Entscheidungsstichwort (Thema)
Zugang der Kündigung während des Urlaubs
Orientierungssatz
1. Für den Zugang einer schriftlichen Kündigungserklärung auch während des Urlaubs des Arbeitnehmers müssen zwei Voraussetzungen erfüllt sein: Das Schreiben muß in verkehrsüblicher Art in die tatsächliche Verfügungsgewalt des Empfängers oder eines empfangsberechtigten Dritten gelangen und für den Empfänger muß unter gewöhnlichen Umständen eine Kenntnisnahme zu erwarten sein.
2. Anwendung der bisherigen Senatsrechtsprechung (Senatsurteil vom 25. August 1978 - 2 AZR 693/76 - nicht veröffentlicht) und der neuesten Rechtsprechung des Siebten Senats (Urteil vom 16. März 1988 - 7 AZR 587/87 - auch zur Veröffentlichung bestimmt - nach Aufgabe von BAG Urteil vom 16.12.1980 - 7 AZR 1148/78 = BAGE 34, 305 = AP Nr. 11 zu § 130 BGB).
Normenkette
BGB §§ 130, 242
Verfahrensgang
Tatbestand
Der in Berlin wohnhafte Kläger war aufgrund schriftlichen Arbeitsvertrages vom 6. November 1975 seit dem 1. November 1975 bei der Beklagten in deren Außenlager in Berlin als Lagerist gegen ein Monatsgehalt von zuletzt 3.051,-- DM brutto beschäftigt. Die Beklagte hat ihren Sitz in Fulda. Sie stellt Wachsprodukte, insbesondere Kerzen her, vertreibt ihre Produkte über Außendienstmitarbeiter und unterhält in der Bundesrepublik Deutschland einschließlich Berlin Außenlager. In Berlin ist für sie ein Außendienstmitarbeiter tätig. Die von ihm georderten Waren werden über das Lager Berlin abgewickelt.
In der Zeit vom 7. Juli bis 1. August 1986 hatte der Kläger Erholungsurlaub und hielt sich vom 10. bis 27. Juli 1986 mit seiner Ehefrau in Schweden auf. Der dortige Urlaubsort hatte bei Antritt der Urlaubsreise noch nicht festgestanden.
Mit eingeschriebenem Brief vom 10. Juli 1986 kündigte die Beklagte dem Kläger ordentlich zum 31. Dezember 1986 mit der Begründung, aus Rationalisierungsgründen könne das Lager Berlin nicht in dem bisherigen Umfang weitergeführt werden. Die Berliner Kunden müßten nunmehr ab Fulda beliefert werden.
Der an die Berliner Wohnanschrift des Klägers adressierte Brief wurde am 14. Juli 1986 der Mutter des Klägers ausgehändigt, die während der Urlaubsabwesenheit des Klägers und seiner Ehefrau deren Wohnung in regelmäßigen Abständen kontrollierte. Der Kläger erlangte von dem Inhalt des Kündigungsschreibens erstmals nach seiner Rückkehr aus dem Urlaub am 28. Juli 1986 Kenntnis.
Mit einem beim Arbeitsgericht am 9. August 1986 eingegangenen Schriftsatz hat der Kläger sich gegen diese Kündigung gewandt und vorsorglich die nachträgliche Zulassung der Kündigungsschutzklage beantragt. In einem weiteren, später vom Arbeitsgericht mit dem Kündigungsschutzverfahren verbundenen Verfahren hat er Gehaltszahlung für Januar 1987 abzüglich erhaltenen Arbeitslosengeldes für diesen Monat begehrt.
Der Kläger hat vorgetragen, die Kündigung sei ihm erst am 28. Juli 1986 zugegangen, da er während seines Urlaubs nicht mit einer Kündigung habe rechnen müssen und während seiner urlaubsbedingten Abwesenheit von Berlin auch für seine Mutter nicht erreichbar gewesen sei. Die Beklagte habe bei Ausspruch der Kündigung gewußt, daß er sich in Urlaub befinde und im Sommer regelmäßig verreise. Die Urlaubszeit für 1986 sei mit der Beklagten am Jahresanfang abgestimmt und am 2. Juni 1986 in einer Besprechung im Berliner Lager im Beisein des Prokuristen St gemäß einem schriftlichen Vorschlag der Beklagten vom 16. Mai 1986 festgelegt worden. Der Prokurist habe damals erklärt, an eine Kündigung sei nicht zu denken. Die Beklagte habe die Kündigung auch nicht bereits zu diesem Zeitpunkt aussprechen müssen, um die Kündigungsfrist zu wahren. Er habe die Klage somit innerhalb der Klagefrist des § 4 Satz 1 KSchG erhoben. Die Kündigung sei sozial ungerechtfertigt. Die Beklagte habe ihr Berliner Lager aufrechterhalten.
