Entscheidungsstichwort (Thema)

Unfallrente bei betrieblichem Gesamtversorgungssystem

 

Normenkette

BetrAVG § 5 Abs. 2; BGB §§ 242, 276; RVO § 539 Abs. 1, §§ 723, 581 Abs. 1, § 1278 Abs. 1; AVG § 55 Abs. 1; BVG §§ 31-32; AFG § 134; Arbeitslosenhilfe-VO § 11 Fassung: 1974-08-07

 

Verfahrensgang

LAG Düsseldorf (Urteil vom 29.01.1982; Aktenzeichen 17 Sa 1383/81)

ArbG Duisburg (Urteil vom 29.09.1981; Aktenzeichen 1 Ca 84/81)

 

Tenor

1. Auf die Revision des Klägers wird das Urteil des Landesarbeitsgerichts Düsseldorf vom 29. Januar 1982 – 17 Sa 1383/81 – aufgehoben.

2. Die Sache wird zur erneuten Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Revision, an das Landesarbeitsgericht zurückverwiesen.

Von Rechts wegen!

 

Tatbestand

Der im Jahre 1893 geborene Kläger war vom 22. November 1929 bis 31. Dezember 1958 bei der Beklagten beschäftigt. Während seiner Tätigkeit erlitt er einen Arbeitsunfall, der zur Zahlung einer Unfallrente aus der gesetzlichen Unfallversicherung führte. Im Jahre 1980 wurde der Grad der infolge des Unfalls erlittenen Erwerbsminderung rückwirkend ab 1. Juni 1978 auf 50 v.H. erhöht. Dies führte zu einer Erhöhung der Unfallrente auf 900,10 DM und zu einer Nachzahlung von 8.590,-- DM.

Mit einem Rentenbescheid vom 13. April 1981 setzte die Landesversicherungsanstalt Rheinprovinz die dem Kläger zustehende Altersrente auf 1.674,-- DM fest. Da das Altersruhegeld und die Verletztenrente sowohl 80 v.H. des Jahresarbeitsverdienstes, das der Berechnung zugrunde lag, als auch 80 v.H. der für die Altersrente maßgebenden Rentenbemessungsgrundlage überstieg, kürzte die Landesversicherungsanstalt die Altersrente gem. § 55 AVG (ebenso § 1278 RVO) auf monatlich 1.415,40 DM.

Die Beklagte gewährt Leistungen der betrieblichen Altersversorgung nach Richtlinien von 1935, die wiederholt geändert wurden (am 1. Januar 1941, am 28. Juni 1960 sowie am 18. Mai 1966). Die Versorgungsrichtlinien von 1960 und 1966 wurden in der Rechtsform einer Betriebsvereinbarung mit dem Gesamtbetriebsrat abgeschlossen. Das Ruhegeld beträgt nach zehnjähriger Dienstzeit 35 v.H. des letzten ruhegehaltsfähigen Verdienstes. Es steigt für jedes weitere vollendete Dienstjahr bis zum 25. Dienstjahr um 2 v.H. und von da ab um 1 v.H. der ruhegehaltsfähigen Dienstbezüge. Die Höchstversorgung beträgt nach den Versorgungsrichtlinien von 1935 80 v.H., nach denen von 1960 und 1966 75 v.H. In den jeweiligen Versorgungsrichtlinien ist die Anrechnung von Unfallrenten vorgesehen. Ferner sind in den Versorgungsrichtlinien von 1960 und 1966 für das Gesamteinkommen aus betrieblicher Altersversorgung und Sozialversicherung Höchstbegrenzungsklauseln bestimmt. Nach den Versorgungsrichtlinien von 1960 darf das Gesamteinkommen eines Ruhegeldempfängers (Ruhegeld, staatliche Renten, soweit nicht von der Anrechnung ausgenommen, und Einkommen aus einer Tätigkeit in einem anderen Arbeitsverhältnis) 100 v.H. des zuletzt bezogenen ruhegehaltsfähigen Diensteinkommens nicht übersteigen, andernfalls erfolgt eine entsprechende Kürzung. Die Höchstbegrenzungsklausel in der Versorgungsrichtlinie von 1966 lautet:

“§ 6

5. Das Gesamtmonatseinkommen eines Ruhegeldempfängers (Ruhegeld, staatliche Renten, soweit nicht von der Anrechnung ausgenommen, und Einkommen aus einer Tätigkeit in einem anderen Arbeitsverhältnis) darf die nachstehend aufgeführten, nach der Dienstdauer ab vollendetem 20. Lebensjahr berechneten Höchstgrenzen nicht überschreiten, andernfalls erfolgt entsprechende Kürzung.

Höchstgrenzen sind

bis zum 20. Dienstjahr

75 %

der Begrenzungsgrundlage

ab vollendetem 20. Dienstjahr

77 %

ab vollendetem 21. Dienstjahr

77,4 %

für jedes weitere vollendete Dienstjahr erhöht sich die Höchstgrenze um 0,4 %,

die Höchstgrenze endet ab Vollendung des 35. Dienstjahres bei

83 %

Als Begrenzungsgrundlage gilt ein Zwölftel von dreizehn ruhegeldfähigen monatlichen Diensteinkommen im Sinne von § 5 der Richtlinien.

Ändert sich die prozentuale Belastung des Einkommens eines aktiven Belegschaftsmitgliedes durch Steuern und Sozialversicherungsbeiträge gegenüber dem Stand am 1.1.1966 um mehr als 4 %, so sind die in dieser Ziffer festgelegten Begrenzungsprozentsätze entsprechend zu ändern. Bei dieser Rechnung ist das monatliche Tarifgehalt eines R…-Angestellten der jetzigen Tarifgruppe III (Endstufe) zugrunde zu legen.”

