Entscheidungsstichwort (Thema)
Ordentliche Kündigung nach Einigunsvertrag. mangelnde Eignung
Normenkette
Einigungsvertrag Anl. I Kap. XIX Sachgeb. A Abschn. III Nr. 1 Abs. 4 Ziff. 1
Verfahrensgang
Sächsisches LAG (Urteil vom 09.09.1993; Aktenzeichen 4 Sa 125/92) |
ArbG Dresden (Urteil vom 14.07.1992; Aktenzeichen 4 Ca 2786/92) |
Tenor
Auf die Revision der Klägerin wird das Urteil des Landesarbeitsgerichts Chemnitz vom 9. September 1993 – 4 Sa 125/92 – aufgehoben.
Die Berufung des Beklagten gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Dresden vom 14. Juli 1992 – 4 Ca 2786/92 – wird zurückgewiesen.
Der Beklagte hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.
Von Rechts wegen!
Tatbestand
Die Klägerin war seit 1. August 1960 als Lehrerin im Schuldienst tätig. Sie absolvierte eine Ausbildung als Unterstufenlehrerin und erwarb 1978 einen Hochschulabschluß als Polytechnikerin. Nach einem entsprechenden Hochschulabschluß unterrichtete sie ab 1984 auch im Fach Staatsbürgerkunde. Seit 1. September 1991 war sie teilzeitbeschäftigt als Lehrerin für Werken, Geschichte und Geographie.
1980 besuchte die Klägerin für drei Monate die Bezirksparteischule und war von 1980 bis 1985 nebenamtlich Vorsitzende der Schulgewerkschaftsleitung des FDGB an der … Oberschule in Dresden. Dort war sie nachfolgend von Oktober 1985 bis Ende November 1989 ehrenamtliche Parteisekretärin, wobei die Wahl für diese Tätigkeit jeweils im Oktober 1985 und 1987 erfolgte. Im Jahre 1989 kam es nicht mehr zu einer Neuwahl.
Mit Schreiben des Oberschulamtes vom 20. März 1992 wurde der Klägerin zum 30. Juni 1992 unter Berufung auf Kap. XIX Sachgeb. A Abschn. III Nr. 1 Abs. 4 Ziff. 1 der Anl. I zum Einigungsvertrag (künftig: Abs. 4 Ziff. 1 EV) im Hinblick auf ihre Tätigkeit als ehrenamtliche Parteisekretärin gekündigt, und zwar mit der Begründung, mit der freiwilligen Übernahme dieser Funktionen habe sie sich in besonderer Weise mit den politisch-ideologischen Zielen der SED identifiziert; sie sei deshalb persönlich nicht geeignet, nunmehr die Grundprinzipien der freiheitlich-demokratischen Grundordnung glaubhaft zu vertreten. Zu dieser Kündigung hatte der Beklagte den im Februar 1992 gebildeten Bezirkspersonalrat beim Oberschulamt angehört, wobei nach einer Erörterung der Maßnahme am 9. März 1992 der Bezirkspersonalrat mit Schreiben vom 16. März 1992 mitteilte, gegen die beabsichtigte Kündigung würden keine Einwendungen erhoben.
Die Klägerin hat geltend gemacht, der Beklagte sei selbst davon ausgegangen, daß ein ehrenamtlicher Parteisekretär nur ein kleines Rad im Parteiapparat gewesen sei. Damit in Widerspruch stehe die Funktionsbeschreibung des Beklagten, die so nicht zutreffe. Der Parteisekretär sei nicht Mitglied der Schulleitung gewesen; er habe den Direktor auch nicht korrigiert, was sich schon aus der gesetzlichen Grundlage für die Tätigkeit des Direktors, nämlich der Schulordnung, ergebe. Die Leitung der Parteiversammlungen habe zu den Pflichten des Parteisekretärs gehört, dessen Arbeit sich zumeist in vergleichbaren Tätigkeiten erschöpft habe. Keinesfalls sei er berechtigt gewesen, über Anträge für Besuchsreisen in die Bundesrepublik Deutschland zu entscheiden, was vielmehr Aufgabe des Schulrates gewesen sei. Auch sei der Parteisekretär nicht für die Werbung des militärischen Berufsnachwuchses zuständig gewesen. Das Amt des Parteisekretärs sei deshalb nicht von der Bedeutung gewesen, die der Beklagte ihm zumesse.