Der Kläger hat beantragt
1. festzustellen, daß sein Arbeitsverhältnis durch
die ordentliche Kündigung der Beklagten vom
10. Juli 1986 nicht mit dem 31. Dezember 1986
beendet worden ist,
2. die Beklagte zu verurteilen, an ihn 3.199,-- DM
brutto abzüglich 1.199,10 DM netto nebst 4 %
Zinsen seit dem 3. März 1987 aus dem sich daraus
ergebenden Nettobetrag zu zahlen.
Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen. Sie hat vorgetragen, der Kläger habe die Klagefrist des § 4 Satz 1 KSchG versäumt und könne sich deshalb nicht mehr auf eine fehlende soziale Rechtfertigung der Kündigung berufen. Sie habe bei Ausspruch der Kündigung nicht gewußt, daß der Kläger sich in Urlaub befinde und verreist sei. Der Kläger habe ihren Vorschlag über die Verteilung der Arbeitszeit gemäß einem Vermerk vom 26. Mai 1986 abgelehnt. Danach seien keine Gespräche mehr geführt worden. Auch von dem von ihr vorgeschlagenen Urlaub sei nicht mehr die Rede gewesen. Sie habe frühzeitig gekündigt, um dem Kläger die Suche nach einem neuen Arbeitsplatz zu erleichtern. Im übrigen sei die Kündigung auch aus den im Kündigungsschreiben angeführten betrieblichen Gründen sozial gerechtfertigt.
Das Arbeitsgericht hat zunächst den Antrag des Klägers auf nachträgliche Zulassung der Kündigungsschutzklage abgewiesen. Die hiergegen vom Kläger eingelegte Beschwerde ist erfolglos geblieben.
Nach rechtskräftigem Abschluß des Zulassungsverfahrens hat das Arbeitsgericht sodann die Klage mit der Begründung abgewiesen, die Kündigung gelte deshalb gem. § 7 KSchG als sozial gerechtfertigt.
Mit seiner Berufung hat der Kläger weiter vorgetragen, in der Unterredung vom 2. Juni 1986 im Berliner Lager habe er erklärt, daß er vom 26. bis 30. Juni 1986 zur Durchführung der Inventur zur Verfügung stehe und seine Reise nach Schweden erst für den 10. Juli 1986 geplant sei. Die Urlaubszeit vom 7. Juli bis 1. August 1986 sei auch bei der Beklagten vermerkt worden.
Die Beklagte hat erwidert, es sei möglich, daß der Jahresurlaub des Klägers für 1986 zwischen ihm und ihrem Außendienstmitarbeiter in Berlin abgesprochen worden sei. Die Geschäftsleitung sei nicht um Zustimmung gebeten worden. Für sie sei nur wesentlich, daß das Lager entweder durch den Außendienstmitarbeiter oder durch den Kläger besetzt sei. Der Prokurist S habe in der Besprechung vom 2. Juni 1986 lediglich erklärt, der Urlaub müsse in der saisonbedingt schwachen Zeit genommen werden. Über die zeitliche Lage des Urlaubs des Klägers sei nicht gesprochen worden. Der Prokurist habe auch nicht geäußert, der Kläger müsse nicht mit einer Kündigung rechnen.
Das Landesarbeitsgericht hat die Berufung zurückgewiesen.
Mit der Revision verfolgt der Kläger seine Klageanträge weiter. Die Beklagte beantragt, die Revision zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
Die Revision ist unbegründet.
I. Das Berufungsgericht hat angenommen, die bei Gericht am 8. August 1986 eingegangene Kündigungsschutzklage sei verspätet erhoben worden, weil die Kündigung dem Kläger bereits am 14. Juli 1986 zugegangen und die dreiwöchige Klagefrist deshalb am 4. August 1986 abgelaufen gewesen sei. Die Kündigung gelte somit gemäß § 7 KSchG als sozial gerechtfertigt und habe das Arbeitsverhältnis der Parteien mit Ablauf der Kündigungsfrist zum 31. Dezember 1986 beendet. Dem Kläger stehe deshalb auch für Januar 1987 kein Gehalt mehr zu.