Seit Veröffentlichung der Entscheidung des Senats vom 17. Januar 1980 (BAG 32, 297 = AP Nr. 3 zu § 5 BetrAVG) rechnete die Beklagte die Unfallrente auf die betriebliche Altersversorgung nicht mehr an. Sie berücksichtigte diese jedoch weiterhin im Rahmen der Höchstbegrenzungsklausel. Wegen deren rückwirkenden Erhöhung errechnete sie für die Zeit vom 1. Juni 1978 bis 31. Oktober 1980 eine Überzahlung des betrieblichen Ruhegeldes in Höhe von 7.763,-- DM. Das betriebliche Ruhegeld berechnete sie ab 1. Januar 1980 mit monatlich 543,-- DM. Ausgehend von einem ruhegehaltsfähigen Diensteinkommen von 3.116,52 DM und einem Steigerungssatz von 71 v.H. gelangt sie zu einem Rentenbetrag von 2.212,73 DM, auf den sie 712,22 DM Altersrente anrechnete, so daß sich ein Ruhegehalt von 1.500,51 DM ergab. Das so ermittelte Ruhegehalt von 1.500,51 DM, die Sozialversicherungsrente von 1.674,--DM und die Unfallrente von 900,10 DM überstiegen die Versorgungsobergrenze um 958,09 DM, so daß sie das Ruhegehalt auf (1.500,51 – 958,09 DM = 542,52 DM) 543,-- DM festsetzte. Mit ihrem behauptetem Überzahlungsanspruch rechnete sie gegen laufende Versorgungsansprüche auf und stellte die Zahlung der Betriebsrente ein. (Der Zeitpunkt ist nicht festgestellt.)

Der Kläger hat die Auffassung vertreten, daß die Beklagte seine Unfallrente in keiner Weise berücksichtigen dürfe. Sie müsse die einbehaltenen Beträge auszahlen und die betriebliche Altersversorgung in der Höhe weiterzahlen, in der er sie bis zur Erhöhung seiner Unfallrente bezogen habe.

Der Kläger hat beantragt,

die Beklagte zu verurteilen, an ihn

1) 8.430,-- DM brutto nebst 4 % Zinsen seit dem 31. August 1981 zu zahlen;

2) ab 1. September 1981 monatlich 843,-- DM zu zahlen.

Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen. Sie hat die Auffassung vertreten, daß sie nach dem Urteil des Senats vom 17. Januar 1980 nicht gehindert sei, die Verletztenrente im Rahmen der Gesamtversorgungsobergrenze zu berücksichtigen. In jedem Fall dürfe sie die Betriebsrente kürzen, um eine Überversorgung des Klägers zu verhindern.

Das Arbeitsgericht hat der Klage stattgegeben. Das Landesarbeitsgericht hat auf die Berufung der Beklagten die Klage abgewiesen. Hiergegen richtet sich die Revision des Klägers.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision ist begründet. Das Landesarbeitsgericht hat keine hinreichenden Feststellungen getroffen, nach welcher Versorgungsordnung sich die Ruhegeldansprüche des Klägers richten. Es kann daher nicht beurteilt werden, in welchem Umfang die dem Kläger zustehende Verletztenrente bei der Berechnung seines Ruhegeldes berücksichtigt werden darf.

I.1. Das Landesarbeitsgericht geht davon aus, daß sich die Versorgung des Klägers nach der Versorgungsordnung von 1966 richtet. Diese Feststellung hat die Revision gerügt (§ 554 Abs. 3 ZPO). Es sei nicht ersichtlich, aus welchen Gründen der bereits 1958 in den Ruhestand getretene Kläger von Betriebsvereinbarungen aus den Jahren 1960 und 1966 erfaßt werden könne.

Die Angriffe der Revision sind gerechtfertigt. Der Kläger ist in den Ruhestand getreten, als die Versorgungsansprüche der Mitarbeiter der Beklagten sich nach den Richtlinien vom 1. Mai 1935 i.d.F. vom 1. Januar 1941 richteten. Pensionäre werden nach der Rechtsprechung des Gerichtes von Betriebsvereinbarungen nicht mehr erfaßt (BAG 3, 1 = AP Nr. 1 zu § 57 BetrVG; BAG vom 19. Juni 1956 – 3 AZR 207/54 – AP Nr. 2 zu § 57 BetrVG). Es ist daher nicht ohne weiteres ersichtlich, aus welchen Gründen die Versorgungsordnung von 1960 oder 1966 anzuwenden sein sollte.

Allerdings ist der Kläger in seiner Klageschrift davon ausgegangen, daß sich seine Versorgungsansprüche nach der Versorgungsordnung von 1966 richteten. Dies war aber entgegen der Auffassung des Landesarbeitsgerichtes streitig. Denn die Beklagte hat nicht, wie das Landesarbeitsgericht ausführt, die Versorgungsansprüche allein nach der Versorgungsordnung von 1966 berechnet. Sie hat zwar in den vom Landesarbeitsgericht zitierten Rentenberechnungen möglicherweise das Dienstalter des Klägers nach der Versorgungsordnung von 1966 berechnet, aber im übrigen wird in der Rentenberechnung bereits in der Überschrift auf die Richtlinien von 1960 verwiesen.

2. Die von der Revision gerügten Fehler nötigen zur Aufhebung des Urteils und zur Zurückverweisung. In den verschiedenen Fassungen der Versorgungsordnung sind zwar im wesentlichen gleiche Rentenberechnungen, aber unterschiedliche Obergrenzen vorgesehen, so daß eine Berechnung der Versorgungsansprüche ausgeschlossen ist, solange nicht feststeht, welche Fassung maßgebend war.

Auch die Berücksichtigung der Unfallrente ist in den einzelnen Versorgungsordnungen unterschiedlich geregelt. In § 15 der Richtlinien für die Ruhegeld- und Hinterbliebenenversorgung vom 1. Mai 1935 i.d.F. vom 1. Januar 1941 ist lediglich eine Anrechnungsmöglichkeit für die Hälfte der Unfallrente auf die betriebliche Altersversorgung vorgesehen. Hiervon macht die Beklagte aber nach den Feststellungen des Landesarbeitsgerichtes seit der Entscheidung des Senats vom 17. Januar 1980 keinen Gebrauch mehr. In § 6 Nr. 4 der Ruhegeldrichtlinien vom 28. Juni 1960 und § 6 Nr. 5 der Richtlinien vom 18. Mai 1966 sind zwar Höchstbegrenzungsklauseln vorgesehen, die eine Berücksichtigung der Unfallrenten ermöglichen, aber die Obergrenze beträgt zunächst 80 v.H. und wurde erst 1966 auf 75 v.H. gesenkt. Auch insoweit bedarf es weiterer Feststellungen, welche Versorgungsordnung anzuwenden ist.

