Entscheidungsstichwort (Thema)
Mitbestimmung bei Gruppenunterstützungskasse
Leitsatz (redaktionell)
1. Der Betriebsrat des Unternehmens, das zusammen mit anderen Unternehmen betriebliche Altersversorgung über eine Unterstützungskasse (Gruppenunterstützungskasse) gewährt, hat nach § 87 Abs 1 Nr 10 BetrVG mitzubestimmen über das Abstimmungsverhalten des Unternehmens bei Beschlüssen der Organe dieser Gruppenunterstützungskasse in Fragen der Ausgestaltung eines Leistungsplanes (Bestätigung des Urteils vom 22.4.1986, 3 AZR 100/83 = BAGE 51, 387 = AP Nr 13 zu § 87 BetrVG 1972 Altersversorgung).
2. Das Mitbestimmungsrecht entfällt nicht deshalb, weil sich mitbestimmte Entscheidungen in einem der Trägerunternehmen nicht ohne weiteres in dem mehrheitlich entscheidenden Organ der Gruppenunterstützungskasse durchsetzen lassen.
3. Der Widerruf von Leistungen oder Anwartschaften der betrieblichen Altersversorgung zur Durchsetzung eines neuen Leistungsplanes ist unwirksam, wenn der Arbeitgeber bei der Aufstellung des Leistungsplanes das Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats verletzt hat (Bestätigung des Urteils des Senats vom 26. April 1988, 3 AZR 168/86 = BB 1988, 2249).
4. Verletzt der Arbeitgeber, der sich an einer Gruppenunterstützungskasse beteiligt hat, das Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats, kann dies nicht ohne weiteres zur Unwirksamkeit der Erklärungen führen, die die Kasse gegenüber den Begünstigten abgibt. Im Verhältnis zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer hat die Erklärung der Unterstützungskasse nur dann keine Bedeutung, wenn sich feststellen läßt, daß die Beachtung des Mitbestimmungsrechts für die Begünstigten die nachteilige Änderung der Leistungsrichtlinien ganz oder teilweise verhindert hätte. Eine mitbestimmte Entscheidung des Trägerunternehmens muß in der Gruppenkasse durchsetzbar gewesen sein.
5. Eine Änderung der Versorgungsrichtlinien dahin, daß Abgeordnetenpensionen auf betriebliche Versorgungsleistungen bei voller Wahrung der Besitzstände der Versorgungsberechtigten angerechnet werden sollen, ist sachlich berechtigt. Für die Anrechnung dieser Pensionen und damit für die Gleichbehandlung mit Bezügen aus einer Beamtenversorgung und Einkünften aus der gesetzlichen Rentenversicherung sprechen überzeugende Gründe.
Normenkette
BGB §§ 133, 157; BetrVG § 87 Abs. 1 Nrn. 8, 10
Verfahrensgang
LAG Düsseldorf (Entscheidung vom 27.04.1988; Aktenzeichen 12 (10) Sa 55/88) |
ArbG Düsseldorf (Entscheidung vom 17.11.1987; Aktenzeichen 1 Ca 2312/87) |
Tatbestand
Der Kläger nimmt seinen früheren Arbeitgeber, den D , auf Leistungen der betrieblichen Altersversorgung in Anspruch, weil die Unterstützungskasse des D ihm seine Pension, die er als früherer Abgeordneter des Deutschen Bundestags bezieht, teilweise auf ihre Leistungen anrechnet.
Der Kläger stand seit 1947 in den Diensten der G sowie des Beklagten. Als er am 21. Oktober 1969 Abgeordneter des Deutschen Bundestages wurde, fanden Verhandlungen über die Fortdauer des Arbeitsverhältnisses statt. In einem Schreiben des Beklagten vom 22. Dezember 1970 wurde hierzu festgehalten: "Der Geschäftsführende Bundesvorstand hat ... beschlossen, Dir entsprechend Deinem Schreiben vom 22. August 1970 mit Wirkung vom 1. Januar 1971 unter Entbindung Deiner Funktion als Leiter der Abteilung "Sozialpolitik" beim D-Landesbezirk B die Hälfte Deiner Bezüge fortzuzahlen.
