Entscheidungsstichwort (Thema)
Anpassung von Betriebsrenten nach Stillegung eines einzelkaufmännischen Unternehmens
Leitsatz (amtlich)
1. Die Pflicht zur Anpassung einer Betriebsrente nach § 16 BetrAVG trifft auch den Erben des ehemals einzelkaufmännisch tätigen früheren Arbeitgebers, selbst wenn er dessen Geschäft nicht weiterführt.
2. Für die Bewertung seiner Leistungsfähigkeit kommt es ebenso wie für die des einzelkaufmännisch tätigen früheren Arbeitgebers grundsätzlich nur auf die Erträge und Wertzuwächse des dem Unternehmen gewidmeten Vermögens an.
3. Auch nach Einstellung seiner unternehmerischen Aktivitäten sind der frühere Arbeitgeber und sein Rechtsnachfolger nicht verpflichtet, die Anpassungslasten durch Eingriffe in die Vermögenssubstanz zu finanzieren(Klarstellung zu BAG 23. Oktober 1996 – 3 AZR 514/95 – BAGE 84, 246).
4. Ein Versorgungsschuldner, der seine unternehmerischen Aktivitäten beendet hat, kann ebenso wie ein aktiver Unternehmer eine angemessene Verzinsung seines Eigenkapitals in Anspruch nehmen, bevor er zusätzliche Versorgungslasten durch Anpassung der Betriebsrenten an die Kaufkraftentwicklung übernimmt. Als angemessene Eigenkapitalverzinsung kommt jedoch nur der Zinssatz in Betracht, der sich bei einer langfristigen Anlage festverzinslicher Wertpapiere erzielen läßt. Für einen Risikozuschlag besteht nur bei einem aktiven Unternehmer Anlaß. Zum maßgeblichen Eigenkapital zählt nicht das zur Begleichung der Versorgungsverbindlichkeiten erforderliche Kapital. Soweit hieraus Erträge erwirtschaftet werden, sind sie in vollem Umfang zur Finanzierung der Anpassungslast heranzuziehen.
Normenkette
BetrAVG § 16
Verfahrensgang
Tenor
Auf die Revision beider Parteien wird das Urteil des Landesarbeitsgerichts Hamm vom 3. Februar 1998 – 6 Sa 727/96 – aufgehoben. Der Rechtsstreit wird zur anderweiten Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsstreits, an das Landesarbeitsgericht zurückverwiesen.
Von Rechts wegen !
Tatbestand
Die Parteien streiten darum, in welchem Umfang die Beklagte den Betriebsrentenanspruch des Klägers anpassen muß.
Der Kläger ist am 3. März 1927 geboren. Er war vom 1. Januar 1952 bis zum 31. März 1990 Mitarbeiter und zuletzt Büroleiter des unter der Einzelfirma G handelnden Herrn G. Dieser hatte seinen Mitarbeitern Leistungen der betrieblichen Altersversorgung nach Maßgabe einer Versorgungsordnung vom 23. Dezember 1976 mit Nachträgen versprochen. Der Kläger erhielt seit seinem Eintritt in den vorgezogenen Ruhestand eine monatliche Betriebsrente von 2.793,00 DM.
Herr G ist am 30. Juni 1990 verstorben. Seine Firma ist erloschen. Er wurde von seiner Ehefrau, der Beklagten, beerbt, die die Geschäfte ihres verstorbenen Mannes nicht weiterführte. Frühere Mitarbeiter des Herrn G gründeten die Ingenieurbüro G GmbH, die dessen laufende Aufträge zu Ende führte. Dieses Unternehmen erhielt hierfür von der Beklagten nach deren Vortrag 240.000,00 DM.
