Entscheidungsstichwort (Thema)
Feiertagslohn für den langen Samstag
Leitsatz (redaktionell)
Hat ein teilzeitbeschäftigter Arbeitnehmer des Einzelhandels nach seinem Arbeitsvertrag regelmäßig am "langen Samstag" (§ 3 Abs 1 Nr 3 LadSchlG) zu arbeiten und fällt ein langer Samstag auf einen gesetzlichen Feiertag, so besteht auch dann ein Anspruch auf Feiertagslohn für den gesetzlichen Feiertag, wenn der Arbeitnehmer an dem darauf folgenden langen Samstag arbeiten muß.
Normenkette
LadSchlG § 1 Nr. 3; FeiertLohnzG § 1 Abs. 1
Verfahrensgang
Tatbestand
Die drei Klägerinnen verlangen Feiertagslohn für den 1. Mai 1993.
Die Klägerinnen sind in einem Warenhaus der Beklagten als teilzeitbeschäftigte Kassiererinnen angestellt. In den schriftlichen Arbeitsverträgen ist die Arbeitszeit wie folgt festgelegt:
Klägerin zu 1) (D ):
"Mo. + Di. 9.30 - 19.00 Uhr ./. 60 Min. Pause
je 2. Do. 11.00 - 21.00 Uhr ./. 60 Min. Pause
Sa. lg. (So) 8.00 - 18.30 Uhr ./. 60 Min. Pause
Sa. lg. (Wi) 8.00 - 16.30 Uhr ./. 60 Min. Pau-
se"
Klägerin zu 2) (H ):
"Mo/Mi/Do/Fr 10.00 - 14.30 Uhr ohne Pause
Di. 10.30 - 14.30 Uhr ohne Pause
1 kz. Sa./
Monat 9.00 - 14.30 Uhr./. 30 Min. Pause
nach Absprache
Sa. lg. (Wi) 9.00 - 18.30 Uhr./. 60 Min. Pause
Sa. lg. (So) 9.00 - 16.30 Uhr./. 60 Min. Pause"
Klägerin zu 3) (Z ):
"Mo. - Mi. 16.00 - 19.00 Uhr ohne Pause
Do. 16.30 - 21.00 Uhr ohne Pause
Fr. 15.00 - 19.00 Uhr ohne Pause
Sa. lg. (Wi) 8.00 - 18.30 Uhr ./. 60 Min. Pause
Sa. lg. (So) 8.00 - 16.30 Uhr ./. 60 Min. Pause
1 Sa. kz./
Monat 8.00 - 14.30 Uhr ./. 30 Min. Pause"
(Im Vertrag mit der Klägerin zu 1) sind die Klammerzusätze (So) und (Wi) vertauscht.) Die Arbeitsverhältnisse unterliegen den Bestimmungen des für allgemeinverbindlich erklärten Manteltarifvertrags für den Hessischen Einzelhandel, gültig ab 1. Januar 1989 (MTV).
Im Mai 1993 fiel der erste Samstag auf den 1. Mai. Der 1. Mai ist gesetzlicher Feiertag. Die Beklagte hielt ihr Warenhaus geschlossen. Sie zahlte den Klägerinnen für den 1. Mai 1993 kein Arbeitsentgelt. Am 8. Mai 1993 war das Warenhaus der Beklagten bis 16.30 Uhr geöffnet. Alle drei Klägerinnen arbeiteten an diesem Tag 7,5 Stunden.
Die Klägerinnen haben vorgetragen, ihnen stehe für den 1. Mai 1993 Arbeitsentgelt nach § 1 des Feiertagslohnzahlungsgesetzes zu. Ihre Arbeit sei an diesem Tag nur infolge des Feiertags ausgefallen. Nach ihren Arbeitsverträgen hätten sie regelmäßig an jedem ersten Samstag im Monat, dem sog. langen Samstag, zu arbeiten. Die Ausnahmeregelung des § 3 Abs. 1 Nr. 3 LadschlG, wonach der lange Samstag dann auf den zweiten Samstag falle, wenn der erste Samstag ein Feiertag sei, dürfe zur Auslegung ihrer Arbeitsverträge nicht herangezogen werden. Die Beklagte habe zudem der Betriebsratsvorsitzenden die am 1. Mai 1993 ausgefallene Arbeitszeit bezahlt. Ihnen stehe deshalb der Anspruch auf Bezahlung für den 1. Mai auch aus Gründen der Gleichbehandlung zu. Die Beklagte schulde ihnen jeweils die Bezahlung für 7,5 Stunden mit einem Stundensatz von 18,07 DM. Ihre Forderungen hätten sie gem. § 18 MTV innerhalb der tarifvertraglichen Ausschlußfrist schriftlich geltend gemacht.