II. Entgegen der Auffassung des Landesarbeitsgerichtes ist die Versorgungsordnung der Beklagten teilweise unwirksam. Bei der Berechnung der Gesamtversorgung darf die Beklagte die Verletztenrente des Klägers nur berücksichtigen, soweit sie die Grundrente übersteigt, die in der Kriegsopferversorgung bei gleicher Minderung der Erwerbsfähigkeit gewährt würde.

1. Im Gesetz zur Verbesserung der betrieblichen Altersversorgung vom 19. Dezember 1974 (BGBl I, 3610) ist nur unvollkommen geregelt, inwieweit sonstige Versorgungsbezüge auf Betriebsrenten angerechnet werden können.

a) Nach § 5 Abs. 2 Satz 1 BetrAVG dürfen Leistungen der betrieblichen Altersversorgung durch Anrechnung anderer Versorgungsbezüge, soweit sie auf eigenen Beiträgen des Versorgungsempfängers beruhen, nicht gekürzt werden. Nach Wortlaut und Zweck des Gesetzes soll verhindert werden, daß der Arbeitgeber Maßnahmen der Eigenvorsorge des Arbeitnehmers ausnutzt und bei der Bemessung seiner Leistungen berücksichtigt. Die von dem Kläger bezogene Unfallrente beruht jedoch nicht auf dessen eigenen Beiträgen. Vielmehr werden die Beiträge in der gesetzlichen Unfallversicherung vom Arbeitgeber aufgebracht (§ 723 Abs. 1 RVO), soweit der Unfallversicherungsschutz nicht überhaupt beitragsfrei gewährt wird (§ 539 Abs. 1 RVO). Die Verletztenrente des Klägers unterliegt demnach nicht dem absoluten Anrechnungsverbot des § 5 Abs. 2 Satz 1 BetrAVG.

b) Andererseits ist dem Betriebsrentengesetz aber auch keine Erlaubnis zur Anrechnung von Verletztenrente zu entnehmen. Die Beklagte kann sich für ihre gegenteilige Ansicht nicht auf § 5 Abs. 2 Satz 2 BetrAVG berufen.

Nach § 5 Abs. 2 Satz 2 BetrAVG gilt das Anrechnungsverbot des § 5 Abs. 2 Satz 1 BetrAVG nicht für Renten aus der gesetzlichen Rentenversicherung, soweit sie auf Pflichtbeiträgen beruhen, sowie für sonstige Versorgungsbezüge, die mindestens zur Hälfte auf Beiträgen oder Zuschüssen des Arbeitgebers beruhen. Zu den Renten aus der gesetzlichen Rentenversicherung zählen nicht die Renten des Unfallversicherungsträgers. In § 5 Abs. 2 BetrAVG wird an die Begriffsbildung der gesetzlichen Sozialversicherung angeknüpft. Renten aus der gesetzlichen Rentenversicherung sind demnach allein die Renten der Arbeiter-, Angestellten- und knappschaftlichen Rentenversicherung, die bei Erreichen der Altersgrenze oder bei Berufs- oder Erwerbsunfähigkeit zu zahlen sind (Höhne bei Heubeck/Höhne/Paulsdorff/Weinert, BetrAVG, 2. Aufl. 1982, § 5 Rz 68; Höfer/Abt, BetrAVG, 2. Aufl. 1982, § 5 Rz 9 ff.). Dagegen gehört die Unfallrente zu den sonstigen Versorgungsbezügen. Versorgungsbezug sind alle Leistungen, durch die der Unterhalt einer Person sichergestellt werden soll. Hierzu gehört auch die Verletztenrente, durch die infolge des Unfalls erlittene Nachteile des Unfallgeschädigten ausgeglichen werden sollen. Daraus folgt jedoch nur, daß das absolute Anrechnungsverbot des § 5 Abs. 2 Satz 1 BetrAVG nicht gilt. Hingegen besagt die Regelung keineswegs, daß der Arbeitgeber schlechthin berechtigt sein soll, im Rahmen seiner Versorgungsleistungen mitfinanzierte Versorgungsbezüge zu berücksichtigen. Vielmehr bleiben Anrechnungsverbote, die sich aus anderen Rechtsgründen ergeben, unberührt.

Das absolute Anrechnungsverbot des § 5 Abs. 2 BetrAVG ist keine abschließende Regelung. Der Ausschuß für Arbeit und Sozialordnung hat zu dem von der Bundesregierung eingebrachten Entwurf eines Gesetzes zur Verbesserung der betrieblichen Altersversorgung in seiner Stellungnahme vom 22. November 1974 (BT-Drucks. 7/2843 S. 8) ausgeführt, daß die Frage der Anrechenbarkeit anderer Versorgungsbezüge auf die Leistungen der betrieblichen Altersversorgung nach seiner Auffassung einer abschließenden Regelung durch den Gesetzgeber nicht zugänglich ist. Die Vielzahl unterschiedlicher Sozialleistungen und sonstiger Bezüge, die für eine Anrechnung in Betracht kämen, und die Vielgestaltigkeit möglicher Anrechnungsregelungen ließen eine erschöpfende Aufzählung und Umschreibung verbotener Anrechnungsfälle nicht zu. Der Gesetzgeber hat sich deshalb auf das Regelungsproblem beschränkt, ob und inwieweit eigene Beitragsleistungen des Versorgungsberechtigten einer Anrechnung entgegenstehen. Hingegen ist offengeblieben, inwieweit sonstige Versorgungsleistungen der Alters- und Hinterbliebenenversorgung vergleichbar sind, so daß sich eine Anrechnung sachlich rechtfertigen läßt. Aber gerade darum geht es im vorliegenden Fall. Zwischen der Verletztenrente und den Leistungen der Altersversorgung bestehen wesentliche Unterschiede.

