Entscheidungsstichwort (Thema)
Gefährdungshaftung des Arbeitgebers
Leitsatz (redaktionell)
1. Ein als Kraftfahrer tätiger Arbeitnehmer trägt selbst die Gefahr, wegen seiner Beteiligung an einem Verkehrsunfall strafrechtlich verfolgt zu werden. Das gilt grundsätzlich auch bei Fahrten außerhalb des Geltungsbereichs der Strafprozeßordnung. Nachteile, die ihm durch Maßnahmen der Strafverfolgung entstehen, gehören zu seinem Lebensbereich und nicht zum Betätigungsbereich des Arbeitgebers.
2. Ist der Arbeitnehmer verpflichtet, ein Kraftfahrzeug des Arbeitgebers durch Gebiete außerhalb der Bundesrepublik Deutschland und (West-)Berlins zu führen, so gehört die Gefahr, bei einem Unfall von Strafverfolgungsmaßnahmen der örtlichen Behörden betroffen zu werden, insoweit zum Betätigungsbereich des Arbeitgebers, als diese Maßnahmen unzumutbar sind und der Arbeitnehmer für die Übernahme dieses Risikos keine angemessene Vergütung erhält. Läßt der Arbeitnehmer eine Kaution verfallen, um einer unzumutbaren Freiheitsstrafe zu entgehen, so kann er für den ihm dadurch entstehenden Vermögensschaden vom Arbeitgeber entsprechend § 670 BGB Ersatz fordern. Der Arbeitgeber hat nur insoweit Ersatz zu leisten, als die Strafverfolgungsmaßnahme unzumutbar ist, die Gefahr also seinem unternehmerischen Betätigungsbereich zuzuordnen ist. Die Höhe des Ersatzanspruchs hat der Tatrichter ggf nach § 287 Abs 2 ZPO zu schätzen.
3. Der Anspruch des Arbeitnehmers kann in entsprechender Anwendung des § 254 BGB ganz oder teilweise ausgeschlossen sein. Bei Beurteilung der Frage, ob und inwieweit ein mitwirkendes Verschulden des Arbeitnehmers den Ersatzanspruch mindert oder ausschließt, sind die Grundsätze über den innerbetrieblichen Schadensausgleich entsprechend anzuwenden (vgl Urteil des Senats vom 24. November 1987 - 8 AZR 524/82 - DB 1988, 1603.
Normenkette
BGB §§ 276-277, 611, 670, 780, 254; ZPO §§ 138, 287-288
Verfahrensgang
LAG Niedersachsen (Entscheidung vom 04.09.1985; Aktenzeichen 5 Sa 34/85) |
ArbG Lüneburg (Entscheidung vom 18.01.1985; Aktenzeichen 1 Ca 1243/84) |
Tatbestand
Der Kläger ist bei der Beklagten als Lastkraftwagenfahrer beschäftigt. Am 2. Juli 1984 hatte er einen Gastransporter mit Sattelaufleger von Berlin nach Hamburg zu führen. Auf der Transitautobahn in der DDR verursachte er einen Verkehrsunfall. Er fuhr von hinten auf einen Pkw auf. Beide Insassen dieses Fahrzeugs erlitten Verletzungen. Der Kläger wurde daraufhin in der DDR in Untersuchungshaft genommen. Die Beklagte zahlte den Lohn bis 27. Juli 1984 weiter und händigte der Ehefrau des Klägers an diesem Tag ein Schreiben vom 6. Juli 1984 aus, in dem das Arbeitsverhältnis des Klägers gekündigt wurde. Am 15. August 1984 wurde der Kläger aus der Untersuchungshaft entlassen. Seine Rechtsschutzversicherung hatte inzwischen bei der zuständigen Strafverfolgungsbehörde der DDR eine Kaution von 50.000,-- DM hinterlegt. Vom 16. bis zum 31. August 1984 war der Kläger arbeitsunfähig krank. Für diese Zeit zahlte die Beklagte den Lohn fort. Seit dem 1. September 1984 arbeitet der Kläger wieder bei der Beklagten. Der Kläger hat sich dem Strafverfahren in der DDR nicht gestellt. Die Kaution ist verfallen.
Der Kläger hat die Auffassung vertreten, die Beklagte müsse ihm den Lohn für die Zeit über den 27. Juli 1984 hinaus zahlen. Außerdem sei sie verpflichtet, ihn von dem Rückgriffsanspruch seiner Rechtsschutzversicherung freizustellen. Die Fahrt habe er auf Veranlassung und im Interesse der Beklagten durchgeführt. Diese habe ihn der Gefahr ausgesetzt, in der DDR bei einem Verkehrsunfall mit einer Freiheitsstrafe belegt zu werden und diese verbüßen zu müssen. Er habe somit eine Strafverfolgungsmaßnahme zu befürchten gehabt, die, verglichen mit den in der Bundesrepublik in solchen Fällen üblichen Strafen, unzumutbar sei. Um sich dieser zu entziehen, habe seine Rechtsschutzversicherung und damit er selbst den verfallenen Betrag aufwenden müssen. Er habe sich allenfalls leicht fahrlässig verhalten. Vor dem Unfall seien vor ihm zwei Pkws der Marke Trabant gefahren, unmittelbar vor ihm ein beigefarbener, davor ein blauer. Der beige Pkw habe die gleiche Geschwindigkeit eingehalten wie er. Plötzlich sei der blaue Pkw langsamer geworden. Der beige Pkw sei nach links ausgeschert und habe den blauen nur noch mit äußersten Schwierigkeiten überholen können. Auch er habe versucht, den Lkw noch auf die linke Fahrbahn zu lenken. Dies sei aber nicht gelungen. Trotz sofortigen Bremsens sei er auf den blauen Trabant aufgefahren. Der Unfall sei nicht zu vermeiden gewesen. Er habe das schwere Fahrzeug nicht so plötzlich herumreißen können wie einen Pkw. Durch sein Verhalten seien größere Schäden bzw. Gefahren für den Gastransporter vermieden worden. Die Kündigung der Beklagten sei schon deshalb unwirksam, weil sie ihm nicht zugegangen sei; außerdem sei er Betriebsobmann. Der Ehemann der Geschäftsführerin der Beklagten habe seiner - des Klägers - Ehefrau am 27. Juli 1984 zugesagt, daß der Lohnausfall während der Inhaftierung gezahlt werde.
