Entscheidungsstichwort (Thema)
Kündigung nach Einigungsvertrag. Verlängerungsgesetz
Leitsatz (amtlich)
Das Gesetz zur Verlängerung der Kündigungsmöglichkeiten in der öffentlichen Verwaltung nach dem Einigungsvertrag vom 20. August 1992 (BGBl I, 1546), das die Sonderkündigungsregelungen des Einigungsvertrags bis 31. Dezember 1993 verlängert, ist jedenfalls insoweit verfassungskonform, als davon Fälle erfaßt werden, in denen der öffentliche Arbeitgeber rechtzeitig vor dem 2. Oktober 1992 das Kündigungsverfahren eingeleitet hat, dieses sich jedoch ohne sein Verschulden (z.B. durch gesetzliche Mitbestimmungstatbestände) bis nach dem 2. Oktober 1992 hinausgezögert hat.
Normenkette
GG Art. 12, 3; KdgVerlÖVG; Einigungsvertrag Anl. I Kap. XIX Sachgeb. A Abschn. III Nr. 1 Abs. 4 Ziff. 1
Verfahrensgang
Thüringer LAG (Urteil vom 18.03.1994; Aktenzeichen 3 Sa 210/93) |
ArbG Dresden (Urteil vom 25.05.1993; Aktenzeichen 4 Ca 301/93) |
Tenor
Die Revision des Klägers gegen das Urteil des Landesarbeitsgerichts Chemnitz vom 18. März 1994 – 3 Sa 210/93 – wird auf seine Kosten zurückgewiesen.
Von Rechts wegen!
Tatbestand
Der 1939 geborene Kläger war seit 1971 als Lehrer im Hochschuldienst an der Technischen Universität Dresden tätig. Von 1975 bis 1982 war er ehrenamtliches Mitglied der Abteilungsparteileitung der SED in seiner Arbeitsgruppe. Anschließend besuchte er die Bezirksparteischule der SED, nachdem er schon 1973/74 die Kreisparteischule besucht hatte. Von 1983 bis 1985 war er hauptamtlicher Leiter der Abteilung Agitation und Propaganda bei der SED-Kreisleitung der TU Dresden. Nachdem er schon 1979/80 seine Bereitschaft zur Entsendung ins Ausland bekundet hatte, wurde er 1985 vom zuständigen Ministerium wegen einer Entsendung nach Mosambik angesprochen. Nach dem Besuch eines portugiesischen Sprachkurses hielt er sich von Juli 1986 bis Juli 1989 als “Experte” an der Universität Maputo in Mosambik auf.
Die Personalkommission der Abteilung Berufspädagogik der TU Dresden überprüfte im Jahr 1992 die persönliche Eignung des Klägers für eine Weiterbeschäftigung an der Universität. Nach Einholung einer Stellungnahme des Klägers im April 1992 sprach sie sich am 16. Juni 1992 mehrheitlich gegen seine Weiterbeschäftigung aus. In der am 29. Juni 1992 bekanntgegebenen Begründung heißt es, eine politische Erneuerungsfähigkeit sei beim Kläger wegen seiner besonderen Systemnähe (-treue) und im Hinblick auf seine politische Biographie nur schwer vorstellbar. Am 27. August 1992 fand eine persönliche Anhörung des Klägers vor der Personalkommission statt, ohne daß es zu einer Wiederaufnahme des Verfahrens kam. Der am 24. September 1992 vom Beklagten beteiligte Hauptpersonalrat nahm zunächst nicht zu der Kündigungsabsicht des Beklagten Stellung mit der Begründung, es müsse die Landespersonalkommission angehört werden. Diese entschied am 26. November 1992. Auch diese Kommission sprach sich für eine Entlassung des Klägers aus. Daraufhin nahm der Hauptpersonalrat mit Schreiben vom 22. Dezember 1992 Stellung und erhob keine Einwendungen gegen die Kündigung. Mit Schreiben vom 23. Dezember 1992 kündigte der Beklagte das Arbeitsverhältnis mit dem Kläger zum 31. März 1993. Das Landesarbeitsgericht hat festgestellt, daß diese Kündigung wegen Nichteinhaltung der Kündigungsfrist das Arbeitsverhältnis frühestens zum 30. September 1993 beendet hat, ohne daß der Beklagte das Berufungsurteil insoweit angegriffen hätte.