2. Dem Arbeitgeber ist es untersagt, die Unfallrente im Rahmen von Gesamtversorgungssystemen voll zu berücksichtigen. Die uneingeschränkte Anrechnung verstößt gegen den Gleichbehandlungsgrundsatz.

a) Der Gleichbehandlungsgrundsatz verbietet die willkürliche Schlechterstellung einzelner Arbeitnehmer. Er enthält das Verbot der sachfremden Differenzierung zwischen vergleichbaren Arbeitnehmern in einer bestimmten Ordnung (BAG vom 8. Dezember 1977 – 3 AZR 530/76 – AP Nr. 176 zu § 242 BGB Ruhegehalt, zu 1a der Gründe; vom 17. Mai 1978 – 5 AZR 132/77 – AP Nr. 42 zu § 242 BGB Gleichbehandlung, zu 1 der Gründe; vom 5. März 1980 – 5 AZR 881/78 – AP Nr. 44 zu § 242 BGB Gleichbehandlung, zu II 1 der Gründe). Darüber hinaus gebietet der Gleichbehandlungsgrundsatz, wesentlich Ungleiches entsprechend seiner Eigenart zu unterscheiden. Das entspricht allgemeiner Meinung (Hueck/Nipperdey, Lehrbuch des Arbeitsrechts, Bd. I, 7. Aufl., § 48a, S. 417 ff.; Mayer-Maly, AR-Blattei “Gleichbehandlung im Arbeitsverhältnis I”; Nikisch, Lehrbuch des Arbeitsrechts, Bd. I, 3. Aufl., § 37, S. 498; Söllner, Arbeitsrecht, 7. Aufl., § 31 III, S. 217; Zöllner, Arbeitsrecht, 2. Aufl., § 17, S. 146).

Der Senat hat in seiner Entscheidung vom 17. Januar 1980 (BAG 32, 297 = AP Nr. 3 zu § 5 BetrAVG mit zust. Anm. von Krasney) einen Verstoß gegen den Gleichbehandlungsgrundsatz darin gesehen, daß ein Arbeitgeber die Verletztenrente auf das betriebliche Ruhegeld eines Unfallgeschädigten anrechnete und diesem infolgedessen ein geringeres Ruhegeld zahlen wollte, als er Nichtversehrten zubilligte. Eine Anrechnung der Verletztenrente auf Versorgungsbezüge verbiete sich, weil die Unfallrente auf Versorgungsbezüge verbiete sich, weil die Unfallrente einen Ausgleich für möglicherweise bestehende Schadenersatzansprüche des Arbeitnehmers gegen den Arbeitgeber darstelle. Die Rechtsauffassung des Senats ist im Schrifttum auf erhebliche Kritik gestoßen (Blomeyer, DB 1982, 952 = BetrAV 1982, 225; Gitter, Festschrift für Hilger und Stumpf, 1983, S. 249; Gitter/Schmitt, DB 1980, 2083; Lange, BB 1982, 1180; Schröder, BB 1981, 186; Schulin, ZfA 1981, 706, 707). Sie wird auch von der Revision bekämpft. Diese Kritik ist teilweise überzeugend. Es ist jedoch daran festzuhalten, daß in Gesamtversorgungssystemen bei der Anrechnung der Verletztenrente auf das betriebliche Ruhegeld oder bei deren Berücksichtigung im Rahmen einer Versorgungsobergrenze ein erheblicher Teil der Unfallrente unberücksichtigt bleiben muß.

b) Im vorliegenden Fall ist das Problem der Anrechnung von Unfallrenten nur beschränkt zu prüfen. Die Parteien streiten nach den Versorgungsordnungen von 1960 und 1966 nur um die Berücksichtigung der Unfallrente im Rahmen einer Höchstbegrenzungsklausel. Der Senat hat in seiner Entscheidung vom 17. Januar 1980 unentschieden gelassen, ob die Zusage einer Gesamtversorgungsordnung bis zu einer Höchstbegrenzung großzügiger zu beurteilen ist als normale Anrechnungsklauseln (BAG 32, 297, 302 = AP Nr. 3 zu § 5 BetrAVG, zu I 3b der Gründe). Im Schrifttum ist hierzu ausgeführt worden, im Rahmen eines Gesamtversorgungssystems stehe der Versorgungsgedanke im Vordergrund der Überlegungen des Arbeitgebers. Der Arbeitgeber wolle lediglich eine bei dem Arbeitnehmer bestehende Versorgungslücke schließen. Für ein Gesamtversorgungssystem sei mithin kennzeichnend, daß nur dann ein betriebliches Ruhegeld gezahlt werde, wenn die anderweitigen Einnahmen eine Versorgungslücke ließen. Durch die Unfallrente werde aber auch die Versorgung des Arbeitnehmers gewährleistet (Blomeyer, DB 1982, 952 = BetrAV 1982, 225; auch Lange, BB 1982, 1180). Mithin sei jedenfalls bei Gesamtversorgungssystemen die Berücksichtigung von Unfallrenten kein Verstoß gegen den Gleichbehandlungsgrundsatz (Blomeyer, DB 1982, 952 = BetrAV 1982, 225).

Blomeyer beschreibt die Eigenart der Gesamtversorgungssysteme überzeugend, leitet daraus aber zu weitreichende Folgerungen ab. Auch dann, wenn der Arbeitgeber unter Anrechnung anderweitiger Bezüge eine Gesamtversorgung gewährleisten will, geschieht dies mit Rücksicht auf die im Arbeitsverhältnis erbrachten Dienste und die zurückgelegte Dienstzeit. Auch insoweit hat die Altersversorgung die Funktion, erbrachte Dienste und Betriebstreue abzugelten. Deshalb kann nicht jedes beliebige Einkommen als Teil der Gesamtversorgung betrachtet werden. Unfallrenten sind in diesem Zusammenhang nicht deshalb problematisch, weil mehrere Versorgungsberechtigte entsprechend ihrem beruflichen Lebensweg unterschiedliche Renten erhalten; zu beanstanden ist vielmehr, daß bei der Bemessung von Altersruhegeldern Versorgungsbezüge ruhegeldmindernd wirken, die zum Ausgleich körperlicher Unversehrtheit dienen.

