Entscheidungsstichwort (Thema)
Mitbestimmung des Betriebsrats bei Anrechnung von Tariflohnerhöhungen auf übertarifliche Zulagen
Leitsatz (redaktionell)
Hinweise des Senats:
vgl. Senatsurteil vom 11. August 1992 – 1 AZR 279/90, zur Veröffentlichung in der Fachpresse vorgesehen
Normenkette
BetrVG § 87 Abs. 1 Nr. 10
Verfahrensgang
Tenor
Auf die Revision des Klägers wird das Urteil des Landesarbeitsgerichts Berlin vom 9. April 1990 – 12 Sa 15/90 – aufgehoben.
Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Berlin vom 18. Dezember 1989 – 9 Ca 324/89 – wird zurückgewiesen.
Die Beklagte trägt die Kosten der Berufung und der Revision.
Von Rechts wegen!
Tatbestand
Der Kläger wendet sich zum wiederholten Male gegen die Anrechnung einer tariflichen Lohnerhöhung auf einen übertariflichen Lohnbestandteil und fordert zugleich für den Monat Juli 1989 die Nachzahlung des entsprechenden Differenzbetrages.
Der Kläger wurde seit 5. Januar 1972 aufgrund eines mündlich abgeschlossenen Arbeitsvertrages bei der Rechtsvorgängerin der Beklagten, einem Unternehmen des Aufzugsbaus, als Monteur beschäftigt. Mit Wirkung ab 1. August 1981 wurde der Kläger von der Beklagten übernommen. Einen ihm aus diesem Anlaß von der Beklagten vorgelegten schriftlichen Arbeitsvertrag hat der Kläger nicht unterzeichnet. Hinsichtlich der Entlohnung war in dem Vertrag bestimmt:
„Grundlage der Entlohnung ist die Vereinbarung zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer… Der den Tariflohn etwa übersteigende Teil des Lohnes ist keine Leistungszulage und wird ohne Rechtspflicht unter dem Vorbehalt des jederzeitigen Widerrufs und der Anrechnung bei Lohntariferhöhungen gewährt…”.
Auf das Arbeitsverhältnis kommt das Tarifwerk für das metallverarbeitende Handwerk Berlin einschließlich der jeweils geltenden Lohntarifverträge zur Anwendung. Mit Ausnahme der Tariflohnerhöhung von März 1986 gewährte die Beklagte dem Kläger bei sämtlichen tariflichen Lohnerhöhungen den schon von ihrer Rechtsvorgängerin gezahlten übertariflichen Zuschlag ungekürzt weiter, letztmalig anläßlich der Tariflohnerhöhung von Januar 1989. Aus Anlaß der Weitergabe der jeweiligen Tariflohnerhöhungen übermittelte die Beklagte dem Kläger ebenso wie sämtlichen anderen Arbeitnehmern ein formularmäßiges Schreiben mit dem nachfolgenden Inhalt:
„Bei übertariflichen Bestandteilen handelt es sich um freiwillige, jederzeit nach freiem Ermessen widerrufliche Leistungen, auf die auch bei wiederholter Gewährung kein Rechtsanspruch besteht.
Diese Leistungen können auch jederzeit ganz oder teilweise auf tarifliche Veränderungen und tarifliche Umgruppierungen angerechnet werden.”
Nach der Anrechnung der im März 1986 in Kraft getretenen Tariflohnerhöhung auf den übertariflichen Lohnbestandteil des Klägers ist die Beklagte auf eine entsprechende Klage des Klägers durch ein Urteil des Arbeitsgerichts Berlin vom 17. November 1987 (10 Ca 373/86) zur Nachzahlung des Differenzbetrages für die Monate Oktober bis Dezember 1986 verurteilt worden, während die Zahlungsklage für die Monate März bis September 1987 wegen der Versäumung der tariflichen Ausschlußfristen abgewiesen worden ist.