Im Unternehmen des Herrn G waren Rückstellungen gebildet worden, um die laufenden und zukünftigen Rentenansprüche befriedigen zu können. In der zum 30. Juni 1990 erstellten Bilanz beliefen sich die Rückstellungen für Betriebsrentenverpflichtungen auf 2.132.483,00 DM. Dem stand ein Wertpapierdepot, in dem sich ganz überwiegend festverzinsliche Anleihen befanden, mit einem damaligen Nennwert von 2.134.915,30 DM gegenüber.
Die Ingenieurbüro G GmbH übernahm die Versorgungsanwartschaften der von ihr weiterbeschäftigten Arbeitnehmer und erhielt dafür von der Beklagten den versicherungsmathematisch ermittelten Wert der Anwartschaften von 661.962,00 DM. Die Beklagte haftet für die Ansprüche von acht Pensionären, sieben Hinterbliebenen und fünf Rentenanwärtern. Insoweit waren zum 31. Dezember 1992 Rückstellungen in Höhe von 1.420.006,00 DM gebildet. Das Wertpapierdepot wies zum 3. Juni 1993 einen Nominalbestand von 1.363.000,00 DM aus und erwirtschaftete zum damaligen Zeitpunkt durchschnittlich 9,16 % Zinsen im Jahr. Zur Zeit beläuft sich die Rendite für das Wertpapierdepot auf jährlich 90.000,00 DM. An die Versorgungsempfänger werden derzeit rund 130.000,00 DM im Jahr gezahlt.
Im April 1993 verlangte der Kläger eine Anpassung seiner Betriebsrente in Höhe der gestiegenen Lebenshaltungskosten. Daraufhin teilte die Beklagte ihm mit Schreiben vom 27. Mai 1993 mit, daß sie seine Betriebsrente lediglich um 4 % auf 2.905,00 DM monatlich mit Wirkung ab dem 1. April 1993 erhöhen könne. Seither zahlt die Beklagte diesen Betrag an den Kläger aus.
Mit seiner am 12. August 1993 zugestellten Klage hat der Kläger eine Erhöhung seiner Betriebsrente ab dem 1. April 1993 um 12,05 % verlangt. In diesem Umfang seien die Lebenshaltungskosten für einen Vier-Personen-Haushalt in den letzten drei Jahren gestiegen. Die von ihm begehrte Anpassung könne, so behauptet der Kläger, allein aus den in den Jahren 1990 bis 1992 erzielten Erlösen des Wertpapierdepots in Höhe von 116.252,38 DM finanziert werden. Die laufenden Rentenverpflichtungen seien durch das übernommene Wertpapierdepot gesichert. Der Rückstellungsbetrag sei auf der Grundlage einer sechsprozentigen Verzinsung ermittelt worden. Auf dem Kapitalmarkt sei eine höhere Verzinsung zu erzielen.
Der Kläger hat beantragt,
- die Beklagte zu verurteilen, an ihn (für die Zeit vom 1. April bis zum 31. August 1993) 1.120,00 DM brutto nebst 4 % Zinsen auf den Nettobetrag seit dem 12. August 1993 zu zahlen;
- die Beklagte weiter zu verurteilen, an ihn über freiwillig gezahlte 2.905,00 DM monatlich einen Erhöhungsbetrag von 224,00 DM seit dem 1. September 1993 zu zahlen.
Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen. Nach ihrer Auffassung besteht für sie schon deshalb keine Anpassungsverpflichtung, weil sie nicht Inhaberin eines Unternehmens sei, das werbend am Wirtschaftsleben teilnehme. Die Beklagte hat behauptet, eine Anpassung in der vom Kläger begehrten Höhe führe zudem bei ihr zu einem nicht zu rechtfertigenden Vermögensverfall. Angesichts der ständig steigenden Lebenserwartung müsse Risikokapital zur Verfügung stehen. Den Pensionsrückstellungen seien die veralteten Sterbetafeln 1970/72 zugrundegelegt worden. Es könne in Zukunft auch nur noch mit geringeren Zinserträgen gerechnet werden. Bei einer Erhöhung der Betriebsrente des Klägers um lediglich 1 % sei bereits im August 2008 das für ihn rückgestellte Kapital trotz eines eingerechneten Zinsertrages von 6 % verbraucht.
