Entscheidungsstichwort (Thema)
Zuständigkeit der Arbeitsgerichte für Klagen des PSV
Leitsatz (amtlich)
Für Rechtsstreitigkeiten über den Anspruch des PSV auf Übertragung von Vermögensteilen einer Unterstützungskasse (§ 9 Abs 3 BetrAVG) sind die Gerichte für Arbeitssachen zuständig. Zwar fehlt eine ausdrückliche Regelung des Arbeitsgerichtsgesetzes, die Zuständigkeit ergibt sich aber aus den Grundsätzen des § 2 Abs 1 Nr 5 und 6 ArbGG in Verbindung mit § 3 ArbGG.
Normenkette
ArbGG § 2 Abs. 1 Nrn. 3, 5-6, § 3; BetrAVG § 9 Abs. 3, § 13; ZPO § 551 Nr. 7, §§ 564, 565 Abs. 1 S. 1
Verfahrensgang
LAG Baden-Württemberg (Urteil vom 24.05.1985; Aktenzeichen 12 Sa 146/84) |
ArbG Karlsruhe (Urteil vom 19.06.1984; Aktenzeichen 4 Ca 662/83) |
Tenor
- Auf die Revision des Klägers und die Anschlußrevision der Beklagten wird das Urteil des Landesarbeitsgerichts Baden-Württemberg vom 24. Mai 1985 – 12 Sa 146/84 – aufgehoben.
- Die Sache wird zur erneuten Verhandlung und Entscheidung – auch über die Kosten der Revision – an das Landesarbeitsgericht zurückverwiesen.
Von Rechts wegen!
Tatbestand
Die Beklagte ist eine Gruppenunterstützungskasse, deren ausschließlicher Zweck die freiwillige Unterstützung von Werksangehörigen oder ehemaligen Werksangehörigen der Industriewerke K… AG und ihrer Tochter- und Beteiligungsgesellschaften ist. Zu den 13 Tochter- oder Beteiligungsgesellschaften gehörten die I… mbH L…, die später unter dem Namen B… GmbH auftrat. Über deren Vermögen wurde am 1. September 1980 das Konkursverfahren eröffnet. Zu diesem Zeitpunkt waren etwa 75 Rentner versorgungsberechtigt und weitere 400 Arbeitnehmer besaßen unverfallbare Versorgungsanwartschaften. Der Kläger übernahm diese Versorgungsverpflichtungen als Träger der gesetzlichen Insolvenzsicherung und vereinbarte mit der Beklagten, daß diese die Ruhegelder für das 3. und 4. Quartal 1980 auszahlte.
Der Kläger verlangt nach § 9 Abs. 3 Satz 3 BetrAVG den Betrag, der nach seiner Darlegung dem Teil des Vermögens der Beklagten entspricht, der auf das insolvente Unternehmen entfällt. Hierzu hat er die Rechtsauffassung vertreten, daß die Gerichte für Arbeitssachen für die Entscheidung des Rechtsstreits zuständig sind. Bei Direktzusagen gingen im Insolvenzfall die Versorgungsansprüche der Arbeitnehmer auf ihn über; mit den übergegangenen Ansprüchen könne er sich am Konkursverfahren beteiligen. Da die Unterstützungskasse keine Rechtsansprüche einräume, habe ihm der Gesetzgeber ersatzweise einen Anspruch auf Übernahme des Vermögens bzw. eines Teils des Vermögens der Unterstützungskasse eingeräumt, wenn über das Vermögen eines Trägerunternehmens das Konkursverfahren eröffnet werde. Zur Berechnung dieses Teils hat der Kläger behauptet: Das Reinvermögen der Unterstützungskasse zum Insolvenzzeitpunkt habe 3,5688 Millionen DM betragen. Infolge der Insolvenz habe er 9,26845 % der Gesamtrentenverpflichtungen der Beklagten übernehmen müssen. Das entspreche einem Betrag von 341.779,-- DM des Reinvermögens. Da die Beklagte von Oktober bis Dezember 1980 Renten von insgesamt 27.358,-- DM weitergezahlt habe, könne sie in dieser Höhe von ihm Erstattung verlangen. Gegen diesen Anspruch rechne er mit seiner Forderung auf Vermögensübertragung auf, so daß ihm ein Anspruch in Höhe von 314.421,-- DM verbleibe.
Der Kläger hat beantragt,
die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger 314.421,-- DM nebst 5 % Zinsen seit dem 4. Februar 1982 zu zahlen.
Die Beklagte hat beantragt,
- die Klage abzuweisen.