Die Klägerinnen haben beantragt,
die Beklagte zu verurteilen, an jede von ihnen
135,53 DM brutto nebst 4 % Zinsen p.a. aus dem
sich hieraus ergebenden Nettobetrag seit dem
1. Juni 1993 zu zahlen.
Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen. Sie hat entgegnet: Die Arbeit sei für die Klägerinnen am 1. Mai 1993 nicht infolge des Feiertags ausgefallen, da sie schon nach ihren Arbeitsverträgen an diesem Tag nicht hätten arbeiten müssen. Die Vereinbarung über die Arbeit am langen Samstag entspreche § 3 Abs. 1 Nr. 3 LadschlG. Auf den Gleichbehandlungsgrundsatz könnten sich die Klägerinnen nicht stützen. Die Zahlung an die Betriebsratsvorsitzende beruhe auf einem Irrtum der Lohnbuchhaltung. Der Stundensatz der Klägerinnen betrage nicht 18,07 DM, sondern nur 17,56 DM.
Das Arbeitsgericht hat die gesondert erhobenen Klagen abgewiesen. Das Landesarbeitsgericht hat die Rechtsstreitigkeiten miteinander verbunden und die Berufungen zurückgewiesen. Mit ihrer Revision verfolgen die Klägerinnen ihre Anträge weiter.
Entscheidungsgründe
Die Revision ist im wesentlichen begründet. Die Beklagte schuldet den Klägerinnen für den 1. Mai 1993 Fortzahlung des Arbeitsentgelts nach § 1 Abs. 1 FeiertagslohnzahlungsG. Die Klage ist jedoch für jede der Klägerinnen nur in Höhe von 131,80 DM begründet. In Höhe von jeweils 3,73 DM ist sie unbegründet.
1. Nach § 1 Abs. 1 FeiertagslohnzahlungsG (vgl. für die Zeit ab 1. Juni 1994: § 2 Abs. 1 EntgeltfortzahlungsG - EFZG) hat der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer den Arbeitsverdienst für die Zeit fortzuzahlen, die infolge eines gesetzlichen Feiertags ausfällt. Der Anspruch besteht nur, wenn der Feiertag die einzige Ursache für den Arbeitsausfall ist (BAG in ständiger Rechtsprechung; vgl. statt vieler: Urteil vom 2. Dezember 1987 - 5 AZR 471/86 - BAGE 56, 375, 379 = AP Nr. 52 zu § 1 FeiertagslohnzahlungsG). Hiervon ist auch das Landesarbeitsgericht ausgegangen.
2. Entgegen der Ansicht des Landesarbeitsgerichts sind die Voraussetzungen des § 1 Abs. 1 FeiertagslohnzahlungsG erfüllt.
a) Das Landesarbeitsgericht hat angenommen, mit den Klägerinnen sei nicht vereinbart, sie hätten an jedem ersten Samstag im Monat zu arbeiten, sondern an jedem langen Samstag, wie er sich aus § 1 Abs. 1 Nr. 3 LadschlG ergebe. Diese von den Klägerinnen mit der Revision angegriffene Auslegung der Arbeitsverträge kann als richtig unterstellt werden. Denn auch dann steht den Klägerinnen ein Anspruch auf Bezahlung ihrer am 1. Mai 1993 ausgefallenen Arbeit nach § 1 Abs. 1 FeiertagslohnzahlungsG zu. Die vertragliche Regelung ändert nichts daran, daß die Arbeit der Klägerinnen am 1. Mai 1993 infolge des Feiertages ausgefallen ist.