Das Arbeitsgericht hat die Klage nach Einholung eines Sachverständigengutachtens abgewiesen. Auf die Berufung des Klägers hat das Landesarbeitsgericht die Beklagte unter Zurückweisung der Berufung im übrigen verurteilt, an den Kläger für April bis August 1993 280,00 DM sowie einen monatlichen Erhöhungsbetrag von 56,00 DM seit dem 1. September 1993 zu zahlen. Gegen dieses Urteil haben beide Parteien Revision eingelegt. Sie verfolgen ihre letzten Sachanträge weiter.
Entscheidungsgründe
Die Revisionen beider Parteien sind begründet. Auf der Grundlage der Feststellungen des Landesarbeitsgerichts kann noch nicht abschließend darüber entschieden werden, ob und ggf. in welchem Umfang die Beklagte über die vorgenommene Anpassung des Betriebsrentenanspruchs des Klägers hinaus eine weitere Erhöhung ihrer monatlichen Zahlungen schuldet. Der Rechtsstreit war deshalb zur weiteren Sachaufklärung an das Landesarbeitsgericht zurückzuverweisen.
I. Zu Recht hat das Landesarbeitsgericht allerdings angenommen, daß die Beklagte grundsätzlich zur Anpassung nach § 16 BetrAVG verpflichtet ist. Der Umstand, daß sie lediglich die Erbin des ehemals einzelkaufmännisch tätigen früheren Arbeitgebers des Klägers ist und dessen Geschäft nicht weiterführt, steht dem nicht entgegen.
1. Die nach § 16 BetrAVG erforderliche Anpassungsentscheidung des Arbeitgebers hat vom Anpassungsbedarf des Betriebsrentners auszugehen. Er richtet sich nach dem bis zum Anpassungsstichtag eingetretenen Kaufkraftverlust der Betriebsrente. Dieser spiegelt sich wieder in dem Preisindex für die Lebenshaltungskosten von 4-Personen-Arbeitnehmerhaushalten mit mittlerem Einkommen. Einer Wiederherstellung der Kaufkraft kann der Arbeitgeber ganz oder teilweise ablehnen, wenn und soweit hierdurch sein Unternehmen übermäßig belastet würde(ständige Senatsrechtsprechung; vgl. BAG 16. Dezember 1976 – 3 AZR 795/75 – BAGE 28, 279; zuletzt grundlegend 17. April 1996 – 3 AZR 56/95 – BAGE 83, 1, 11).
2. Die Anpassungspflicht eines Arbeitgebers nach § 16 BetrAVG trifft auch einen Einzelkaufmann, wie es der verstorbene Ehemann der Beklagten war. Für die Bestimmung seiner Anpassungsfähigkeit kommt es allerdings regelmäßig nicht auf die Entwicklung und den Ertrag seines gesamten Vermögens an. Zwar deutet der Wortlaut des § 16 BetrAVG, der den Arbeitgeber als Anpassungsschuldner bezeichnet, darauf hin, daß für die Anpassungsentscheidung die Entwicklung seines gesamten Vermögens maßgeblich ist. § 16 BetrAVG muß insoweit jedoch einschränkend ausgelegt werden. Nach Sinn und Zweck der Vorschrift ist eine Berücksichtigung des gesamten Vermögens nicht gerechtfertigt. § 16 BetrAVG macht den Anpassungsanspruch des Betriebsrentners von der Entwicklung des Unternehmens seines Arbeitgebers abhängig. Auf den Fortbestand des Unternehmens, das die Betriebsrente erwirtschaften soll, ist Rücksicht zu nehmen. Dies bedeutet: Der Betriebsrentner nimmt an der Entwicklung des nicht dem Unternehmen gewidmeten Privatvermögens des einzelkaufmännisch tätigen Arbeitgebers nicht teil, und zwar weder an einer besonders günstigen Entwicklung dieses Vermögens noch an dort etwa eintretenden Verlusten. Die bilanzrechtlich und steuerrechtlich gebotene Aussonderung des Unternehmensvermögens wird es regelmäßig zulassen, die Beurteilung der wirtschaftlichen Lage des Versorgungsschuldners auf die Bewertung des dem Unternehmen gewidmeten Vermögens zu beschränken(im Ergebnis ebenso Blomeyer/Otto BetrAVG 2. Aufl. § 16 Rn. 166). Besteht diese Möglichkeit nicht, weil der Einzelkaufmann eine solche Trennung nicht vorgenommen hat, oder erscheint die vorgenommene Trennung ausnahmsweise mißbräuchlich, kann eine andere Betrachtung geboten sein.
