Entscheidungsstichwort (Thema)
Höchstbefristung nach dem TVK
Normenkette
Tarifvertrag für die Musiker in Kulturorchestern (TVK) § 3 Abs. 1; BErzGG § 21
Verfahrensgang
Tenor
1. Die Revision des Klägers gegen das Urteil des Landesarbeitsgerichts Schleswig-Holstein vom 22. August 1997 – 6 Sa 88/97 – wird zurückgewiesen.
2. Der Kläger hat die Kosten der Revision zu tragen.
Von Rechts wegen!
Tatbestand
Die Parteien streiten über die Wirksamkeit einer Befristung eines Arbeitsvertrags.
Der Kläger war vom 19. August 1992 bis 31. Juli 1996 aufgrund mehrerer befristeter Verträge als zweiter Fagottist im Philharmonischen Orchester der Beklagten beschäftigt. Nachdem er zunächst als Aushilfsmusiker tätig war, wurde er als Vertretung für eine im Erziehungsurlaub befindliche Fagottistin in Vollzeit für die Zeit vom 1. Dezember 1992 bis 18. Juli 1993 beschäftigt. Nach den Orchesterferien schlössen sich weitere drei befristete Arbeitsverhältnisse vom 9. August 1993 bis 31. Juli 1994, vom 1. August 1994 bis 31. Juli 1995 und letztlich vom 1. August 1995 bis 31. Juli 1996 als halbtags beschäftigter Orchestermusiker zur Erziehungsurlaubsvertretung derselben Kollegin an, die ihrerseits während des Erziehungsurlaubs bis zum 31. Juli 1996 halbtags tätig war. Die Kollegin nahm am 1. August 1996 ihre Vollzeittätigkeit wieder auf.
Auf das Arbeitsverhältnis der Parteien fand der Tarifvertrag für die Musiker in Kulturorchestern (TVK) vom 1. Juli 1971 kraft beiderseitiger Verbandszugehörigkeit Anwendung, dessen § 3 Abs. 1 Unterabs. 2 folgende Regelung enthält:
“Zeitverträge dürfen nur abgeschlossen werden, wenn hierfür sachliche oder in der Person des Musikers liegende Gründe vorliegen. Der Abschluß von Zeitverträgen für die Dauer von mehr als drei Jahren ist unzulässig.”
Entscheidungsgründe
Die Revision ist unbegründet. Das Landesarbeitsgericht hat zutreffend erkannt, daß das Arbeitsverhältnis des Klägers rechtswirksam zum 31. Juli 1996 beendet wurde und daß der Kläger keinen Anspruch auf vollzeitige Beschäftigung und Vergütung ab 1. August 1996 hat. Die durch den Sachgrund der Vertretung gerechtfertigte Befristung des letzten Arbeitsvertrags bis zum 31. Juli 1996 verstieß nicht gegen § 3 Abs. 1 TVK. Die Teilzeitbeschäftigung des Klägers war auch nicht tarifwidrig.
I. Die Befristung im letzten Arbeitsvertrag der Parteien für das Arbeitsverhältnis vom 1. August 1995 bis 31. Juli 1996 war sachlich gerechtfertigt.
1. Zutreffend hat das Landesarbeitsgericht die Befristungskontrolle nur auf den letzten befristeten Arbeitsvertrag für die Zeit vom 1. August 1995 bis 31. Juli 1996 erstreckt. Nach der ständigen Senatsrechtsprechung (Urteil vom 15. Februar 1995 – 7 AZR 680/94 – AP Nr. 166 zu § 620 BGB Befristeter Arbeitsvertrag, m.w.N.) ist bei mehreren aufeinanderfolgenden Fristverträgen im Rahmen der arbeitsrechtlichen Befristungskontrolle grundsätzlich nur die Befristung des letzten Zeitvertrags auf ihre Wirksamkeit zu prüfen.
2. Nach den Feststellungen des Landesarbeitsgerichts hat der Kläger eine Kollegin vertreten, die während ihres Erziehungsurlaubs teilzeitbeschäftigt war. Der Erziehungsurlaub der vertretenen Kollegin endete am 31. Juli 1996, dem Fristablauf des letzten befristeten Vertrags des Klägers. Damit war der Sachgrund des § 21 Abs. 1 BErzGG in der bis zum 30. September 1996 geltenden Fassung gegeben.
Eine Protokollnotiz dazu lautet:
“Zeitverträge sind Verträge, die durch Ablauf der im Arbeitsvertrag bestimmten Zeit oder durch Eintritt des im Arbeitsvertrag bestimmten Ereignisses enden.”