b) Für die Feststellung, ob ein feiertagsbedingter Arbeitsausfall vorliegt, kommt es allein darauf an, welche Arbeitszeit für den Arbeitnehmer gegolten hätte, wenn der betreffende Tag kein Feiertag gewesen wäre (BAG Urteil vom 2. Dezember 1987 - 5 AZR 471/86 - BAGE 56, 375, 378 = AP Nr. 52 zu § 1 FeiertagslohnzahlungsG; BAG Urteil vom 16. März 1988 - 4 AZR 626/87 - AP Nr. 19 zu § 1 TVG Tarifverträge: Einzelhandel; BAG Urteil vom 18. März 1992 - 4 AZR 387/91 - AP Nr. 64 zu § 1 FeiertagslohnzahlungsG, zu I der Gründe, m.w.N.). Der Arbeitgeber schuldet dem Arbeitnehmer für diesen Tag das Entgelt, wenn dieser ohne den Feiertag gearbeitet hätte (BAG Urteil vom 26. März 1985 - 3 AZR 239/83 - AP Nr. 47 zu § 1 FeiertagslohnzahlungsG; BAG Urteil vom 18. März 1992 - 4 AZR 387/91 - AP Nr. 64, aaO). Auch in der Literatur wird diese Auffassung einhellig vertreten (MünchHdbArbR-Boewer, 1992, § 79 Rz 10; Marschner, AR-Blattei SD Feiertage, Rz 47 ff.; Küttner, Personalhandbuch 1996, Entgeltfortzahlung, Rz 26, 27; Matthes, ABC zu Urlaub, Krankheit, Entgeltfortzahlung, Feiertagsbezahlung Rz 315, 316; Schaub, Arbeitsrechtshandbuch, 7. Aufl. 1992, § 104 I 1; Schneider, HwB AR Rz 42, 46).
c) Das Landesarbeitsgericht hat angenommen, wegen der Gestaltung des Arbeitsvertrags sei der Feiertag nicht ursächlich für den Arbeitsausfall. Das überzeugt nicht. Zwar besteht kein Anspruch auf Entgeltfortzahlung für den gesetzlichen Feiertag, wenn und soweit für diesen gesetzlichen Feiertag kein Arbeitsverhältnis bestanden hat (BAG Urteil vom 14. Juli 1967 - 3 AZR 436/66 - AP Nr. 24 zu § 1 FeiertagslohnzahlungsG mit ablehnender Anmerkung Trinkner). Das ist aber hier nicht der Fall. Es handelt sich um Dauerarbeitsverhältnisse. Die Arbeitsverhältnisse waren nicht etwa nur tageweise abgeschlossen worden.
Allerdings kann auch eine dienstplanmäßige Freistellung des Arbeitnehmers am Feiertag dessen Anspruch auf Entgeltfortzahlung für diesen Feiertag ausschließen (BAG Urteil vom 27. September 1983 - 3 AZR 159/81 - BAGE 44, 160, 162 = AP Nr. 41 zu § 1 FeiertagslohnzahlungsG). Hiervon ist das Landesarbeitsgericht zwar ausgegangen; es hat jedoch verkannt, daß eine dienstplanmäßige Freistellung in diesem Sinne nur dann anzunehmen ist, wenn sich die Arbeitsbefreiung aus einem Schema ergibt, das von der Feiertagsruhe an bestimmten Tagen unabhängig ist (BAG Urteil vom 27. September 1983, aaO; ähnlich auch BAG Urteil vom 16. März 1988 - 4 AZR 626/87 - AP Nr. 19 zu § 1 Tarifverträge: Einzelhandel).