Der Kläger hält die Kündigung für unwirksam und macht geltend, aus den von ihm bekleideten Funktionen könne seine Nichteignung für eine Weiterbeschäftigung im Universitätsbetrieb nicht hergeleitet werden. Er sei nicht an Beschlüssen der SED beteiligt gewesen. Als Abteilungsleiter Agitation und Propaganda sei er kein gewählter Funktionär der SED, sondern nur ein von dieser bezahlter Angestellter gewesen. Seine ehemalige Funktion sei am ehesten der eines Zivilangestellten in der Bundeswehr vergleichbar. Als Abteilungsleiter habe er dem Sekretär für Agitation und Propaganda unterstanden. Mit drei weiteren Mitarbeitern seien folgende Aufgabengebiete zu bewältigen gewesen:
Anleitungs- und Beratungstätigkeit
- Teilnahme an den Beratungen mit den Funktionären für Agitation und Propaganda aus den Grundorganisationen
- Hospitation bei Leitungsberatungen und Mitgliederversammlungen
- Beschlußerläuterung und Beschlußkontrolle
Politische Massenarbeit – Arbeit mit den gesellschaftlichen Organisationen
- seine Patenorganisationen seien die DSF und das DRK gewesen
- Teilnahme an Beratungen der Leitungen und an den Jahreshauptversammlungen
- Übermittlung der politischen Orientierungen auf dem Gebiete der Agitation und Propaganda
Internationale Arbeit (eigenverantwortliches Aufgabengebiet)
Zusammenarbeit mit den ausländischen Studierenden an der TU Dresden und mit dem ISK (Internationalen Studentenkomitee) – in Kooperation mit der staatlichen Dienststelle Abt. Ausländerstudium und mit der FDJ-KL
- Beratungs- und Betreuungstätigkeit bei der Vorbereitung und Durchführung von politischen, geistig-kulturellen und sportlichen Veranstaltungen der ausländischen Studierenden
- Übermittlung der Grußworte der SED-KL bei landestypischen Festveranstaltungen (Jahrestage des jeweiligen Staates, der Partei oder des Jugendverbandes)
Inhaltliche und organisatorische Gestaltung von gesellschaftlichen Ereignissen (wiederkehrende Jahrestage bzw. Jubiläen)
- Erarbeitung von Konzeptionen für Demonstrationen und Kundgebungen (wie z.B. 1. Mai, 7. Oktober u.ä.)
- Organisation von Weiterbildungskursen für Agitatoren und Propagandisten aus den Grundorganisationen
Mit dem MfS habe er keinen Kontakt gehabt, seien trotzdem Informationen irgendwelcher Art an das MfS weitergeleitet worden, sei dies ohne sein Wissen und Zutun geschehen. In seiner Tätigkeit als Abteilungsleiter für Agitation und Propaganda habe er die Aufgaben auf der Ebene der TU Dresden wahrzunehmen gehabt, die er bereits vorher in seiner Freizeit in der Abteilungsparteiorganisation erledigt habe. Während seiner Tätigkeit als Auslandskader in Maputo und nach seiner Rückkehr habe er keine Parteiämter mehr bekleidet. Im Januar 1990 – zugegebenermaßen spät – sei er aus der SED ausgetreten. Dabei sei jedoch zu berücksichtigen, daß erst zu diesem Zeitpunkt ein Austritt aus der Partei ohne berufliche oder private Konsequenzen möglich gewesen sei. Seit 1989 habe er sich stark für die Erneuerung der TU Dresden engagiert.
Der Kläger hat, soweit für die Revisionsinstanz noch von Interesse, beantragt
festzustellen, daß das zwischen den Parteien bestehende Arbeitsverhältnis nicht durch die Kündigung des Beklagten vom 23. Dezember 1992 aufgelöst worden ist.
Der Beklagte hat zur Stützung seines Klageabweisungsantrags behauptet, der Kläger habe während seiner fast zehnjährigen Parteitätigkeit die in den Parteileitungen der SED gefaßten Beschlüsse zur SED-Politik, insbesondere zur Hochschulpolitik mitzuverantworten gehabt. Als Leiter der Abteilung Agitation und Propaganda sei er zuständig gewesen für das Funktionieren des Manipulationsapparates, insbesondere habe er die DSF und das DRK anzuleiten und die staatliche Leitung zu überwachen gehabt.