c) Die Unfallversicherung beruht auf den Grundgedanken der Ablösung und Sicherung zivilrechtlicher Schadenersatzansprüche. Nach dem bürgerlich rechtlichen Haftungssystem erlangt ein Gläubiger nur dann Schadenersatzansprüche gegen den Schuldner, wenn dieser den Unfall schuldhaft (§ 276 BGB) verursacht hat. Dagegen soll es dem Arbeitnehmer im Unfallversicherungsrecht erspart sein, Schadenersatzansprüche mit entsprechendem Prozeßrisiko gegen seinen Arbeitgeber einzuklagen und das Risiko der Zahlungsfähigkeit des Arbeitgebers zu tragen. An die Stelle etwaiger Schadenersatzansprüche tritt ein auf dem Grundsatz der Gefährdungshaftung aufgebauter, auch bei Fahrlässigkeit des Unfallgeschädigten bestehender, öffentlich-rechtlicher Entschädigungsanspruch, für den die genossenschaftlich zusammengeschlossene Unternehmerschaft einzustehen hat (Brackmann, Handbuch der Sozialversicherung, Bd. II, Stand April 1980, S. 469; Gitter, Schadensausgleich im Arbeitsunfallrecht, 1969, S. 72 ff.).

Der öffentlich-rechtliche Entschädigungsanspruch unterscheidet sich aber nicht nur in seinen Voraussetzungen, sondern auch in seinem Umfang von einem privatrechtlichen Schadenersatzanspruch. Während bei einem privatrechtlichen Schadenersatzanspruch der Geschädigte seinen Schaden konkret nachzuweisen hat, gilt für den öffentlich-rechtlichen Entschädigungsanspruch das Prinzip der abstrakten Schadensberechnung. Nach § 581 Abs. 1 RVO erhält der Verletzte bis zu 2/3 seines Jahresarbeitsverdienstes, je nachdem, wie stark seine Erwerbsfähigkeit gemindert wurde. Aus dem Umstand, daß für die Berechnung der Verletztenrente allein der Grad der Erwerbsminderung und die Höhe des bisherigen Jahresarbeitsverdienstes maßgebend ist, kann aber nicht gefolgert werden, daß die Unfallrente allein zum Ausgleich des Verdienstausfalls bestimmt ist. Vielmehr sollen alle Auswirkungen des Unfalls entschädigt werden. Die abstrakte Schadensberechnung dient lediglich zur Erleichterung der Abwicklung von Unfällen. Nach ständiger Rechtsprechung des Bundessozialgerichts bedeutet das Prinzip der abstrakten Schadensberechnung, daß die als Rente zu zahlende Entschädigung nach dem Unterschied der auf dem gesamten Gebiet des Erwerbslebens bestehenden Erwerbsmöglichkeiten des Verletzten vor und nach dem Unfall zu bemessen ist (BSGE 21, 63, 67 = SozRRVO § 581 Nr. 1; vom 27. Januar 1976 – 8 RU 264/74 – SozR 2200 § 581 RVO Nr. 6). Insoweit werden nicht nur allgemein der Gesundheitsschaden, der Verlust der körperlichen Unversehrtheit und die hierdurch bedingten höheren Aufwendungen, sondern auch die Beeinträchtigung der Erwerbsfähigkeit entschädigt. Dazu gehören auch besondere Anstrengungen, die ein Unfallverletzter unternimmt, die Unfallfolgen möglichst gering zu halten (überzeugend Krasney in Anm. AP Nr. 3 zu § 5 BetrAVG unter 2b). Das Bundesverfassungsgericht hat darüber hinausgehend entschieden, daß sogar der immaterielle Schaden des Unfallgeschädigten durch die Verletztenrente abgegolten wird. Die Unfallrente diene in der Mehrzahl der Fälle nicht mehr dazu, Verdienstausfallschäden auszugleichen; vielmehr wiege sie unter den gegenwärtigen Verhältnissen bei leichten und mittelschweren Unfällen ein entgangenes Schmerzensgeld auf (BVerfG vom 7. November 1972 – 1 BvL 4/71, 17/71, 10/72, 1 BvR 355/71 – BVerfGE 34, 118, 132 f. = AP Nr. 6 zu § 636 RVO, zu C I 4 der Gründe). Das Bundesverfassungsgericht hat den Ausschluß von Schadenersatzansprüchen wegen immaterieller Schäden im Unfallversicherungsrecht nur deswegen als verfassungsgemäß angesehen, weil die Unfallrente unter den veränderten sozialen Verhältnissen heute auch insoweit für einen angemessenen Ausgleich sorgt.

Die unterschiedlichen Zwecke der Unfallrente dürfen bei der Gestaltung und Anwendung von Gesamtversorgungssystemen nicht außer Betracht bleiben. Da die Unfallrente nebeneinander unfallbedingten Mehraufwand, immaterielle Schäden, erhöhte Anstrenungen des Unfallgeschädigten und Verdienstminderungen ausgleichen soll, ist zwischen einem anrechnungsfähigen und einem anrechnungsfreien Teil zu unterscheiden. Soweit die Unfallrente den Verlust der körperlichen Unversehrtheit entschädigt, ist sie im Rahmen der Gewährung von betrieblichen Ruhegeldern anrechnungsfrei. Insoweit soll sie unfallbedingte Spätfolgen ausgleichen, die der Unfallverletzte während seines ferneren Arbeitslebens oder Ruhestandes ertragen muß. Diese stehen mit der Arbeitsleistung und Betriebstreue, zu deren Abgeltung der Arbeitgeber Versorgungsleistungen zusagt, nicht in Zusammenhang. Soweit dagegen die Unfallrente dazu dient, den Verdienstausfall des Verletzten pauschal zu entschädigen, kann sie bei der Bemessung des betrieblichen Ruhegeldes berücksichtigt werden. Insoweit hat die Unfallrente die gleiche Funktion wie Gehalts- oder Versorgungsbezüge, so daß ihre Berücksichtigung als Teil einer Gesamtversorgung nicht zu willkürlichen Verzerrungen im Vergleich zu unversehrten Pensionären führen kann.

