Entscheidungsstichwort (Thema)
Erziehungsurlaub - Tarifliche Sonderzahlung
Leitsatz (redaktionell)
Bestimmt ein Tarifvertrag (hier Tarifvertrag über Sonderzahlungen der Metallindustrie in Niedersachsen vom 6. Mai 1987 § 2), daß eine tarifliche Jahressonderzahlung für Zeiten gekürzt werden kann, in denen das Arbeitsverhältnis "kraft Gesetzes" ruht, so kann die Jahressonderzahlung auch für die Zeit gekürzt werden, in der die Arbeitnehmerin oder der Arbeitnehmer sich im Erziehungsurlaub befindet. Der Senat gibt damit die gegenteilige Rechtsprechung des Sechsten Senats auf (vgl ua Urteile vom 10. Mai 1989 - 6 AZR 660/87 - BAGE 62, 35 = AP Nr 2 zu § 15 BErzGG und vom 7. Dezember 1989 - 6 AZR 322/88 - BAGE 63, 375 = AP Nr 3 zu § 15 BErzGG).
Normenkette
TVG § 1; BErzGG § 15
Verfahrensgang
LAG Niedersachsen (Entscheidung vom 09.08.1991; Aktenzeichen 15 Sa 1771/90) |
ArbG Hildesheim (Entscheidung vom 05.10.1990; Aktenzeichen 1 Ca 297/90) |
Tatbestand
Die Parteien streiten über die tarifliche Sonderzahlung für das Jahr 1989.
Die Klägerin war seit dem 5. Januar 1981 als Arbeiterin bei der Beklagten beschäftigt. Sie hat ihr Arbeitsverhältnis nach dem 1. Dezember 1989 zum 5. Februar 1990 gekündigt. Auf das Arbeitsverhältnis fanden kraft beiderseitiger Tarifbindung die Tarifverträge für die gewerblichen Arbeitnehmer der Niedersächsischen Metallindustrie Anwendung, u. a. der Tarifvertrag über Sonderzahlungen vom 6. Mai 1987 (TVS). Dieser bestimmt zum Anspruch auf die Sonderzahlung u.a. folgendes:
"§ 2
(1) Arbeitnehmer und Auszubildende, die jeweils
am Auszahlungstag in einem Arbeitsverhältnis
bzw. Ausbildungsverhältnis stehen und zu die-
sem Zeitpunkt dem Betrieb ununterbrochen
6 Monate angehören, haben je Kalenderjahr
einen Anspruch auf betriebliche Sonderzahlun-
gen.
Ausgenommen sind die Arbeitnehmer, die zu
diesem Zeitpunkt ihr Arbeitsverhältnis gekün-
digt haben.
...
(5) Anspruchsberechtigte Arbeitnehmer und Auszu-
bildende, deren Arbeitsverhältnis bzw. Aus-
bildungsverhältnis im Kalenderjahr kraft Ge-
setzes oder Vereinbarung ruht, erhalten keine
Leistung; ruht das Arbeitsverhältnis bzw.
Ausbildungsverhältnis im Kalenderjahr teil-
weise, so erhalten sie eine anteilige Lei-
stung. Für Zeiten des gesetzlichen Mutter-
schutzes tritt eine Minderung des Anspruchs
nicht ein.
Anspruchsberechtigte Arbeitnehmer, die wegen
Erwerbs- oder Berufsunfähigkeit, wegen Errei-
chens der Altersgrenze oder aufgrund Kündi-
gung zwecks Inanspruchnahme eines vorgezoge-
nen Altersruhegeldes ausscheiden, erhalten im
Jahr des Ausscheidens die volle Leistung.
§ 3 Zeitpunkt
Der Zeitpunkt der Auszahlung wird durch Betriebs-
vereinbarung geregelt. Er darf nicht nach dem
1. Dezember liegen."
Die Klägerin hat im Jahr 1989 bei der Beklagten nicht gearbeitet. Sie befand sich vor und nach der Entbindung am 5. Februar 1989 zunächst im Mutterschutz und nahm dann bis zum 5. Februar 1990 Erziehungsurlaub.
Im Dezember 1989 erhielt die Klägerin eine gekürzte Sonderzahlung in Höhe von 403,-- DM brutto. Bei einer Vorsprache im Lohnbüro der Beklagten im Dezember 1989 wurde der Anspruch der Klägerin auf die volle Sonderzahlung mit 1.211,-- DM errechnet. Die Klägerin machte den Differenzbetrag von 808,-- DM geltend. Mit Schreiben vom 18. Mai 1990 lehnte die Beklagte die Zahlung ab.