- Widerklagend: den Kläger zu verurteilen, an die Beklagte 56.667,43 DM nebst 11,25 % Zinsen aus 37.261,30 DM seit 22. Januar 1981 sowie 11,25 % Zinsen aus 19.406,13 DM ab Rechtshängigkeit der Widerklage an die Beklagte zu zahlen.
Der Kläger hat beantragt, die Widerklage abzuweisen.
Die Beklagte hat die Rechtsauffassung vertreten, die Gerichte für Arbeitssachen seien für die Entscheidung des Rechtsstreits nicht zuständig, weil der Streitgegenstand in dem Katalog des § 2 ArbGG nicht aufgezählt sei. Sie hat behauptet, der Kläger habe keine Forderungen. Das insolvente Unternehmen habe seinen Beitragspflichten nicht genügt. Bei Eintritt der Insolvenz habe sie Beitragsforderungen in Höhe von 400.623,79 DM und weiterer 26.708,25 DM wegen rückständiger Zinsen gehabt, die in ein Darlehen umgewandelt worden seien. Mit diesem Darlehensanspruch sei sie im Konkursverfahren ausgefallen. Wenn sie nun auch noch einen Teil ihres Vermögens auf den Kläger übertragen müßte, würden die übrigen Träger der Unterstützungskasse für Schulden des insolventen Unternehmens herangezogen. Das könne nicht rechtens sein. Ihre Widerklageforderung ergebe sich aus den Rentenzahlungen an die Pensionäre des insolventen Unternehmens für die Monate Juli bis August 1980 in Höhe von 19.406,13 DM, für den Monat September 1980 in Höhe von 9.903,30 DM und für die Monate Oktober bis Dezember 1980 in Höhe von 27.358,-- DM.
Das Arbeitsgericht hat Klage und Widerklage wegen Unzuständigkeit der Gerichte für Arbeitssachen als unzulässig abgewiesen. Hiergegen haben der Kläger Berufung und die Beklagte vorsorglich unselbständige Anschlußberufung eingelegt. Das Landesarbeitsgericht hat auf die mündliche Verhandlung vom 24. Mai 1985 mit einem am 15. Juli 1986 zur Geschäftsstelle des Landesarbeitsgerichts gelangten und am 16. Juli 1986 zugestellten Urteil die Berufung zurückgewiesen. Hiergegen richtet sich die Revision des Klägers und die Anschlußrevision der Beklagten.
Entscheidungsgründe
Revision und Anschlußrevision sind begründet. Die Gerichte für Arbeitssachen sind für die Entscheidung des Rechtsstreits zuständig. Es kann aber noch nicht beurteilt werden, in welcher Höhe dem Kläger Ansprüche gegen die Beklagte zustehen.
I. Ansprüche des Trägers der Insolvenzsicherung gegen eine Unterstützungskasse oder deren insolventes Trägerunternehmen auf Vermögensübertragung fallen nicht in die Zuständigkeit der ordentlichen Gerichte. Vielmehr sind sie vor den Arbeitsgerichten geltend zu machen.
1. Die Zuständigkeit der Gerichte für Arbeitssachen richtet sich nach den §§ 2 ff. ArbGG. § 2 und § 2a ArbGG enthalten eine Aufzählung der Fallgestaltungen von Rechtsstreitigkeiten, die die Arbeitsgerichte entscheiden sollen. Soweit dabei auf die denkbaren Parteien abgestellt wird, enthält § 3 ArbGG eine wesentliche Ergänzung. Aus § 3 ArbGG ist der Rechtsgrundsatz abzuleiten, daß die Zuständigkeit der Gerichte für Arbeitssachen nicht dadurch berührt wird, daß Gläubiger oder Schuldner der in § 2 oder § 2a ArbGG erfaßten arbeitsrechtlichen Streitgegenstände wechseln. Dies haben das Arbeitsgericht und anscheinend auch das Landesarbeitsgericht verkannt.
Das Arbeitsgericht hat die Klage wegen fehlender Zuständigkeit als unzulässig abgewiesen. Das Landesarbeitsgericht hat die Berufung zurückgewiesen, ohne daß seine Entscheidung jedoch eine Begründung enthält. Es hat das Urteil am 24. Mai 1985 verkündet, jedoch erst am 15. Juli 1986 mit vollständigem Wortlaut zur Geschäftsstelle gegeben, von der es am 16. Juli 1986 zugestellt worden ist. Dies war verspätet.