Die Prüfung der Anpassungsfähigkeit ist jedoch nicht auf die Entwicklung eines den künftigen Versorgungsverbindlichkeiten gewidmeten Teils des Vermögens beschränkt. Es kommt auf die künftige Leistungsfähigkeit des Arbeitgebers, nicht eines für Versorgungsverbindlichkeiten vorgehaltenen Sondervermögens wie etwa eines hierfür errichteten Wertpapierdepots an.
3. Dieser Maßstab für die Feststellung der Anpassungsfähigkeit gilt auch dann, wenn das Geschäft des einzelkaufmännisch tätigen früheren Arbeitgebers durch dessen Erben fortgeführt wird. Die Pflicht des Arbeitgebers aus § 16 BetrAVG geht auf dessen Rechtsnachfolger über(Blomeyer/Otto BetrAVG 2. Aufl. § 16 Rn. 168; Andresen/Förster/Rößler/Rühmann Arbeitsrecht der betrieblichen Altersversorgung Teil 11 B Rn. 600). Beurteilungsmaßstab für die Anpassungsfähigkeit des oder der Erben ist deshalb auch nicht die Ertragskraft des Nachlasses als Ganzen, sondern des geerbten Unternehmensvermögens.
4. Der Erbe des früheren Arbeitgebers muß für dessen Anpassungspflicht aus § 16 BetrAVG nach § 1922 BGB auch dann in entsprechendem Umfang eintreten, wenn er dessen Geschäft nicht weiterführt.
a) Die gesetzliche Anpassungsprüfungspflicht trifft den früheren Arbeitgeber oder dessen Erben unabhängig davon, ob sie das Beschäftigungsunternehmen fortführen(so für den Fall einer sogenannten Rentnergesellschaft Senatsurteil 23. Oktober 1996 – 3 AZR 514/95 – BAGE 84, 246, mit insoweit zustimmender Anmerkung Kemper; ebenso Blomeyer EWiR 1997, 732; Höfer BetrAVG Stand 1999 § 16 Rn. 3592.15; Blomeyer/Otto BetrAVG 2. Aufl. § 16 Rn. 216). Der Gesetzgeber hat die Anpassungslast dem Arbeitgeber auch dann zugewiesen, wenn dieser sich nicht mehr unternehmerisch betätigt. Letzteres hat der Gesetzgeber im neu gefaßten § 4 Abs. 3 Satz 1 Halbsatz 2 BetrAVG bestätigt. Die Liquidation eines Unternehmens, das Versorgungsschuldnerin ist, wird hiernach – trotz der Einstellung der unternehmerischen Aktivitäten – nur unter der Bedingung vorzeitig ermöglicht, daß auch nach der Liquidierung eine ausreichend erscheinende Erhöhung der laufenden Versorgungsleistungen sichergestellt ist.
b) Bezugspunkt für die Bestimmung der Anpassungsfähigkeit des privatisierenden Unternehmers oder seines Erben ist nicht dessen Vermögen oder die Erbschaft als Ganzes. Jedenfalls dann, wenn die Möglichkeit einer entsprechenden Feststellung besteht, kommt es auf die Entwicklung des Vermögens an, das dem Unternehmer oder seinem Erben aus dem stillgelegten Unternehmen verblieben ist. Das Vermögen, das zum Stillegungszeitpunkt dem Unternehmen gewidmet war, wird Maßstab für die Anpassungsfähigkeit des privatisierenden Unternehmers oder seines Erben.