Der Kläger hat beantragt,
1. die Beklagte zu verurteilen, für den Zeitraum
vom 27. Juli bis 15. August 1984 eine ordnungs-
gemäße Lohnabrechnung zu erstellen und die sich
daraus ergebenden Beträge an den Kläger zu zah-
len,
2. festzustellen, daß die Beklagte verpflichtet ist,
Rückerstattungsansprüche der A
Rechtsschutzversicherung AG, , im
Innenverhältnis zu dem Kläger als Arbeitgeber
zu befriedigen.
Die Beklagte hat Klageabweisung beantragt. Sie hat die Auffassung vertreten, ein Lohnanspruch bestehe bereits deshalb nicht, weil das Arbeitsverhältnis gekündigt gewesen sei. Jedenfalls lägen aber die Voraussetzungen des § 616 BGB nicht vor. Der Kläger habe auch keinen Freistellungsanspruch, weil er den Unfall grob fahrlässig verschuldet habe und dessen Folgen ausschließlich seinem Lebens- und Risikobereich zuzuordnen seien, zumal er auf eigenen Wunsch durch die DDR gefahren sei und gewußt habe, welche Folgen ein Unfall dort nach sich ziehen kann.
Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen. Das Landesarbeitsgericht hat die Berufung des Klägers zurückgewiesen. Mit der Revision verfolgt der Kläger die Klageanträge weiter.
Entscheidungsgründe
Die Revision hat keinen Erfolg.
A. Freistellungsantrag
Der Antrag des Klägers, ihn von dem Rückgriffsanspruch der Rechtsschutzversicherung freizustellen, ist unbegründet.
I. Zu Recht hat das Berufungsgericht diesen Klageanspruch unter dem hier allein in Betracht kommenden Gesichtspunkt des § 670 BGB geprüft. In entsprechender Anwendung dieser Bestimmung hat der Arbeitnehmer Anspruch auf den Ersatz von Schäden, die ihm bei Erbringung der Arbeitsleistung ohne Verschulden des Arbeitgebers entstehen. Voraussetzung ist, daß der Schaden nicht dem Lebensbereich des Arbeitnehmers, sondern dem Betätigungsbereich des Arbeitgebers zuzurechnen ist und der Arbeitnehmer ihn nicht selbst tragen muß, weil er dafür eine besondere Vergütung erhält (BAGE 12, 15 = AP Nr. 2 zu § 611 BGB Gefährdungshaftung des Arbeitgebers; BAGE 33, 108 = AP Nr. 6 zu § 611 BGB Gefährdungshaftung des Arbeitgebers).
1. Der Schaden, den der Kläger dadurch erlitten hat, daß die Rechtsschutzversicherung wegen des Verfalls der Kaution einen Rückgriffsanspruch gegen ihn erworben hat (§ 20 Abs. 4 Satz 2 ARB; vgl. dazu OLG Hamburg NJW 1983, 184), ist insoweit dem Betätigungsbereich der Beklagten zuzurechnen, als er darauf beruht, daß die Strafverfolgung, der der Kläger sich entzogen hat, unzumutbar gewesen wäre.
a) Das Risiko von Verkehrsunfällen hat ein als Kraftfahrer beschäftigter Arbeitnehmer, soweit es die strafrechtlichen Folgen betrifft, grundsätzlich selbst zu tragen. Es gehört zu seinem Lebensbereich. Zu diesen Gefahren gehört auch die Möglichkeit, mit einer Freiheitsstrafe belegt zu werden und diese verbüßen zu müssen. Strafen muß der Arbeitnehmer auf sich nehmen, auch wenn er im Ausland oder sonst außerhalb des Geltungsbereichs der Strafprozeßordnung straffällig wird. All dies fällt allein in seinen Lebensbereich. Nur der Arbeitnehmer kann solche Maßnahmen verhindern, indem er bei Ausübung seiner arbeitsvertraglich geschuldeten Tätigkeit die Regeln des Straßenverkehrs genau beachtet. Der Arbeitgeber kann es nicht. Stellt der Arbeitnehmer - selbst oder durch seine Rechtsschutzversicherung - eine Kaution, um aus der Untersuchungshaft entlassen zu werden, ist der Arbeitgeber in der Regel nicht verpflichtet, den Schaden zu ersetzen, der dem Arbeitnehmer dadurch entsteht, daß dieser sich dem Strafverfahren nicht stellt und die Kaution verfällt.
