Entscheidungsstichwort (Thema)
Annahmeverzugslohn und tarifliche Ausschlußfrist
Orientierungssatz
Für Ansprüche, die vom Ausgang eines Kündigungsprozeßes abhängen, hat das Bundesarbeitsgericht in ständiger Rechtsprechung entschieden, daß die schriftliche Geltendmachung auch durch Erhebung und Durchführung der Kündigungsschutzklage gewahrt werden kann.
Dem trägt die Neufassung des § 16 BauRTV Rechnung, der für Zahlungsansprüche des Arbeitnehmers, die während eines Kündigungsschutzprozeßes fällig werden und von seinem Ausgang abhängen, keine schriftliche, sondern nur noch eine gerichtliche Geltendmachung verlangt. Diese Frist zur gerichtlichen Geltendmachung beginnt nach der rechtskräftigen Beendigung des Kündigungsschutzverfahrens.
Normenkette
BGB §§ 119, 121, 133, 615; BauRTV § 16
Verfahrensgang
LAG Niedersachsen (Entscheidung vom 06.01.1984; Aktenzeichen 10 Sa 123/83) |
ArbG Lingen (Entscheidung vom 03.08.1983; Aktenzeichen 1 Ca 418/83) |
Tatbestand
Der Kläger wurde vom Beklagten seit dem 18. Mai 1978 als Maurer beschäftigt. Eine ordentliche Kündigung des Beklagten vom 20. Oktober 1981 wegen Arbeitsmangels wurde vom Arbeitsgericht Lingen/Ems durch Urteil vom 13. Januar 1982 für unwirksam erklärt mit der Begründung, die Sozialauswahl sei fehlerhaft. Im Berufungsverfahren vor dem Landesarbeitsgericht Niedersachsen (2 Sa 36/82) hat der Vorsitzende bei der Terminsanberaumung schriftlich u.a. ausgeführt: "Dem Beklagten wird nahegelegt, zuvor noch einmal die Erfolgsaussichten der Berufung zu überdenken." Daraufhin teilte der Beklagte dem Gericht mit, die Parteien wollten in einem möglichst frühzeitig anzusetzenden Termin einen Vergleich protokollieren lassen. In dem lediglich hierzu anberaumten Termin vom 26. Mai 1982 erklärte der Kläger, nach Rücksprache mit der Arbeitsverwaltung sei er nicht mehr vergleichsbereit. Der Beklagte beschäftigte den bis dahin arbeitslosen Kläger ab 13. September 1982 "ohne Anerkennung einer Rechtspflicht und um noch weitere eventuell anfallende Unkosten zu sparen" weiter. Mit Schreiben vom 20. Oktober 1982 kündigte der Beklagte erneut ordentlich zum 8. November 1982.
In dem darauf folgenden zweiten Kündigungsschutzverfahren schlossen die Parteien vor dem Arbeitsgericht Lingen/Ems am 8. Dezember 1982 folgenden Vergleich:
1. Das Arbeitsverhältnis zwischen den Parteien endet
aufgrund ordentlicher betriebsbedingter Kündigung
seitens des Beklagten mit Ablauf des 8. November
1982. Bis zu diesem Zeitpunkt wird der Beklagte
das Arbeitsverhältnis ordnungsgemäß abrechnen und
zwar unter Anrechnung des erhaltenen Arbeitslo-
sengeldes.
2. Der Beklagte zahlt an den Kläger eine Abfindung
für den Verlust des Arbeitsplatzes in entspre-
chender Anwendung der §§ 9 und 10 KSchG in Höhe
von 4.953,60 DM brutto gleich netto.
3. Hiermit sind dieser Rechtsstreit und das Verfah-
ren - 2 Sa 36/82 - vor dem Landesarbeitsgericht
Niedersachsen erledigt.
4. Hinsichtlich der gerichtlichen Kosten bezüglich
des Verfahrens - 2 Sa 36/82 - verbleibt es bei
der erstinstanzlichen Entscheidung. Die außer-
gerichtlichen Kosten trägt der Beklagte.