3. Der von dem Landesarbeitsgericht im Anschluß an das Schrifttum vertretenen Auffassung, die Unfallrente dürfe in vollem Umfang bei der Bemessung des Ruhegeldes berücksichtigt werden, kann der Senat nicht folgen.

a) Das Landesarbeitsgericht hat sich auf die Entwicklungsgeschichte der gesetzlichen Unfallversicherung berufen. Aus dieser ergebe sich, daß mit der Unfallrente allein materielle Verdienstausfälle entschädigt werden sollten. Bei Einführung der gesetzlichen Unfallversicherung habe jeder Unfall zu empfindlichen Verdiensteinbußen der Unfallgeschädigten geführt. Diese allein hätten ausgeglichen werden sollen. Inzwischen sichere das soziale Netz die Unfallverletzten so weitgehend ab, daß bei leichten und mittleren Unfällen überhaupt keine Verdienstausfälle mehr einträten. Deshalb sei es gerechtfertigt, zumindest im Rahmen eines Gesamtversorgungssystems die Unfallrenten zu berücksichtigen (Schröder, BB 1981, 186 ff.; Lange, BB 1982, 1180 ff.).

Es kann unentschieden bleiben, ob bei der Verabschiedung des Unfallversicherungsgesetzes von 1884 die Vorstellung bestand, daß nur Verdienstausfälle entschädigt werden sollten. Die sozialen Verhältnisse haben sich seit 1884 geändert (vgl. Gitter, Schadensausgleich im Arbeitsunfallrecht, 1969, S. 159 ff.). Nach Untersuchungen, die im Auftrage des Bundesministers für Arbeit und Sozialordnung im Jahre 1959 über die Verdienste Unfallverletzter durchgeführt wurden, haben Verletzte, deren Erwerbsfähigkeit um 20 oder 25 v.H. gemindert ist, in der Regel den Verdienst gesunder Arbeitnehmer; Nichtschwerverletzte, deren Erwerbsfähigkeit um weniger als 50 v.H. gemindert ist, haben regelmäßig keinen ins Gewicht fallenden Verdienstausfall. Der Verdienstausfall steigt mit zunehmender Minderung der Erwerbsfähigkeit (Brakel in BArbBl 1959, 515, 518; Gitter, aaO, S. 163). Nach neueren Berichten werden 85 v.H. aller Verletztenrenten an Verletzte mit einer Minderung der Erwerbsfähigkeit bis zu 45 v.H. gezahlt und nur 15 v.H. an Schwerverletzte mit einer Minderung der Erwerbsfähigkeit von 50 bis 100 v.H. (vgl. dazu Udsching, Der Kompaß, 1981, 468). Intensive Maßnahmen der Rehabilitation haben dazu geführt, daß leicht und mittelschwer Verletzte zumindest in Zeiten der Hochkonjunktur keine Verdienstausfälle erleiden. Die Veränderung der sozialen Verhältnisse hat dem Unfallversicherungsrecht einen neuen Inhalt gegeben. Dies hat namentlich die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichtes vom 7. November 1972 (BVerfGE 34, 118 = AP Nr. 6 zu § 636 RVO) klargestellt, wonach die Verletztenrente auch immaterielle Entschädigungsfunktion hat (dazu Schwinger, BArbBl 1959, 745; Gitter, aaO, S. 167).

b) Die Beklagte hat demgegenüber auf die Ausführungen von Bickel (SAE 1981, 129, 130) verwiesen. Sie hat geltend gemacht, die Berufung auf einen Funktionswandel des Unfallversicherungsrechts laufe darauf hinaus, daß die Rechtsfolge nicht mehr aus der Rechtsnorm, sondern aus einem “Sachverhalt” gezogen werde. Dabei übersieht sie jedoch, daß ein Wandel der tatsächlichen Verhältnisse, die den Gegenstand einer Norm bilden, den Inhalt einer Norm ändern kann (Larenz, Methodenlehre der Rechtswissenschaft, 4. Aufl. 1979, S. 338). Die Rechtsfolge ergibt sich dann aus dem geänderten Inhalt der Norm und nicht aus dem Sachverhalt. An einer Änderung der tatsächlichen Verhältnisse kann die Rechtsprechung nicht vorbeigehen.

c) Entgegen der Auffassung der Beklagten kann aus den sozialversicherungsrechtlichen Vorschriften, die das Zusammentreffen von Verletztenrente und Altersruhegeld regeln, nicht gefolgert werden, der Arbeitgeber dürfe im Rahmen einer Versorgungsobergrenze die Unfallrente in vollem Umfang berücksichtigen.

Nach § 1278 Abs. 1 RVO und § 55 Abs. 1 AVG, beide i.d.F. des Gesetzes vom 21. Dezember 1974 (BGBl I, 3656, ber. 1975, 1778) ruht eine Rente aus der Rentenversicherung, wenn eine Rente wegen Berufs- oder Erwerbsunfähigkeit oder ein Altersruhegeld aus der Rentenversicherung mit einer Verletztenrente aus der gesetzlichen Unfallversicherung zusammentrifft, sofern diese Rente zusammen mit der Verletztenrente aus der gesetzlichen Rentenversicherung sowohl 85 v.H. des Jahresarbeitsverdienstes, der der Berechnung der Verletztenrente zugrunde liegt, als auch 85 v.H. der für ihre Berechnung maßgebenden Rentenbemessungsgrundlage übersteigt. (Seit 1. Januar 1979 jeweils 80 % aufgrund Art. 2 § 2 Nr. 2 Gesetz vom 25. Juli 1978, BGBl I, 1089.) Im Schrifttum ist daraus geschlossen worden, wenn schon die Gesamtversorgung aus Renten mehrerer Sozialleistungsträger begrenzt werden könne, müsse es auch einem Arbeitgeber gestattet sein, die Unfallrente im Rahmen einer Gesamtversorgungsobergrenze in vollem Umfang zu berücksichtigen (Gitter in Festschrift für Hilger und Stumpf, 1983, S. 249, 255; Gitter/Schmitt, DB 1980, 2083, 2084). Das ist nicht überzeugend.