Nachdem die Beklagte dem Kläger den übertariflichen Lohnbestandteil auch ab Januar 1987 nur gekürzt gezahlt hatte, wurde die Beklagte auf eine entsprechende Klage des Klägers rechtskräftig verurteilt, für die Monate Januar 1987 bis Mai 1988 die Zulagendifferenz zu zahlen. Gleichzeitig wurde rechtskräftig festgestellt, daß die Beklagte verpflichtet sei, dem Kläger ab Juni 1988 einen Lohn auf der Basis der Lohngruppe 5 zuzüglich einer Zulage von 2,81 DM brutto zu zahlen (Urteil des LAG Berlin vom 7. Oktober 1988 – 13 Sa 62/88 –).
Die aus Anlaß der tariflichen Arbeitszeitverkürzung ab 1. Juli 1989 in Kraft getretene Tariflohnerhöhung von 2,7 % hat die Beklagte in vollem Umfang auf den übertariflichen Lohnbestandteil angerechnet. Dies teilte sie dem Kläger ebenso wie den übrigen Arbeitern mit einem formularmäßigen Schreiben vom 31. Juli 1989 mit. Der Kläger erhielt bis 30. Juni 1989 einen Tariflohn von 15,49 DM und eine übertarifliche Zulage von 2,81 DM. Ab 1. Juli 1989 sollte er einen Tariflohn von 15,91 DM und eine freiwillige übertarifliche Zulage von 2,39 DM erhalten, sein Gesamtstundenlohn sollte also auch nach dem 1. Juli 1989 18,30 DM betragen.
Diese Anrechnung begründete die Beklagte gegenüber ihrer aus 42 Arbeitern und 13 Angestellten bestehenden Belegschaft unter dem 1. August 1989 mit einem betrieblichen Aushang, der folgenden Inhalt hat:
„An alle Mitarbeiter Wir verstehen die Verärgerung aller Mitarbeiter bezüglich der 2,7 % Lohnausgleichszahlung auf den Tariflohn.
Auch die Geschäftsleitung und die Eigentümer der Firma D sind über die hohen Kosten der Betriebsratsarbeit und über zum Teil stark überzogene Neubau- und Kleinstangebotsarbeiten zu fest kalkulierten Preisen bzw. Stunden besonders verärgert!
Diese schlechten Einflüsse hatten für das Jahr 1988 ein Minus von ca. 120.000,– DM zur Folge.
Allein der vor kurzem geführte Prozeß des Betriebsrates vor dem Arbeitsgericht gegen die Firma D mit Rechtsanwälten, Einigungsstelle und Arbeitszeitausfall hat der Firma ca. 10.000,– DM gekostet. Ein Mißerfolg des Betriebsrates. Dieser Riesenaufwand für eine 1/4 Stunde pro Tag!
Die angerechnete freiwillige übertarifliche Zulage ist bei allen Mitarbeitern erfolgt.
Im Hinblick auf Konkurrenzfähigkeit, gesicherte Arbeitsplätze und auf die geplanten und durchzuführenden Neubaumaßnahmen zukunftsorientierter Arbeitsplätze sind alle Arbeitnehmer und auch Eigentümer zu besonderer Sparsamkeit und vernünftiger Arbeitsweise aufgefordert.
Die 2,7 % Tariflohnerhöhung sind kein Nachteil, sondern ein Vorteil bei der ab 1. Januar 1990 stattfindenden weiteren Tariflohnerhöhung von 2,5 % bzw. einer weiteren neuen Tariflohntabelle ab 1. Juli 1990 mit einer Erhöhung von 1,4 %.
Wir können bei einem besseren Jahresergebnis für 1989 unsere ehrlichen und fleißigen Mitarbeiter mit Leistungszulagen bzw. Prämien belohnen und werden das auch durchführen.
Den Querulanten, Zuspätkommern und „Krankfeiernden” erteilen wir auch zur Gerechtigkeit der ehrlichen Mitarbeiter eine eindeutige Absage.
Wir möchten nicht nur Kritik üben, sondern auch allen Mitarbeitern, die es verdient haben, besonders danken.
Unsere Maßnahme ist mit der Innung abgeklärt und beruht auf einer Grundsatzentscheidung des Bundesarbeitsgerichts, dieses Urteil hängen wir in Kürze aus.”