5. Der Beklagte wird dem Kläger die ordnungsgemäß
ausgefüllten Arbeitspapiere übergeben. Der Be-
klagte wird dem Kläger ein qualifiziertes, sei-
nem beruflichen Fortkommen dienliches Zeugnis
erteilen.
6. Damit sind alle gegenseitigen Ansprüche der Par-
teien aus dem Arbeitsverhältnis und aus Anlaß
seiner Beendigung erledigt.
Der Beklagte bezahlte den Betrag der Abfindung. Mit Schreiben vom 19. Januar 1983 verlangte der Prozeßvertreter des Klägers die "Abrechnung" gemäß Nr. 1 des Vergleichs unter Fristsetzung bis zum 31. Januar 1983. Der Beklagte teilte mit Schreiben vom 31. Januar 1983 mit, das Schreiben vom 19. Januar 1983 werde "vom Rechtsvertreter in Verbindung mit der Arbeitsverwaltung" überprüft und bat um Fristverlängerung bis zum 28. Februar 1983.
Am 13. Mai 1983 erhob der Kläger die vorliegende Zahlungsklage, mit welcher er aufgrund eigener Berechnungen den Verzugslohn für die Zeit seit dem 22. Oktober 1981 abzüglich der Leistungen der Arbeitsverwaltung und zuzüglich des anteiligen 13. Einkommens geltend machte. Ihrer rechnerischen Höhe nach ist die eingeklagte Forderung unstreitig.
Der Kläger hat vorgetragen, die Beklagte habe sich in Ziffer 1 des Vergleichs vom 8. Dezember 1982 nicht nur verpflichtet, eine ordnungsgemäße Abrechnung zu erstellen, sondern auch den sich aus dieser Abrechnung ergebenden Betrag zu bezahlen. Nur so erhalte die Formulierung "unter Anrechnung des erhaltenen Arbeitslosengeldes" einen Sinn. Diese Verpflichtung der Beklagten habe auch genau der Prozeßsituation entsprochen, weil beide Parteien gewußt hätten, daß die erste Kündigung unwirksam gewesen sei. Er habe keinerlei Grund gehabt, auf einen ganzen Jahresverdienst nur wegen einer Abfindung in Höhe von zwei Monatslöhnen zu verzichten. Schon gar nicht habe er einen Grund gehabt, auf den Lohn zu verzichten, den er aufgrund geleisteter Arbeit für die Zeit vom 1. bis 8. November 1982 noch zu erhalten habe.
Der Kläger hat beantragt, den Beklagten zu verurteilen, an ihn 27.085,46 DM brutto abzüglich 11.118,16 DM netto nebst 4 % Zinsen auf den Nettobetrag seit dem 9. November 1982 zu zahlen.
Der Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen.
Zur Begründung hat er vorgetragen, nach der Ziffer 1 des Vergleichs sei er lediglich zur Abrechnung, nicht aber zur Zahlung verpflichtet. Er sei zum Abschluß des Vergleiches nur durch die Erklärung seines damaligen Prozeßbevollmächtigten bewogen worden, mit der Zahlung der Abfindung sei materiell alles erledigt. Hilfsweise hat er in der Berufungsbegründung vom 21. Oktober 1983 die Anfechtung wegen Inhaltsirrtums erklärt. Schließlich meint er, ein eventueller Zahlungsanspruch des Klägers sei gemäß § 16 BRTV für die gewerblichen Arbeitnehmer der Bauwirtschaft verfallen.
Das Arbeitsgericht hat den Beklagten antragsgemäß verurteilt. Die Berufung des Beklagten blieb erfolglos. Mit der Revision begehrt der Beklagte die Aufhebung des Urteils des Landesarbeitsgerichts und Abweisung der Klage, während der Kläger beantragt, die Revision zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
Die Revision ist nicht begründet.