Die Rentenobergrenze nach § 1278 Abs. 1 RVO und § 55 Abs. 1 AVG übersteigt die Rente aus der gesetzlichen Rentenversicherung erheblich. Mit 85 v.H. (jetzt 80 v.H.) des Bruttoerwerbseinkommens ist sie so bemessen, daß ein erheblicher Teil der Verletztenrente dem Geschädigten in jedem Falle ungeschmälert erhalten bleibt. So erweisen die Tabellen über die Entwicklung der Durchschnittsentgelte der Versicherten, der allgemeinen Bemessungsgrundlage und des Rentenniveaus in der Rentenversicherung der Arbeiter und Angestellten, daß die Durchschnittsrente in der Arbeiter- und Angestelltenversicherung zwischen 47,3 v.H. im Jahre 1965 und 50,9 v.H. im Jahre 1968 geschwankt hat. In der Folgezeit ist sie bis 1975 auf 43,6 v.H. gesunken. Nach einem vorübergehenden Anstieg bis zum Jahre 1978 auf 49,3 v.H. beläuft sie sich nach Schätzungen für das Jahr 1981 auf 43,7 v.H. (Dornbusch, Die Rentenversicherung 1982, 5, 7; ders., Der Kompaß 1982, 1, 2; vgl. auch die Rentenanpassungsberichte der Bundesregierung, insbesondere vom 1. April 1981, BT-Drucks. 9/290). Hieraus ergibt sich, daß der Abstand zwischen den Renten aus der gesetzlichen Rentenversicherung und der Rentenversicherungsobergrenze beträchtlich ist. Bei kleineren Unfallrenten wird deshalb nur ausnahmsweise eine Beschneidung der Gesamt-Rentenversorgung in Betracht kommen. Bei hohen Unfallrenten und langjähriger Berufstätigkeit vor Eintritt des Versorgungsfalles greift zwar die gesetzliche Obergrenze ein; das führt aber nie zu einer weitgehenden Aufzehrung der Unfallrente. Erst wenn man über den Regelungsgegenstand der §§ 1278 RVO, 55 AVG hinausgeht und auch Betriebsrenten in die Gesamtversorgungsbetrachtung einbezieht, ergibt sich eine so starke Kürzung, daß unfallgeschädigte Pensionäre dadurch ihren Ausgleich für immaterielle Einbußen und Opfer verlieren. Erst dann ergibt die Anrechnung der Verletztenrente eine willkürliche Benachteiligung der Unfallverletzten.

4. Die Beklagte muß mindestens den Teil der Verletztenrente bei der Bemessung der Gesamtversorgung unberücksichtigt lassen, der der Grundrente eines Versorgungsberechtigten nach dem Bundesversorgungsgesetz entspricht.

a) Den Vorschriften des Unfallversicherungsrechts ist nicht unmittelbar zu entnehmen, welcher Teil der Verletztenrente als Verdienstentschädigung dienen und welcher Teil sonstige Einbußen und immaterielle Schäden ausgleichen soll. Die Doppelfunktion der Rente läßt sich nicht ohne weiteres in Zahlen ausdrücken. Deshalb muß eine Aufteilung in der Versorgungsregelung selbst nach billigem Ermessen bestimmt werden. Ist das unterblieben oder wird der anrechnungsfreie Teil so niedrig festgesetzt, daß die Regelung unbillig erscheint, muß der Richter eine Aufteilung vornehmen (§ 315 Abs. 3 Satz 2 BGB), die die Funktion der Unfallrente angemessen berücksichtigt und der Billigkeit entspricht. Dabei hat er sich nach den Wertentscheidungen derjenigen Gesetze zu richten, die vergleichbare Anrechnungsprobleme betreffen.

Im vorliegenden Fall enthalten die umstrittenen Versorgungsrichtlinien keine Aufteilung der Unfallrente in einen anrechenbaren und einen unanrechenbaren Teil. Vielmehr werden alle gesetzlichen Renten ohne Unterschied und unbeschränkt bei der Anwendung der Höchstbegrenzungsklausel berücksichtigt (§ 8 Nr. 5 der Richtlinien 1960 und § 6 Nr. 5 der Versorgungsrichtlinien 1966). Diese Regelung kann keinen Bestand haben und muß ersetzt werden.

b) Wegen des Aufteilungsmaßstabes für den anrechenbaren und den unanrechenbaren Teil der Unfallrente liegt es nahe, das Recht der Kriegsopferversorgung heranzuziehen, das eine vergleichbare Regelung enthält.

Im Rahmen der Kriegsopferversorgung werden Grund- und Ausgleichsrenten sowie Schwerstbeschädigtenzulagen gezahlt (§§ 31, 32 BVG). Die Grundrente soll dem Beschädigten einen Ausgleich für Mehraufwendungen gewähren, einen wirtschaftlichen Schaden ausgleichen, der sich regelmäßig nicht konkret feststellen läßt, sowie einen Ausgleich für die körperliche Beeinträchtigung bieten (vgl. Bericht des BT-Ausschusses zur 2. NOG Drucks. IV/1831 S. 13; Schieckel/Gurgel, Bundesversorgungsgesetz, Stand 1. Mai 1982, § 31 Anm. 1). Sie entspricht damit demjenigen Teil der Verletztenrente, der im Zusammenhang mit der betrieblichen Altersversorgung nicht berücksichtigt werden darf. Eine Ausgleichsrente erhält dagegen nur derjenige Versehrte, der infolge seines Gesundheitszustandes, hohen Alters oder aus sonstigen Gründen eine ihm zumutbare Beschäftigung nicht ausüben kann, der also eine Verdienstminderung als Folge seiner Verletzung hinnehmen muß. Dieser Rentenbezug ist betrieblichen Versorgungsleistungen nach seinem Zweck vergleichbar.

Der Grad der Erwerbsminderung wird sowohl im Unfallversicherungsrecht als auch nach dem Bundesversorgungsgesetz grundsätzlich nach vergleichbaren Merkmalen festgestellt. Erwerbsminderung ist danach der Unterschied zwischen der vor dem Arbeitsunfall vorhandenen Erwerbsfähigkeit und der durch die unfallbedingte Beeinträchtigung des körperlichen und geistigen Leistungsvermögens verbliebenen Arbeitsmöglichkeiten; maßgebend ist sowohl das Unternehmen, in dem sich der Unfall ereignete, wie auch das Gesamtgebiet des Arbeitsmarktes (Baumer/Fischer/Salzmann, Die gesetzliche Unfallversicherung, Stand Dezember 1982, § 581 RVO Anm. 12). Nach § 30 Abs. 1 Satz 1 BVG ist die Minderung der Erwerbsfähigkeit nach der körperlichen oder geistigen Beeinträchtigung im allgemeinen Erwerbsleben zu beurteilen. Soweit sich insoweit Unterschiede in der Bewertung der Erwerbsfähigkeit ergeben, sind sie geringfügig und können außer Betracht bleiben.