Das Arbeitsgericht hat nach dem Klageantrag erkannt. Das Berufungsgericht hat auf die Berufung des Beklagten die Klage abgewiesen, soweit der Kläger mit ihr den Fortbestand des Arbeitsverhältnisses über den 30. September 1993 hinaus begehrt hat. Hiergegen richtet sich die Revision des Klägers.
Entscheidungsgründe
Die Revision ist unbegründet. Das Landesarbeitsgericht hat die in der Revisionsinstanz noch anhängige Klage mit Recht abgewiesen. Das Arbeitsverhältnis der Parteien ist durch die Kündigung des Beklagten zum 30. September 1993 beendet worden. Denn der Kläger ist für eine Weiterbeschäftigung im Hochschuldienst persönlich nicht geeignet.
I. Das Landesarbeitsgericht hat angenommen, der Kläger habe vor der Wende maßgeblich dazu beigetragen, die parteiliche Wissenschafts- und Kaderpolitik der SED an der Hochschule durchzusetzen. Über eine längere Zeit hinweg habe er die SED und ihre parteiliche, das freie Denken und wissenschaftliche Arbeiten beschränkende Politik repräsentiert und sei zuletzt hauptamtlich für die Werbung der Partei im Hochschulbereich und für die Verbreitung der Parteibeschlüsse und -doktrinen zuständig gewesen. Parteipropagandisten wie der Kläger hätten einen entscheidenden Anteil daran gehabt, daß die Bevölkerung sich einem ständigen Meinungsdruck ausgesetzt gesehen habe.
II. Die gegenüber dieser Entscheidung angeführten Revisionsrügen greifen nicht durch.
1. Da der Kläger als Angestellter an einer Hochschule dem öffentlichen Dienst in den Beitrittsländern angehörte (Art. 20 Abs. 1 EV), ist die Kündigung wirksam, wenn der Kläger wegen mangelnder persönlicher Eignung nach Anlage I Kapitel XIX Sachgebiet A Abschnitt III Nr. 1 Abs. 4 Ziff. 1 EV (künftig: Abs. 4 Ziff. 1 EV) den Anforderungen nicht entsprach. Dazu sind in der einschlägigen Rechtsprechung des Achten und Zweiten Senats des Bundesarbeitsgerichts (Urteile vom 28. April 1994 – 8 AZR 57/93 – Nr. 22 zu Einigungsvertrag Anlage I Kap. XIX, auch zur Veröffentlichung in der Amtlichen Sammlung vorgesehen, m.w.N.; vom 26. Mai 1994 – 8 AZR 248/93 – n.v.; vom 13. Oktober 1994 – 2 AZR 201/93 – NJ 1995, 161 und – 2 AZR 261/93 – beide auch zur Veröffentlichung in der Amtlichen Sammlung des Gerichts vorgesehen; vgl. dazu neuerdings auch BVerfG Beschluß vom 21. Februar 1995 – 1 BvR 1397/93 –) zum Nachweis einer solchen mangelnden Eignung aufgrund besonderer Identifikation des Arbeitnehmers mit den grundgesetzfeindlichen Zielen der SED bzw. von Entlastungstatsachen – kurz zusammengefaßt – folgende Grundsätze entwickelt worden:
Die mangelnde persönliche Eignung im Sinne von Abs. 4 Ziff. 1 EV ist eine der Person des Arbeitnehmers anhaftende Eigenschaft, die dann indiziert ist, wenn z. B. ein in der früheren DDR tätig gewesener Lehrer sich in der Vergangenheit in besonderer Weise mit dem SED-Staat identifiziert hat. Positionen in Staat und Partei, die ein Arbeitnehmer seinerzeit innegehabt hat, können Anhaltspunkte für eine mangelnde Eignung sein. Allerdings erfordern Bedeutung und Tragweite des Grundrechts auf freie Arbeitsplatzwahl (Art. 12 Abs. 1 GG) und im öffentlichen Dienst ergänzend Art. 33 Abs. 2 GG eine konkrete, einzelfallbezogene Würdigung der Persönlichkeit des Arbeitnehmers, die sein Verhalten nach dem Beitritt der neuen Bundesländer unter Prüfung der Fähigkeit und inneren Bereitschaft einbezieht, seine dienstlichen Aufgaben nach den Grundsätzen der Verfassung glaubwürdig wahrzunehmen (BVerfG Beschluß vom 21. Februar 1995 – 1 BvR 1397/93 –). Die Beweislast für den Nachweis der mangelnden persönlichen Eignung obliegt dem Arbeitgeber, wobei allerdings die Darlegungslast für be- und entlastendes