Entscheidungsstichwort (Thema)
Eingruppierung von Autobusfahrer bei alliierten Streitkräften
Orientierungssatz
Parallelsache zu BAG Urteil vom 9.4.1986, 4 AZR 133/85.
Verfahrensgang
Hessisches LAG (Entscheidung vom 18.10.1984; Aktenzeichen 9 Sa 66/84) |
ArbG Gießen (Entscheidung vom 08.12.1983; Aktenzeichen 2 Ca 322/83) |
Tatbestand
Der Kläger, der der Gewerkschaft ÖTV angehört, ist bei den amerikanischen Stationierungsstreitkräften als Kraftfahrer beschäftigt. Er erhält Lohn nach Lohngr. 6 der Lohngruppeneinteilung F für Kraftfahrer der Sonderbestimmungen F für Kraftfahrer II des Tarifvertrages für die Arbeitnehmer bei den Stationierungsstreitkräften im Gebiet der Bundesrepublik Deutschland (TVAL II).
Der Kläger fährt überwiegend einen Schulbus, der 82 Sitzplätze hat und 12,16 m lang ist. Der Kläger vertritt die Auffassung, daß ihm Lohn nach Lohngr. 7 zustehe. Er erfülle die Tätigkeitsmerkmale der Lohngr. 7 (3), da er seit mindestens 10 Jahren ein überschweres Fahrzeug, das die nach § 32 Abs. 1 StVZO zulässige Länge von 12 m überschreite führe.
Der Kläger hat beantragt
festzustellen, daß die beklagte Bundesrepublik
verpflichtet ist, ihn ab 1. Juni 1983 nach der
Lohngr. 7 TVAL II zu vergüten.
Die Beklagte hat Klageabweisung beantragt. Sie vertritt die Auffassung, daß der Kläger tarifgerecht entlohnt werde. Die Lohngruppeneinteilung F enthalte für Kraftfahrer von Autobussen eine spezielle, abgeschlossene Regelung. Der Kläger erfülle als Kraftfahrer eines Autobusses mit mehr als 24 Fahrgastsitzen die Tätigkeitsmerkmale der Lohngr. 6 (2). Lohn nach Lohngr. 7 (1) stehe nur Kraftfahrern von Gelenkbussen zu.
Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen. Die dagegen gerichtete Berufung des Klägers blieb ohne Erfolg. Mit der Revision verfolgt der Kläger sein Klagebegehren weiter. Die Beklagte beantragt Zurückweisung der Revision.
Entscheidungsgründe
Die Revision ist unbegründet. Das Landesarbeitsgericht hat die Klage zu Recht abgewiesen; denn der Kläger wird tarifgerecht nach Lohngr. 6 entlohnt.
Auf das Arbeitsverhältnis findet kraft beiderseitiger Tarifbindung der Tarifvertrag für die Arbeitnehmer bei den Stationierungsstreitkräften im Gebiet der Bundesrepublik Deutschland (TVAL II) unmittelbar und zwingend Anwendung (§ 3 Abs. 1, § 4 Abs. 1 Satz 1 TVG). Nach § 51 TVAL II bestimmt sich die Eingruppierung nach der überwiegenden Tätigkeit. Damit richtet sich die Eingruppierung des Klägers, der überwiegend als Kraftfahrer eingesetzt wird, nach der Lohngruppeneinteilung für Kraftfahrer der Sonderbestimmungen F II. Danach sind zu vergüten:
nach Lohngr. 4
--------------
(1) Kraftfahrer von Pkw und sonstigen leichten
Kraftwagen,
(2) Kraftfahrer von Lkw bis zu 3,5 t Nutzlast,
(3) Kraftfahrer von Kleinbussen,
(4) Kraftfahrer von Krankentransportfahrzeugen,
nach Lohngr. 5
--------------
Kraftfahrer von Lkw mit mehr als 3,5 t Nutzlast,
Kraftfahrer von Autobussen mit mehr als 8 bis zu
24 Fahrgastsitzen,
nach Lohngr. 6
--------------
(1) Kraftfahrer von Großtankwagen auf Flugplätzen oder
von Großtankwagen mit mehr als 10 t
Nutzlast,
(2) Kraftfahrer von Autobussen mit mehr als 24 Fahrgast-
sitzen,
(3) Kraftfahrer von schweren Traktoren und Sattel-
schleppern,
(4) Kraftfahrer von schweren Spezialfahrzeugen,
nach Lohngr. 7
--------------
(1) Kraftfahrer von Gelenkbussen
(2) Kraftfahrer von Fahrzeugen und Zügen mit mehr
als 38 t zulässigem Gesamtgewicht
(3) Kraftfahrer von überschweren Fahrzeugen und Zügen,
deren Abmessungen in Breite, Höhe oder
Länge über die im § 32 Abs. (1) StVZO
(BGBl. I 1974, S. 3221) genannten Maße
hinausgehen.
Voraussetzung für die Eingruppierung in diese Lohngruppe
ist außerdem eine mindestens zehnjährige Berufserfahrung
als Kraftfahrer in Tätigkeiten gemäß Lohngruppe 6.