Die Arbeitsbefreiung der Klägerinnen am 1. Mai 1993 war indessen nicht von einer schematischen Regelung bestimmt, die unabhängig von der Feiertagsruhe zu einer Arbeitsbefreiung führte. Hier war die Einteilung der Klägerinnen gerade auf die Einhaltung der Feiertagsruhe bezogen. Die arbeitsvertragliche Regelung über die Arbeitszeit an langen Samstagen sollte sich gerade danach richten, ob der lange Samstag auf den ersten Samstag oder - infolge eines Feiertages - auf den zweiten Samstag im Monat fällt. Der Umstand, daß sich dieses Schema nicht aus einem besonderen Dienstplan, sondern aus den Arbeitsverträgen der Klägerinnen mit der Beklagten selbst ergibt, ist unerheblich. Es kommt für die Lohnfortzahlung an Feiertagen nicht darauf an, ob die Arbeitszeitregelung durch die Ausübung des Direktionsrechts oder - vorweg - durch vertragliche Vereinbarung bestimmt wird. Entscheidend ist, daß die Klägerinnen am 1. Mai 1993 nicht arbeiteten, weil dies ein gesetzlicher Feiertag war. Allein aus diesem Grunde wurden sie verpflichtet, die Arbeit am 8. Mai 1993 "nachzuholen". Daß mit dem Nachholen der Arbeit und damit der Vermeidung von Einkommenseinbußen der Anspruch auf die Bezahlung für den ausgefallenen Feiertag nicht entfällt, entspricht der ständigen Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts.
3. Die tarifvertragliche Ausschlußfrist des § 18 Abs. 1 und 2 MTV, wonach eine schriftliche Geltendmachung innerhalb von zwei Monaten erforderlich ist, ist gewahrt. Die Klägerinnen haben - wenn auch unsubstantiiert - eine rechtzeitige schriftliche Geltendmachung behauptet; die Beklagte ist dem nicht entgegengetreten.
4. Der Höhe nach ist die Klageforderung nicht in vollem Umfang begründet. Die Klägerinnen haben ihrer Forderung einen Stundensatz von 18,07 DM zugrunde gelegt. Die Beklagte ist dem substantiiert entgegengetreten, indem sie unter Hinweis auf die Entgeltabrechnungen dargestellt hat, daß sich hieraus ein Stundensatz von 17,56 DM ergibt. Die Klägerinnen hätten für ihre Behauptung des höheren Stundensatzes nähere Tatsachen und ggf. Beweis anbieten müssen. Bei einem Stundensatz von 17,56 DM ergibt sich für die ausgefallenen 7,5 Arbeitsstunden am 1. Mai 1993 ein Anspruch in Höhe von 131,80 DM. Hinsichtlich des weitergehenden Betrages ist die Klage unbegründet.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 92 Abs. 2 ZPO. Die Zuvielforderung ist verhältnismäßig geringfügig und hat keine zusätzlichen Kosten verursacht.
Griebeling Schliemann Dr. Reinecke
ist im Urlaub
Griebeling
Brücker Anthes
Fundstellen
Haufe-Index 439735 |
BAGE 00, 00 |
BAGE, 283 |
BB 1996, 2521 |
BB 1996, 2521-2522 (Leitsatz 1 und Gründe) |
DB 1997, 782 (Leitsatz 1 und Gründe) |
NJW 1997, 1090 |
NJW 1997, 1090-1091 (Leitsatz 1 und Gründe) |
EBE/BAG Beilage 1996, Ls 349/96 (Leitsatz 1) |
ARST 1996, 282 (Leitsatz 1) |
DOK 1997, 692 (Leitsatz) |
NZA 1996, 1324 |
NZA 1996, 1324-1325 (Leitsatz 1 und Gründe) |
RdA 1997, 61 (Leitsatz 1) |
USK, 9617 (Leitsatz und Gründe) |
ZAP, EN-Nr 965/96 (Leitsatz) |
AP § 1 FeiertagslohnzahlungsG, Nr 69 |
AP § 1 TVG, Nr 60 |
AR-Blattei, ES 710.5 Nr 1 (Leitsatz 1 und Gründe) |
AR-Blattei, ES 710.5 Nr 2 (Leitsatz 1 und Gründe) |
ArbuR 1996, 505-506 (Leitsatz 1 und Gründe) |
EzA-SD 1996, Nr 22, 8-9 (Leitsatz 1 und Gründe) |
EzA § 1 FeiertagslohnzahlungsG, Nr 49 (Leitsatz 1 und Gründe) |
MDR 1997, 175 |
MDR 1997, 175 (Leitsatz 1 und Gründe) |
PERSONAL 1997, 99 (Leitsatz 1) |
ZMV 1997, 143 |