II. Das Urteil des Landesarbeitsgerichts muß aber aufgehoben werden, weil auf der Grundlage seiner tatsächlichen Feststellungen die wirtschaftliche Lage der Beklagten und deren sich daraus ergebende Anpassungsfähigkeit nicht beurteilt werden kann. Insoweit bedarf es weiterer Sachaufklärung. Der Rechtsstreit war deshalb an das Landesarbeitsgericht zurückzuverweisen.
1. Eine Abweisung der auf Anpassung in Höhe des vollen Kaufkraftausgleichs gerichteten Klage ist schon deshalb ausgeschlossen, weil das Landesarbeitsgericht nicht von der Ertragskraft des von der Beklagten geerbten Unternehmensvermögens ausgegangen ist. Es hat lediglich das von dem verstorbenen Ehemann der Beklagten für die Versorgungsverbindlichkeiten angelegte Wertpapierdepot beurteilt. Dies reicht nicht aus, weil nicht behauptet worden ist, daß es sich insoweit um das einzige von der Beklagten geerbte Unternehmensvermögen gehandelt hat. In der zum 30. Juni 1990 erstellten Bilanz des stillgelegten Unternehmens ist jedenfalls neben dem Wertpapierdepot ein zusätzliches Kapital von rund 800.000,00 DM ausgewiesen.
2. Der Klage kann andererseits nach den bisherigen Feststellungen auch nicht allein auf der Grundlage der wirtschaftlichen Entwicklung des Wertpapierdepots entsprochen werden, das für die Versorgungsverbindlichkeiten angelegt worden ist. Auch hierzu hat das Landesarbeitsgericht keine eigenen Feststellungen getroffen. Es hat zwar überzeugend begründet, warum die vorliegenden Gutachten keine ausreichende Grundlage für die Bewertung dieses Sondervermögens sind. Es hat jedoch nicht im einzelnen dargestellt, von welcher Ertragsprognose es angesichts der bisher erzielten Erträge ausgegangen ist und welche Gründe es hierfür hat. Dies wird das Landesarbeitsgericht nachzuholen haben.
III. Im Hinblick auf die erforderlichen weiteren Feststellungen sieht sich der Senat zu den folgenden Hinweisen veranlaßt:
1. Zunächst ist das von der Beklagten geerbte, zum Zeitpunkt des Erbfalles dem Unternehmen des früheren Arbeitgebers des Klägers gewidmete Vermögen festzustellen. Von ihm sind die zur Liquidierung des Unternehmens erforderlichen Aufwendungen der Beklagten abzusetzen, deren Höhe in der Revisionsinstanz im einzelnen streitig geworden ist. Die dem Anpassungsbedarf des Klägers gegenüberstehende und ihn begrenzende Anpassungsfähigkeit der Beklagten ergibt sich aus der Ertragskraft des hiernach der Beklagten verbliebenen übernommenen Vermögens.