b) Ist ein Arbeitnehmer aufgrund seines Arbeitsvertrags aber verpflichtet, ein Kraftfahrzeug durch Gebiete außerhalb der Bundesrepublik Deutschland und (West-)Berlins zu führen, in denen unzumutbare Maßnahmen der Strafverfolgung zu befürchten sind, so gehört diese Gefahr zum Betätigungsbereich des Arbeitgebers. Solche Fahrten unternimmt der Arbeitnehmer allein im Interesse des Arbeitgebers, falls er dafür nicht eine den üblichen Lohn eines Kraftfahrers übersteigende Vergütung erhält, die das Risiko ausgleicht. Er übernimmt in diesen Fällen das Betriebsrisiko des Arbeitgebers, soweit es auf dieser besonderen Art der betrieblichen Betätigung beruht, sich in der Gefahr unzumutbarer Strafverfolgung ausdrückt und dadurch das übliche Wagnis unternehmerischer Betätigung übersteigt. Erleidet ein Arbeitnehmer dadurch, daß diese Gefahr sich in seiner Person verwirklicht, einen Vermögensschaden, so kann er diesen entsprechend § 670 BGB vom Arbeitgeber ersetzt verlangen. Der entstandene Schaden ist dann als Aufwendung im Sinne dieser Bestimmung anzusehen.
2. Ein Schaden, der dem Kläger dadurch entstand, daß er bei der Fahrt durch die DDR unzumutbaren Maßnahmen der Strafverfolgung ausgesetzt war, war nach diesen Grundsätzen dem Betätigungsbereich der Beklagten zuzurechnen. Das Berufungsgericht hat dazu, ob dem Kläger ein solcher Schaden entstanden ist und wie ggf. seine Höhe zu bestimmen wäre, keine Stellung genommen, weil es die Gefahr unzumutbarer Strafverfolgungsmaßnahmen zu Unrecht nicht dem Betriebsrisiko der Beklagten zugerechnet hat.
a) Der Kläger hat die ihm drohende unzumutbare Maßnahme der Strafverfolgung darin gesehen, daß er in der DDR mit einer Freiheitsstrafe ohne Bewährung hätte rechnen müssen, während er für die gleiche Verfehlung in der Bundesrepublik nur eine Geldstrafe, allenfalls eine zur Bewährung ausgesetzte Freiheitsstrafe zu erwarten gehabt hätte. Dieser Beurteilung ist die Beklagte nicht entgegengetreten. Auch der Senat legt sie seiner Entscheidung zugrunde, wobei er davon ausgeht, daß eine Bestrafung, die ein Arbeitnehmer außerhalb des Geltungsbereichs der Strafprozeßordnung erleidet, unzumutbar ist, wenn sie aus rechtsstaatlichen Gründen in der Bundesrepublik nicht im Wege der Rechtshilfe vollstreckt werden könnte. Nach § 2 Abs. 5 des Gesetzes über die innerdeutsche Rechts- und Amtshilfe in Strafsachen (RHG) vom 2. Mai 1953 (BGBl. I S. 161), zuletzt geändert durch Gesetz vom 18. August 1980 (BGBl. I S. 1503), ist eine von einem deutschen Gericht außerhalb des Geltungsbereichs dieses Gesetzes ausgesprochene Strafe nur insoweit zu vollstrecken, als ihre Art und Höhe nach rechtsstaatlichen Grundsätzen angemessen sind und nicht dem Zweck eines Bundesgesetzes widersprechen. Nach § 73 in Verb. mit §§ 48 ff. des Gesetzes über die internationale Rechtshilfe in Strafsachen (IRG) vom 23. Dezember 1982 (BGBl. I S. 2071) sind ausländische Erkenntnisse im Wege der Rechtshilfe nicht zu vollstrecken, wenn die Leistung der Rechtshilfe wesentlichen Grundsätzen der deutschen Rechtsordnung widersprechen würde. Allerdings ist zu beachten, daß die Tatsache hoher Bestrafung für sich allein nicht ausreicht, um die Annahme zu rechtfertigen, die Strafe sei nach rechtsstaatlichen Grundsätzen unangemessen. Erst wenn die verhängte Strafe in unerträglicher Weise außer Verhältnis zum Schuldgehalt der Tat steht oder wenn einzelne Strafzumessungserwägungen als rechtsstaatswidrig anzusehen sind, kommt z. B. eine Herabsetzung nach § 15 in Verb. mit § 2 Abs. 5, § 8 Abs. 2 RHG in Betracht (vgl. OLG Karlsruhe MDR 1977, 73).
b) Vermögensnachteile, die dem Arbeitnehmer dadurch entstehen, daß die Maßnahme der Strafverfolgung unzumutbar ist, sind vom Arbeitgeber zu ersetzen. Daß zu den zu ersetzenden Vermögensnachteilen nicht nur Sachschäden gehören (vgl. dazu BAGE 12, 15 = AP Nr. 2 zu § 611 BGB Gefährdungshaftung des Arbeitgebers; BAGE 33, 108 = AP Nr. 6 zu § 611 BGB Gefährdungshaftung des Arbeitgebers), sondern auch sonstige Vermögensschäden, hat das Bundesarbeitsgericht bereits im Urteil vom 28. Mai 1960 - 2 AZR 548/59 - (BAGE 9, 243 = AP Nr. 19 zu § 611 BGB Haftung des Arbeitnehmers) angenommen. Daran ist festzuhalten.