Der Geschäftsführende Bundesvorstand erwartet dafür eine entsprechende Mitarbeit in der Abteilung "Sozialpolitik" beim D-Bundesvorstand ...
Im Falle des Erlöschens Deines Mandats als Bundestagsabgeordneter wird Dir die Weiterbeschäftigung zu vollen Bezügen in einer entsprechenden Funktion im Bereich des D zugesichert.
Die Versorgungsansprüche werden in der vollen Höhe Deiner Bezüge aufrecht erhalten."
Die Unterstützungskasse des D ist eine gemeinsame Unterstützungseinrichtung, die vom D, den ihm angeschlossenen Einzelgewerkschaften und gewerkschaftlichen Einrichtungen getragen wird. Der Beklagte zahlte für den Kläger Beiträge an die Kasse, die nach dem vollen Gehalt bemessen wurden.
Der Kläger wurde am 1. Dezember 1974 berufsunfähig. Das Arbeitsverhältnis endete am 31. Dezember 1974. Sein Mandat übte er noch bis zum 31. Dezember 1976 aus.
Seit dem 1. September 1975 erhielt der Kläger Versorgungsleistungen aus der gesetzlichen Rentenversicherung und Leistungen der betrieblichen Altersversorgung. Die Betriebsrente wurde zunächst auf 1.502,82 DM festgesetzt, wovon der D 207,82 DM aufbrachte. Seit dem 1. August 1977 erhält der Kläger eine Erwerbsunfähigkeitsrente, seit dem 1. Oktober 1977 erhält er außerdem eine Abgeordnetenpension.
Mit Wirkung vom 1. November 1972 änderte die Unterstützungskasse ihre Unterstützungsrichtlinien. Diese sehen seither vor, daß neben den Leistungen der gesetzlichen Rentenversicherung und Beamtenpensionen auch Abgeordnetenpensionen nach näherer Bestimmung durch den Kassenvorstand auf die betrieblichen Versorgungsleistungen angerechnet werden, soweit die Versorgungsobergrenze von 75 % des letzten durchschnittlichen Jahresgehalts überschritten wird.
Der Kassenvorstand rechnete die Abgeordnetenpension des Klägers zunächst in voller Höhe auf die betrieblichen Versorgungsleistungen an, so daß dem Kläger nur die Mindestrente von monatlich 100,-- DM verblieb. In einem hierüber geführten Rechtsstreit verwies der Senat durch Urteil vom 22. April 1986 (3 AZR 100/83 - BAGE 51, 387 = AP Nr. 13 zu § 87 BetrVG 1972 Altersversorgung) die Sache an die Vorinstanz zurück. Der Senat entschied, die Einführung der Anrechnungsklausel sei zwar generell nicht zu beanstanden, ihre undifferenzierte Anwendung führe jedoch im Falle des Klägers zu einer unbilligen Härte. Der Kassenvorstand hat daraufhin eine neue Entscheidung getroffen. Danach bleibt ein Anteil von 20 % des für die betriebliche Versorgung maßgeblichen Bemessungsentgelts anrechnungsfrei. Die erneute Revision des Klägers hat der Senat zurückgewiesen (Urteil vom 9. Mai 1989 - 3 AZR 348/88 - zur Veröffentlichung bestimmt). Der Senat hat entschieden, daß die Entscheidung des Kassenvorstandes im Falle des Klägers nicht unbillig ist.
Im vorliegenden Rechtsstreit macht der Kläger geltend, der Beklagte müsse als sein früherer Arbeitgeber und einer der Träger der Unterstützungskasse dafür einstehen, daß er die ungekürzte Betriebsrente erhalte. Außerdem sei die Änderung der Unterstützungsrichtlinien im Jahre 1972 im Verhältnis zum Arbeitgeber unwirksam. Das Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats sei nicht beachtet worden. Der Vorstand der Unterstützungskasse sei nicht paritätisch besetzt; der Gesamtbetriebsrat des D habe der Änderung nicht zugestimmt.