Der Kläger hat gemeint, die Befristung seines letzten Arbeitsvertrags verstoße gegen § 3 Abs. 1 TVK. Die Vereinbarung von Teilzeit sei tarifwidrig gewesen.
Er hat beantragt,
1. festzustellen, daß sein Arbeitsverhältnis bei der Beklagten weder mit Ablauf des Tages vor der Wiederaufnahme der Ganztagstätigkeit bzw. dem Ausscheiden von Frau R… aus dem Orchester der Hansestadt L… noch mit Ablauf des 31. Juli 1996 endet;
2. festzustellen, daß der Kläger unbefristet vollzeitig zu beschäftigen und zu vergüten ist.
Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen. Sie hat Befristungs- und Teilzeitvereinbarung für rechtswirksam gehalten.
Das Arbeitsgericht hat dem Antrag auf Fortbestand des Arbeitsverhältnisses entsprochen und die Klage im übrigen abgewiesen. Das Landesarbeitsgericht hat auf die Berufung der Beklagten das Urteil des Arbeitsgerichts abgeändert und die Klage unter Zurückweisung der Anschlußberufung des Klägers insgesamt abgewiesen. Hiergegen wendet sich der Kläger mit der Revision, mit der er sein Klageziel insgesamt weiterverfolgt.
Daran ändert auch nichts der mehrfache Abschluß von befristeten Arbeitsverträgen. Es stand nämlich dem Arbeitgeber nach dem Wortlaut des § 21 Abs. 1 BErzGG a.F. frei, mehrere befristete Arbeitsverhältnisse mit derselben Vertretungskraft abzuschließen oder nacheinander verschiedene Arbeitnehmer zur Vertretung einzustellen.
II. Die Befristungsabrede verstößt auch nicht gegen Tarifrecht. Sie ist mit § 3 Abs. 1 TVK vereinbar.
1. Das Landesarbeitsgericht ist zutreffend davon ausgegangen, daß § 3 Abs. 1 TVK sowohl nach dem Wortlaut als auch nach dem Gesamtzusammenhang und dem Sinn und Zweck den Abschluß eines Zeitvertrags für die Dauer von mehr als drei Jahren, nicht aber den Abschluß mehrerer kurzer Zeitverträge mit einer Gesamtdauer von mehr als drei Jahren verbietet.
a) Der Wortlaut des § 3 Abs. 1 Unterabs. 2 Satz 2 TVK ist nicht eindeutig. Der Satz über die Unzulässigkeit des Abschlusses von Zeitverträgen für die Dauer von mehr als drei Jahren kann so verstanden werden, daß entweder alle aneinandergereihten Zeitverträge oder der einzelne Zeitvertrag die Höchstdauer von drei Jahren nicht überschreiten darf.
b) Die Tarifvertragsparteien verwenden den Plural “Zeitverträge” durchgängig, so auch in § 3 Abs. 1 Unterabs. 2 Satz 1 TVK und in der zum Unterabsatz ergangenen Protokollnotiz. In diesen Bestimmungen wird in den erläuternden Nebensätzen auf Tatsachen im Singular Bezug genommen, nämlich auf Gründe in der Person des Musikers und auf den Arbeitsvertrag. Damit bringen die Tarifvertragsparteien zum Ausdruck, daß jeder einzelne Zeitvertrag durch einen sachlichen oder in der Person des Musikers liegenden Grund gerechtfertigt sein muß. Es ist naheliegend, daß die unmittelbar daran anschließende Regelung zur Dauer die Zulässigkeit des Abschlusses des jeweiligen Zeitvertrags einschränkt. Der Zeitvertrag, der durch einen sachlichen oder in der Person des Musikers liegenden Grund gerechtfertigt ist, darf die Dauer von drei Jahren nicht überschreiten. Dasselbe gilt für den Gebrauch des Singulars im definierenden Relativsatz der Protokollnotiz.