3. Die rechtlichen Einwände, mit denen die Beklagte dem Verfall der Kaution von vornherein den Charakter eines ersatzfähigen Vermögensschadens abspricht, greifen nicht durch.
a) Die Beklagte meint, der durch den Verfall der Kaution entstandene Vermögensschaden sei nicht als Aufwendung anzusehen, weil er nur mittelbar auf dem Unfall, in erster Linie aber auf dem Entschluß des Klägers beruhe, sich der Bestrafung zu entziehen. Dabei verkennt die Beklagte, daß die Haftung des Auftraggebers deshalb besteht, weil die Ausführung des Auftrags notwendig mit Gefahren verbunden ist. Derjenige, der einen anderen zur Ausführung eines mit Gefahren verbundenen Auftrags veranlaßt, hat für den Schaden einzustehen, den der Handelnde wegen der Gefährlichkeit des Auftrags bei dessen Ausführung erleidet. Der Schaden gilt dann als Aufwendung. Er muß in einem inneren Zusammenhang mit der Ausführung des Auftrags stehen. Der Auftrag muß die adäquate Ursache für den Schaden sein. Ein mehr zufälliger Zusammenhang zwischen Ausführung des Auftrags und Schaden genügt nicht (BGH VersR 1957, 388, 390; BGHZ 89, 153; BGH NJW 1985, 269).
b) Der Schaden, der dem Kläger dadurch entstand, daß die Kaution verfiel, war durch seine arbeitsvertragliche Verpflichtung, den Lkw über die Transitautobahn zu führen, adäquat verursacht.
aa) Es lag nicht außerhalb aller Wahrscheinlichkeit, daß der Kläger bei der Fahrt durch die DDR als Folge eines Verkehrsunfalls eine rechtsstaatswidrige und damit unzumutbare Bestrafung erleiden konnte. Von dieser Erfahrung geht das RHG aus. Sie wird auch durch die Praxis bestätigt (vgl. z. B. OLG Hamburg NJW 1983, 184).
Die Ursächlichkeit entfiel nicht dadurch, daß der Kläger nach dem Vortrag der Beklagten "auf eigenen Wunsch" durch die DDR gefahren ist. Die Beklagte hat diese in den Tatsacheninstanzen nicht substantiierte Behauptung vor dem Senat dahin erläutert, ihre Fahrer seien wegen der anfallenden Spesen an den Fahrten nach Berlin interessiert. Falls dieses Interesse für den Kläger bestimmend gewesen sein sollte, würde dies nichts an dem Inhalt seiner arbeitsvertraglichen Verpflichtung ändern. Deren Erfüllung wäre trotzdem für den Schaden ursächlich gewesen.
bb) Als Schaden kommt nicht nur ein Vermögensnachteil in Betracht, der dem Geschädigten dadurch entsteht, daß er die Strafe verbüßen muß. Auch die Einbuße, die dadurch erwächst, daß eine Kaution verfällt, ist als Schaden anzusehen, wenn sie eintritt, weil der Arbeitnehmer die unzumutbare Strafe nicht antritt. Das gleiche muß gelten, wenn - wie hier - die Kaution bereits deshalb verfällt, weil der Arbeitnehmer sich dem Strafverfahren nicht stellt, falls er eine unzumutbare Bestrafung zu erwarten hat. Ob letzteres zu befürchten ist, ist eine Frage des Einzelfalls. Dabei wird der Tatrichter auf Erfahrungen zurückgreifen können, wie sie sich z. B. aus dem Fall ergeben, der der bereits genannten Entscheidung des Oberlandesgerichts Hamburg (aa0) zugrunde lag. Dort war von einem Gericht der DDR wegen eines Verkehrsvergehens gegen einen in der Bundesrepublik Deutschland wohnenden Angeklagten eine ungewöhnlich hohe Freiheitsstrafe ohne Bewährung verhängt worden, offenbar um den Verfall der hinterlegten Kaution in Höhe von 25.000,-- DM zu erreichen.
cc) Über die Höhe des als Aufwendung zu ersetzenden Schadens wird der Tatrichter in Fällen dieser Art nach § 287 Abs. 2 ZPO zu befinden haben. Er wird dabei berücksichtigen müssen, daß der Arbeitgeber für das Risiko der Strafverfolgung des Arbeitnehmers nur insoweit einzustehen hat, als der Arbeitnehmer eine unzumutbare Strafe erhalten hat oder zu befürchten gehabt hätte. Der Umstand, daß der Arbeitnehmer der Strafverfolgung auch insoweit entgeht, als diese gerechtfertigt gewesen wäre, führt zu einer Minderung der Ersatzpflicht des Arbeitgebers. Dieser wird also in aller Regel nur einen Teil der verlorenen Kaution zu ersetzen haben.
II. Diese Erwägungen veranlassen jedoch nicht zur Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht. Zwar erhielt der Kläger außer seinem Lohn als Kraftfahrer und den Spesen keine besondere Vergütung, die als Ausgleich für das ihm auferlegte Risiko angesehen werden könnte. Sein Anspruch auf Aufwendungsersatz ist jedoch entsprechend § 254 BGB ausgeschlossen.