Der Kläger hat sinngemäß beantragt festzustellen, daß der Beklagte verpflichtet sei, ihm unter Anrechnung der von der Unterstützungskasse des D e.V. gezahlten Leistungen Invaliden- bzw. Altersversorgung entsprechend den Richtlinien der Unterstützungskasse des D e.V. zu gewähren ohne Anrechnung der Pension aus der Zeit als Abgeordneter im Deutschen Bundestag sowie die rückständigen Pensionszahlungen vom Zeitpunkt ihrer Fälligkeit an mit 4 % zu verzinsen.
Der Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen. Er hat die Auffassung vertreten, in dem Schreiben vom 22. Dezember 1977 sei nur festgehalten worden, daß der Kläger versorgungsrechtlich so behandelt werde, als ob er sein volles Arbeitsentgelt erhalte. Das Mitbestimmungsrecht sei nicht verletzt, weil die Unterstützungskasse nur den Dotierungsrahmen abgesenkt habe. Zudem habe nach damaliger Auffassung kein Mitbestimmungsrecht für die hier umstrittene Änderung der Unterstützungsrichtlinien bestanden.
Arbeitsgericht und Landesarbeitsgericht haben die Klage abgewiesen. Dagegen richtet sich die Revision des Klägers.
Entscheidungsgründe
Die Revision ist unbegründet. Der Beklagte hat nicht dafür einzustehen, daß die Unterstützungskasse einen Teil der Abgeordnetenpension auf ihre Leistungen anrechnet.
I. In seinem Schreiben vom 22. Dezember 1970 hat der Beklagte nicht zugesagt, für höhere Leistungen einzutreten als sie die Richtlinien der Unterstützungskasse vorsehen.
1. Das Berufungsgericht hat ausgeführt, dem Schreiben sei zu entnehmen, daß der Kläger nicht deswegen bei seiner Altersversorgung Nachteile habe hinnehmen sollen, weil er nach Übernahme seines Abgeordnetenmandats nur noch die Hälfte seines früheren Arbeitsentgelts bezog. Die Herabsetzung seiner Bezüge habe sich nicht nachteilig auswirken sollen; Bemessungsentgelt für die betriebliche Altersversorgung habe weiterhin das volle Arbeitsentgelt sein sollen. Deswegen sei für den Kläger ein nach dem vollen Gehalt berechneter Beitrag an die Kasse abgeführt worden. Anlaß der Regelung sei unter anderem gewesen, daß nach dem Diätengesetz vom 3. Mai 1968 eine Altersversorgung des Klägers aufgrund seiner Abgeordnetentätigkeit unsicher gewesen sei. Der Kläger habe insgesamt nicht schlechter, aber auch nicht besser gestellt werden sollen als andere vergleichbare Arbeitnehmer des D.
2. Diese Ausführungen lassen einen Rechtsfehler nicht erkennen. Rechtssätze, die bei Auslegung individueller Willenserklärungen anzuwenden sind, sind nicht verletzt (§§ 133, 157 BGB).
a) Die Rüge der Revision, die Auslegung des Berufungsgerichts verstoße gegen die Denkgesetze, ist unbegründet. Die Formulierung in dem Schreiben vom 22. Dezember 1970 "die Versorgungsansprüche werden in der vollen Höhe Deiner Bezüge aufrechterhalten" zwingt nicht zu der Schlußfolgerung, damit werde der volle Versorgungsbesitzstand ohne Rücksicht auf Änderungen der Versorgungsordnungen gewährleistet. Dem Kläger war eine Versorgung über eine Unterstützungskasse zugesagt, die satzungsgemäß auf ihre Leistungen einen Rechtsanspruch ausschließt (§ 1 Abs. 4 BetrAVG). Seine Versorgung stand daher von vornherein unter dem Vorbehalt nachteiliger Änderungen aus einem sachlichen Grund. Es ist mithin nicht zu beanstanden, daß die Vorinstanzen zu dem Ergebnis gelangt sind, versorgungsrechtlich habe die Vereinbarung nur verhindern sollen, daß sich das für die Versorgung maßgebliche Bemessungsentgelt entsprechend dem fortgezahlten Arbeitsentgelt auf die Hälfte reduzierte.