Vorbringen abgestuft ist: Schon angesichts der Tatsache, daß zahlreiche Personalakten nach der sog. Wende “gesäubert” wurden, würden die Anforderungen an die Darlegungslast des Arbeitgebers überspannt, wenn von ihm ohne konkretes Gegenvorbringen die detaillierte Darlegung verlangt würde, der mit der Umsetzung der grundgesetzfeindlichen SED-Ideologie beauftragte Funktionsträger habe im konkreten Fall die Funktion auch tatsächlich entsprechend diesen Zielen ausgeübt. Wie er im Einzelfall die Funktion tatsächlich ausübte, weiß der belastete Arbeitnehmer in aller Regel weitaus besser. Er hat sich deshalb zu der allgemeinen Funktionsbeschreibung konkret zu äußern. Das Maß der gebotenen Substantiierung von Entlastungsvorbringen hängt ebenfalls davon ab, wie sich die andere Seite darauf einläßt (§ 138 Abs. 2 ZPO). Es bedarf des Vortrages konkreter Entlastungstatsachen unter Benennung geeigneter Beweismittel. Der Arbeitgeber kann dann seine Ermittlungen auf die vorprozessual oder im Prozeß konkretisierten Tatsachen konzentrieren, wobei die Beweislast auch insoweit bei ihm verbleibt.
Die hiernach zu stellenden Anforderungen haben sich an den Aufgaben des Angestellten auszurichten. Ist ein Angestellter im Wissenschaftsbereich einer Hochschule beschäftigt und ist diese Tätigkeit mit einem Lehrauftrag verbunden, so sind an ihn ähnlich hohe Anforderungen wie an einen Lehrer zu stellen. Er muß den Studierenden glaubwürdig die Grundwerte des Grundgesetzes, insbesondere die Wissenschaftsfreiheit (Art. 5 Abs. 3 Satz 1 GG), vermitteln. Er muß insbesondere die Gewähr dafür bieten, daß er in Krisenzeiten und ernsthaften Konfliktsituationen zu den Grundwerten der Verfassung steht. Diese Anforderungen können allenfalls graduell dadurch gemindert werden, daß bei den von einem Hochschullehrer unterrichteten Studenten regelmäßig von einer höheren Kritikfähigkeit ausgegangen werden kann als bei den von einem Lehrer unterrichteten Schülern.
2. Es ist nach diesen Grundsätzen nicht rechtsfehlerhaft, wenn das Landesarbeitsgericht angenommen hat, die Tätigkeit des Klägers als hauptamtlicher Leiter der Abteilung Agitation und Propaganda im Apparat der SED-Kreisleitung der TU Dresden begründe Zweifel an seiner persönlichen Eignung. Der Sachvortrag des Beklagten über den Inhalt dieser Tätigkeit ist zwar, wie die Revision rügt, verhältnismäßig allgemein gehalten. Eine genauere Substantiierung war jedoch nicht erforderlich, denn der Beklagte machte sich damit nur das Vorbringen des Klägers zu eigen, der der Personalkommission seine Tätigkeit als Abteilungsleiter für Agitation und Propaganda in allen Einzelheiten geschildert hat. Die Aufgaben der Abteilung Agitation und Propaganda bestanden danach in der Anleitung und Beratung der Funktionäre für Agitation und Propaganda der Grundorganisationen (beim Kläger war dies u.a. die Übermittlung der politischen Orientierungen an die DSF und das DRK), der internationalen Arbeit mit ausländischen Studentengruppen etc. und der inhaltlichen und organisatorischen Gestaltung von gesellschaftlichen Ereignissen (Demonstrationen, Kundgebungen, Weiterbildungskursen für Agitatoren und Propagandisten etc.). Dabei hat der Kläger selbst bei der Anhörung eingeräumt, daß er an Agitationsmaterialien mitgearbeitet hat und sich thematisch weitgehend an die Vorgaben der SED halten mußte. Eine solche hauptamtliche Propagandatätigkeit für die SED läßt auf eine besondere Identifikation mit deren Zielen schließen. Zu berücksichtigen ist insbesondere, daß es sich bei der TU Dresden um eine große Universität mit zuletzt ca. 18.000 Studenten und ca. 700 – 800 Ausländern handelte.