1. Gegenüber der Verpflichtung des Arbeitgebers zum Aufwendungsersatz ist in entsprechender Anwendung des § 254 BGB das Mitverschulden des Arbeitnehmers zu berücksichtigen, wobei die Zurechnung unter Anwendung der Grundsätze über den innerbetrieblichen Schadensausgleich zu erfolgen hat (BAGE 33, 108, 112 = AP Nr. 6 zu § 611 BGB Gefährdungshaftung des Arbeitgebers, zu II 3 der Gründe). Dies bedeutet, daß der Arbeitgeber bei geringer Schuld (leichteste Fahrlässigkeit) des Arbeitnehmers grundsätzlich vollen Ersatz leisten muß, bei normaler Schuld des Arbeitnehmers grundsätzlich der Schaden anteilig unter Berücksichtigung der Gesamtumstände des Einzelfalls nach Billigkeitsgrundsätzen und Zumutbarkeitsgesichtspunkten verteilt werden muß und bei grob fahrlässiger Schadensmitverursachung der Ersatzanspruch des Arbeitnehmers grundsätzlich ganz entfällt (Urteil des Senats vom 24. November 1987 - 8 AZR 524/82 -, zur Veröffentlichung vorgesehen).
2. Nach diesen Grundsätzen entfällt die Ersatzpflicht der Beklagten. Der Kläger hat den Verkehrsunfall grob fahrlässig (§ 277 BGB) verursacht.
a) Das Landesarbeitsgericht hat festgestellt, die beiden am Unfall beteiligten Kraftfahrzeuge, der blaue Pkw Trabant und der vom Kläger gesteuerte Lkw, seien zunächst mit einer Geschwindigkeit von 70 bis 80 Stundenkilometern in einem Abstand von 90 bis 125 m gefahren. Zu dem zwischen diesen beiden Fahrzeugen befindlichen beigefarbenen Trabant habe der Kläger einen Abstand von 30 bis 40 m eingehalten. Umstände, aus denen sich ergebe, daß die Möglichkeit des Klägers, die sich vor seinen Augen abspielenden Verkehrsvorgänge wahrzunehmen, beeinträchtigt gewesen sei, seien weder vom Kläger vorgetragen worden noch sonst ersichtlich.
Die gegen diese Feststellungen gerichteten Angriffe der Revision greifen nicht durch.
Zu Unrecht rügt die Revision, das Landesarbeitsgericht habe über den Unfallhergang Beweis erheben müssen. Der Kläger hat weder Beweisthema noch Beweismittel dargelegt. Dazu wäre er aber nach § 554 Abs. 3 Nr. 3 b ZPO verpflichtet gewesen (vgl. Thomas/Putzo, ZPO, 15. Aufl., § 554 Anm. 4 b). Das Landesarbeitsgericht hat somit ohne Rechtsfehler die von der Beklagten nicht bestrittene Darstellung des Unfallhergangs, die der Kläger gegeben hat, der Entscheidung zugrunde gelegt (§ 138 Abs. 3 in Verb. mit § 288 Abs. 1 ZPO).
b) Zu Unrecht wendet die Revision sich auch dagegen, daß das Berufungsgericht das Verhalten des Klägers als grob fahrlässig angesehen hat.
aa) Das Berufungsgericht hat angenommen, der Kläger habe die Bewegungen der beiden vor ihm fahrenden Fahrzeuge nicht mit der erforderlichen Aufmerksamkeit beobachtet. Ihm hätte sonst möglich sein müssen, einen Zusammenstoß mit dem in einem Abstand von 90 m vor ihm fahrenden blauen Pkw zu vermeiden, zumal dieser nicht etwa scharf abgebremst worden sei, sondern an Geschwindigkeit verloren habe und ausgerollt sei. Bei gehöriger Beobachtung der vor ihm fahrenden Fahrzeuge habe der Kläger, der als Lastkraftwagenfahrer besonders gute Beobachtungsmöglichkeiten gehabt habe, erkennen können und müssen, daß sich der Abstand zwischen dem blauen und dem beigefarbenen Pkw, zu dem er einen zu geringen Sicherheitsabstand eingehalten habe, bedrohlich verringert habe. In dieser Situation habe der Kläger nichts weiter zu tun brauchen, als seine Geschwindigkeit in gleichem Maße zu verringern wie der blaue Pkw. Daß er das nicht getan habe, spreche eindeutig dafür, daß der Kläger in hohem Maße unaufmerksam gewesen sei. Diese Beurteilung durch das Berufungsgericht läßt keinen Rechtsfehler erkennen.
Der Begriff der groben Fahrlässigkeit ist ein Rechtsbegriff. Grobe Fahrlässigkeit ist dann gegeben, wenn gegen die im Verkehr erforderliche Sorgfalt in ungewöhnlichem Maße verstoßen wird; erforderlich ist dabei eine besonders grobe und auch subjektiv unentschuldbare Pflichtverletzung, die das gewöhnliche Maß der Fahrlässigkeit im Sinne des § 276 Abs. 1 Satz 2 BGB erheblich übersteigt; der Schädiger muß das außer acht gelassen haben, was in der gegebenen Situation jedem einleuchtet (BAGE 42, 130, 136 = AP Nr. 82 zu § 611 BGB Haftung des Arbeitnehmers, zu II 2 der Gründe, m.w.N.; BGH NJW 1980, 887, 888). Die Voraussetzungen dieses Rechtsbegriffs festzustellen, ist im wesentlichen Tatfrage. Sie sind in der Revisionsinstanz nur dahin nachzuprüfen, ob der Tatrichter von den richtigen rechtlichen Beurteilungsmaßstäben ausgegangen ist und Denkgesetze, Erfahrungssätze oder Verfahrensvorschriften verletzt hat (vgl. Urteil des Senats vom 24. November 1987 - 8 AZR 524/82 -, zu B II 2 der Gründe, m.w.N., zur Veröffentlichung bestimmt).