Sie habe dieses Amt 1985 auf Betreiben des damaligen und heutigen Direktors, Herrn A., übernommen, der früher Mitglied der Demokratischen Bauernpartei gewesen sei. Das Amt sei ihr nur wegen guter pädagogischer Arbeit und ihres Ansehens im Kreis der Kollegen angetragen worden, ohne daß es besondere Vorfälle an der Schule gegeben habe; auch habe sie keine Berichte über bestimmte Personen abgefaßt.
Hinsichtlich der Tätigkeit bei der Schulgewerkschaftsleitung handle es sich um ein unzulässiges Nachschieben von Kündigungsgründen, weil der Bezirkspersonalrat hierzu nicht angehört worden sei.
Die Klägerin hat beantragt,
- festzustellen, daß das Arbeitsverhältnis zwischen den Parteien durch die ordentliche Kündigung des Beklagten vom 20. März 1992 nicht aufgelöst worden sei, sondern über den 30. Juni 1992 hinaus zu unveränderten Bedingungen fortbestehe,
- den Beklagten zu verurteilen, sie, die Klägerin, zu unveränderten Bedingungen weiterzubeschäftigen.
Der Beklagte hat zu seinem Klageabweisungsantrag vorgetragen, die mangelnde persönliche Eignung der Klägerin ergebe sich schon aus deren beruflichem Werdegang, insbesondere der Tätigkeit als Vorsitzende der Schulgewerkschaftsleitung und als Parteisekretärin. Die Gewerkschaften hätten in der ehemaligen DDR eine gänzlich andere Aufgabe als die in der Bundesrepublik gehabt, nämlich als Schule des Sozialismus bei der sozialistischen Wirtschaftsführung auf der Grundlage des Marxismus-Leninismus unter der Führung der SED an der Gestaltung der entwickelten sozialistischen Gesellschaft mitzuwirken. Es habe mithin eine enge Verflechtung zwischen den Gewerkschaften und der SED bestanden; die Gewerkschaften hätten bei der Umsetzung der Schulpolitik der SED in den Schulen mitgewirkt.
Auch die Tätigkeit der Klägerin als Parteisekretärin führe zu berechtigten Zweifeln an ihrer Eignung zur glaubwürdigen Vermittlung der Grundwerte der Verfassung. Innerhalb der von der SED beeinflußten Schulorganisation habe der Schulparteisekretär eine herausgehobene Lenkungs- und Kontrollfunktion gehabt. Er sei immer Mitglied der Schulleitung gewesen, habe Mitspracherecht bei jeder politischen Entscheidung des Direktors und bei Auszeichnungen und Förderungen gehabt; er habe den Direktor hinsichtlich der Durchsetzung der vorgegebenen politischen Ziele kontrolliert und überwacht, was auch hinsichlich der Pionierleiter gelte. Er habe über das politische Klima der Schule an die SED-Kreisleitung zu berichten gehabt, und zwar unter Nennung der Namen bei nicht linientreuen Äußerungen. Der Parteisekretär sei für politische Inhalte der Pionierversammlungen, FDJ Nachmittage, für Wehrunterricht usw. mitverantwortlich gewesen, ebenso wie für die Werbung für militärischen Berufsnachwuchs. Aufgrund dieser vielfältigen Aufgaben und Einflußnahmen im Sinne der SED-Bildungspolitik habe auch zur Berufung in diese Funktion eine Identifikation mit den zielen der SED gehört, die in der Ausübung der Funktion durchgesetzt worden seien.
Was die Beteiligung des Bezirkspersonalrates angehe, sei dieser schriftlich und mündlich über den gesamten Kündigungssachverhalt informiert worden.