Das Landesarbeitsgericht hat angenommen, daß die Lohngruppeneinteilung eine abschließende Regelung für Busfahrer enthalte, die sich an der zu befördernden Personenzahl orientiere, so daß die tariflichen Tätigkeitsmerkmale für Kraftfahrer sonstiger Fahrzeuge nicht angewendet werden können.
Dieser Auslegung der Lohngruppeneinteilung F für Kraftfahrer ist zuzustimmen. Die Tarifauslegung hat zunächst von dem Wortlaut auszugehen. Dabei ist jedoch über den reinen Tarifwortlaut hinaus der wirkliche Wille der Tarifvertragsparteien und der damit von ihnen beabsichtigte Sinn und Zweck der Tarifnormen mitzuberücksichtigen, sofern und soweit sie in den tariflichen Normen ihren Niederschlag gefunden haben. Hierzu ist auch auf den tariflichen Gesamtzusammenhang abzustellen, der häufig schon deswegen mitberücksichtigt werden muß, weil nur daraus und nicht aus der einzelnen Tarifnorm auf den wirklichen Willen der Tarifvertragsparteien geschlossen und so nur bei Mitberücksichtigung des tariflichen Gesamtzusammenhanges der Sinn und Zweck der Tarifnormen zutreffend ermittelt werden kann (BAG 46, 3O8, 313 = AP Nr. 135 zu § 1 TVG Auslegung).
Unter Zugrundelegung dieser Grundsätze kann der Kläger als Kraftfahrer eines Autobusses mit mehr als 24 Fahrgastsitzen, der kein Gelenkbus ist, keinen Lohn nach Lohngr. 7 beanspruchen. Zwar überschreitet der vom Kläger überwiegend gefahrene Schulbus die nach § 32 Abs. 1 Nr. 3 a StVZO für ein Einzelfahrzeug zulässige Länge von 12 m und könnte der Kläger damit, sofern es sich um ein "überschweres" Fahrzeug handelte, die Tätigkeitsmerkmale der Lohngr. 7 (3) nach ihrem Wortlaut erfüllen. Jedoch ergibt sich aus dem tariflichen Gesamtzusammenhang, daß die Lohngruppeneinteilung F für Kraftfahrer, die mit der Personenbeförderung mit Kraftomnibussen beschäftigt sind, eine abschließende Regelung enthält. Diese sieht die Lohngr. 4 für Kraftfahrer von Kleinbussen, die Lohngr. 5 für Kraftfahrer von Autobussen mit mehr als 8 bis zu 24 Fahrgastsitzen, die Lohngr. 6 für Kraftfahrer von Autobussen mit mehr als 24 Fahrgastsitzen und die Lohngr. 7 für Kraftfahrer von Gelenkbussen vor.
Demgegenüber knüpfen die tariflichen Tätigkeitsmerkmale für Kraftfahrer auf anderen Fahrzeugen als Autobussen in den Lohngruppen 4 bis 7 an unterschiedliche Kriterien an: Bei Lastkraftwagen wird auf die Nutzlast, in Lohngruppe 7 (2) auf das zulässige Gesamtgewicht abgestellt, bei Krankentransportfahrzeugen, Großtankwagen, Traktoren und Sattelschleppern kommt es auf die Nutzungs- oder Bauart des Fahrzeugs an. Damit bringen die Tarifvertragsparteien erkennbar zum Ausdruck, daß sich die Eingruppierung der Kraftfahrer von Autobussen nach anderen Kriterien richtet als die Eingruppierung der Kraftfahrer von anderen Fahrzeugen. Die Eingruppierung der Kraftfahrer von Autobussen ist auch durchgehend und abschließend geregelt, denn Autobusse mit 82 Fahrgastsitzen werden von Lohngr. 6 ("Kraftfahrer von Autobussen mit mehr als 24 Fahrgastsitzen") mit erfaßt, sofern es sich nicht um Gelenkbusse handelt. Nach dem Grundsatz der Spezialität, der die Anwendung allgemeiner Tätigkeitsmerkmale verbietet, sofern für eine Tätigkeit spezielle Tätigkeitsmerkmale bestehen (vgl. BAG AP Nr. 5 zu § 21 MTB II; BAG AP Nr. 62, 88, 92 und 98 zu §§ 22, 23 BAT 1975) folgt daraus, daß für den Kläger als Fahrer eines Autobusses mit mehr als 24 Fahrgastsitzen nur die Tätigkeitsmerkmale der Lohngr. 6 (2) in Betracht kommen, unabhängig davon, ob es sich um ein überschweres Fahrzeug i. S. der Tätigkeitsmerkmale der Lohngr. 7 (3) handelt. Kraftfahrer eines Gelenkbusses ist der Kläger unstreitig nicht.
Die Revision war damit mit der Kostenfolge nach § 97 Abs. 1 ZPO zurückzuweisen.
Dr. Neumann Dr. Etzel Dr. Freitag
Hamm Dr. Kiefer
Fundstellen