Der von der Beklagten an der Anrechnung der Tariflohnerhöhung auf die übertariflichen Lohnbestandteile nicht beteiligte Betriebsrat widersprach der Anrechnung mit einem Schreiben vom 3. August 1989 unter Hinweis auf das von ihm in Anspruch genommene Mitbestimmungsrecht aus § 87 Abs. 1 Nr. 10 BetrVG.
Ab 1. Juli 1989 hat die Beklagte dem Arbeiter S erstmalig eine übertarifliche Zulage in Höhe von 0,50 DM brutto gezahlt, die sie mit Wirkung ab 1. September 1989 um weitere 1,00 DM brutto pro Stunde erhöht hat. Ebenfalls mit Wirkung ab 1. September 1989 hat die Beklagte dem Arbeiter Y eine übertarifliche Zulage von 1,00 DM brutto pro Stunde gezahlt. Zur gleichen Zeit ist der Arbeiter M in eine höhere Lohngruppe eingestuft worden. Mit Wirkung ab September 1989 hat die Beklagte an eine unbekannt gebliebene Anzahl von Mitarbeitern Prämien in gleichfalls unbekannt gebliebener Höhe ausgezahlt. Eine vom Betriebsrat mit Schreiben vom 18. Oktober 1989 an die Beklagte gerichtete Bitte um nähere Auskunft über die Prämien und die Beachtung seiner Mitbestimmungsrechte ist von der Beklagten nicht beantwortet worden.
Nachdem der Kläger gegenüber der Beklagten bereits mit einem Schreiben vom 2. August 1989 der Anrechnung widersprochen und mit einem Schreiben vom 18. August 1989 den Differenzbetrag für den Monat Juli 1989 in der rechnerisch unstreitigen Höhe von 68,15 DM brutto geltend gemacht hatte, fordert er mit der Klage die Zahlung dieses Differenzbetrages für den Monat Juli 1989 und darüber hinaus die Feststellung, daß die ab 1. Juli 1989 vorgenommene Anrechnung unzulässig sei.
Der Kläger hat die Auffassung vertreten, die von der Beklagten vorgenommene Anrechnung sei aus mehreren rechtlichen Gesichtspunkten unzulässig. Die Anrechnung stelle eine Lohnänderung dar, der gemäß § 3 Abs. 2 des Lohntarifvertrages eine ordentliche Änderungskündigung vorauszugehen habe. Die Anrechnung sei zudem unwirksam, weil der Betriebsrat der Anrechnung der freiwilligen übertariflichen Zulagen nicht zugestimmt habe. Außerdem verstoße die Anrechnung gegen den Gleichbehandlungsgrundsatz, da seit 1. Juli 1989 erstmalig an mehrere Mitarbeiter übertarifliche Zulagen gezahlt worden seien. Das gelte auch für den Arbeitnehmer M, der bei gleichbleibender Tätigkeit höhergruppiert worden sei.
Der Kläger hat beantragt,
- die Beklagte zu verurteilen, an ihn 68,15 DM brutto nebst 4 % Zinsen seit dem 11. September 1989 zu zahlen;
- festzustellen, daß die von der Beklagten mit Schreiben vom 31. Juli 1989 vorgenommene Anrechnung der übertariflichen Zulage um 0,42 DM unzulässig ist.
Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen. Sie hat die Auffassung vertreten, die vollständige Anrechnung der Tariflohnerhöhung auf die übertariflichen Lohnbestandteile sei zulässig.
Bezüglich des Arbeiters S hat die Beklagte behauptet, dieser habe die Zulage deshalb erhalten, weil er vom Hilfsmonteur zum Werkstattmonteur gewechselt sei. Insoweit hat die Beklagte erklärt, über die Zahlung einer übertariflichen Zulage werde im Einzelfall entschieden, wobei Fleiß, Zuverlässigkeit, Betriebstreue etc. die maßgebenden Kriterien seien. Diese Kriterien hätten auch den im September 1989 gezahlten Prämien zugrunde gelegen. Der Kläger habe es seiner Prozessiererei zuzuschreiben, daß er diese Prämie nicht erhalten habe.