b) Die Revision rügt ferner, das Berufungsgericht habe bei der Auslegung des Schreibens vom 22. Dezember 1970 § 10 der Unterstützungsrichtlinien aus dem Jahre 1968 nicht beachtet. Nach dieser Vorschrift habe der Kläger eine ungeschmälerte anrechnungsfreie Versorgungsanwartschaft bereits erdient gehabt. Aufgrund der Zusage habe der Kläger gerade nicht schlechter stehen sollen, als wenn er mit der Übernahme des Mandats aus dem Arbeitsverhältnis ausgeschieden wäre.
Diese Auffassung mag zutreffen. Der Kläger steht heute nicht schlechter da, als wenn er 1969 aus dem Arbeitsverhältnis ausgeschieden wäre. Er hätte, als er 1969 Bundestagsabgeordneter wurde, auch nach den damals geltenden Richtlinien unter Anrechnung seiner Sozialversicherungsrente nicht mehr als 75 % seines letzten Gehalts verlangen können, das sind 75 % von 1.970,38 DM, also 1.477,79 DM. Sein Rentenanspruch aus der gesetzlichen Rentenversicherung belief sich Ende 1969 auf 948,90 DM. Die volle Betriebsrente im Jahre 1969 in Höhe von 1.182,23 DM nebst gesetzlicher Rente in Höhe von 948,90 DM ergeben zusammen 2.131,13 DM, überstiegen also den maximalen Versorgungsanspruch. Der Beklagte hätte nur 1.477,79 DM minus 948,90 DM = 520,89 DM geschuldet. Dieser Betrag ist dem Kläger erhalten geblieben. Der anrechnungsfreie Betrag belief sich nach teilweiser Anrechnung der Abgeordnetenpension auf anfänglich 780,13 DM und ist später erhöht worden.
II. Ein Anspruch des Klägers läßt sich auch nicht aus der Verletzung von Mitbestimmungsrechten des Betriebsrats bei der Änderung der Richtlinien zum 1. November 1972 herleiten.
1. Der Kläger geht allerdings zu Recht davon aus, daß die Änderung der Richtlinien mitbestimmungspflichtig war und der Beklagte das Mitbestimmungsrecht nicht beachtet hat. Wie der Senat in dem Urteil vom 22. April 1986 (3 AZR 100/83 - BAGE 51, 387 = AP Nr. 13 zu § 87 BetrVG 1972 Altersversorgung) bereits entschieden hat, besteht bei der Änderung von Leistungsrichtlinien einer Unterstützungskasse auch dann ein Mitbestimmungsrecht, wenn die Kasse von mehreren Trägerunternehmen unterhalten und betrieben wird (Gruppenunterstützungskasse). Das Mitbestimmungsrecht folgt dann nicht aus § 87 Abs. 1 Nr. 8 BetrVG, sondern aus § 87 Abs. 1 Nr. 10 BetrVG. Es steht den Betriebsräten oder Gesamtbetriebsräten in den einzelnen Trägerunternehmen zu (zustimmend Blomeyer in Anmerkung zum Urteil vom 22. April 1986, SAE 1986, 306 ff.; Schulin in Anmerkung zu BAG AP Nr. 13 zu § 87 BetrVG 1972 Altersversorgung; a.A. Otto, Anmerkung zu BAG AR-Blattei Betriebliche Altersversorgung Entscheidung 180). Der Senat hat weiter entschieden, daß ein Mitbestimmungsrecht nicht schon deshalb entfällt, weil sich mitbestimmte Entscheidungen in einem der Trägerunternehmen nicht ohne weiteres in dem mehrheitlich entscheidenden Organ der Kasse durchsetzen lassen (zur ähnlichen Situation bei einer versicherungsförmigen Versorgungsregelung vgl. BAG Beschluß vom 18. März 1976 - 3 ABR 32/75 - AP Nr. 4 zu § 87 BetrVG 1972 Altersversorgung).