3. Auch die verhältnismäßig kurze Dauer der hauptamtlichen Tätigkeit für die SED entlastet den Kläger nicht. Zuvor hat er schon jahrelang die ehrenamtliche Funktion eines Mitglieds der Abteilungsparteileitung der SED ausgeübt und dabei nach seinem eigenen Vorbringen ehrenamtlich im wesentlichen die gleichen Tätigkeiten verrichtet wie später als Abteilungsleiter für Agitation und Propaganda. Er hat dort Kundgebungen organisiert, das Parteilehrjahr vorbereitet, Wandzeitungen gestaltet etc. Damit war der Kläger insgesamt viele Jahre lang mit Propagandatätigkeiten für die SED beschäftigt.
Ebensowenig kann den Kläger entlasten, daß er die Tätigkeit als Abteilungsleiter für Agitation und Propaganda aufgegeben hat und dann ins Ausland gegangen ist. Während seiner Tätigkeit in Maputo hatte der Kläger, wie er selbst vorträgt, den Status eines Auslandskaders. Er hatte sich um diese Tätigkeit auch schon in den Jahren 1979/80 beworben, war dann zur Bezirksparteischule entsandt worden, später als Abteilungsleiter Agitprop eingesetzt und erst anschließend nach Mosambik entsandt worden. Schon die Entsendung des Klägers nach Maputo läßt darauf schließen, daß er sich in der Parteiarbeit bewährt hatte. Seine Auslandstätigkeit gestaltete sich auch offenbar parteinah, denn er war Vorsitzender der Gewerkschaftsleitung der Berater etc. der DDR in Maputo.
Weiteres Vorbringen, das den Kläger entlasten könnte, ist nicht ersichtlich. Betrachtet man die gesamte Karriere des Klägers, so ist er für eine weitere pädagogische Tätigkeit im Dienst des Beklagten als persönlich ungeeignet anzusehen. Der Kläger war seit 1971 im Hochschuldienst und begann 1975 mit seiner Tätigkeit bei der Abteilungsparteiorganisation, die sich in einer praktisch lückenlosen Parteikarriere fortsetzte. Das Verhalten des Arbeitnehmers nach der Wende ist zwar entscheidend mitzuberücksichtigen. Es ist aber revisionsrechtlich nicht zu beanstanden, wenn das Landesarbeitsgericht den Sachvortrag des Klägers über seine Beiträge zur Hochschulerneuerung nach der Wende als unsubstantiiert und damit unbeachtlich angesehen hat. Allein die Bemühung des Klägers, sich nach der Wende im Hochschulbereich fachlich neu zu orientieren, hat, wie das Berufungsgericht zutreffend ausführt, noch keinen Aussagewert für die Frage, ob und inwieweit sich die innere Einstellung des Klägers zu den Prinzipien der freiheitlich-demokratischen Grundordnung inzwischen geändert hat. Ordnungsgemäße Revisionsrügen hat der Kläger insoweit nicht erhoben.
III. Die Kündigung ist auch nicht deshalb unwirksam, weil der Beklagte sie erst mit Schreiben vom 23. Dezember 1992 ausgesprochen hat.
1. Zwar waren die Sonderkündigungsregelungen des Einigungsvertrages zunächst bis 2. Oktober 1992 befristet. Durch das Gesetz zur Verlängerung der Kündigungsmöglichkeiten in der öffentlichen Verwaltung nach dem Einigungsvertrag vom 20. August 1992 (BGBl I, 1546) ist diese Frist jedoch bis zum 31. Dezember 1993 verlängert worden, wozu der Bundesgesetzgeber nach Art. 45 Abs. 2 EV grundsätzlich befugt war.