Nach § 551 Nr. 7 ZPO ist stets anzunehmen, daß eine Entscheidung auf der Verletzung eines Gesetzes beruht, wenn sie nicht mit Gründen versehen ist. Eine Entscheidung ist nicht mit Gründen versehen, wenn ihr überhaupt keine Begründung beigegeben wird oder die Begründung offensichtlich widersprüchlich oder unvollständig ist (vgl. Zöller/Schneider, ZPO, 14. Aufl., § 551 Rz 8 mit weiteren Nachweisen). Dasselbe gilt dann, wenn die Begründung so verspätet abgefaßt wird, daß dadurch eine Kontrolle der bei der Entscheidung maßgebenden Feststellungen und Gründe ausgeschlossen wird. Von einer solchen Verspätung ist im allgemeinen auszugehen, wenn zwischen Verkündung und Begründung des Urteils mehr als ein Jahr liegt (BAG 38, 55, 57 = AP Nr. 1 zu § 68 ArbGG 1979; 44, 323, 328 = AP Nr. 82 zu §§ 22, 23 BAT 1975; seither ständig im Anschluß an BSGE 51, 122; BVerwGE 50, 278). So war es im vorliegenden Berufungsverfahren.
Nach § 564 ZPO ist das Urteil des Landesarbeitsgerichts aufzuheben, soweit die Revision für begründet erachtet wird. Im Falle der Aufhebung ist die Sache zur anderweiten Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückzuverweisen (§ 565 Abs. 1 Satz 1 ZPO). Das Revisionsgericht hat jedoch in der Sache selbst zu entscheiden, wenn das Berufungsurteil wegen Gesetzesverletzung aufgehoben wird, der Sachverhalt jedoch so weit geklärt ist, daß das Revisionsgericht abschließend entscheiden kann. Das ist vorliegend der Fall, soweit die Zuständigkeit der Gerichte für Arbeitssachen angezweifelt wird. Insoweit ergibt sich das Streitverhältnis der Parteien aus der Sitzungsniederschrift in Verbindung mit dem vor dem Senat unstreitig gestellten Sachverhalt.
2. Der Zuständigkeitskatalog des § 2 ArbGG erwähnt Rechtsstreitigkeiten zwischen dem Kläger als dem gesetzlichen Träger der Insolvenzsicherung und einer Gruppenunterstützungskasse nicht ausdrücklich. Die Zuständigkeit ergibt sich jedoch aus einer analogen Anwendung des § 2 Abs. 1 Nr. 5 und 6 ArbGG in Verb. mit § 3 ArbGG.
a) § 2 ArbGG enthält Regelungslücken, soweit es um bürgerliche Rechtsstreitigkeiten geht, in denen der Kläger als Träger der gesetzlichen Insolvenzsicherung beteiligt ist. Durch § 13 BetrAVG vom 19. Dezember 1974 (BGBl I, 3610) ist § 2 Abs. 1 Nr. 2a in das Arbeitsgerichtsgesetz vom 3. September 1953 (BGBl I, 1267) eingefügt und durch das Gesetz zur Beschleunigung und Bereinigung des arbeitsgerichtlichen Verfahrens vom 21. Mai 1979 (BGBl I, 545) als § 2 Abs. 1 Nr. 6 ArbGG bezeichnet worden. Hiernach sind die Gerichte für Arbeitssachen zuständig wegen Ansprüchen von Arbeitnehmern oder ihren Hinterbliebenen auf Leistungen der Insolvenzsicherung nach dem 4. Abschnitt des Betriebsrentengesetzes.
Der Gesetzgeber hat zu Unrecht angenommen, daß er damit die Zuständigkeit der Gerichte für Arbeitssachen im Falle der Insolvenz hinreichend geregelt habe. Er hat nicht nur die in § 9 Abs. 3 BetrAVG begründeten Ansprüche übersehen, sondern alle mit der Insolvenzsicherung zusammenhängenden zivilrechtlichen Streitigkeiten zwischen dem Träger der Insolvenzsicherung und insolventen Arbeitgebern. Nach § 7 Abs. 1 Satz 3 Nr. 5 BetrAVG gilt auch die Kürzung oder Einstellung von Versorgungsleistungen wegen wirtschaftlicher Notlage des Arbeitgebers als Sicherungsfall, soweit dies durch rechtskräftiges Urteil eines Gerichts für zulässig erklärt worden ist. Hier können nur die Gerichte für Arbeitssachen gemeint sein. Diese sind für die Auseinandersetzungen über den Eintritt der Insolvenz zuständig, soweit sich Arbeitnehmer und PSV streiten. Die vergleichbaren Rechtsstreitigkeiten zwischen Arbeitgeber und PSV stehen damit in einem untrennbaren Zusammenhang. Der Senat hat sogar verlangt, daß die Klärung zunächst zwischen insolventem Arbeitgeber und PSV herbeigeführt wird (BAG 32, 220, 226 = AP Nr. 4 zu § 7 BetrAVG; 33, 234, 238 = AP Nr. 1 zu § 4 BetrAVG, zu I 3 der Gründe; ebenso BGH Urteil vom 3. Februar 1986 – II ZR 54/85 –, AP Nr. 4 zu § 9 BetrAVG).