Die Annahme des Berufungsgerichts, der Kläger habe grob fahrlässig gehandelt, beruht auf einer im einzelnen nachprüfbaren und widerspruchsfreien Würdigung des Sachverhalts. Ohne einen Erfahrungssatz zu verletzen, hat das Berufungsgericht darauf abgestellt, daß der Kläger vom Führerhaus seines Lastkraftwagens aus eine besonders gute Möglichkeit hatte, das Verkehrsgeschehen, das sich in seinem Blickfeld abspielte, zu beobachten, und daß die einzige von ihm zu verlangende Reaktion darin bestanden hätte, rechtzeitig zu bremsen, nachdem er gesehen hatte, daß der blaue Pkw seine Geschwindigkeit plötzlich verminderte. Wenn das Landesarbeitsgericht daraus, daß der Kläger nicht früh genug reagiert hat, geschlossen hat, der Kläger sei in hohem Maße unaufmerksam gefahren, so läßt dies keinen Denkfehler erkennen. Zu Recht hat das Berufungsgericht dem Kläger auch nicht das Ausweichmanöver des beigefarbenen Pkws zugute gehalten. Zutreffend hat es darauf verwiesen, daß der Kläger zu diesem Fahrzeug einen zu geringen Sicherheitsabstand einhielt. Sollte er durch das Verhalten dieses Pkws irritiert worden sein, hat er dies ebenfalls seiner groben Unachtsamkeit zuzuschreiben. Umstände, insbesondere subjektiver Art, die seine grobe Fahrlässigkeit ausschließen könnten, hat der Kläger, der insoweit darlegungspflichtig gewesen wäre (BAG Urteil vom 22. Februar 1972 - 1 AZR 223/71 - AP Nr. 70 zu § 611 BGB Haftung des Arbeitnehmers) nicht geltend gemacht.
bb) Zu Unrecht rügt die Revision, das Landesarbeitsgericht habe in rechtlich nicht zulässiger Weise die Grundsätze über den Beweis des ersten Anscheins angewendet.
Zwar sind die Regeln des Anscheinsbeweises nicht geeignet, normale und grobe Fahrlässigkeit von einander abzugrenzen, weil bei der groben Fahrlässigkeit auch subjektive Umstände zu berücksichtigen sind (BAG Urteil vom 20. März 1973 - 1 AZR 337/72 - AP Nr. 72 zu § 611 BGB Haftung des Arbeitnehmers). Gegen diesen Grundsatz hat das Berufungsgericht jedoch nicht verstoßen. Nur bei Begründung der Pflichtverletzung des Klägers als solcher hat das Landesarbeitsgericht daraus, daß keine Umstände vorlagen, die den Kläger in seiner Wahrnehmungsfähigkeit beeinträchtigten, hergeleitet, der Beweis des ersten Anscheins spreche dagegen, daß der Kläger die vor ihm fahrenden Fahrzeuge mit der erforderlichen Aufmerksamkeit beobachtet habe. Bei Feststellung der groben Fahrlässigkeit hat das Landesarbeitsgericht hingegen das Verhalten des Fahrers des beigefarbenen Pkws als einen vom Kläger als subjektiv entlastend vorgetragenen Umstand ausdrücklich gewürdigt und somit keineswegs allein aus der Verletzung der Sorgfaltspflicht nach der Lebenserfahrung auf grobes Verschulden geschlossen. Daß das Berufungsgericht im weiteren Verlauf seiner Überlegungen, mit denen es die Richtigkeit der Schilderung des Unfallhergangs durch den Kläger in Frage stellt, die Auffassung vertritt, "jedenfalls" spreche der Beweis des ersten Anscheins für ein grobes Verschulden des Klägers an dem Auffahrunfall, ist ohne Bedeutung. Entscheidend ist, daß das Berufungsgericht aufgrund konkreter Würdigung des unstreitigen Sachverhalts und damit rechtsfehlerfrei zu dem Ergebnis gelangt ist, der Kläger habe sich besonders unvorsichtig verhalten.
3. Es sind auch keine Umstände ersichtlich, die es der Beklagten verwehren könnten, sich im Verhältnis zum Kläger auf dessen grob fahrlässiges Verhalten zu berufen.
Nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts zur Haftung des Arbeitnehmers bei gefahrgeneigter Arbeit ist selbst bei Vorliegen einer groben Fahrlässigkeit des Schädigers nicht in jedem Fall von dessen voller Haftung auszugehen. Abgesehen vom Fall des Mitverschuldens (§ 254 BGB) kann der Arbeitgeber auch sonst nicht in allen Fällen geltend machen, daß der Schädiger wegen grob fahrlässiger Verletzung der Sorgfaltspflicht voll schadenersatzpflichtig sei. Der Arbeitgeber muß sich sein eigenes Verhalten entgegenhalten lassen, das dazu geführt hat, das Betriebsrisiko zu erhöhen (vgl. BAG Urteile vom 24. Januar 1974 - 3 AZR 488/72 - AP Nr. 74 zu § 611 BGB Haftung des Arbeitnehmers, zu I 5 der Gründe, vom 18. Januar 1972 - 1 AZR 125/71 - AP Nr. 69 zu § 611 BGB Haftung des Arbeitnehmers, zu II 2 der Gründe, und vom 7. Juli 1970 - 1 AZR 507/69 - AP Nr. 59 zu § 611 BGB Haftung des Arbeitnehmers, zu 4 b der Gründe); diese Grundsätze gelten auch bei entsprechender Anwendung des § 254 BGB gegenüber dem Anspruch eines Arbeitnehmers auf Aufwendungsersatz. Der Kläger hat jedoch keinerlei Tatsachen behauptet, die eine solche von der Beklagten zu vertretende Risikoerhöhung bewirkt hätten. Daß er z. B. übermüdet habe fahren müssen, eine bestimmte, knapp bemessene Fahrzeit habe einhalten müssen oder daß die Beklagte ihm ein mit Mängeln behaftetes Fahrzeug überlassen habe, hat der Kläger nicht dargelegt.