Die Klägerin ist der Auffassung, ihr stehe die Sonderzahlung für das Jahr 1989 in voller Höhe zu. Sie erfülle die Anspruchsvoraussetzungen des TVS auf Zahlung von 50 % eines Monatsverdienstes. Die Beklagte sei nicht berechtigt, wegen des Mutterschutzes oder des Erziehungsurlaubs Kürzungen vorzunehmen. Zwar sehe § 2 Abs. 5 TVS bei Ruhen des Arbeitsverhältnisses kraft Gesetzes oder Vereinbarung eine Kürzung vor. Im Falle des Erziehungsurlaubs ruhe das Arbeitsverhältnis aber nicht kraft Gesetzes.
Die Klägerin hat beantragt,
die Beklagte zu verurteilen, an sie 808,-- DM
brutto zuzüglich 4 % Zinsen seit dem 7. Juli 1990
zu zahlen.
Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen. Sie ist der Ansicht, die Klägerin habe keinen Anspruch auf die Sonderzahlung, da sie im Jahr 1989 an keinem Tag gearbeitet habe. Die Mutterschutzzeiten könnten der Arbeitsleistung nicht gleichgestellt werden. Es liege auch kein Verstoß gegen Art. 119 EWG-Vertrag vor. Daß durch den Ausschluß von der Sonderzahlung wegen fehlender Arbeitsleistung im Bezugszeitraum mehr Frauen als Männer betroffen seien, sei nicht feststellbar. Es komme nur auf die fehlende Arbeitsleistung insgesamt, nicht aber auf den Erziehungsurlaub an.
Das Arbeitsgericht hat der Klage stattgegeben. Die Berufung der Beklagten blieb erfolglos. Mit der Revision verfolgt die Beklagte ihren Klageabweisungsantrag weiter. Die Klägerin beantragt, die Revision zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
Die Revision der Beklagten ist begründet. Sie führt zur Aufhebung der klagestattgebenden Urteile der Vorinstanzen. Der Klägerin steht der mit der Klage geltend gemachte Anspruch auf eine höhere tarifliche Sonderzahlung nicht zu, da ihr Arbeitsverhältnis während des Erziehungsurlaubs kraft Gesetzes geruht hat und der TVS für diesen Fall die Leistung der Sonderzahlung ausschließt.
I. Das Landesarbeitsgericht hat ausgeführt, die Klägerin habe einen Anspruch auf die volle Sonderzahlung nach dem TVS für das Jahr 1989, da sie am 1. Dezember 1989 seit über drei Jahren in einem ungekündigten Arbeitsverhältnis zur Beklagten gestanden habe. Ihr könne nicht entgegengehalten werden, daß sie im Bezugszeitraum nicht gearbeitet hat. Für die Zeiten der Mutterschutzfristen müßte die Klägerin so gestellt werden, als hätte sie die Arbeitsleistung erbracht; eine Kürzung der Sonderzahlung sei daher nicht zulässig. Auch für die Zeit des Erziehungsurlaubs sei eine Minderung der Sonderzahlung nicht möglich, da das Arbeitsverhältnis nicht kraft Gesetzes, sondern aufgrund einer einseitigen gestaltenden Erklärung der Klägerin geruht habe; dieser Fall werde in § 2 Abs. 5 Satz 1 TVS nicht erfaßt.
II. Das Landesarbeitsgericht ist mit dieser Begründung der bisherigen Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts gefolgt (vgl. Urteile vom 10. Mai 1989 - 6 AZR 660/87 - BAGE 62, 35 = AP Nr. 2 zu § 15 BErzGG und vom 7. Dezember 1989 - 6 AZR 322/88 - BAGE 63, 375 = AP Nr. 3 zu § 15 BErzGG). Danach liege im Falle der Inanspruchnahme von Erziehungsurlaub kein Ruhen des Arbeitsverhältnisses kraft Gesetzes oder Vereinbarung vor; das Arbeitsverhältnis ruhe bei Erziehungsurlaub wegen der einseitigen Willenserklärung des Arbeitnehmers/der Arbeitnehmerin, Erziehungsurlaub in Anspruch zu nehmen, wenn auch auf gesetzlicher Grundlage. Der Senat vermag dieser Ansicht nicht zu folgen. Er gibt sie hiermit auf.