Dieser Würdigung ist zuzustimmen.
II.1. Nach § 130 Abs. 1 BGB wird eine unter Anwesenden abgegebene Willenserklärung in dem Zeitpunkt wirksam, in welchem sie dem Empfänger zugeht. Eine schriftliche Willenserklärung ist nach § 130 Abs. 1 BGB zugegangen, sobald sie in verkehrsüblicher Weise in die tatsächliche Verfügungsgewalt des Empfängers bzw. eines empfangsberechtigten Dritten gelangt ist und für den Empfänger unter gewöhnlichen Verhältnissen die Möglichkeit besteht, von dem Inhalt des Schreibens Kenntnis zu nehmen (vgl. RGZ 60, 334, 336; 99, 20, 23; 142, 402, 407; RAG ARS 40, 181, 183; 41, 206, 210; BGHZ 67, 271, 275; BAG Urteile vom 16. Januar 1976 - 2 AZR 619/74 - und vom 13. Oktober 1976 - 5 AZR 510/75 - AP Nr. 7 und 8 zu § 130 BGB; Staudinger/Dilcher, BGB, 12. Aufl., § 130 Rz 1; MünchKomm-Förschler, BGB, 2. Aufl., § 130 Rz 3 f., 10; Soergel/Hefermehl, BGB, 12. Aufl., § 130 Rz 8, 11; KR-Friedrich, 2. Aufl., § 4 KSchG Rz 102). Wenn für den Empfänger diese Möglichkeit unter gewöhnlichen Verhältnissen besteht, ist es unerheblich, wann er die Erklärung tatsächlich zur Kenntnis genommen hat oder ob er daran durch Krankheit, zeitweilige Abwesenheit oder andere besondere Umstände zunächst gehindert war (vgl. RGZ 60, 334, 336; RAG, aa0; BAG vom 16. Januar 1976, aa0; Staudinger/Neumann, BGB, 12. Aufl., vor § 620 Rz 44).
2. Geteilt sind die Meinungen darüber, unter welchen Voraussetzungen der Empfänger diese "Möglichkeit der Kenntnisnahme unter gewöhnlichen Verhältnissen" hat, wenn er sich urlaubsbedingt nicht in seiner Wohnung aufhält.
a) Der erkennende Senat hat im Urteil vom 25. August 1978 (- 2 AZR 693/76 - n.v.) das einem Familienangehörigen des Arbeitnehmers ausgehändigte Kündigungsschreiben als dem Arbeitnehmer zugegangen angesehen, obwohl dieser urlaubsbedingt ortsabwesend war. Er hat dies damit begründet, eine zufällige vorübergehende Abwesenheit des Empfängers spiele für die Frage des Zugangs keine Rolle, solange die Erklärung nur in seinen Machtbereich gelangt sei, sei es durch Einwurf in eine technische Empfangsvorkehrung (Hausbriefkasten, Postfach etc.) oder durch Übergabe an einen empfangsberechtigten Dritten (Empfangsboten wie z.B. Haushaltsangehörige, Vermieter, Mitmieter). Dies gelte auch dann, wenn der Arbeitgeber gewußt habe, daß der Arbeitnehmer während seines Urlaubs verreisen wollte, jedenfalls wenn ihm dieser seine Urlaubsanschrift nicht mitgeteilt habe.
b) Im Anschluß an eine von einzelnen Instanzgerichten (ArbG Rheine Urteil vom 24. Oktober 1966, DB 1966, 1975; LAG München vom 20. März 1974, AMBl. 1975, C 14) und einem Teil der Literatur (Corts, DB 1979, 2081 ff.; Staudinger/Neumann, aaO, vor § 620 Rz 45) vertretene Ansicht hat der Siebte Senat des Bundesarbeitsgerichts im Urteil vom 16. Dezember 1980 (BAGE 34, 305, 308 = AP Nr. 11 zu § 130 BGB) entschieden, im Falle einer dem Arbeitgeber bekannten urlaubsbedingten Abwesenheit des Arbeitnehmers gehe diesem eine schriftliche Kündigung erst nach der Rückkehr des Arbeitnehmers aus dem Urlaub zu. Er hat dies im wesentlichen damit begründet, der Arbeitgeber, dem im Zeitpunkt der Abgabe der Kündigungserklärung bekannt gewesen sei, daß der Arbeitnehmer im Urlaub verreist ist, könne im Regelfall nicht erwarten, diesem werde ein an die Heimatanschrift gerichtetes Kündigungsschreiben vor Ablauf des Urlaubs bzw. Rückkehr von der Urlaubsreise zugehen. Umgekehrt dürfe der Arbeitnehmer mangels gegenteiliger Anhaltspunkte darauf vertrauen, daß sich während seiner dem Arbeitgeber bekannten Urlaubsreise an dem Arbeitsverhältnis nichts ändern werde. Auf diese, im vorliegenden Fall vom Berufungsgericht abgelehnte Entscheidung beruft sich auch in erster Linie die Revision.