Das Arbeitsgericht hat nach den Klageanträgen erkannt. Auf die Berufung des Beklagten hat das Landesarbeitsgericht die Klage abgewiesen. Mit der vom Landesarbeitsgericht zugelassenen Revision erstrebt die Klägerin die Wiederherstellung des arbeitsgerichtlichen Urteils.
Entscheidungsgründe
Die Revision der Klägerin ist begründet. Sie führt zur Aufhebung des Berufungsurteils und zur Wiederherstellung der erstinstanzlichen Entscheidung. Das Arbeitsverhältnis der Parteien ist durh die Kündigung des Beklagten vom 20. März 1992 nicht aufgelöst worden.
I. Das Landesarbeitsgericht hat seine Entscheidung im wesentlichen wie folgt begründet: Die Kündigung sei wegen mangelnder persönlicher Eignung begründet, weil die Klägerin über zwei Wahlperioden von 1985 bis Ende November 1989 das Amt des Parteisekretärs ausgeübt habe. Dessen Funktion habe darin bestanden, an der Schule Parteiversammlungen zu leiten und monatliche Berichte an die SED-Kreisleitung zu fertigen, in denen über die Themen der Parteisitzungen und über das politische Klima an der Schule zu berichten war. Er habe nach dem Statut der SED (Ziff. 63) auch das Recht der Kontrolle über die Tätigkeit des Direktors gehabt, um der Verantwortung über die politische Leitung der gesellschaftlichen Entwicklung im Schulbereich gerecht zu werden. In dieser hervorgehobenen Position sei von der Klägerin eine Verbreitung der SED-Ideologie erwartet worden, so daß die freiwillige Übernahme des Amtes eine besondere Identifikation mit der SED und dem SED-Unrechtsstaat darstelle.
Nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme sei auch von einer ordnungsgemäßen Beteilung des Bezirkspersonalrats auszugehen, wie die Zeugen P. und L. bekundet hätten.
II. Dem folgt der Senat nicht, wobei allerdings die ordnungsgemäße Anhörung des Bezirkspersonalrates außer Streit steht; die Revision erhebt hierzu auch keine Rügen. Sie rügt aber zu Recht, das Landesarbeitsgericht habe die näheren Umstände der Übernahme des Parteisekretäramtes nicht gewürdigt, sei weitgehend von der bestrittenen, abstrakten Funktionsbeschreibung des Beklagten zur Parteisekretärtätigkeit ausgegangen und habe nicht ausreichend berücksichtigt, daß die Klägerin keine herausgehobene Stellung bekleidet habe.
Da die Klägerin als Lehrerin dem öffentlichen Dienst in den Beitrittsländern angehörte (Art. 20 Abs. 1 EV), wäre die Kündigung zulässig, wenn die Klägerin wegen mangelnder persönlicher Eignung nach Abs. 4 Ziff. 1 EV den Anforderungen nicht entspräche. Dazu sind in der einschlägigen Rechtsprechung des Achten und Zweiten Senats des Bundesarbeitsgerichts (Urteile vom 28. April 1994 – 8 AZR 57/93 – NJ 1994, 483, auch zur Veröffentlichung in der Amtlichen Sammlung des Gerichts vorgesehen, m.w.N., vom 26. Mai 1994 – 8 AZR 248/93 –; vom 13. Oktober 1994 – 2 AZR 201/93 – NJ 1995, 161 und vom 13. Oktober 1994 – 2 AZR 261/93 – beide auch zur Veröffentlichung in der Amtlichen Sammlung des Gerichts vorgesehen; vgl. dazu neuerdings auch BVerfG Beschluß vom 21. Februar 1995 – 1 BvR 1397/93 –) zum Nachweis einer solchen mangelnden Eignung aufgrund besonderer Identifikation des Lehrers mit den grundgesetzfeindlichen Zielen der SED bzw. von Entlastungstatsachen – kurz zusammengefaßt – folgende Grundsätze entwickelt worden:
