Entscheidungsstichwort (Thema)
Unbezifferter Klageantrag. angemessene Vergütung
Normenkette
ZPO § 253 Abs. 2 Nr. 2, § 519 Abs. 3 Nr. 1; BGB §§ 315, 612 Abs. 2
Verfahrensgang
LAG Niedersachsen (Urteil vom 05.04.1989; Aktenzeichen 4 Sa 1690/88) |
ArbG Osnabrück (Urteil vom 19.08.1988; Aktenzeichen 1 Ca 401/88) |
Tenor
1. Auf die Revision der Klägerin wird das Urteil des Landesarbeitsgerichts Niedersachsen vom 5. April 1989 – 4 Sa 1690/88 – aufgehoben.
2. Die Sache wird zur anderweiten Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Revision, an das Landesarbeitsgericht zurückverwiesen.
Von Rechts wegen!
Tatbestand
Die Parteien streiten darüber, ob die Klägerin noch Arbeitslohn vom Beklagten beanspruchen kann.
Die Klägerin war ab 1. Juni 1975 im Haushalt des Beklagten und seiner Eltern tätig. Später hat sie außerdem in der Bäckerei des Beklagten ausgeholfen. Er hat das Arbeitsverhältnis zum 1. März 1988 aufgekündigt.
Die Parteien sind unterschiedlicher Auffassung darüber, ob die Klägerin eine angemessene Vergütung erhalten hat. Sie hat zuletzt etwa 650,– DM monatlich brutto und Anwesenheitskost bekommen. Die Dauer der täglichen Arbeitszeit und die Art der Tätigkeit der Klägerin sind im einzelnen streitig geblieben.
Die Klägerin hat behauptet, der Beklagte habe den Lohn einseitig zu niedrig festgesetzt. Daher müsse er angemessen erhöht werden. Vor dem Arbeitsgericht hat sie 100.750,– DM als Differenz zwischen dem nach ihrer Behauptung gezahlten und dem nach ihrer Meinung angemessenen Monatslohn von 1.300,– DM für die gesamte Zeit ihrer Beschäftigung gefordert. Im Berufungsrechtszug hat sie sich auf Vergütungsansprüche für die Zeit ab 1. Januar 1986 bis zur Beendigung des Arbeitsverhältnisses beschränkt. Dafür hat sie einen Betrag von mindestens 34.912,12 DM als Differenz zwischen dem nach ihrer Meinung maßgebenden Tariflohn und der tatsächlich gezahlten Vergütung errechnet.
Die Klägerin hat zuletzt beantragt,
den Beklagten zu verurteilen, an die Klägerin ein in das Ermessen des Gerichts gestelltes zusätzliches Entgelt für die Dauer der Beschäftigung vom 1. Januar 1986 bis zum 29. Februar 1988 zu zahlen,
hilfsweise
- den Beklagten zu verurteilen, an die Klägerin 34.912,12 DM nebst 4 % Zinsen hierauf seit Rechtshängigkeit zu zahlen.
Der Beklagte hat Klageabweisung beantragt und dazu ausgeführt, die Klägerin habe ohne feste Arbeitszeit etwa fünf Stunden werktäglich gearbeitet. Sie habe nur einfache Hilfsarbeiten ausgeführt. Der dafür angemessene Arbeitslohn sei mit ihr vereinbart worden. Der Beklagte berufe sich ausdrücklich auf Verjährung.
Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen. Das Landesarbeitsgericht hat die Berufung als unzulässig verworfen, weil die Klägerin die Höhe ihrer Forderung nicht in das Ermessen des Gerichts stellen könne, denn deswegen sei unklar, in welchem Umfang das Urteil des Arbeitsgerichts angefochten worden sei. Dagegen wendet sich die Revision und verfolgt die Verurteilung des Beklagten nur noch im Umfang des in der Vorinstanz gestellten Hilfsantrages in Höhe von 34.912,12 DM.
Entscheidungsgründe
Die Revision ist begründet. Das angefochtene Urteil ist aufzuheben (§ 564 Abs. 1 ZPO), und der Rechtsstreit muß zur anderweiten Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückverwiesen werden (§ 565 Abs. 1 ZPO). Der Senat konnte in der Sache selbst nicht entscheiden, weil das Landesarbeitsgericht den für die Entscheidung maßgebenden Sachverhalt nicht festgestellt hat (vgl. § 565 Abs. 3 Nr. 1 ZPO).
I. Das Landesarbeitsgericht hat ohne Sachentscheidung die Berufung als unzulässig verworfen, weil die Klägerin innerhalb der Berufungsbegründungsfrist keinen bestimmten Berufungsantrag gestellt habe. Aus dem unbezifferten Klageantrag, den die Klägerin in erster Linie verfolge, lasse sich nicht einmal andeutungsweise entnehmen, in welchem Umfang das angefochtene Urteil angegriffen werde. Sie habe ihre noch vor dem Arbeitsgericht erhobene Forderung auf Zahlung der Differenz zwischen einem nach ihrer Meinung angemessenen Monatslohn von 1.300,– DM und der tatsächlich gezahlten Vergütung nicht weiterverfolgt. Allerdings habe sie sich auf den Zeitraum ab 1. Januar 1986 bis zur Beendigung des Arbeitsverhältnisses beschränkt, ohne jedoch diese Forderung innerhalb der Berufungsbegründungsfrist zu beziffern. Das sei nur zulässig, wenn die Klägerin dazu außerstande sei. Das sei ihr jedoch möglich gewesen, denn sie habe erst nach Ablauf der Berufungsbegründungsfrist – und damit verspätet – den von ihr begehrten Unterschiedsbetrag zwischen dem Tariflohn und der tatsächlich gezahlten Vergütung im einzelnen errechnet.