1. Der Sechste Senat hat die vorgenannten Entscheidungen mit der Überlegung begründet, das Arbeitsverhältnis ruhe bei Inanspruchnahme des Erziehungsurlaubs zwar, aber nicht kraft Gesetzes oder Vereinbarung.
a) Der Arbeitnehmer/die Arbeitnehmerin, der/die die Voraussetzungen des § 15 BErzGG erfüllt, sei bei der Inanspruchnahme des Erziehungsurlaubs nicht auf das Einverständnis des Arbeitgebers angewiesen, sondern hätte das Alleinentscheidungsrecht, ob er/sie den Erziehungsurlaub in Anspruch nehmen wollte oder nicht. Der Erziehungsurlaubsanspruch entstehe, wenn die gesetzlichen Anspruchsvoraussetzungen erfüllt seien, auch ohne das Einverständnis des Arbeitgebers. Der Arbeitgeber müsse vielmehr das Fernbleiben des Arbeitnehmers von dem gewünschten Zeitpunkt an hinnehmen.
b) Das Arbeitsverhältnis des Arbeitnehmers/der Arbeitnehmerin, der/die Erziehungsurlaub in Anspruch nehme, ruhe auch nicht kraft Gesetzes. Der Arbeitnehmer/die Arbeitnehmerin erhalte den Erziehungsurlaub auf sein Verlangen, sofern die gesetzlichen Voraussetzungen vorlägen. Der Zustand des Ruhens des Arbeitsverhältnisses trete daher nicht kraft Gesetzes, sondern nach entsprechender Willensbetätigung des berechtigten Arbeitnehmers ein, wenn auch auf gesetzlicher Grundlage.
Eine extensive Auslegung des Tarifmerkmals "kraft Gesetzes" sei nicht möglich, da es sich um eine Ausnahmeregelung handele, die restriktiv auszulegen sei. Außerdem würde eine andere Auslegung keinen Sinn ergeben, da die Tarifvertragsparteien die Absicht, jeden Ruhenstatbestand zu erfassen, besser erreicht hätten, wenn sie lediglich vom Ruhen des Arbeitsverhältnisses ohne die kausale Verknüpfung mit den Attributen "kraft Gesetzes oder Vereinbarung" gesprochen hätten. Aus dem Tarifvertrag ergebe sich im Gegenteil die Möglichkeit, daß die Tarifvertragsparteien die Ruhenstatbestände nicht hätten ausnehmen wollen, die nicht kraft Gesetzes oder Vereinbarung, sondern auf einem dritten Weg entstünden; diese Möglichkeit des dritten Weges, wie z.B. einseitige Suspendierung, Teilnahme des Arbeitnehmers an einem Streik oder Aussperrung des Arbeitnehmers im Rahmen eines Arbeitskampfes, hätten die Tarifvertragsparteien gekannt; daher verbiete sich die Auslegung, daß die Tarifvertragsparteien alle Fälle erfassen wollten, in denen der Ruhenstatbestand aus der Geltendmachung gesetzlicher Ansprüche folge. Auch sprachlich bestehe ein Unterschied zwischen der Formulierung "kraft Gesetzes" und der (gedachten) Wendung "kraft einseitiger Willenserklärung aufgrund gesetzlicher Grundlage". Mit ihrer Wortwahl hätten die Tarifvertragsparteien erkennen lassen, daß die Arbeitnehmer die tarifliche Sonderzahlung nicht oder nicht ungeschmälert bekommen sollten, wenn die Suspendierung im Einvernehmen herbeigeführt worden oder das Ergebnis eines Sachverhalts sei, gegen den die Arbeits vertragsparteien, wie im Falle des § 1 Abs. 1 ArbPlSchG, nichts unternehmen könnten.
2. Entgegen dieser Rechtsprechung stellt das Ruhen des Arbeitsverhältnisses infolge Inanspruchnahme von Erziehungsurlaub bei Vorliegen der Anspruchsvoraussetzungen des § 15 BErzGG ein Ruhen "kraft Gesetzes" dar.
a) Dabei ist zunächst - mit dem Sechsten Senat - davon auszugehen, daß bei dem Verlangen von Erziehungsurlaub durch einen anspruchsberechtigten Arbeitnehmer/eine anspruchsberechtigte Arbeitnehmerin das Arbeitsverhältnis nicht kraft Vereinbarung zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer ruht. Der Arbeitnehmer/die Arbeitnehmerin erhält den Erziehungsurlaub bei Vorliegen der gesetzlichen Voraussetzungen allein auf sein/ihr Verlangen hin. Ein Einverständnis des Arbeitgebers ist nicht erforderlich. Damit kann der bisherigen Rechtsprechung darin zugestimmt werden, daß der Erziehungsurlaub nicht zum Ruhen des Arbeitsverhältnisses kraft Vereinbarung führt.