2. Verfassungsrechtliche Bedenken gegen eine Anwendung des Verlängerungsgesetzes auf die Kündigung des Beklagten bestehen nicht. Die in der Literatur geäußerten verfassungsrechtlichen Einwände gegen das Verlängerungsgesetz (Däubler, ZTR 1993, 135; Battis/Schulte-Trux, ZTR 1993, 180, 182; vgl. BVerfG Beschluß vom 3. Februar 1993 – 1 BvR 107/93 und 152/93 – AP Nr. 7 zu Einigungsvertrag Anlage I Kap. XIX) schlagen zumindest in Fällen wie dem vorliegenden nicht durch. Das Bundesverfassungsgericht stellt in seinem Nichtannahmebeschluß vom 3. Februar 1993 (aaO) darauf ab, die rechtliche Tragweite der Sonderkündigungstatbestände und damit auch des Verlängerungsgesetzes bedürfe noch einer Klärung durch die Fachgerichte, insbesondere das Bundesarbeitsgericht. Erst die einfachrechtliche Auslegung des Abs. 4 Ziff. 1 EV in den Fällen, in denen nach dem 2. Oktober 1992 gekündigt worden sei, könne ergeben, ob eine Verfassungswidrigkeit des Verlängerungsgesetzes in Betracht komme. Eine solche könne allenfalls dann zu erwägen sein, wenn die Gruppe der Arbeitnehmer, denen bis 2. Oktober 1992 nicht nach Abs. 4 Ziff. 1 EV gekündigt worden sei, gegenüber der Gruppe der anderen Arbeitnehmer, die Kündigungsschutz genießen, ohne hinreichend sachlich rechtfertigenden Grund schlechter behandelt würde.
a) Der vorliegende Fall erfordert lediglich eine eingeschränkte Überprüfung der Verfassungsmäßigkeit des Verlängerungsgesetzes. Bezogen auf Fälle, in denen – wie hier – der öffentliche Arbeitgeber das Kündigungsverfahren rechtzeitig vor Ablauf des 2. Oktober 1992 eingeleitet hat und sich dieses Verfahren nur ohne sein Verschulden verzögert hat (z.B. Stufenverfahren in der Personalvertretung bzw. Beteiligung von Personalkommissionen im Hochschulbereich), so daß sich zugunsten des betroffenen Arbeitnehmers kein Vertrauensschutz bilden konnte, ist das Verlängerungsgesetz jedenfalls als verfassungskonform anzusehen. Der Senat hatte deshalb nicht zu entscheiden, ob das Verlängerungsgesetz auch insoweit verfassungskonform ist, als davon Fälle erfaßt werden, in denen sich z.B. der öffentliche Arbeitgeber erst nach dem 2. Oktober 1992 zur Kündigung entschlossen hat.
b) Das Verlängerungsgesetz vom 20. August 1992 beruht auf einem Antrag des beklagten Freistaats Sachsen (BR-Drucks. 210/92), der geltend machte, die bisher erreichten Ergebnisse im Personalabbau nach der Wende seien trotz großer Anstrengungen nicht zufriedenstellend. Dies liege zum Teil daran, daß die Verwaltung selbst erst im Aufbau begriffen sei und außerdem die zum Personalabbau erforderlichen Strukturen nicht hätten rechtzeitig geschaffen werden können. Verdeutlichen läßt sich diese Problematik am Hochschulbereich. Dort hat erst das mit seiner Verkündung am 31. Juli 1991 in Kraft getretene Sächsische Hochschulerneuerungsgesetz im einzelnen die Rechtsgrundlagen für eine Überprüfung der Eignung des wissenschaftlichen und künstlerischen Personals geschaffen (§§ 75 ff. HEG, Sächs. GVBl 1991, 261). Es wurden an den Hochschulen Personalkommissionen gebildet, die ihre Überprüfungen binnen neun Monaten, also bis 30. April 1992 abzuschließen hatten (§ 78 Abs. 4 HEG). Wollte der Minister von dem Vorschlag der Personalkommission abweichen, so war die Landespersonalkommission einzuschalten. Die Überprüfung aller Fälle sollte insgesamt binnen 18 Monaten nach Inkrafttreten des Gesetzes, also bis Ende Januar 1993 abgeschlossen sein (§ 81 HEG). Schon dieses Beispiel zeigt, daß es etwa im Hochschulbereich je nach Fortgang des Erneuerungsverfahrens in Einzelfällen gar nicht möglich war, die Kündigung bis zum 2. Oktober 1992 auszusprechen, wobei der Beklagte auf das Verfahren der unabhängigen Kommissionen keinen entscheidenden Einfluß hatte. Die Gesetzesmaterialien zum Verlängerungsgesetz (BR, Plenarprotokoll 12/643, S. 274; BT-Drucks. 12/2794 und 12/2915; BT, Plenarprotokoll 12/100, S. 8566; BR, Plenarprotokoll 12/645, S. 406) zeigen, daß der Gesetzgeber genau diesen Problemen Rechnung getragen hat, als er die Kündigungsmöglichkeiten in der öffentlichen Verwaltung nach dem Einigungsvertrag bis 31. Dezember 1993 verlängert hat.