Die mangelnde persönliche Eignung im Sinne von Abs. 4 Ziff. 1 EV ist eine der Person des Arbeitnehmers anhaftende Eigenschaft, die dann indiziert ist, wenn z.B. ein in der früheren DDR tätig gewesener Lehrer sich in der Vergangenheit in besonderer Weise mit dem SED-Staat identifiziert hat. Positionen in Staat und Partei, die ein Lehrer seinerzeit innegehabt hat, können Anhaltspunkte für eine mangelnde Eignung sein. Allerdings erfordern Bedeutung und Tragweite des Grundrechts auf freie Arbeitsplatzwahl (Art. 12 Abs. 1 GG) und im öffentlichen Dienst ergänzend Art. 33 Abs. 2 GG eine konkrete, einzelfallbezogene Würdigung der Persönlichkeit des Arbeitnehmers, die sein Verhalten nach dem Beitritt der neuen Bundesländer unter Prüfung der Fähigkeit und inneren Bereitschaft einbezieht, seine dienstlichen Aufgaben nach den Grundsätzen der Verfassung glaubwürdig wahrzunehmen (BVerfG Beschluß vom 21. Februar 1995 – 1 BvR 1397/93 –). Die Beweislast für den Nachweis der mangelnden persönlichen Eignung obliegt dem Arbeitgeber, wobei allerdings die Darlegungslast für be- und entlastendes Vorbringen abgestuft ist: Schon angesichts der Tatsache, daß zahlreiche Personalakten nach der sog. Wende „gesäubert” wurden, würden die Anforderungen an die Darlegungs-last des Arbeitgebers überspannt, wenn von ihm ohne konkretes Gegenvorbringen die detaillierte Darlegung verlangt würde, der mit der Umsetzung der grundgesetzfeindlichen SED-Ideologie beauftragte Funktionsträger habe im konkreten Fall die Funktion auch tatsächlich entsprechend diesen Zielen ausgeübt. Wie er im Einzelfall die Funktion tatsächlich ausübte, weiß der belastete Arbeitnehmer in aller Regel weitaus besser. Er hat sich deshalb zu der allgemeinen Funktionsbeschreibung konkret zu äußern. Das Maß der gebotenen Substantiierung von Entlastungsvorbringen hängt ebenfalls davon ab, wie sich die andere Seite darauf einläßt (§ 138 Abs. 2 ZPO). Es bedarf des Vertrages konkreter Entlastungstatsachen unter Benennung geeigneter Beweismittel. Der Arbeitgeber kann dann seine Ermittlungen auf die vorprozessual oder im Prozeß konkretisierten Tatsachen konzentrieren, wobei die Beweislast auch insoweit bei ihm verbleibt.
1. Der Senat hält es schon für bedenklich, wenn das Landesarbeitsgericht anhand der wenigen von ihm getroffenen Feststellungen zur allgemeinen Funktion des ehrenamtlichen Parteisekretärs generell aufgrund einer solchen langjährigen Tätigkeit eine persönliche Ungeeignetheit im Sinne des Abs. 4 Ziff. 1 EV annimmt, obwohl es aus der allgemeinen Funktionsbeschreibung des Beklagten nur übernommen hat, die Klägerin habe als Parteisekretärin an ihrer Schule Parteiversammlungen zu leiten und monatliche Berichte an die SED-Kreisleitung zu fertigen gehabt, in denen über die Themen der Parteisitzungen und über das politische Klima an der Schule zu berichten gewesen sei; sie habe nach dem Statut der SED auch das Recht zur Kontrolle über die Tätigkeit des Direktors gehabt, um seiner Verantwortung über die politische Leitung der gesellschaftlichen Entwicklung in seinem Bereich gerecht zu werden, obwohl sich aus dem SED-Statut (Ziff. 63) konkret auf den Parteisekretär bezogen nicht entnehmen läßt, ihm stehe das Recht zur Kontrolle über die Tätigkeit des Direktors zu (vgl. dazu weiter Seantsurteil vom 13. Oktober 1994 – 2 AZR 261/93 –, a.a.O., zu B II 6 c der Gründe). Auch wenn man die – oben wiedergegebene – Funktionsbeschreibung des Beklagten zu den Aufgaben eines ehrenamtlichen Parteisekretärs in der Schulwirklichkeit der ehemaligen DDR als zutreffend unterstellt, ergeben sich im vorliegenden Fall Besonderheiten, die es nicht rechtfertigen, bei der Klägerin eine mangelnde persönliche Eignung nach Abs. 4 Ziff. 1 EV anzunehmen. Dabei hält der Senat an seiner Rechtsprechung in dem genannten Urteil (vgl. ferner Urteil vom 13. Oktober 1994 – 2 AZR 201/93 – NJ 1995, 161, auch zur Veröffentlichung in der Amtlichen Sammlung des Gerichts vorgesehen) fest, daß bei wiederholter Wahl in dieses Parteiamt davon ausgegangen werden kann, daß der betreffende Lehrer sich dadurch mit den Zielen des SED-Staates besonders identifiziert haben kann.