2. Wird das Mitbestimmungsrecht in einem der Trägerunternehmen einer Gruppenunterstützungskasse verletzt, so führt das aber nicht zur Unwirksamkeit satzungsgemäß gefaßter Beschlüsse in der Kasse. Die nunmehr entscheidungserhebliche Frage, welche Rechtsfolge die Verletzung des Mitbestimmungsrechts im Verhältnis des betreffenden Trägerunternehmens zu seinen Arbeitnehmern hat, ist in dem Urteil vom 22. April 1986 offen geblieben.
Der Senat ist der Auffassung, daß eine für die Arbeitnehmer nachteilige Entscheidung der Gruppenunterstützungskasse im Verhältnis des Trägerunternehmens, das mitbestimmungswidrig gehandelt hat, zu seinen Arbeitnehmern unwirksam ist. Ansprüche der Arbeitnehmer wegen Verletzung von Mitbestimmungsrechten setzen aber weiter voraus, daß die Verletzung des Mitbestimmungsrechts bei der Willensbildung in der Gruppenunterstützungskasse für die nachteilige Änderung der Leistungsrichtlinien kausal werden konnte, die Beachtung des Mitbestimmungsrechts die nachteilige Änderung also hätte verhindern können. Ist das der Fall, so trifft den Arbeitgeber, der sein Mitbestimmungsrecht verletzt hat, eine Ausfallhaftung. Er muß dann im Umfang der Leistungsschmälerung selbst eintreten. Die bisherigen, ungeänderten Leistungsrichtlinien gelten fort.
a) Verletzt der Arbeitgeber das Mitbestimmungsrecht bei Maßnahmen in seinem Betrieb, so führt das zur Unwirksamkeit der Maßnahme (ständige Rechtsprechung des BAG, vgl. die zahlreichen Nachweise bei Fitting/Auffarth/Kaiser/Heither, BetrVG, 15. Aufl., § 87 Rz 23 f.). Die Sanktion der Unwirksamkeit tritt nach Auffassung des Senats auch dann ein, wenn ein einzelner Arbeitgeber eine Unterstützungskasse unterhält (Urteil des Senats vom 26. April 1988 - 3 AZR 168/86 - zur Veröffentlichung bestimmt, unter Aufgabe von BAGE 31, 11, 19 = AP Nr. 5 zu § 87 BetrVG Altersversorgung, zu C der Gründe). Sagt ein einzelner Arbeitgeber eine Versorgung über eine Unterstützungskasse zu, die zwar rechtlich selbständig ist, die er aber rechtlich und wirtschaftlich beherrscht, dann findet die rechtliche Selbständigkeit der Einrichtung ihre Grenze in den zwingenden Regeln über die Mitbestimmung; die Sanktion der Verletzung des Mitbestimmungsrechts ist keine andere als bei Maßnahmen im eigenen Betrieb.