B. Lohnanspruch
Auch der Klageantrag zu 1) ist unbegründet. Der Kläger hat keinen Anspruch auf Zahlung des vereinbarten Lohns für die Zeit vom 27. Juli bis zum 15. August 1984 und somit auch keinen Anspruch auf die begehrte Lohnabrechnung. Darauf, ob die Kündigung der Beklagten wirksam war, kommt es nicht an.
I. Nach § 616 Abs. 1 BGB verliert der zur Dienstleistung Verpflichtete den Anspruch auf die Vergütung nicht dadurch, daß er für eine verhältnismäßig nicht erhebliche Zeit durch einen in seiner Person liegenden Grund ohne sein Verschulden an der Dienstleistung verhindert wird. Die Voraussetzungen für den Fortbestand des Lohnanspruchs des Klägers lagen nicht vor.
1. Die Untersuchungshaft, die der Kläger in der DDR erlitten hat, stellte einen in seiner Person liegenden Grund dar, durch den der Kläger an der Dienstleistung für die Beklagte verhindert wurde. Sie war als ein subjektiv persönliches Hindernis im Sinne der bisherigen Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts anzusehen (zu diesem Begriff vgl.: BAGE 30, 240, 244 f. = AP Nr. 48 zu § 616 BGB, unter II 1 a der Gründe).
2. Der Kläger war aber weder eine verhältnismäßig nicht erhebliche Zeit noch ohne sein Verschulden an der Dienstleistung verhindert.
a) Ob es sich um eine verhältnismäßig nicht erhebliche Zeit handelt, ist nach den Umständen des Einzelfalls zu bestimmen (BAG Urteil vom 25. Oktober 1973 - 5 AZR 156/73 - AP Nr. 43 zu § 616 BGB, unter 2 der Gründe). Der Kläger befand sich vom 2. Juli bis 15. August 1984 und somit mehr als sechs Wochen in Untersuchungshaft. Das Landesarbeitsgericht hat diese Zeitdauer als erheblich angesehen, wobei es berücksichtigt hat, daß das Arbeitsverhältnis schon seit Jahren bestand und voraussichtlich noch lange Jahre bestehen werde. Dies läßt keinen Rechtsfehler erkennen. Das Landesarbeitsgericht ist damit der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts gefolgt, nach der jedenfalls ein Verhinderungszeitraum von mehr als sechs Wochen in der Regel keine verhältnismäßig nicht erhebliche Zeit im Sinne des § 616 Abs. 1 BGB mehr ist (BAG Urteil vom 20. Juli 1977 - 5 AZR 325/76 - AP Nr. 47 zu § 616 BGB).
Der Kläger hat auch keinen Anspruch auf Lohn für den Teil des Verhinderungszeitraums, der als nicht erheblich anzusehen ist. Ist ein Arbeitnehmer für eine erhebliche Zeit an der Arbeitsleistung verhindert, so steht ihm auch der Vergütungsanspruch für einen verhältnismäßig nicht erheblichen Teil dieses Zeitraums nicht zu (BAGE (GS) 8, 314 = AP Nr. 22 zu § 616 BGB). Deshalb kann dahinstehen, ob ein längerer als der von der Beklagten bezahlte Zeitraum (2. Juli bis 26. Juli 1984) als nicht erheblich im Sinne des § 616 Abs. 1 BGB anzusehen wäre.
b) Der Kläger war nicht ohne sein Verschulden an der Dienstleistung verhindert. Das Verschulden muß sich auf den Verhinderungsgrund beziehen (Palandt/Putzo, BGB, 47. Aufl., § 616 Anm. 2 a cc). Grund der Verhinderung war die Untersuchungshaft. Diese hat der Kläger schuldhaft herbeigeführt.
Nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts ist ein Verschulden eines Arbeitnehmers in einem Verhalten zu sehen, das einen gröblichen Verstoß gegen das von einem verständigen Menschen im eigenen Interesse gebotene Verhalten darstellt, dessen Folgen auf den Arbeitgeber abzuwälzen unbillig wäre (BAG Urteil vom 13. November 1974 - 5 AZR 54/74 - AP Nr. 45 zu § 616 BGB, zu II 1 der Gründe, m.w.N.). Das Landesarbeitsgericht hat angenommen, daß der Kläger durch die grob fahrlässige Verursachung des Verkehrsunfalls gegen das von einem verständigen Menschen im eigenen Interesse gebotene Verhalten verstoßen hat, und der Verhinderungsgrund, die Untersuchungshaft, dadurch bedingt gewesen sei. Dem Kläger sei bekannt gewesen, daß er sich bei Verkehrsverstößen, die zu Verkehrsunfällen mit Personenschäden führen, der Gefahr einer Inhaftierung aussetze. Unter diesen Umständen sei von ihm die besonders sorgsame Beachtung der Verkehrsvorschriften nicht nur deshalb zu erwarten gewesen, weil er damit seine allgemeinen staatsbürgerlichen Pflichten und die Pflichten aus dem Arbeitsvertrag zu erfüllen gehabt habe, sondern auch, weil ein verständiger Mensch sich nicht der Gefahr einer von ihm als willkürlich empfundenen Inhaftierung aussetze. Dies ist frei von Rechtsirrtum.