Das Arbeitsgericht hat der Klage mit Ausnahme eines geringfügigen Zinsanspruchs in vollem Umfang stattgegeben. Auf die Berufung der Beklagten hat das Landesarbeitsgericht die Klage abgewiesen. Mit der zugelassenen Revision begehrt der Kläger die Wiederherstellung der erstinstanzlichen Entscheidung, während die Beklagte um Zurückweisung der Revision bittet.
Entscheidungsgründe
Die Revision des Klägers ist begründet.
Entgegen der Auffassung des Landesarbeitsgerichts war die von der Beklagten vorgenommene Anrechnung der Tariflohnerhöhung auf die übertariflichen Zulagen mitbestimmungspflichtig. Die unterbliebene Beteiligung des Betriebsrats hat dementsprechend zur Unwirksamkeit der Anrechnung geführt.
I. Die Anträge des Klägers sind zulässig.
1. Der Zahlungsantrag ist ohne weiteres zulässig.
2. Zulässig ist auch der Feststellungsantrag. Nach § 256 Abs. 1 ZPO kann auf Feststellung des Bestehens oder Nichtbestehens eines Rechtsverhältnisses Klage erhoben werden, wenn der Kläger ein rechtliches Interesse daran hat, daß das Rechtsverhältnis durch richterliche Entscheidung alsbald festgestellt werde. Eine Feststellungsklage kann auch einzelne aus einem Rechtsverhältnis herzuleitende Verpflichtungen zum Gegenstand haben. Der Antrag des Klägers läßt sich mit den Vorinstanzen dahin auslegen, daß die Feststellung der Verpflichtung der Beklagten begehrt wird, ab 1. August 1989 für jede Arbeitsstunde weiterhin eine Zulage von 2,81 DM brutto zu vergüten. Der Zulässigkeit der Feststellungsklage steht nicht die grundsätzliche Subsidiarität des Feststellungsantrags gegenüber einem Leistungsantrag entgegen. Durch den Feststellungsantrag wird bis zu einer Änderung des gegebenen Sachverhaltes zwischen den Parteien die Höhe der dem Kläger zu entrichtenden Zulage geklärt. Insoweit führt die Durchführung des Feststellungsverfahrens unter dem Gesichtspunkt der Prozeßwirtschaftlichkeit zu einer sinnvollen und sachgemäßen Erledigung des aufgetretenen Streites (vgl. für Gehaltsforderungen z.B. BAG Urteil vom 13. November 1987 – 7 AZR 550/86 – AP Nr. 61 zu § 37 BetrVG 1972, zu II 2 der Gründe, m.w.N.). Entsprechend sind Feststellungsanträge hinsichtlich der Weiterzahlung von übertariflichen Zulagen ohne weitere Problematisierung vom Fünften Senat für zulässig erachtet worden (vgl. Urteil vom 13. Mai 1987 – 5 AZR 125/86 – AP Nr. 4 zu § 305 BGB Billigkeitskontrolle).
3. Der Zulässigkeit der Klage steht auch nicht das Urteil des Landesarbeitsgerichts Berlin vom 7. Oktober 1988 (13 Sa 62/88) entgegen. Aufgrund dieses Urteils ist zwar rechtskräftig festgestellt worden, daß die Beklagte verpflichtet sei, dem Kläger ab Juni 1988 einen Lohn auf der Basis der Lohngruppe 5 zuzüglich einer Zulage von 2,81 DM brutto zu zahlen. Das Landesarbeitsgericht hat aber zu Recht darauf hingewiesen, daß sich die Rechtskraft dieses Urteils ausweislich seiner Begründung lediglich auf den Zeitraum erstreckt, für den die „Anrechnung” der Tariflohnerhöhung von März 1986 auf den Effektivlohn des Klägers bedeutsam gewesen ist. Damit hat es über einen Streitgegenstand rechtskräftig entschieden, der mit dem Streitgegenstand des vorliegenden Verfahrens – nämlich die Wirksamkeit der Anrechnung der Tariflohnerhöhung im Juli 1989 – nicht identisch ist. Dieses Urteil kann auch nicht in dem Sinne verstanden werden, daß der Kläger bei jeder folgenden Tariflohnerhöhung einen Anspruch auf „Aufstockung” seines Effektivlohnes haben bzw. die Beklagte gehindert sein solle, zukünftige Tariflohnerhöhungen auf den Effektivlohn des Klägers „anzurechnen”.