A. Das Landesarbeitsgericht hat angenommen, dem Kläger stehe der geltend gemachte Anspruch unter dem Gesichtspunkt des Annahmeverzugs zu. Die Zahlungspflicht der Beklagten ergebe sich aus Nr. 1 des Vergleichs vom 8. Dezember 1982 im Verfahren 1 Ca 1013/82 vor dem Arbeitsgericht Lingen/Ems. Die Verpflichtung der Beklagten für die Zeit bis zum 8. November 1982 abzurechnen, sei dahin auszulegen, daß die Beklagte sich auch verpflichtet habe, den sich aus der Abrechnung ergebenden Betrag zu zahlen. Nur so erhalte die Einschränkung "unter Anrechnung des erhaltenen Arbeitslosengeldes" einen Sinn. Für die Abrechnung allein sei nämlich das gezahlte Arbeitslosengeld ohne Bedeutung. Der Anspruch des Klägers sei auch nicht nach § 16 BRTV für die gewerblichen Arbeitnehmer des Baugewerbes verfallen. Die Ausschlußfrist des § 16 Abs. 2 Satz 2 BRTV-Bau sehe vor, daß die Verfallfrist für Zahlungsansprüche von Arbeitnehmern, die während eines Kündigungsschutzprozesses fällig werden, erst nach rechtskräftiger Beendigung des Kündigungsschutzverfahrens beginne. Dies sei der 8. Dezember 1982. Am 13. Mai 1983, dem Tag der Erhebung der Zahlungsklage, wäre die Ausschlußfrist also an und für sich abgelaufen gewesen. Vorliegend greife die Ausschlußfrist aber deshalb nicht ein, weil die Beklagte den Anspruch des Klägers dem Grunde nach durch Vergleich anerkannt habe. Die Irrtumsanfechtung der Beklagten scheitere schon, weil diese erst am 28. Oktober 1983, also 4 1/2 Monate nach der Erhebung der Zahlungsklage und damit ebenso lange nachdem der Beklagte von dem behaupteten Irrtum Kenntnis erlangt habe, erfolgt sei. Nach § 121 BGB müsse aber die Anfechtung ohne schuldhaftes Zögern (unverzüglich) erfolgen.
B. Dem Berufungsgericht wird im Ergebnis und weitgehend in der Begründung gefolgt. Das Landesarbeitsgericht hat ohne Rechtsfehler angenommen, die Beklagte habe sich im Vergleich vom 8. Dezember 1982 auch dazu verpflichtet, die sich aus der Abrechnung ergebenden Beträge dem Kläger auszuzahlen, weiterhin, der Anspruch sei nicht verfallen und auch einer Irrtumsanfechtung der Beklagten sei der Erfolg zu versagen.
I. Die Rüge der Revision, Ziffer 1 des Vergleichs vom 8. Dezember 1982 habe vom Berufungsgericht nicht dahin ausgelegt werden dürfen, die Beklagte verpflichte sich, den sich nach der Abrechnung ergebenden Betrag auszuzahlen, da dies von dem eindeutigen Wortlaut der Ziffer 1 des Vergleichs nicht gedeckt werde, kann keinen Erfolg haben.