Zu Unrecht rügt die Revision, das Verschulden des Klägers sei zu verneinen, weil der Unfall, hätte er sich in der Bundesrepublik Deutschland ereignet, nicht zur Untersuchungshaft geführt hätte. Das Berufungsgericht hat zu Recht auf die konkreten Umstände des Falles abgestellt.
Der Revision ist auch insoweit nicht zu folgen, als sie meint, der Arbeitgeber müsse sich nach § 242 BGB so behandeln lassen, als hätte sich der Unfall in der Bundesrepublik Deutschland ereignet. Zwar hat das Bundesarbeitsgericht in der Entscheidung vom 16. März 1967 (- 2 AZR 64/66 - AP Nr. 31 zu § 63 HGB) angenommen, es könne rechtsmißbräuchlich sein, wenn der Arbeitgeber sich gegenüber dem Verlangen des Arbeitnehmers auf Fortzahlung des Lohns auf die durch die Untersuchungshaft herbeigeführte Unfähigkeit des Arbeitnehmers zur Arbeitsleistung berufe. Dem Urteil lag ein Sachverhalt zugrunde, in dem der Arbeitnehmer in Untersuchungshaft genommen worden war, weil er in dem Verdacht stand, an Betrügereien des Arbeitgebers beteiligt gewesen zu sein. Dieser hatte also den Verdacht gegen den Arbeitnehmer und damit dessen Inhaftierung selbst durch sein eigenes unredliches Verhalten verursacht. Im vorliegenden Fall liegen die Dinge jedoch anders. Der Kläger geriet nicht allein deshalb in Untersuchungshaft, weil er für die Beklagte eine Fahrt durch die DDR unternahm, sondern weil er grob fahrlässig einen Verkehrsunfall verschuldete. Der Einwand des Rechtsmißbrauchs ist ihm deshalb verwehrt.
II. Der Kläger kann die Lohnfortzahlung auch nicht kraft Vereinbarung verlangen.
1. Daß die Beklagte die Lohnfortzahlung zunächst bis zum 26. Juli 1984 leistete, begründete entgegen der Auffassung der Revision keine Verpflichtung, für den gesamten Zeitraum der Untersuchungshaft Lohn zu zahlen. Es ist nicht ersichtlich, woraus sich diese Verpflichtung ergeben sollte. Die Beklagte war nicht gehindert, die Lohnzahlung wieder einzustellen, nachdem sie sich davon überzeugt hatte, daß sie zur Leistung nicht verpflichtet war.
2. Im Ergebnis zu Recht hat das Landesarbeitsgericht auch entschieden, daß die Beklagte nicht wirksam zugesagt hat, dem Kläger den Lohn für die Zeit der Untersuchungshaft zu zahlen. Das Berufungsgericht hat auf die Entscheidungsgründe des Arbeitsgerichts Bezug genommen, das die Beachtung der Schriftform nach § 780 BGB vermißt hat. Es kann dahinstehen, ob die vom Kläger behauptete Zusage ein abstraktes Schuldversprechen gewesen wäre und somit dieser Form bedurft hätte. Auch wenn man von der Unwirksamkeit der Kündigung der Beklagten ausgeht und in Erwägung zieht, daß die behauptete Erklärung als bestätigendes Schuldanerkenntnis wirksam war, durch das der Beklagten die Berufung auf die Nichterfüllung der Arbeitspflicht des Klägers verwehrt werden sollte, ist der Anspruch nicht gegeben. Nach dem festgestellten Sachverhalt war die Zusage nur auf die Differenz zwischen Arbeitslosengeld und Lohn gerichtet, falls der Kläger sich arbeitslos melden und Leistungen von der Arbeitsverwaltung erhalten würde. Dazu ist es jedoch nicht gekommen. Die Voraussetzungen für einen Einwendungsausschluß zu Lasten der Beklagten lagen somit nicht vor.
Michels-Holl Dr. Peifer Dr. Wittek
Dr. Liebers Brückmann
Fundstellen
Haufe-Index 441719 |
BAGE 59, 203-217 (LT1-3) |
BAGE, 203 |
BB 1989, 148-150 (LT1-3) |
DB 1988, 1756-1756 (L1-3) |
DB 1988, 2516-2517 (LT1-3) |
NJW 1989, 316 |
NJW 1989, 316-317 (LT1-3) |
EBE/BAG 1988, 34-38 (LT1-3) |
AiB 1989, 93-95 (LT1-3) |
AuB 1989, 163 (K) |
ARST 1988, 183-183 (LT1-3) |
Gewerkschafter 1989, Nr 1, 38-38 (T) |
JR 1989, 308 |
JR 1989, 308 (L1-3) |
NZA 1988, 649 |
NZA 1989, 54-55 (LT1-3) |
SAE 1989, 201-205 (LT1-3) |
AP § 611 BGB, Nr 7 |
AR-Blattei, ES 870 Nr 117 (LT1-3) |
AR-Blattei, Haftung des Arbeitnehmers Entsch 117 (LT1-3) |
EzA § 670 BGB, Nr 19 (LT1-3) |
MDR 1989, 185-186 (LT1-3) |
ROW 1989, 304-308 (ST) |
VersR 1988, 1306-1308 (LT1-3) |
VersR 1989, 722-722 (L1-3) |
ZfSch 1989, 56 (T) |