II. Die Anträge des Klägers sind begründet.
Dem Kläger steht nach §§ 611, 614 BGB in Verbindung mit seinem Arbeitsvertrag für den Monat Juli 1989 der Betrag von 68,15 DM brutto als Vergütung zu. Hierbei handelt es sich um die Differenz zwischen der ihm gewährten übertariflichen Zulage von 2,46 DM und der von ihm beanspruchten übertariflichen Zulage von 2,81 DM. Er hat auch über den 1. August 1989 hinaus einen Anspruch auf eine übertarifliche Zulage in dieser Höhe. Die Anrechnung der Beklagten der zum Ausgleich für die Arbeitszeitverkürzung ab 1. Juli 1989 vereinbarten Tariflohnerhöhung um 2,7 % auf die ihm bis dahin gewährte übertarifliche Zulage von 2,81 DM ist unwirksam.
1. Mit Recht hat das Landesarbeitsgericht angenommen, der Kläger habe keinen vertraglichen Anspruch auf Fortzahlung der Zulage in der bisherigen Höhe ab 1. Juli 1989. Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts kann der Arbeitgeber übertarifliche Zulagen im Falle einer Tariflohnerhöhung grundsätzlich auf den Tariflohn anrechnen, es sei denn, dem Arbeitnehmer würde aufgrund einer vertraglichen Abrede die Zulage als selbständiger und beständiger Lohnbestandteil neben dem jeweiligen Tariflohn zustehen (BAG Urteil vom 8. Dezember 1982 – 4 AZR 481/80 – AP Nr. 15 zu § 4 TVG Übertariflicher Lohn und Tariflohnerhöhung; Urteil vom 3. Juni 1987, BAGE 55, 322, 325 = AP Nr. 58 zu § 1 TVG Tarifverträge: Metallindustrie, m.w.N.). Hierbei kann sich eine stillschweigende Vereinbarung der Zulage zum jeweiligen Tariflohn auch aus einer betrieblichen Übung, den besonderen Umständen bei den Vertragsverhandlungen oder dem Zweck der Zulage ergeben, z.B. bei einer Leistungszulage (vgl. BAGE 18, 22 = AP Nr. 1 zu § 4 TVG Tariflohn und Leistungsprämie). Mangels gegenteiliger vertraglicher Vereinbarung verringert sich der übertarifliche Lohn um den Betrag der Tariflohnerhöhung (BAGE 38, 118 = AP Nr. 47 zu § 242 BGB Gleichbehandlung). Daher kann in der tatsächlichen Zahlung einer übertariflichen Zulage allein noch nicht die vertragliche Abrede erblickt werden, die Zulage solle auch nach einer Tariflohnerhöhung als selbständiger Lohnbestandteil neben dem künftigen Tariflohn gezahlt werden, es sei denn, dies ergäbe sich aus dem Zweck der Zulage. Diese Grundsätze gelten nach der Rechtsprechung selbst dann, wenn die übertarifliche Zulage über einen längeren Zeitraum vorbehaltslos zum Tariflohn gezahlt und bisher niemals mit Tariflohnerhöhungen verrechnet wurde (BAG Urteil vom 8. Dezember 1982, aaO).
Nach den Feststellungen des Arbeitsgerichts, auf die das Landesarbeitsgericht Bezug genommen hat, hat der Kläger selbst nicht behauptet, mit der Rechtsvorgängerin der Beklagten eine Abrede getroffen zu haben, nach der die Zulage beständig neben dem jeweiligen Tariflohn zu zahlen sei. Der für eine entsprechende betriebliche Übung notwendige Vertrauenstatbestand hat spätestens seit der Übernahme des Betriebes durch die Beklagte im Jahre 1981 nicht (mehr) bestanden. In dem schriftlichen Arbeitsvertrag aus dem Jahre 1981 hat die Beklagte sich vorbehalten, die übertarifliche Zulage jederzeit zu widerrufen und bei Tariflohnerhöhungen anzurechnen. Darauf hat die Beklagte den Kläger anläßlich aller seit 1981 erfolgten Tariflohnerhöhungen hingewiesen.