1. Es kann dahinstehen, ob der Senat an die Würdigung des Berufungsgerichts gebunden ist, der Prozeßvergleich sei nicht eindeutig und deshalb auslegungsbedürftig. In der Rechtsprechung ist gelegentlich die Auffassung vertreten worden, die Annahme des Berufungsgerichts, eine Willenserklärung habe einen eindeutigen Inhalt und sei deshalb nicht auslegungsbedürftig, sei eine das Revisionsgericht grundsätzlich bindende tatsächliche Feststellung (BAG Urteil vom 14. September 1972 - 5 AZR 212/72 - AP Nr. 34 zu § 133 BGB). Demgegenüber ist nach der Rechtsprechung des BGH die Aussage des Berufungsgerichts über die Eindeutigkeit einer Willenserklärung eine revisible Rechtsfrage (BGHZ 32, 60, 63; BGH LM Nr. 33 zu § 157 D BGB). Auch nach dieser Auffassung begegnet die Feststellung der Auslegungsbedürftigkeit und die Auslegung des Prozeßvergleiches vom 8. Dezember 1982 keinen revisionsrechtlich erheblichen Bedenken: Nach ständiger Rechtsprechung (BAG vom 17. April 1970 - 1 AZR 302/69 - AP Nr. 32 zu § 133 BGB; BAG vom 14. September 1972, aaO; BAG vom 27. Juni 1963 - 5 AZR 383/62 - AP Nr. 5 zu § 276 BGB Verschulden bei Vertragsabschluß) kann die Feststellung und die Auslegung einer nicht typischen Willenserklärung vom Revisionsgericht nur daraufhin überprüft werden, ob sie gegen Denkgesetze oder allgemeine Erfahrungssätze verstößt oder ob der vorhandene Auslegungsstoff nicht vollständig verwertet ist. Die Revision hat einen derartigen Rechtsfehler nicht gerügt, sondern die Feststellung der Auslegungsbedürftigkeit und die Auslegung des Berufungsgerichts durch eine eigene ersetzt.
2. Die Auslegung des Vergleichstextes durch das Landesarbeitsgericht ist aber nicht nur möglich, sondern sogar naheliegend und deswegen bei einer etwaigen uneingeschränkten Überprüfung der Auslegung von Prozeßvergleichen (vgl. dazu BAG Urteil vom 20. April 1983 - 4 AZR 497/80 - AP Nr. 3 zu § 21 TVAL II) jedenfalls vom Senat zu bestätigen. Zu Recht ist das Berufungsgericht nicht allein von dem Ausdruck "Abrechnung", sondern von der gesamten Formulierung der Ziffer 1 des Vergleiches bei der Auslegung ausgegangen. Und es liegt nahe, die Verpflichtung zur Abrechnung "unter Anrechnung des Arbeitslosengeldes" dahin zu verstehen, daß der abgerechnete Betrag auch ausbezahlt werden sollte, denn dem Berufungsgericht ist darin zu folgen, daß bei einer ordnungsgemäßen Abrechnung allein der Arbeitgeber das vom Arbeitnehmer bezogene Arbeitslosengeld nicht zu berücksichtigen hat. Die Anrechnung des Arbeitslosengeldes erhält nur einen Sinn bei einer Auszahlung des abgerechneten Lohnes. Die weiteren unstreitigen Umstände des vorliegenden Falles, die vom Berufungsgericht richtigerweise für die Auslegung mit herangezogen worden sind, sprechen alle für die Auslegung des Berufungsgerichts. Ist vom Arbeitsgericht festgestellt worden, daß die erste Kündigung das Arbeitsverhältnis nicht beendet hat, hat weiterhin der Vorsitzende der Berufungskammer schriftlich darauf hingewiesen, daß die Berufung wenig Erfolgsaussicht habe und hat der Beklagte daraufhin den Kläger zur Vermeidung weiterer Kosten wieder beschäftigt, der Kläger nach Beratung durch die Arbeitsverwaltung aber einen Vergleich über diese Kündigung abgelehnt, zeigt dies, daß beide Parteien ihr jeweiliges Prozeßrisiko genau kannten. Diese Kenntnis des Prozeßrisikos findet in dem Vergleich in Ziffer 4 Ausdruck, in der der Beklagte sämtliche Kosten des ersten Kündigungsschutzverfahrens (2 Sa 36/82) übernommen hat und sich in Ziffer 1 zur Lohnabrechnung für den gesamten Zeitraum bis zum Ende der Kündigungsfrist der zweiten Kündigung verpflichtete. Es spricht nichts für die Bereitschaft des Klägers, auf die Lohnansprüche bis zum 8. November 1982, also auf einen gesamten Jahresverdienst gegen eine Abfindung in Höhe von ca. zwei Monatslöhnen zu verzichten. Es spricht umgekehrt alles dafür, daß sich der Beklagte verpflichten wollte, den unter dem Gesichtspunkt des Annahmeverzugs und geleistete Arbeit (nämlich in der Zeit vom 1. bis 8. November 1982) geschuldeten Lohn nach Abzug des Arbeitslosengeldes auch zu bezahlen.