b) Das Arbeitsverhältnis des Arbeitnehmers/der Arbeitnehmerin, der/die Erziehungsurlaub in Anspruch nimmt, ruht aber kraft Gesetzes:
Es muß insoweit unterschieden werden zwischen der Erklärung des/der anspruchsberechtigten Arbeitnehmers/Arbeitnehmerin, Erziehungsurlaub zu nehmen und dem daraus folgenden Ruhen des Arbeitsverhältnisses. Bei dem Verlangen des Arbeitnehmers/der Arbeitnehmerin handelt es sich ohne Zweifel um eine einseitige gestaltende Willenserklärung. Sind die gesetzlichen Voraussetzungen für die Inanspruchnahme von Erziehungsurlaub gegeben, so erhält der/die anspruchsberechtigte Arbeitnehmer/in schon aufgrund dieser einseitigen Erklärung - gegebenenfalls gegen den Willen des Arbeitgebers - den Erziehungsurlaub. Der Rechtsprechung des Sechsten Senats ist daher zwar insoweit beizupflichten, daß der Erziehungsurlaub nicht kraft Gesetzes "gewährt" wird (vgl. u.a. Urteil vom 1. Februar 1990 - 6 AZR 336/89 - n.v.), die Rechtsfolge aus der Erklärung des Arbeitnehmers/der Arbeitnehmerin, Erziehungsurlaub in Anspruch zu nehmen, eben das Ruhen des Arbeitsverhältnisses, tritt aber kraft Gesetzes ein. Ebenso wie das Ruhen des Arbeitsverhältnisses des zum Grundwehrdienst einberufenen Arbeitnehmers eintritt, wenn dieser einberufen wird, tritt das Ruhen des Arbeitsverhältnisses während des Erziehungsurlaubs dann ein, wenn der Arbeitnehmer/die Arbeitnehmerin Erziehungsurlaub in Anspruch nimmt. Einberufung zum Grundwehrdienst und Inanspruchnahme des Erziehungsurlaubs sind damit jeweils nur Tatbestände, an deren Verwirklichung die gesetzliche Regelung das Ruhen des Arbeitsverhältnisses knüpft.
Dem steht nicht entgegen, daß das Bundeserziehungsgeldgesetz - anders als § 1 ArbPlSchG - nicht ausdrücklich bestimmt, daß das Arbeitsverhältnis während des Erziehungsurlaubs ruht. Wenn nach der ständigen und unangefochtenen Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts das Arbeitsverhältnis während des Erziehungsurlaubs ruht (BAGE 62, 35 = AP Nr. 2 zu § 15 BErzGG; BAGE 63, 375 = AP Nr. 3 zu § 15 BErzGG; Urteil vom 24. Oktober 1989 - 8 AZR 253/88 - AP Nr. 52 zu § 7 BUrlG Abgeltung), so deswegen, weil sich das aus der gesetzlichen Regelung und damit "kraft Gesetzes" ergibt, nicht aber, weil der Arbeitnehmer/die Arbeitnehmerin Erziehungsurlaub auch gegen den Willen des Arbeitgebers in Anspruch nehmen kann.
Auf die Frage, ob es neben dem Ruhen des Arbeitsverhältnisses "kraft Gesetzes oder Vereinbarung" andere Ruhenstatbestände gibt, kommt es nicht an. Auch dem Umstand, daß die Tarifvertragsparteien das gleiche Ergebnis besser erreicht hätten, indem sie bei dem Ruhen das Merkmal "kraft Gesetzes oder Vereinbarung" weggelassen hätten, kommt keine maßgebliche Bedeutung zu; daraus kann nicht geschlossen werden, daß die Tarifvertragsparteien die Ruhensfolgen einschränken und nur Teilbereiche der Ruhenstatbestände erfassen wollten.
Damit ruht das Arbeitsverhältnis während des Erziehungsurlaubs kraft Gesetzes (so auch Sowka, Anm. zu AP Nr. 2 und 3 zu § 15 BErzGG; Winterfeld, SAE 1989, 256).
Dieses Ergebnis wird dadurch bekräftigt, daß auf diese Weise auch der Wertungswiderspruch vermieden wird, den die bisherige Rechtsprechung zur Folge hatte. Danach wurde dem Arbeitnehmer, der - ohne eigene Entscheidungsmöglichkeit - durch einen Einberufungsbescheid des Kreiswehrersatzamtes zum Wehrdienst einberufen wurde, der Anspruch auf die tarifliche Sonderzahlung genommen, weil sein Arbeitsverhältnis nach § 1 Abs. 1 ArbPlSchG kraft Gesetzes ruhte. Der Arbeitnehmer/die Arbeitnehmerin, der/die aufgrund eigener Willensentscheidung Erziehungsurlaub verlangte und dadurch das Ruhen seines/ihres Arbeitsverhältnisses selbst herbeiführte, behielt jedoch den Anspruch auf die Sonderzahlung.