c) Geltend gemacht wird insbesondere, das Verlängerungsgesetz verstoße gegen Art. 12 Abs. 1 GG, weil durch die erleichterten Kündigungsmöglichkeiten nach Abs. 4 EV die betroffenen Arbeitnehmer ihren Arbeitsplatz verlieren könnten, ohne daß die Voraussetzungen des § 1 KSchG zu prüfen seien und dies in die durch Art. 12 Abs. 1 GG geschützte freie Wahl des Arbeitsplatzes eingreife. Unterstellt man in Fällen wie dem vorliegenden einen Eingriff des Verlängerungsgesetzes in den Schutzbereich des Art. 12 Abs. 1 GG, so führt dies noch nicht zur Verfassungswidrigkeit. Wenn eine Regelung in die freie Wahl des Arbeitsplatzes mit ähnlicher Wirkung eingreift wie eine objektive Zulassungsschranke in die Freiheit der Berufswahl, ist sie nur zur Sicherung eines entsprechend wichtigen Gemeinschaftsguts und unter Wahrung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit zulässig (BVerfG Urteil vom 24. April 1991 – 1 BvR 1341/90 – BVerfGE 84, 133). Nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts ist aber gerade die Schaffung einer modernen, effektiven und nach rechtsstaatlichen Maßstäben arbeitenden Verwaltung in den neuen Bundesländern sowie der Abbau eines Personalüberhangs als ein überragend wichtiges Gemeinschaftsgut bzw. -ziel anzusehen (BVerfGE 84, 133, 151 f.). Wenn die Lage nach dem Beitritt der neuen Bundesländer danach grundsätzlich Eingriffe in das Recht auf freie Wahl des Arbeitsplatzes rechtfertigte, so verstößt es bei verfassungskonformer Auslegung auch nicht gegen den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit, wenn der Gesetzgeber in Fällen, in denen die Kündigung rechtzeitig vor Ablauf des 2. Oktober 1992 eingeleitet worden ist, die Kündigungsmöglichkeiten nach Abs. 4 EV auch dann für anwendbar erklärt hat, wenn die Kündigung wegen einer unverschuldeten Verzögerung des Verfahrens tatsächlich erst nach dem 2. Oktober 1992 ausgesprochen werden konnte. Insbesondere ist die Regelung bei Abwägung zwischen dem Gemeinschaftsgut, dem sie dient, und der Schwere des Eingriffs angemessen. Es gelten hier im wesentlichen die gleichen Überlegungen, wie sie das Bundesverfassungsgericht zu dem erheblich stärkeren Eingriff der Warteschleifenregelung angestellt hat (aaO, C III 3 cc). Das Verlängerungsgesetz schafft in Fällen wie dem vorliegenden die Möglichkeit, die Arbeitnehmer, bei denen sich aufgrund der frühzeitigen Mitteilung der Kündigungsabsicht kein Vertrauensschutz bilden konnte, gleich zu behandeln mit den Arbeitnehmern, denen die Kündigungsabsicht zum gleichen Zeitpunkt mitgeteilt worden ist, bei denen sich aber das Kündigungsverfahren nicht derart verzögert hat.
d) Damit steht auch fest, daß die angegriffene Regelung den allgemeinen Gleichheitssatz (Art. 3 Abs. 1 GG) nicht verletzt. Danach darf der Gesetzgeber, wenn er die Rechtsverhältnisse verschiedener Personengruppen differenzierend regelt, eine Gruppe von Normadressaten im Vergleich zu anderen Normadressaten nur dann anders behandeln, wenn zwischen beiden Gruppen Unterschiede von solcher Art und solchem Gewicht bestehen, daß sie die Ungleichbehandlung rechtfertigen können (vgl. BVerfGE 55, 72, 88; 82, 126, 146). Die Arbeitnehmer, für die auch bei Kündigungen nach dem 2. Oktober 1992 die Kündigungsregelungen des Einigungsvertrages Anwendung finden, werden zwar schlechter behandelt als die anderen Arbeitnehmer, für die das Kündigungsschutzgesetz gilt. Diese Regelung wird in Fällen wie dem vorliegenden aber gerade durch den Zweck gerechtfertigt, eine Ungleichbehandlung mit der Gruppe von Arbeitnehmern, denen bei ebenfalls rechtzeitiger Einleitung des Kündigungsverfahrens noch vor dem 2. Oktober 1992 gekündigt werden konnte, zu vermeiden.