b) Es liegt auf der Hand, daß dies nicht einschränkungslos ebenso gelten kann, wenn sich mehrere Trägerunternehmen an einer gemeinsamen Unterstützungskasse beteiligen. In einer Gruppenunterstützungskasse ist nicht gewährleistet, daß ein Trägerunternehmen seine Regelungsvorstellung durchsetzen kann. Das gilt unabhängig davon, ob bei der Willensbildung im Trägerunternehmen das Mitbestimmungsrecht beachtet worden ist oder nicht. Deswegen kann eine unter Verletzung des Mitbestimmungsrechts getroffene Entscheidung in der Gruppenunterstützungskasse nicht wegen Verletzung des Mitbestimmungsrechts in einem Trägerunternehmen unwirksam sein (Urteil vom 22. April 1986, aa0, zu B II 2 der Gründe). Die rechtliche Konstruktion einer solchen gemeinschaftlichen Sozialeinrichtung gebietet es, daß sich einzelne Arbeitgeber und Betriebsräte von vornherein satzungsmäßigen Mehrheiten unterwerfen mit der Folge, daß sich die eigenen Vorstellungen unter Umständen nicht verwirklichen lassen. Kann aber schon die ordnungsgemäß mitbestimmte Entscheidung in einem Trägerunternehmen im Entscheidungsorgan der Kasse scheitern, so kann auch die Verletzung des Mitbestimmungsrechts nicht ohne weiteres zur Unwirksamkeit der Entscheidung der Kasse im Verhältnis zu den Begünstigten des Trägerunternehmens führen. Bleibt die Regelungsvorstellung eines Trägerunternehmens in der gemeinsamen Einrichtung letztlich ohne Durchsetzungsmöglichkeit, dann kann die mitbestimmungswidrige Willensbildung in dem Trägerunternehmen nicht dazu führen, daß ihm eine Haftung für Leistungen auferlegt wird, deren Schmälerung ohnehin nicht zu verhindern war.
c) Das zwingt dazu, im Falle der Verletzung des Mitbestimmungsrechts bei Änderungen von Richtlinien in Gruppenunterstützungskassen eine Kausalitätsprüfung anzustellen: Läßt sich feststellen, daß die Beachtung des Mitbestimmungsrechts die für die Begünstigten nachteilige Änderung der Leistungsrichtlinien ganz oder teilweise verhindert hätte, dann liegt ein dem einzelnen Arbeitgeber zurechenbarer Tatbestand vor, der es rechtfertigt, ihn für den Ausfall der betroffenen Arbeitnehmer haften zu lassen.
Dabei wird zusätzlich folgendes zu beachten sein: Einerseits kann jede Diskussion zwischen Arbeitgeber und Betriebsrat über eine Regelungsfrage die schließlich getroffene Entscheidung beeinflussen. Nichts anderes gilt, wenn eine kontroverse Frage im zuständigen Organ der Gruppenkasse zu entscheiden ist; auch hier kann sich die bessere Einsicht einer Minderheit durchsetzen. Es werden Kompromisse möglich sein. Otto (aa0, Anmerkung zum Urteil des Senats vom 22. April 1986) weist zu Recht darauf hin, daß es mit der Pflicht der Organmitglieder der Kasse zur Loyalität gegenüber den einzelnen Trägerunternehmen nicht vereinbar sei, wenn sie nicht auch die Fähigkeit zum Kompromiß zeigten.
Im Rechtsstreit können indes rein hypothetische Erwägungen nicht ausreichen, die Kausalität der Verletzung des Mitbestimmungsrechts für die nachteilige Regelungsänderung zu bejahen. Wer sich auf die Verletzung des Mitbestimmungsrechts beruft und daraus einen Anspruch gegen seinen Arbeitgeber herleitet, muß zur Überzeugung des Gerichts deutlich machen, daß die Beachtung des Mitbestimmungsrechts die Kürzung der Versorgungsrechte ganz oder teilweise verhindert hätte, also die mitbestimmte Entscheidung im Trägerunternehmen auch in der Gruppenkasse durchsetzbar gewesen wäre.
