dienstbeginn und Dienstende auf den Betriebshof geeignet sei, die Kontrollintensität sowie die Einnahmen aus Beförderungsentgelten zu steigern und daß der von der Beklagten erstrebte Erfolg tatsächlich eingetreten sei. Dieses Bestreiten ist jedoch nicht erheblich.
Ob die von der Beklagten prognostizierte Steigerung der Einnahmen aus Beförderungsentgelten in der Zeit ab dem 1. Januar 1998 tatsächlich eingetreten ist, spielt für die Interessenabwägung keine Rolle. Sollte dies nicht der Fall gewesen sein, kann dies nicht nur darauf beruhen, daß die angeordnete Maßnahme zur Erreichung des angestrebten Zwecks ungeeignet war, sondern auch andere Ursachen haben. Deshalb kann bei der vorzunehmenden Abwägung nur auf die Interessenlage der Parteien im Zeitpunkt der Ausübung des Direktionsrechts und nicht auf die tatsächliche nachträgliche Entwicklung abgestellt werden. Das Interesse der Beklagten bestimmt sich daher ausschließlich danach, ob im Dezember 1997 bei objektiver Betrachtung unter Zugrundelegung der betrieblichen Verhältnisse und der voraussichtlichen weiteren Entwicklung vernünftigerweise davon ausgegangen werden konnte, durch die Verlagerung von Dienstbeginn und Dienstende in den Betriebshof könnten eine höhere Kontrollintensität erreicht und dadurch höhere Beförderungsentgelte erzielt werden. Dies ist – wie das Landesarbeitsgericht in revisionsrechtlich nicht zu beanstandender Weise angenommen hat – der Fall. Zwar hat die Klägerin mit der Revision gerügt, das Landesarbeitsgericht habe übersehen, daß der diesbezügliche Vortrag der Beklagten streitig geblieben sei. Diese Rüge ist jedoch unbegründet. Zwischen den Parteien ist nicht streitig, daß ab dem 1. Januar 1998 die Kontrollen während der gesamten Arbeitszeit gemeinschaftlich durchgeführt werden. Daß die gleichzeitige Kontrolle durch mehrere Schaffner intensiver ist als durch einen Schaffner, ist ohne weiteres nachvollziehbar. Zwar kann der einzelne Schaffner bei gemeinsamen Kontrollen nicht mehr Fahrgäste kontrollieren als bei Einzelkontrollen. Wird ein Fahrzeug jedoch von mehreren Schaffnern gleichzeitig kontrolliert, ist die Chance, sich der Kontrolle zu entziehen, für Fahrgäste ohne gültigen Fahrausweis geringer als bei der Anwesenheit nur eines Schaffners. Daraus rechtfertigt sich die Prognose, daß auf diese Weise höhere Beförderungsentgelte zu erzielen sind, sei es durch erhöhte Beförderungsentgelte für Fahrgäste, die ohne gültige Fahrerlaubnis angetroffen werden oder dadurch, daß sich weniger Fahrgäste dem Risiko aussetzen, beim “Schwarzfahren” ertappt zu werden und deshalb den Fahrpreis vor Fahrtantritt entrichten. Weshalb diese Prognose falsch sein sollte, hat die Klägerin nicht dargelegt. Ihr Bestreiten ist daher unsubstantiiert und deshalb unbeachtlich.
Hinter dem Interesse der Beklagten an einer effektiveren Nutzung der Arbeitszeit der Kontrollschaffner und der dadurch zu erwartenden Steigerung der Beförderungsentgelte muß das Interesse der Klägerin, unter Beibehaltung der bis zum 31. Dezember 1997 geltenden Regelung täglich Wegezeiten von ca. 60 Minuten einzusparen, zurücktreten. Wegezeiten in dieser Größenordnung sind nichts ungewöhnliches und einem Arbeitnehmer deshalb in der Regel ohne weiteres zumutbar. Allein die Annehmlichkeit, die die vorherige betriebliche Regelung für Kontrollschaffner mit sich brachte, kann das Interesse der Beklagten, die Tätigkeit dieser Arbeitnehmer wirtschaftlich effektiver zu gestalten, nicht verdrängen. Daß dadurch die bisherige, für die Kontrollschaffner günstigere Gestaltung von Dienstbeginn und Dienstende wegfällt und sie die für Arbeitnehmer in der Regel üblichen Wegezeiten aufzuwenden haben, ist im Hinblick auf das wirtschaftliche Interesse der Beklagten an der Änderung hinzunehmen.
- Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO.
Unterschriften
Dr. Peifer, Dr. Armbrüster, Gräfl R. Kamm, Hinsch
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