III.1. Der Siebte Senat hat die in dem vorbezeichneten Urteil vertretene Ansicht in seinem auch zur Veröffentlichung bestimmten Urteil vom 16. März 1988 - 7 AZR 587/87 - jedoch wieder aufgegeben. Er hat angenommen, ein an die Heimatanschrift des Arbeitnehmers gerichtetes Kündigungsschreiben gehe diesem grundsätzlich auch bei Kenntnis des Arbeitgebers von der urlaubsbedingten Ortsabwesenheit des Arbeitnehmers zu. Dies gelte in aller Regel selbst dann, wenn der Arbeitnehmer seine Urlaubsanschrift dem Arbeitgeber mitgeteilt habe; lediglich bei besonderen Umständen des Einzelfalles könne sich aus § 242 BGB eine abweichende Würdigung ergeben.
Zur Begründung, auf die im übrigen verwiesen wird, hat der Siebte Senat auf die mit den Bedürfnissen des rechtsgeschäftlichen Verkehrs schwer zu vereinbarende Unsicherheit einer konkreten Erwartung des Erklärenden von der Kenntnisnahme durch den Empfänger abgestellt. Es gebe keine allgemein gültigen Erfahrungswerte über das konkrete Urlaubsverhalten der Arbeitnehmer. Weder sei der Arbeitnehmer im Regelfall verpflichtet, dem Arbeitgeber hierüber Angaben zu machen, noch sei dieser geeignet, sich von dem individuellen Urlaubsverhalten seiner Arbeitnehmer Kenntnis zu verschaffen. Zudem sei die Möglichkeit einer späteren Veränderung der Umstände, wie Nichtantritt des Urlaubs wegen Erkrankung einer Begleitperson, Hotelwechsel oder kurzfristige Änderung der Urlaubspläne zu berücksichtigen. Bei irrigen Vorstellungen des Erklärenden würde das Abstellen auf seine konkrete Erwartung zu nicht sachgerechten Lösungen führen. Es könne auch kein grundsätzlich vorrangiges Interesse des Arbeitnehmers daran anerkannt werden, während des Urlaubs nicht von einer Kündigung überrascht zu werden. Bei einer außerordentlichen Kündigung könne dies schon wegen der Ausschlußfrist des § 626 Abs. 2 BGB nicht gelten. Es bestehe auch keine rechtliche Notwendigkeit, dem Urlaub des Arbeitnehmers anders als sonst im Rechtsverkehr, allein in der Rechtsbeziehung zum Arbeitgeber eine zugangshemmende Wirkung zukommen zu lassen. Dies gelte insbesondere mit dem Hinblick auf die Möglichkeit der nachträglichen Klagezulassung nach § 5 KSchG. Sie sei wegen urlaubsbedingter Abwesenheit schon im Hinblick auf die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts zur Frage der Wiedereinsetzung in der vorigen Stand in aller Regel geboten.
2. Diese Entscheidung entspricht im Grundsatz der vom erkennenden Senat in dem bereits erwähnten Urteil vom 25. August 1978 - 2 AZR 693/76 - vertretenen Ansicht. An ihr ist festzuhalten. Entgegen dem Vortrag der Revision hat sich der erkennende Senat in dem Urteil vom 8. Dezember 1983 (- 2 AZR 337/82 - AP Nr. 12 zu § 130 BGB) dem nunmehr wieder aufgegebenen Urteil des Siebten Senats vom 16. Dezember 1980 (aaO) nicht angeschlossen. Er hat vielmehr ausdrücklich davon abgesehen, sich mit der an diesem Urteil geübten Kritik auseinanderzusetzen, weil im dortigen Fall auch die Anwendung der bisherigen Rechtsprechungsgrundsätze zu keinem für den Arbeitgeber und Revisionskläger günstigeren Ergebnis führte (aaO, zu B II 1 der Gründe). Ob ein Zugang des an die Heimatanschrift gerichteten Kündigungsschreibens generell auch bei positiver Kenntnis des Arbeitgebers von der Urlaubsanschrift des Arbeitnehmers anzunehmen ist und sich ausnahmsweise nur aus § 242 BGB eine andere Würdigung ergeben kann, braucht, ebenso wie in dem Senatsurteil vom 25. August 1978 - 2 AZR 693/76 -, vorliegend nicht entschieden zu werden, weil der Beklagten die Urlaubsanschrift des Klägers unstreitig nicht bekannt war. Der Senat behält es sich insoweit vor, die vom Siebten Senat nunmehr vertretene Auffassung bei einer entsprechenden Fallgestaltung zu überprüfen.