Die Vereinbarung der zusätzlichen Abfindung entsprach, auch insoweit ist dem Landesarbeitsgericht zu folgen, ebenfalls der Prozeßsituation, weil über die Wirksamkeit der zweiten Kündigung auch gestritten wurde, die beiderseitigen Prozeßaussichten unklar waren, der Beklagte sich auf jeden Fall vom Kläger trennen wollte.
II. Der Beklagte hat diesen Vergleich auch nicht wirksam angefochten.
Entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts beruft sich der Beklagte zwar nicht auf einen unbeachtlichen Motivirrtum, sondern auf einen Inhaltsirrtum, weil er behauptet, bei Vergleichsschluß von einem anderen Inhalt der Ziffer 1 des Vergleichs ausgegangen zu sein. Darauf kommt es aber vorliegend nicht an, weil das Urteil auf diesem Rechtsfehler nicht beruht. Nach § 121 BGB hat der Anfechtungsberechtigte die Anfechtung ohne schuldhaftes Zögern, d.h. unverzüglich zu erklären. Die Anfechtung scheitert nach Auffassung des Landesarbeitsgerichts schon daran, daß der Beklagte den Vergleich nicht unverzüglich angefochten hat. Darauf hat das Landesarbeitsgericht den Beklagten auch hingewiesen.
Diese Auffassung des Berufungsgerichts ist auch zutreffend: Obwohl der Kläger den Lohn für die Zeit vom 22. Oktober 1981 bis 11. September 1982 und vom 1. bis 8. November 1982 mit der Klage am 13. Mai 1983 geltend gemacht hatte und das Arbeitsgericht den Beklagten durch Urteil vom 3. August 1983 antragsgemäß verurteilte, ist von dem Beklagten erst in der Berufungsbegründung vom 21. Oktober 1983 der Vergleich vorsorglich wegen Irrtums angefochten worden. Wußte der Beklagte aber seit dem 13. Mai, daß der Kläger der Auffassung war, er habe sich nicht nur zur Abrechnung, sondern auch zur Zahlung in dem Vergleich verpflichtet, kannte er seitdem auch den möglichen Anfechtungsgrund. Für die Kenntnis des Anfechtungsgrundes ist nämlich nicht erforderlich, daß der Anfechtungsberechtigte der vollen Überzeugung ist, sich geirrt zu haben (vgl. MünchKomm-Kramer, BGB, § 121 Rz 4). Die Anfechtung ist demgemäß über fünf Monate nach Kenntnis von dem Anfechtungsgrund erfolgt und ist damit nicht unverzüglich.
III. Der Anspruch des Klägers ist auch nicht wegen Ablaufs der Ausschlußfrist des § 16 des für allgemeinverbindlich erklärten Bundesrahmentarifvertrages für gewerbliche Arbeitnehmer des Baugewerbes (BRTV-Bau) verfallen.
1. Die Verfallklauseln dienen ebenso wie die Verjährung und Verwirkung der Rechtssicherheit und dem Rechtsfrieden. Der Schuldner soll sich darauf verlassen können, nach Ablauf der Verfallfrist nicht mehr in Anspruch genommen zu werden. Die Ausschlußfrist soll Antrieb sein, die gegenseitigen Forderungen rasch abzuwickeln und schnellstmögliche Klarheit über die Rechtsbeziehungen herzustellen (Wiedemann/Stumpf, TVG, 5. Aufl. 1977, § 4 Rz 367/368; Hagemeier/Kempen/Zachert/Zilius, TVG 1984, § 4 Rz 214).