2. Vorliegend hatte die Klägerin das Parteisekretäramt 1985 nach ihrem unbestrittenen Vorbringen auf Betreiben des damaligen und heutigen Direktors, Herrn A., übernommen, der seinerzeit Mitglied der Demokratischen Bauernpartei Deutschlands war. Es braucht nicht entschieden zu werden, ob schon dies Rückschlüsse darauf zuläßt, es fehle an der besonderen Identifikation mit den SED-Zielen, wenn die Klägerin nicht auf Betreiben der SED in das Parteisekretäramt gewählt wurde (vgl. zur Stellung der sog. Blockparteien den Bericht der Enquéte-Kommission „Aufarbeitung von Geschichte und Folgen der SED-Diktatur in Deutschland”, S. 30). Für wesentlich hält der Senat es aber, daß die Klägerin nicht auf eigenes Betreiben und eigene Initiative in dieses Amt gewählt worden ist. Die Klägerin hatte vielmehr von Anfang an vorgetragen, sich um dieses Amt nicht beworben zu haben, sondern es sei ihr nur wegen guter pädagogischer Arbeit und ihres Ansehens im Kreis der Kollegen angetragen worden. Es fällt ferner auf, daß die Klägerin erst im Alter von 44 Jahren dieses Amt übernommen hat, woraus sich im Zusammenhang mit ihrem persönlichen Werdegang – die Klägerin ist bis dahin nicht einmal zur stellvertretenden Direktorin oder gar Direktorin ernannt worden – entnehmen läßt, die Klägerin habe jedenfalls keine parteigestützte Karriere angestrebt (ebenso Senatsurteil vom 30. März 1995 – 2 AZR 764/93 –, n.v., zu II 5 a bb der Gründe). Die einmalige Wiederwahl 1987 reicht daher vorliegend nicht aus, um eine mangelnde persönliche Eignung für den Lehrberuf zu indizieren. Insoweit hat sich die ursprüngliche Annahme des Beklagten, die Klägerin sei schon seit 1980 ehrenamtliche Parteisekretärin gewesen, als – unstreitig – irrtümlich herausgestellt.
Im übrigen hat auch das Bundesverfassungsgericht (Beschluß vom 21. Februar 1995 – 1 BvR 1397/93 –) betont, hohe Ränge im öffentlichen Dienst könnten ein Indiz für mangelnde persönliche Eignung sein, wenn sie im Einzelfall den Bediensteten für seine Aufgaben im heutigen Dienst der Bundesrepublik als ungeeignet erscheinen ließen. Derartige hohe Ränge hat die Klägerin – wie schon erwähnt – nie innegehabt. Es fehlt daher die auch in der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts (u.a. Urteile vom 20. Januar 1994 – 2 AZR 24/93 –, n.v., zu III 2 c cc der Gründe) und vom 26. Mai 1994 – 8 AZR 248/93 –, n.v., zu II 2 c der Gründe) geforderte Kumulierung von herausragenden Staats- und Parteiämtern.