c) Sinn und Zweck der tariflichen Regelung sprechen ebenfalls für diese Auslegung. Der TVK geht vom unbefristeten Arbeitsverhältnis als Normalfall aus und will befristete Verträge nur unter bestimmten Voraussetzungen zulassen. Die Bestimmung soll die Orchestermusiker neben dem gesetzlich vermittelten Schutz durch das Erfordernis eines Sachgrundes vor dem mißbräuchlichen Abschluß von befristeten Kettenarbeitsverträgen schützen. Ein weitergehender Schutzzweck läßt sich dem Tarifvertrag nicht entnehmen, zumal es im Bereich von Kulturorchestern gute Gründe für eine Mehrfachbefristung geben kann, mit der insgesamt die Dauer von drei Jahren überschritten wird (vgl. die Senatsrechtsprechung zur SR 2y BAT: Urteile vom 21. April 1993 – 7 AZR 376/92 – AP Nr. 149 zu § 620 BGB Befristeter Arbeitsvertrag; vom 22. März 1985 – 7 AZR 142/84 – BAGE 48, 215 = AP Nr. 90 zu § 620 BGB Befristeter Arbeitsvertrag).
d) Das Auslegungsergebnis ergibt sich auch aus der Entstehungsgeschichte des TVK in der Fassung vom 1. Juli 1971, mit dem die Tarifvertragsparteien, anders als bei seinem Vorgänger, die Anlehnung an den BAT suchten. Das durfte das Landesarbeitsgericht entgegen der Auffassung der Revision berücksichtigen. Denn dadurch wird nicht die Regelung eines fremden Tarifvertrags ausgelegt und der Rechtsfindung zugrunde gelegt. Es handelt sich vielmehr um einen methodisch statthaften Prüfungsabschnitt, die Normgeschichte bei der Auslegung zu berücksichtigen.
Die Tarifvertragsparteien des BAT gehen von der Höchstdauer des jeweiligen einzelnen Zeitvertrags aus. Es gibt keinerlei Anhaltspunkte dafür, daß durch § 3 Abs. 1 Unterabs. 2 TVK eine weitergehende Beschränkung geschaffen werden sollte. Soweit die Tarifvertragsparteien in Kenntnis der Rechtsprechung zu den Protokollnotizen der SR 2y BAT eine weitergehende Beschränkung dahingehend wollten, daß auch bei Aneinanderreihung befristeter Verträge eine Höchstgrenze gelten soll, hätten sie dies durch eindeutige Formulierungen im Tarifwortlaut zum Ausdruck gebracht.
2. Die mehrfache Befristung des Arbeitsverhältnisses zur Vertretung derselben im Erziehungsurlaub befindlichen Kollegin führt nicht zur Unwirksamkeit der Befristung wegen einer Umgehung der in § 3 TVK vorgesehenen Höchstgrenze, wie die Revision rügt. Von einer Umgehung der tariflichen Bestimmung könnte allenfalls dann ausgegangen werden, wenn der Arbeitgeber von vornherein bei Abschluß des ersten Vertrags zur Vertretung geplant hatte, den Kläger für die gesamte Dauer eines den Zeitraum von drei Jahren übersteigenden Vertretungsfalls einzusetzen und nur wegen des tariflichen Verbots, einen Zeitvertrag über drei Jahre abzuschließen, mehrere kurze, insgesamt aber über drei Jahre laufende Zeitverträge angeboten hätte. Dazu hat der Kläger zu keiner Zeit Tatsachen vorgetragen, so daß sein Vorbringen insoweit unschlüssig ist. Im übrigen sprechen die rechtlichen und tatsächlichen Umstände (zwei Erziehungsurlaube der Vertretenen in unterschiedlichen Formen) gegen die Möglichkeit einer auf Umgehung zielenden Gesamtplanung des Arbeitgebers.
III. Die Befristungsvereinbarung ist auch nicht unwirksam, weil der Kläger in tarifwidriger Weise nur teilzeitbeschäftigt worden sein soll. Eine Beschäftigung in nicht tarifgerechter Weise bliebe auf die Wirksamkeit der Befristungsvereinbarung ohne Einfluß. Sie beträfe nur den Inhalt der geschuldeten Leistung in dem auf Zeit bestehenden Arbeitsverhältnis. Im übrigen vermag der Senat aus der fehlenden Teilzeitregelung im TVK in der bis zum 31. August 1998 geltenden Fassung nicht abzuleiten, daß eine Teilzeitbeschäftigung zu jener Zeit tarifwidrig gewesen sei.
IV. Da das Arbeitsverhältnis der Parteien mit dem 31. Juli 1996 wirksam beendet worden ist, hat der Kläger über diesen Zeitpunkt hinaus keinen Anspruch auf Beschäftigung und Vergütung gleich welchen Umfangs und welcher Höhe.
V. Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO.
Unterschriften
Dörner, Schmidt, Mikosch, Peter Haeusgen, U. Meyer
Fundstellen