IV. Wendet man die bisher vom erkennenden Senat und nunmehr auch vom Siebten Senat anerkannten Grundsätze auf den vorliegenden Fall an, so ist die Kündigung der Beklagten dem Kläger am 14. Juli 1986 zugegangen und die Kündigungsschutzklage demgemäß verspätet erhoben worden.
1. Nach diesen Rechtsgrundsätzen müssen für den Zugang einer schriftlichen Kündigungserklärung auch während des Urlaubs des Arbeitnehmers zwei Voraussetzungen erfüllt sein: Das Schreiben muß in verkehrsüblicher Art in die tatsächliche Verfügungsgewalt des Empfängers oder eines empfangsberechtigten Dritten gelangen und für den Empfänger muß unter gewöhnlichen Umständen eine Kenntnisnahme zu erwarten sein. Beide Voraussetzungen waren im vorliegenden Fall für den Zugang des Kündigungsschreibens der Beklagten am 14. Juli 1986 an den Kläger erfüllt.
a) Das Kündigungsschreiben war mit seiner Entgegennahme durch die Mutter des Klägers in verkehrsüblicher Art in die tatsächliche Verfügungsgewalt des Klägers gelangt.
Zutreffend hat das Berufungsgericht hierbei auch auf die Bestimmungen der Postordnung vom 16. Mai 1969 abgestellt. Zwar ist der Zugang einer Willenserklärung nach § 130 Abs. 1 BGB zu beurteilen, so daß die Postordnung die Wirksamkeit des Zugangs nicht abweichend hiervon regeln kann. Sie kann jedoch im Einzelfall zur Bestimmung herangezogen werden, wenn eine schriftliche Willenserklärung in verkehrsüblicher Art in die tatsächliche Verfügungsgewalt des Empfängers selbst oder eines anderen, der ihn in der Empfangnahme vertreten könnte, gelangt ist. Das ist möglich, soweit die Regelungen der Postordnung über die Ersatzzustellung aus einer entsprechenden Verkehrssitte erwachsen sind und noch darauf beruhen (vgl. Senatsurteil vom 25. August 1978 - 2 AZR 693/76 -, zu II 2 b der Gründe).
Entscheidend ist somit, ob nach der Verkehrssitte die Mutter des Klägers im Hinblick auf ihr verwandtschaftliches Verhältnis zu ihm als ermächtigt anzusehen war, Briefsendungen für ihn entgegenzunehmen. Ein Anzeichen für eine solche Verkehrssitte ist § 51 Abs. 2 Nr. 1 i.Verb.m. Abs. 3 PostO. Danach kann für gewöhnliche und eingeschriebene Sendungen eine Ersatzzustellung auch an die Angehörigen des Empfängers erfolgen. Bei der Auslegung des Begriffs Angehöriger kann auf die Definition in § 11 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. a StGB zurückgegriffen werden. Danach zählen zu den Angehörigen auch Verwandte in gerader Linie und damit auch die Eltern des Empfangsberechtigten (vgl. Eidenmüller, PostO, Stand Mai 1983, § 51 Anm. 6; Florian/Weigert, PostO 1974, S. 535, 536). Nach dieser postrechtlichen Bestimmung ist darüber hinaus nicht erforderlich, daß der Angehörige des Empfängers - wie nach Absatz 2 Nr. 3 der Vermieter des Empfängers - im selben Haus wie der Empfänger wohnt. Es kann dahingestellt bleiben, ob deshalb ein Angehöriger des Empfängers stets auch im Rahmen des § 130 BGB als Empfangsbote des Empfängers zu behandeln ist. Auch wenn man dafür weiter für erforderlich erachtet, daß die Postsendung nach den besonderen Umständen des Einzelfalles in den "Lebenskreis" des Empfängers gelangt ist (vgl. dazu Senatsurteil vom 25. August 1978 - 2 AZR 693/76 -, zu II 2 c der Gründe, sowie Bulla, AR-Blattei Kündigung II Kündigungserklärung, Abschnitt VI 2 b aa), ist dieses zusätzliche Erfordernis im vorliegenden Fall erfüllt. Denn nach dem unstreitigen Sachverhalt kontrollierte die Mutter des Klägers die Wohnung ihres Sohnes während seiner Urlaubsabwesenheit in regelmäßigen Abständen und nahm das Kündigungsschreiben in Ausübung dieser Funktion in der Wohnung entgegen.