c) Der Senat gibt daher die bisherige Rechtsprechung auf. Einer Anfrage beim Sechsten Senat des Bundesarbeitsgerichts, ob er dieser Aufgabe zustimmt, bedarf es nicht, da der Senat nach Nr. A 10.2 des Geschäftsverteilungsplanes für das Bundesarbeitsgericht für Rechtsstreitigkeiten um Gratifikationen und Sondervergütungen aller Art allein zuständig ist.
d) Für einen Verstoß gegen den Gleichbehandlungsgrundsatz sind Anhaltspunkte nicht gegeben. Insbesondere liegen sachliche Gründe für die Einbeziehung der Arbeitnehmer/innen, die Erziehungsurlaub in Anspruch nehmen, in die tarifliche Regelung des § 2 Abs. 5 Satz 1 TVS vor. Die Gleichbehandlung z.B. zu den Wehrdienstleistenden wird gerade hierdurch hergestellt.
III. Danach hat die Klägerin keinen Anspruch auf eine höhere Sonderzahlung nach dem TVS. Sie erfüllt zwar die Anspruchsvoraussetzungen, da sie am Auszahlungstag, spätestens dem 1. Dezember 1989, im Arbeitsverhältnis stand und zu diesem Zeitpunkt dem Betrieb ununterbrochen 6 Monate angehörte (§ 2 Abs. 1 Satz 1 TVS). Aufgrund der Inanspruchnahme von Erziehungsurlaub nach Ablauf der Mutterschutzfrist im Anschluß an die Entbindung hat das Arbeitsverhältnis der Klägerin jedoch kraft Gesetzes geruht. § 2 Abs. 5 Satz 1 TVS bestimmt ausdrücklich, daß an sich anspruchsberechtigte Arbeitnehmer in diesem Fall keine Leistung erhalten. Dabei ist davon auszugehen, daß die von der Beklagten erbrachte anteilige Zahlung in Höhe von 403,-- DM für die Zeit der Mutterschutzfristen vor und nach der Entbindung erfolgte und die Klageforderung die Zeit des Erziehungsurlaubs betrifft.
Auf § 2 Abs. 5 Satz 2 TVS, wonach für Zeiten des gesetzlichen Mutterschutzes eine Minderung des Anspruchs nicht eintritt, kann sich die Klägerin nicht berufen. Hierunter sind die Schutzfristen vor und nach der Entbindung (§§ 3, 6 MuSchG) zu verstehen; der Erziehungsurlaub nach dem BErzGG wird davon nicht erfaßt.
Da der Klägerin der Anspruch auf die höhere Sonderzahlung bereits nach dem TVS wegen des Ruhens des Arbeitsverhältnisses kraft Gesetzes während des Erziehungsurlaubs nicht zusteht und die Beklagte für die Zeit der Mutterschutzfristen die betriebliche Sonderzahlung anteilig erbracht hat, kommt es auf die Frage, ob eine Arbeitsleistung im Bezugszeitraum Voraussetzung für den Anspruch auf die Sonderzahlung ist, nicht an.
Die Entscheidungen der Vorinstanzen waren somit abzuändern und die Klage abzuweisen.
IV. Die Kosten des Rechtsstreits hat nach § 91 Abs. 1 ZPO die Klägerin zu tragen.
Matthes Dr. Freitag Hauck
Grimm Seyd
Fundstellen
Haufe-Index 436630 |
BAGE 72, 222-228 (LT1) |
BAGE, 221 |
BB 1993, 1083 |
BB 1993, 1083-1084 (LT1) |
BB 1993, 507 |
DB 1993, 1090-1091 (LT1) |
DStR 1993, 1035-1035 (K) |
BuW 1993, 492 (K) |
EBE/BAG 1993, 84-86 (LT1) |
BetrR 1993, 141-142 (LT1) |
ARST 1993, 135-136 (LT1) |
EEK, III/117 (ST1-3) |
NZA 1993, 801 |
NZA 1993, 801-803 (LT1) |
WiR 1993, 132 (S) |
ZAP, EN-Nr 268/93 (S) |
ZTR 1993, 302 (LT1) |
AP § 15 BErzGG (LT1), Nr 7 |
AR-Blattei, ES 820 Nr 107 (LT1) |
AuA 1994, 301 |
EzA § 15 BErzGG, Nr 4 (LT1) |
MDR 1993, 771 (LT1) |
ZfPR 1993, 94 (L) |