II. Die Berufung der Klägerin ist nicht unzulässig. Zwar muß die Berufungsbegründung nach § 519 Abs. 3 Nr. 1 ZPO die Erklärung enthalten, inwieweit das Urteil angefochten wird und welche Abänderungen des Urteils beantragt werden (Berufungsanträge). Im Gegensatz zur Auffassung der Vorinstanz können die Anträge bis zum Schluß der mündlichen Verhandlung eingeschränkt bzw. erweitert werden (§§ 263, 264 und 530 Abs. 1 ZPO; vgl. Germelmann/Matthes/Prüfling, ArbGG, § 64 Rz 54). Die Klägerin hat mit ihrem allerdings unbezifferten Zahlungsantrag in der Berufungsbegründungsschrift vom 28. November 1988 nur noch eine angemessene Vergütung für die Zeit ihrer Beschäftigung ab 1. Januar 1986 bis zur Beendigung des Arbeitsverhältnisses gefordert. Daraus ergibt sich, daß nur dieser Zeitraum zur Überprüfung des Berufungsgerichts gestellt wird. Es genügt insoweit, wenn aus dem Inhalt der Berufungsschrift selbst erkennbar ist, in welchem Umfang und mit welchem Ziel das Urteil angegriffen wird (vgl. BAG Urteil vom 20. Juni 1989 – 3 AZR 504/87 – AP Nr. 8 zu § 87 HGB; Stein/Jonas/Grunsky, ZPO, 20. Aufl., § 519 Rz 20 Fußn. 38, m.w.N.). Die Klägerin hat für den vorgenannten Zeitraum zunächst nur eine angemessene Vergütung gemäß § 612 Abs. 2 BGB beansprucht, ohne ihre Forderung in der Berufungsbegründungsschrift zu beziffern. Das hat sie dann aber im Berufungsrechtszug mit Schriftsatz vom 28. Dezember 1988 nachgeholt und die Verurteilung des Beklagten in Höhe von 34.912,12 DM verlangt. Allerdings ist nicht ersichtlich, warum sie diesen Zahlungsantrag in der Berufungsverhandlung nur noch als Hilfsantrag gestellt hat. Deswegen ist die Berufung aber nicht unzulässig, denn aus dem Hilfsantrag ergibt sich die untere Grenze ihres Zahlungsbegehrens für den Zeitraum ab 1. Januar 1986 bis zur Beendigung des Arbeitsverhältnisses.
III. Davon zu unterscheiden ist das Erfordernis, einen bestimmten Klageantrag zu stellen (§ 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO). Der „Hilfsantrag” entspricht diesen Anforderungen. Der mit der Berufungsschrift gestellte Hauptantrag ist dagegen nicht beziffert.
Zwar kann ausnahmsweise ein unbezifferter Leistungsantrag zulässig sein, wenn dem Kläger die Bezifferung nicht möglich oder aus besonderen Gründen nicht zumutbar ist, weil die Höhe von der Ausübung richterlichen Ermessens oder gerichtlicher Schätzung abhängig ist. Allerdings werden auch dann vom Kläger Angaben zur gewünschten Größenordnung des geltend gemachten Anspruchs so genau wie möglich verlangt (vgl. die Zusammenstellung der Rechtsprechung bei Lepke, BB 1990, 273, 275 f.). Zwar fehlen solche Angaben in der Berufungsbegründungsschrift, doch hat die Klägerin das nach entsprechendem Hinweis des Gerichts mit Schriftsatz vom 28. Dezember 1988 nachgeholt, ohne diesen Zahlungsantrag als Hilfsantrag zu bezeichnen.
Selbst wenn es bei dem anfangs unbezifferten Zahlungsanspruch geblieben wäre, hätte die Berufung nicht als unzulässig verworfen werden dürfen, sondern die Klage wäre als unzulässig abzuweisen. Trägt der Kläger – wie hier – alsdann die zur Bezifferung seiner Forderung nötigen tatsächlichen Grundlagen vor, so sieht die Rechtsprechung das für die Klageschrift geltende Erfordernis eines bestimmten Antrages (§ 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO) als erfüllt an (BGHZ 45, 91, 93).
IV. Ob die hiernach zulässige Klage allerdings begründet ist, kann der Senat nicht beurteilen, weil das Berufungsgericht keine eigenen Sachverhaltsfeststellungen getroffen hat. Die Parteien streiten über Art und Umfang der Tätigkeit im Anspruchszeitraum und ebenso darüber, ob die der Klägerin gewährte Vergütung vereinbart oder nur einseitig vom Beklagten angemessen festgesetzt war (§ 315 BGB). Außerdem fehlt es an tatsächlichen Feststellungen zur Tarifbindung der Parteien. Das Berufungsgericht wird daher den Sachverhalt insoweit aufklären müssen.
Unterschriften
Dr. Thomas, Dr. Gehring, Dr. Olderog, Dr. Florack, Blank-Abel
Fundstellen