b) Allein die Möglichkeit der Kenntnisnahme von dem Kündigungsschreiben reicht zwar für den Zugang nicht aus. Es muß nach der Verkehrsanschauung auch zu erwarten sein, daß sich der Empfänger bei normaler Gestaltung seiner Verhältnisse die Kenntnis alsbald tatsächlich verschafft. Auch diese Voraussetzung war jedoch vorliegend am 14. Juli 1987 erfüllt. Auch wenn die Mutter des Klägers nicht zum Empfang von Postsendungen bevollmächtigt, sondern nur Empfangsbotin gewesen ist, ist davon auszugehen, daß das Kündigungsschreiben beim regelmäßigen Verlauf der Dinge an den Kläger noch am selben Tage weitergeleitet worden wäre. Es ist unerheblich, daß dies wegen der Urlaubsabwesenheit des Klägers tatsächlich nicht geschehen konnte, weil es für den Zugang auch während des Urlaubs, wie ausgeführt, nur darauf ankommt, ob unter gewöhnlichen Umständen eine Kenntnisnahme erwartet werden konnte.
2. Das Berufungsgericht hat ferner zutreffend angenommen, die Beklagte verstoße mit der Berufung auf den Zugangstermin des 14. Juli 1986 auch nicht gegen Treu und Glauben.
a) Ihre Kenntnis von der zeitlichen Lage des Urlaubs und der Abwesenheit des Klägers von seinem Wohnort allein reicht nicht aus, ihr ein treuwidriges Verhalten vorzuwerfen. Die Urlaubsanschrift des Klägers war ihr unstreitig nicht bekannt.
b) Die Revision rügt erfolglos, das Berufungsgericht habe zu Unrecht den Vortrag des Klägers unberücksichtigt gelassen, der Prokurist S habe noch in der Unterredung vom 2. Juni 1986 zugesichert, daß an eine Kündigung des Arbeitsverhältnisses nicht gedacht sei; hierdurch sei der Kläger davon abgehalten worden, Vorkehrungen für eine Nachsendung von Postsendungen der Beklagten zu treffen. Dieser Umstand könnte nur dann geeignet sein, der Beklagten aus dem Gesichtspunkt des widersprüchlichen Verhaltens einen Treueverstoß vorzuwerfen, wenn gerade dieser Hinweis für die Versäumung der Klagefrist ursächlich gewesen wäre. Der Kläger hatte jedoch bereits am 28. Juli 1986 und somit noch innerhalb der bis 4. August 1986 laufenden Klagefrist Kenntnis von der Kündigung erhalten und war deshalb jedenfalls nicht aufgrund der (behaupteten) Zusage des Prokuristen gehindert gewesen, die Kündigungsschutzklage noch rechtzeitig zu erheben.
V. War die Kündigung der Beklagten dem Kläger somit am 14. Juli 1986 zugegangen, so war die dreiwöchige Klagefrist des § 4 Satz 1 KSchG mit dem 4. August 1986 abgelaufen und die erst am 9. August 1986 bei Gericht eingegangene Kündigungsschutzklage verspätet. Da auch der Antrag des Klägers auf nachträgliche Zulassung dieser Klage nach § 5 KSchG rechtskräftig abgewiesen ist, gilt die Kündigung gem. § 7 KSchG als sozial gerechtfertigt. Andere Unwirksamkeitsgründe i.S. des § 13 Abs. 3 KSchG hat der Kläger nicht vorgebracht. Das Arbeitsverhältnis ist somit durch die Kündigung der Beklagten zum 31. Dezember 1986 beendet worden.
Hillebrecht Triebfürst Dr. Weller
Timpe Wisskirchen
Fundstellen
AuB 1989, 374-374 (T) |
Stbg 1990, 90-91 (T) |
RzK, I 2c 14 (ST1) |