2. Die Anrechnung verstößt auch nicht gegen die Bestimmung des § 3 Abs. 2 des Lohntarifvertrages für das metallverarbeitende Handwerk Berlin vom 25. Juli 1980, wonach „Lohnänderungen zum Nachteil des Arbeitnehmers einer Änderungskündigung bedürfen”. Bei der Anrechnung handelt es sich nicht um eine Lohnänderung, da sich der Gesamtstundenlohn des Klägers nicht verringert hat.
3. Dem Landesarbeitsgericht ist aber nicht zu folgen, soweit es ein Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats bei Anrechnung der Tariflohnerhöhung verneint hat. Da die Beklagte dieses Mitbestimmungsrecht nicht beachtet hat, hat der Kläger einen Anspruch auf Zahlung der ungekürzten Zulage auch über den 1. Juli 1989 hinaus.
Die Anrechnung einer Tariflohnerhöhung auf übertarifliche Zulagen und der Widerruf von übertariflichen Zulagen aus Anlaß und bis zur Höhe einer Tariflohnerhöhung unterliegen nach § 87 Abs. 1 Nr. 10 BetrVG der Mitbestimmung des Betriebsrats, wenn sich infolge der Anrechnung die Verteilungsgrundsätze ändern und darüber hinaus für eine anderweitige Anrechnung bzw. Kürzung ein Regelungsspielraum verbleibt. Dies gilt unabhängig davon, ob die Anrechnung durch gestaltende Erklärung erfolgt oder sich automatisch vollzieht. Zahlt der Arbeitgeber – wie im vorliegenden Fall – unterschiedlich hohe Zulagen zum jeweiligen Tariflohn, ändert sich bei einer gleichmäßigen prozentualen Anrechnung einer Tariflohnerhöhung notwendigerweise das Verhältnis der Höhe der Zulagen zueinander; eine solche Änderung stellt eine Änderung des Verteilungsgrundsatzes dar, so daß grundsätzlich ein Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats nach § 87 Abs. 1 Nr. 10 BetrVG besteht (Beschluß des Großen Senats vom 3. Dezember 1991 – GS 2/90 – zur Veröffentlichung vorgesehen, zu C III 5 b aa der Gründe).
Die Änderung der Verteilungsgrundsätze infolge Widerrufs oder Anrechnung einer Tariflohnerhöhung auf übertarifliche Zulagen unterliegt aber nur grundsätzlich der Mitbestimmung des Betriebsrats. Für ein Mitbestimmungsrecht ist dann kein Raum, wenn für eine anderweitige Anrechnung bzw. Kürzung kein Regelungsspielraum mehr besteht, weil der Arbeitgeber die Tariflohnerhöhung auf die Zulagen aller Arbeitnehmer voll und gleichmäßig anrechnet (Beschluß des Großen Senats vom 3. Dezember 1991, aaO, zu C III 6 b bb der Gründe).
Diese Voraussetzungen sind hier jedoch nicht gegeben. Die Beklagte hat die Tariflohnerhöhung nicht in diesem Sinne bei allen Arbeitnehmern voll und gleichmäßig angerechnet. Dabei ist nicht allein auf ihre Mitteilung vom 31. Juli 1989 abzustellen, mit der sie den betroffenen Arbeitnehmern die Anrechnung der Tariflohnerhöhung bekanntgab. Diese ist vielmehr zu sehen im Zusammenhang mit ihrem weiteren Schreiben vom 1. August 1989. Bereits hier hatte die Beklagte mitgeteilt, sie könne bei einem besseren Jahresergebnis für 1989 ihre ehrlichen und fleißigen Mitarbeiter mit Leistungszulagen und Prämien belohnen und werde dies auch durchführen; den Querulanten und „Krankfeiernden” erteile sie auch zur Gerechtigkeit der ehrlichen Mitarbeiter eine eindeutige Absage.