Der Senat verkennt nicht, daß mit dem Erfordernis der Kausalitätsprüfung schwierige Anforderungen an die Anspruchsbegründung gestellt werden. Es läßt sich nicht ausschließen, daß die Verletzung des Mitbestimmungsrechts sanktionslos bleiben und die Umgehung zwingender gesetzlicher Vorschriften der Mitbestimmung erleichtert werden kann. Nach Auffassung des Senats läßt sich dies nach den geltenden Regeln des Betriebsverfassungsrechts nicht vermeiden. Es können nur Erleichterungen in der Darlegungs- und Beweislast eingreifen. Der Streitfall bietet keinen Anlaß, hierauf näher einzugehen. Es ist jedoch mindestens darzulegen, daß die Beachtung des Mitbestimmungsrechts vernünftigerweise zu einem anderen Ergebnis geführt hätte. Die völlige oder teilweise Vermeidung der nachteiligen Änderung muß zumindest nahe liegen.
d) Für den vorliegenden Rechtsstreit ergibt sich hieraus folgendes:
Der Kläger hat geltend gemacht, es sei nicht richtig, daß sich der Gesamtbetriebsrat des D irgendwann einmal Mehrheitsentscheidungen der Gruppenunterstützungskasse unterworfen habe. Das mag in Bezug auf die tatsächliche Willensbildung so richtig sein, trifft aber nicht die eigentliche Frage, wie die Mehrheitsentscheidungen in der Gruppenunterstützungskasse zustande kommen und wie sie in dem einzelnen Trägerunternehmen umgesetzt werden: Der Arbeitgeber, der Mitglied einer solchen Kasse ist, gibt nur die Zusage, daß sich die Versorgung seiner Mitarbeiter nach den Richtlinien der mehrheitlich mit anderen Trägerunternehmen unterhaltenen Gruppenkasse richtet. Beruht die Versorgung auf einer Betriebsvereinbarung, so gilt das gleiche. Wird aber die Entscheidung in der Kasse satzungsgemäß mehrheitlich getroffen, dann soll sie auch dann in sämtlichen Trägerunternehmen gelten, wenn sie in einem Trägerunternehmen nicht gebilligt wird. Dies läßt sich entgegen der Auffassung der Revision durchaus als Unterwerfung unter die satzungsgemäß zustande gekommenen Kassenbeschlüsse verstehen.
Zu der letztlich entscheidenden Frage des Rechtsstreits, ob die Beachtung des Mitbestimmungsrechts im D die für ihn nachteilige Änderung der Richtlinien hätte verhindern können, hat der Kläger keine Anhaltspunkte vorgetragen, denen nachgegangen werden könnte. Es spricht trotz des umfangreichen Vorbringens der Parteien nichts dafür, daß sich bei Beachtung des Mitbestimmungsrechts des Gesamtbetriebsrats des D die Auffassung durchgesetzt hätte, Abgeordnetenpensionen auf die betrieblichen Versorgungsleistungen nicht oder in geringerem Umfang als vom Kassenvorstand entschieden anzurechnen. Unter diesen Umständen kann die Verletzung des Mitbestimmungsrechts nicht zu einer Einstandspflicht des DGB in dem Umfang führen, in dem die Leistungen der Gruppenunterstützungskasse infolge der Richtlinienänderung geschmälert werden.
Dr. Heither Griebeling Bitter
Dr. Schmidt Arntzen
Fundstellen
BAGE 62, 26-35 (LT1-5) |
BAGE, 26 |
DB 1989, 2491-2492 (LT1-4) |
BetrVG EnnR BetrVG § 87 Abs 1, Nr 10 (2) (LT1-5) |
ASP 1990, 20 (K) |
EWiR 1991, 119-120 (S) |
JR 1990, 396 |
JR 1990, 396 (S) |
NZA 1989, 889-891 (LT1-5) |
RdA 1989, 378 |
SAE 1990, 156-159 (LT1-5) |
ZIP 1989, 1351 |
ZIP 1989, 1351-1354 (LT1-5) |
AP § 87 BetrVG 1972 Altersversorgung (LT1-5), Nr 18 |
AR-Blattei, Betriebliche Altersversorgung Entsch 227 (LT1-5) |
AR-Blattei, ES 460 Nr 227 (LT1-5) |
EzA § 87 BetrVG 1972 Altersversorgung, Nr 3 (LT1-5) |
VersR 1989, 1175-1176 (LT1-5) |