2. Dabei hat das Landesarbeitsgericht zutreffend darauf abgestellt, daß Anpassungen nach § 16 BetrAVG nicht aus der Vermögenssubstanz, sondern aus den Erträgen und Wertzuwächsen finanzierbar sein müssen. Ein Eingriff in die Substanz des übernommenen Vermögens kann vom Versorgungschuldner auch dann nicht verlangt werden, wenn das Unternehmen des früheren Arbeitgebers nicht weitergeführt wird(ebenso Kemper Anm. AP BetrAVG § 16 Nr. 36, zu 2.5; Blomeyer EWiR 1997, 732; offen gelassen: Senatsurteil 23. Oktober 1996 – 3 AZR 514/95 – BAGE 84, 246, 252 f.). Der Maßstab der Anpassungsprüfung nach § 16 BetrAVG kann nicht allein deshalb zugunsten der Betriebsrentner verändert werden, weil der frühere Arbeitgeber oder sein Rechtsnachfolger die unternehmerischen Aktivitäten eingestellt haben. Der Betriebsrentner muß einen Kaufkraftverlust seiner Betriebsrente hinnehmen, wenn und soweit die Ertragskraft des maßgeblichen Vermögens seines früheren Arbeitgebers oder dessen Rechtsnachfolgers einen Ausgleich nicht erlaubt.
3. Anderseits kommt es auf die Ertragskraft des übernommenen Vermögens nur an, soweit es um die Belastungen aus der Anpassung der laufenden Renten entsprechend der Kaufkraftentwicklung geht. Die laufenden Renten in ihrer bisherigen Höhe sind aus der Vermögenssubstanz aufzubringen. Dies verkennt das Gutachten des Sachverständigen D, wie das Landesarbeitsgericht zu Recht angemerkt hat. Der Gutachter kommt zu dem Ergebnis, die Erträge der Wertpapiere in der Zeit nach dem Anpassungsstichtag und seit dem 1. Januar 1990 reichten nicht aus, um den begehrten Teuerungsausgleich abzudecken. Er führt dann aber weiter aus, bei einer durchschnittlichen Steigerungsrate der Renten von 7,3% ergebe sich eine Substanzverringerung des Wertpapierdepots bis zum Jahr 2016 von 915.237,00 DM. Ab dem Jahre 2017 überstiegen die Zinseinnahmen die Rentenzahlungen, so daß die Unterdeckung zum Ende des Betrachtungszeitraumes noch 832.311,00 DM betrage. Er ermittelt schließlich, daß die Steigerungsrate der Renten 0,1% nicht überschreiten dürfe, wenn die Rentenzahlungen allein aus den Erträgen des Wertpapierdepots finanziert werden sollten. Hierauf kommt es nicht an. Das für die Versorgungsverbindlichkeiten rückgestellte und in ein Wertpapierdepot angelegte Kapital ist zur Aufzehrung durch die Zahlung der laufenden Renten bestimmt.
4. Der Umfang der Anpassungspflicht der Beklagten ergibt sich daraus, in welchem Maß Betriebsrentenerhöhungen unter Berücksichtigung der sonstigen Rentenverbindlichkeiten der Beklagten aus den Erträgen des von ihr übernommenen Unternehmensvermögens finanziert werden können. Aus dem zur Erfüllung der künftigen Versorgungspflichten bereitgestellten Kapital, dem die hieraus bis zum Anpassungsstichtag erzielten Erträge zuzurechnen sind, und den in Zukunft zu erzielenden Erträgen aus dem gesamten übernommenen Unternehmensvermögen ist zu ermitteln, inwieweit mit dem danach voraussichtlich insgesamt zur Verfügung stehenden Vermögen Betriebsrenten bezahlt werden können, die entsprechend der Entwicklung der Lebenshaltungskosten erhöht wurden.
a) Die künftigen Erträge aus dem von der Beklagten und ihrem verstorbenen Ehemann angelegten früheren Firmenvermögen sind anhand einer konservativen Anlagepraxis zu prognostizieren. Die Beklagte ist ebensowenig wie ihr verstorbener Ehemann verpflichtet, zur Finanzierung der Anpassungslasten in Wertpapiere mit hohen Gewinnchanchen, aber auch entsprechenden Risiken zu investieren. Es kann im vorliegenden Zusammenhang dahinstehen, ob nicht sogar eine Pflicht zu konservativer Geldanlage besteht, wenn in erheblichem Umfang Betriebsrenten zu finanzieren sind.