3. Das Landesarbeitsgericht hat die Tätigkeit der Klägerin als Vorsitzende der Schulgewerkschaftsleitung von 1980 bis 1985 allerdings nicht gewürdigt. Hierzu liegt aber keine Gegenrüge des Beklagten vor, so daß sich ein weiteres Eingehen hierauf an sich erübrigt. Das frühere Vorbringen des Beklagten reicht in dieser Hinsicht zur Begründung der mangelnden persönlichen Eignung keinesfalls aus. Der Beklagte hat nicht dargestellt, worin die Funktion des Vorsitzenden der Schulgewerkschaftleitung bestanden habe, insbesondere, daß es sich um eine Funktion gehandelt habe, aufgrund derer die Klägerin in hervorgehobener Position oder überwiegend an der ideologischen Umsetzung der Ziele der SED mitzuwirken hatte. Der Beklagte hat insofern nur allgemein dargestellt, daß es Aufgabe des FDGB gewesen sei, die SED zu unterstützen und daß die Gewerkschaften in Zusammenarbeit mit der Partei an der Umsetzung der Schulpolitik der SED in den Schulen mitwirkten. Zwar kann davon ausgegangen werden, daß der FDGB keinen neutralen und unabhängigen Standpunkt im Verhältnis zu den Zielsetzungen der SED einnahm, sondern im Gegenteil grundsätzlich an den Zielvorstellungen der SED ausgerichtet war. Diese Ausrichtung oblag einem Lehrer in der ehemaligen DDR allerdings schon ohnehin (§ 2 Abs. 1 der Arbeitsordnung für pädagogische Kräfte), so daß es angesichts dieser Situation entscheidend auf das Maß einer Identifikation mit den Zielen des FDGB bzw. der SED ankommt. Es hätte daher einer Darstellung der einzelnen Aufgaben des Vorsitzenden der Schulgewerkschaftsleitung bedurft, um daraus Rückschlüsse für den Grad der Identifizierung der klägerischen Tätigkeit mit den Zielen der SED zu ziehen. Hierzu hat der Beklagte indessen nichts vorgetragen. Um annehmen zu können, die Klägerin habe sich in besonderer Weise mit dem SED-Staat identifiziert, hätte es zusätzlicher Umstände bedurft, so z.B. einer nicht sachbezogenen, im Sinne der SED doktrinären Amtsführung (ebenso BAG Urteil vom 17. Februar 1994 – 8 AZR 100/93 –, n.v., zu B I 3 der Gründe).
4. Was den Besuch der Bezirksparteischule im Jahre 1980 (3 Monate) angeht, ist einem derartigen einmaligen und kurzfristigen Besuch keine ausschlaggebende Bedeutung zuzumessen (BAG Urteil vom 26. Mai 1994 – 8 AZR 168/93 –,n.v., zu II 4 b der Gründe). Der Besuch solcher Schulen war eine aus der SED-Mitgliedschaft erwachsene, allgemein übliche Betätigung für die Partei, aus der ein besonderes Engagement für den SED-Staat nicht hergeleitet werden kann, zumal wenn sie nur kurzfristig war (ebenso BAG Urteil vom 23. Juni 1994 – 8 AZR 320/93 –, n.v., zu B 2 c der Gründe).
5. Geht man schließlich bei der stets gebotenen Gsamtbetrachtung (vgl. dazu Senatsurteil vom 13. Oktober 1994 – 2 AZR 261/93 –, zur Veröffentlichung vorgesehen, zu II 8 der Gründe) davon aus, daß auch das Verhalten nach der sog. Wende miteinzubeziehen ist (Senatsurteil, a.a.O., und neuerdings auch BVerfG Beschluß vom 21. Februar 1995 – 1 BvR 1397/93 –), so ergibt sich aus der Beurteilung des Schulleiters vom 12. Mai 1992 in politischer Hinsicht jedenfalls nichts Negatives für die Klägerin; in fachlicher Hinsicht wird der Klägerin eine einwandfreie Unterrichtsgestaltung attestiert.
Nach alledem ist eine mangelnde Eignung im Sinne des Abs. 4 Ziff. 1 EV nicht indiziert.
Unterschriften
Etzel, Bitter, Bröhl, Rupprecht, Engelmann
Fundstellen