Deshalb hat auch der Gesetzgeber bei einem vergleichbaren Anrechnungsproblem die Unfallrente nach dem Maßstab des Bundesversorgungsgesetzes aufgeteilt: Nach § 134 AFG hat Anspruch auf Arbeitslosenhilfe, wer arbeitslos und bedürftig ist, sowie einige weitere Voraussetzungen erfüllt, die hier nicht interessieren. Im Rahmen der Bedürftigkeitsprüfung muss sich der Arbeitslose anderweitige Einnahmen anrechnen lassen. Nicht zu den anderweitigen Einnahmen gehören nach § 138 Abs. 3 Nr. 5 AFG die Grundrente und die Schwerstbeschädigtenzulage, die einem Versehrten nach dem Bundesversorgungsgesetz oder in entsprechender Anwendung des Bundesversorgungsgesetzes gewährt werden, sowie Renten, die an Opfer des Nationalsozialismus gezahlt werden, und zwar bis zur Höhe der Grundrente und der Schwerstbeschädigtenzulage. Eine ausdrückliche Regelung für die Verletztenrente aus der gesetzlichen Unfallversicherung ist im Arbeitsförderungsgesetz selbst nicht enthalten. Indes ist der Bundesminister für Arbeit und Sozialordnung ermächtigt, durch Rechtsverordnung im Einvernehmen mit dem Bundesminister der Finanzen zu bestimmen, dass auch andere in § 138 Abs. 3 AFG genannte Einnahmen nicht als anrechenbares Einkommen gelten. Aufgrund dieser Verordnung ist die Arbeitslosenhilfe-Verordnung vom 7. August 1974 (BGBl I, 1929) ergangen. In § 11 Nr. 4 AlhiV ist bestimmt, dass die Verletztenrente aus der gesetzlichen Unfallversicherung bis zur Höhe des Betrages, der in der Kriegsopferversorgung bei gleicher Minderung der Erwerbsfähigkeit als Grundrente und Schwerstbeschädigtenzulage gewährt würde, nicht zu den anderweitigen Einnahmen im Sinne von § 138 Abs. 3 AFG gehört. Das Bundessozialgericht hat keine bedenken gehabt, diese Aufteilungsgrundsätze entsprechend bei der Berechnung des Ausbildungsgeldes nach § 24 Abs. 1 RehaAnO anzuwenden (BSG vom 21. Juli 1981 – 7 Rar 43/80 – SozR 4480 § 27 RehaAnO Nr. 4).

5. Das Anrechnungsverbot für einen Teil der Verletztenrente darf allerdings nicht dazu führen, dass die anrechenbaren Bezüge bei einem unfallverletzten Arbeitnehmer geringer sind als bei einem vergleichbaren Arbeitnehmer, der keine Rente der gesetzlichen Unfallversicherung bezieht. Deshalb kann nicht unberücksichtigt bleiben, dass das vorgezogene Altersruhegeld des Klägers, das voll anrechenbar gewesen wäre, teilweise mit Rücksicht auf die Unfallrente ruht (§ 55 AVG, § 1278 RVO). Wenn der ruhende Teil des Altersruhegeldes zu einer stärkeren Kürzung geführt hätte als der anrechenbare Teil der Verletztenrente tatsächlich ermöglicht, muss das für die Verletztenrente geltende Anrechnungsverbot abgeschwächt werden, um einen Wertungswiderspruch zu vermeiden (Krasney Anm. zu AP Nr. 3 zu § 5 BetrAVG unter 2c). der Versorgungsschuldner ist dann berechtigt, die Verletztenrente ganz außer Betracht zu lassen und dafür das ungekürzte Altersruhegeld anzurechnen.

Im vorliegenden Fall kommt eine solche Einschränkung des Anrechnungsverbotes kaum in Betracht, weil der ruhende Teil des Altersruhegeldes weitaus geringer ist als der anrechenbare Teil der Verletztenrente. Bei einer Erwerbsminderung von 50 % ergibt sich vom 1. Januar 1979 bis 31. Dezember 1979 eine Grundrente von 236,-- DM und am 1. Januar 1980 eine solche von 245,-- DM (§ 10 AnpG-KOV vom 10. August 1978, BGBl I, 1217). Wird ein Betrag in dieser Höhe von der Anrechnung ausgenommen, so bleiben zumindest ab 1. Januar 1980 monatlich 713,09 DM, die bei der Berechnung des Gesamtversorgung des Klägers berücksichtigt werden dürfen. Demgegenüber ist das anrechenbare Altersruhegeld des Klägers nach § 55 AVG (§ 1278 RVO) nur um 258,60 DM monatlich gekürzt worden. Danach steht fest, dass das durch die rechtsprechung entwickelte Anrechnungsverbot ab 1. Januar 1980 keine ungerechtfertigte Benachteiligung der Beklagten zur Folge haben kann; für die vorhergehende Zeit ist eine Berechnung nach den bisherigen Feststellungen nicht möglich.

6. Da das Landesarbeitsgericht die Berücksichtigung der Unfallrente im Rahmen der Höchstbegrenzungsklausel der Beklagten uneingeschränkt gebilligt hat, konnte das angefochtene Urteil wegen dieses weiteren Fehlers ebenfalls keinen Bestand haben (§ 565 Abs. 1 ZPO). Das Landesarbeitsgericht wird auch insoweit Feststellungen zur Berechnung der dem Kläger zustehenden Betriebsrente treffen müssen.

 

Unterschriften

Dr. Dieterich, Dr. Gehring, Schaub, Dr. Bermel, Wieder

 

Fundstellen

Dokument-Index HI1775840

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