b) Von den hiernach zu erwartenden Erträgen ist zugunsten der Beklagten vor ihrer Heranziehung zur Finanzierung der Anpassungslasten eine angemessene Eigenkapitalverzinsung abzusetzen. Ein privatisierender früherer Unternehmer und sein Erbe sind im Verhältnis zu ihren Betriebsrentnern auch in diesem Punkt grundsätzlich nicht anders zu behandeln, als sie als aktive Unternehmer zu behandeln gewesen wären(vgl. hierzu BAG 17. April 1996 – 3 AZR 56/95 – BAGE 83, 1, 11).
aa) Dabei ist als angemessene Eigenkapitalverzinsung allerdings nur der Prozentsatz anzusetzen, der bei einer langfristigen Anlage in festverzinsliche Wertpapiere durchschnittlich zu erzielen ist. Für einen Zuschlag, wie er bei aktiven Arbeitgebern angemessen ist, deren in das Unternehmen investiertes Eigenkapital einem erhöhtem Risiko ausgesetzt ist(vgl. BAG aaO), besteht bei einem privatisierenden Unternehmer und dessen Rechtsnachfolger kein Anlaß.
bb) Für die Finanzierung der Anpassungslasten ist darüber hinaus der zu erzielende Vermögensertrag auch nur um die Verzinsung des von der Beklagten übernommenen und ihr verbliebenen Eigenkapitals zu mindern. Gebotene Rückstellungen reduzieren das Eigenkapital. Deshalb gehört hierzu auch nicht das zur Finanzierung der Versorgungsverbindlichkeiten erforderliche Kapital. Soweit hieraus Erträge erzielt werden, sind sie in vollem Umfang für die Finanzierung der Betriebsrenten und ihrer Anpassung entsprechend der Kaufkraftentwicklung einzusetzen.
c) Die Leistungsfähigkeit der Beklagten hängt davon ab, welches Kapital für die Begleichung der Versorgungsverbindlichkeiten benötigt wird. Zu dessen Ermittlung sind die aktuellen Sterbetabellen zugrunde zu legen, wie sie die Versicherungswirtschaft verwendet. In sie ist ein Risikozuschlag eingearbeitet, der auch zugunsten einer Versorgungsschuldnerin wie der Beklagten angemessen sein kann, die einen relativ kleinen Kreis von Betriebsrentnern zu versorgen hat. Hier ist der Unsicherheitsfaktor einer versicherungsmathematischen Berechnung der voraussichtlichen Versorgungslasten naturgemäß besonders hoch.
5. Im übrigen wird der Kläger nach der Zurückverweisung des Rechtsstreits Gelegenheit haben, den von ihm behaupteten Anpassungsbedarf von 12,05 % näher zu begründen. Das Landesarbeitsgericht hat auf der Grundlage der von Bode und Grabner (DB 1994, 142) ausgewerteten statistischen Zahlen nur einen Kaufkraftverlust von 11,8 % ermittelt.
Unterschriften
Kremhelmer, Bepler, Zugleich für den wegen Urlaubs an der Unterschrift verhinderten Vorsitzenden Richter am Bundesarbeitsgericht Dr. Reinecke, Born, Reissner
Veröffentlichung
Veröffentlicht am 09.11.1999 durch Kaufhold, Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle
Fundstellen
Haufe-Index 547216 |
BAGE, 349 |
DB 1999, 2522 |
DB 2000, 1867 |
NWB 1999, 4744 |
ARST 2000, 119 |
EWiR 2000, 995 |
FA 2000, 29 |
FA 2000, 325 |
JR 2001, 44 |
NZA 2000, 1057 |
SAE 2000, 309 |
ZAP 2000, 90 |
ZIP 2000, 1505 |
AP, 0 |
AuA 2000, 35 |
VersR 2000, 1171 |