Allein diese im unmittelbaren zeitlichen Zusammenhang mit der Anrechnungserklärung erfolgte Aussage macht schon deutlich, daß es der Beklagten nicht um eine einheitliche und gleichmäßige Anrechnung bei allen Arbeitnehmern ging, sondern um eine Umverteilung in der Weise, daß einigen Arbeitnehmern die Tariflohnerhöhung voll angerechnet werden sollte, andere hingegen aus dem Zulagenvolumen „Prämien und Leistungszulagen” erhalten sollten.
Tatsächlich ist die Beklagte dann auch so verfahren. Unstreitig hat sie ab September – nur einen Monat nach den Erklärungen vom 31. Juli/1. August 1989 und damit zu einem Zeitpunkt, zu dem neue und endgültige Erkenntnisse über das Jahresergebnis 1989 kaum gewonnen sein konnten – an eine unbekannt gebliebene Anzahl von Mitarbeitern Prämien in gleichfalls nicht bekannt gewordener Höhe ausgezahlt. Maßgebend für diese Prämien sind nach der eigenen Erklärung des Geschäftsführers der Beklagten im Termin zur mündlichen Verhandlung vor dem Arbeitsgericht am 18. Dezember 1989 dieselben Kriterien wie für die bisherigen übertariflichen Zulagen, nämlich Fleiß, Zuverlässigkeit und Betriebstreue.
Unstreitig hat die Beklagte weiter eine dem Arbeitnehmer S erstmals ab 1. Juli 1989 gezahlte Zulage von 0,50 DM ab 1. September 1989 um 1,– DM erhöht; sie hat dem Arbeitnehmer Y ab 1. September 1989 neu eine übertarifliche Zulage von 1,– DM gezahlt.
Aufgrund dieses feststehenden Sachverhalts ist davon auszugehen, daß die Beklagte von vornherein eine Umverteilung des Zulagenvolumens beabsichtigte in der Weise, daß sie die Tariflohnerhöhung 1989 bei einem Teil der Arbeitnehmer voll und endgültig anrechnen, einem anderen Teil hingegen zusätzliche Prämien und Leistungszulagen in unterschiedlicher Höhe zahlen wollte. Dies war das eigentliche Regelungsziel der Beklagten. Daraus wird deutlich, daß die mit Schreiben vom 31. Juli 1989 erklärte Anrechnung nicht isoliert betrachtet werden darf, sondern nur als Teil einer Umverteilung des Zulagenvolumens im Betrieb der Beklagten anläßlich der Tariflohnerhöhung (vgl. schon BAG Urteil vom 3. August 1982, BAGE 39, 277, 281 = AP Nr. 12 zu § 87 BetrVG 1972 Lohngestaltung, zu 3 a der Gründe).
Ist aber davon auszugehen, daß die Beklagte im Ergebnis nur einem Teil der Arbeitnehmer die Tariflohnerhöhung auf die übertarifliche Zulage angerechnet hat, haben sich nicht nur die Verteilungsgrundsätze geändert. Es blieb vielmehr auch ein Spielraum für eine anderweitige Verteilung des Zulagenvolumens, der stets Voraussetzung für ein Mitbestimmungsrecht nach § 87 Abs. 1 Nr. 10 BetrVG ist. Denkbar wäre etwa eine teilweise gleichmäßige Anrechnung bei allen Arbeitnehmern gewesen oder eine ungleichmäßige Anrechnung nach anderen Kriterien.
Da die Beklagte das Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats nicht beachtet hat, ist die Anrechnung der Tariflohnerhöhung gegenüber dem Kläger unwirksam (Beschluß des Großen Senats vom 3. Dezember 1991, aaO, zu D II der Gründe).
Auf die Revision des Klägers ist daher das Urteil des Landesarbeitsgerichts aufzuheben und die Berufung der Beklagten gegen das der Klage stattgebende Urteil des Arbeitsgerichts zurückzuweisen. Die Beklagte hat die Kosten der Berufung und der Revision zu tragen.
Unterschriften
Dr. Kissel, Dr. Weller, Dr. Rost, Hilgenberg, Rösch
Fundstellen