e) Im vorliegenden Fall reicht eine solch eingeschränkte Überprüfung der Verfassungsmäßigkeit des Verlängerungsgesetzes aus. Die Überprüfung durch die Personalkommission war bereits im April 1992 eingeleitet, denn unter diesem Datum hat die Kommission den Kläger zur Stellungnahme aufgefordert. Daß überhaupt die Landespersonalkommission eingeschaltet worden ist, lag offensichtlich daran, daß die Personalkommission nicht mit der Mehrheit ihrer Mitglieder, sondern lediglich mit Stimmenmehrheit entschieden hat. Jedenfalls ist die lange Dauer des Kündigungsverfahrens nicht dem Beklagten anzulasten, der unmittelbar nach der abschließenden Stellungnahme des Hauptpersonalrats die Kündigung ausgesprochen hat.
f) Noch aus einem anderen Grund ergeben sich – bezogen auf Fälle wie den vorliegenden – keine durchschlagenden verfassungsrechtlichen Bedenken gegen das Verlängerungsgesetz: Schon nach der bisherigen Rechtsprechung des Achten Senats und des erkennenden Senats ist das Verhalten des Arbeitnehmers nach der Wende bei der Prüfung seiner persönlichen Eignung entscheidend mitzuberücksichtigen. Dies bedeutet, daß mit zunehmendem Zeitablauf nach der Wende die aus der Ausübung bestimmter parteinaher Funktionen in der DDR herzuleitenden Zweifel an der persönlichen Eignung eines Arbeitnehmers an Gewicht verlieren. Wenn der Einigungsvertrag ursprünglich eine Frist von zwei Jahren nach dem Beitritt für eine Eignungsprüfung vorsah, so ist eine besonders sorgfältige Einzelfallprüfung geboten, wenn die Kündigung erst nach Ablauf dieser Zwei-Jahres-Frist erfolgt. Nimmt man nicht, wie dies teilweise vertreten wird, überhaupt an, bei der Prüfung einer nach dem 2. Oktober 1992 ausgesprochenen Kündigung müßten die Grundsätze des Kündigungsschutzrechts herangezogen werden, so ist jedenfalls auch nach der Senatsrechtsprechung davon auszugehen, daß mit zunehmendem Zeitablauf sich der Prüfungsmaßstab des Abs. 4 Ziff. 1 EV dem des § 1 KSchG weitgehend annähert, da nach Ablauf von zwei Jahren nach dem Beitritt der neuen Bundesländer der Gesichtspunkt nicht mehr unberücksichtigt bleiben darf, daß der öffentliche Arbeitgeber über einen längeren Zeitraum hinweg die Möglichkeit hatte, die persönliche Eignung des Arbeitnehmers für eine Weiterbeschäftigung selbst zu erproben. Dabei ist zu berücksichtigen, daß auch nach § 1 KSchG die mangelnde persönliche Eignung des Arbeitnehmers einen Grund für eine personenbedingte Kündigung darstellen kann.
Auch wenn man im vorliegenden Fall aber wegen des Kündigungszeitpunkts nach dem 2. Oktober 1992 die Grundsätze dieser Rechtsprechung zu § 1 KSchG heranzieht, erweist sich die Kündigung als gerechtfertigt, denn der Beklagte leitet die mangelnde persönliche Eignung des Klägers nicht lediglich aus seiner Mitgliedschaft in der SED und der Bekleidung entsprechender Parteiämter her, der Kläger ist vielmehr unstreitig aktiv zuletzt in einer hauptamtlichen Tätigkeit mit der Agitation und Propaganda für die SED befaßt gewesen, ohne daß sein Verhalten nach der Wende ihn entlasten könnte.
Unterschriften
Etzel, Bitter, Bröhl, Rupprecht, Engelmann
Fundstellen
Haufe-Index 870821 |
NZA 1996, 144 |