2. § 16 BRTV-Bau enthält eine zweigliedrige Ausschlußfrist, die vom Gläubiger innerhalb einer Frist von zwei Monaten nach der Fälligkeit die schriftliche Geltendmachung verlangt. Lehnt die Gegenpartei den Anspruch ab oder erklärt sie sich nicht innerhalb von zwei Wochen nach der Geltendmachung des Anspruchs, so verfällt dieser, wenn er nicht innerhalb von zwei weiteren Monaten gerichtlich geltend gemacht wird.
Für Ansprüche, die vom Ausgang des Kündigungsprozesses abhängen, hat das Bundesarbeitsgericht in ständiger Rechtsprechung entschieden, daß die schriftliche Geltendmachung auch durch Erhebung und Durchführung der Kündigungsschutzklage gewahrt werden kann (vgl. BAG Urteil vom 16. Juni 1976 - 5 AZR 224/75 -, Urteil vom 26. März 1977 - 5 AZR 51/76 - und Urteil vom 21. Juni 1978 - 5 AZR 144/77 - AP Nr. 56, 59 und 65 zu § 4 TVG Ausschlußfristen). Dem trägt die Neufassung des § 16 BRTV-Bau Rechnung, der für Zahlungsansprüche des Arbeitnehmers, die während eines Kündigungsschutzprozesses fällig werden und von seinem Ausgang abhängen, keine schriftliche, sondern nur noch eine gerichtliche Geltendmachung verlangt. Diese Frist zur gerichtlichen Geltendmachung beginnt nach der rechtskräftigen Beendigung des Kündigungsschutzverfahrens.
3. Vorliegend haben die Parteien sich im Kündigungsschutzverfahren durch Vergleich vom 8. Dezember 1982 auf Abrechnung und Zahlung des Lohnes geeinigt. Damit ist der Zahlungsanspruch am 8. Dezember 1982 fällig geworden, so daß zu diesem Zeitpunkt die Ausschlußfrist zur gerichtlichen Geltendmachung des Zahlungsanspruchs begonnen hat. Dennoch kann sich der Beklagte nicht auf den Ablauf der Ausschlußfrist am 13. Mai 1983, dem Zeitpunkt der Klageerhebung, berufen.
Der Kläger hat nämlich mit Schreiben vom 19. Januar 1983 - also vor Ablauf der Ausschlußfrist - "Abrechnung" gemäß Nr. 1 des Vergleichs mit Fristsetzung bis zum 31. Januar 1983 verlangt. Darauf hat der Beklagte nicht etwa die unschwer zu erstellende Abrechnung dem Kläger zugesandt, sondern um Fristverlängerung bis zum 28. Februar 1983 (nach Ablauf der Ausschlußfrist) mit der Begründung gebeten, der Prozeßvertreter überprüfe die Angelegenheit in Verbindung mit der Arbeitsverwaltung. Damit hat der Beklagte dem Kläger weiterhin in dem Glauben gelassen, er sei bereit, den Lohn für die Zeit vom 22. Oktober 1981 bis zum 8. November 1982 zu zahlen, denn eine Rücksprache mit dem Arbeitsamt war nur erforderlich, wenn der Beklagte sich klar werden wollte, wieviel des abgerechneten Betrages er an den Kläger auszahlen mußte, nicht aber für die Frage, ob der Lohn zu bezahlen war. Unter solchen Umständen verstößt es gegen Treu und Glauben (venire contra factum proprium), wenn sich - wie vorliegend - der Arbeitgeber nach Ablauf der Ausschlußfrist auf die Verfallklausel beruft, weil er während des Laufes der Ausschlußfrist den Eindruck erweckt hatte, eine gerichtliche Klärung des Anspruchs sei entbehrlich (ebenso BAG Urteil vom 18. Dezember 1984 - 3 AZR 383/82 - zur Veröffentlichung in der Fachpresse bestimmt).
C. Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 ZPO.
Hillebrecht Triebfürst Dr. Weller
Sickert Dr. Bächle
Fundstellen