b) Die bestehende Gesetzeslücke muß im Wege richterlicher Rechtsfortbildung geschlossen werden. Dabei ist die Entstehungsgeschichte des Gesetzes zu berücksichtigen. Durch § 13 BetrAVG wurde die Zuständigkeit der Arbeitsgerichte für Streitigkeiten wegen Leistungen der Insolvenzsicherung begründet, weil der Träger der gesetzlichen Insolvenzsicherung “im Prinzip Versorgungsverpflichtungen” erfüllt, “die der Arbeitgeber aus Anlaß des Arbeitsverhältnisses mit seinen Arbeitnehmern begründet hat”. Diese Verpflichtungen haben ihre Grundlage im Arbeitsverhältnis und sollen auch nach Eintritt des Sicherungsfalles nicht ihre Rechtsnatur dadurch ändern, “daß für den ursprünglich Verpflichteten eine andere Person eintritt” (BT-Drucks. 7/2843, S. 11 f. zu § 6g). Diese Begründung zeigt deutlich, daß den Gerichten für Arbeitssachen solche Rechtsstreitigkeiten zugewiesen werden sollen, die mit der Insolvenzsicherung arbeitsrechtlicher Ansprüche zusammenhängen und für die deshalb die besondere Sachkunde der Arbeitsgerichte auf dem Gebiet des Arbeitslebens notwendig ist (BT-Drucks. 7/2843, aaO).
Bei den Ansprüchen aus § 9 Abs. 3 BetrAVG handelt es sich um solche arbeitsrechtlicher Natur. Hat der Arbeitgeber unmittelbar Versorgungsleistungen zugesagt, so gehen Ansprüche oder Anwartschaften der Berechtigten gegen den Arbeitgeber auf Leistungen der betrieblichen Altersversorgung im Falle eines Konkurses oder Vergleichverfahrens auf den Kläger über. Dieser kann alsdann mit den auf ihn übergegangenen Ansprüchen am Konkursverfahren teilnehmen und seine Rechte nach § 2 Abs. 1 Nr. 3 ArbGG in Verb. mit § 3 ArbGG gegen den Arbeitgeber oder den Konkursverwalter geltend machen. Hat der Arbeitgeber jedoch zur Versorgung der Berechtigten eine Unterstützungskasse eingesetzt, so stehen den Arbeitnehmern nach § 1 Abs. 4 BetrAVG gegen die Unterstützungskasse keine Rechtsansprüche zu. Anstelle eines Anspruchsübergangs hat der Gesetzgeber die Übertragung des Vermögens der Unterstützungskasse vorgesehen, bei einer Gruppenunterstützungskasse die Übertragung des Anteils, mit dem das Trägerunternehmen am Vermögen der Gruppenunterstützungskasse beteiligt ist. Es handelt sich um eine Ersatzleistung, die der besonderen Ausgestaltung von Unterstützungskassen Rechnung trägt, aber den gleichen wirtschaftlichen Erfolg herbeiführen soll, wie der an sich gebotene Forderungsübergang.
Der Senat vermag der Revisionsbeklagten und Widerklägerin nicht zu folgen, daß es sich bei den Ansprüchen auf Übertragung des Vermögens (§ 9 Abs. 3 Satz 1 BetrAVG) bzw. eines Vermögensanteils (§ 9 Abs. 3 Satz 3 BetrAVG) allein um gesellschaftsrechtliche Abwicklungsansprüche handele, für die die Zuständigkeit der ordentlichen Gerichte sachnäher erscheine. Das Gegenteil ist richtig. Nach § 9 Abs. 3 Satz 2 BetrAVG hat der PSV die erlangten Vermögenswerte entsprechend der Satzung der Unterstützungskasse zu verwenden, wenn die Summe der Versorgungsansprüche und Anwartschaften geringer ist als der übergegangene Barwert. Das Auseinandersetzungsguthaben kann nur beurteilt werden, wenn Bestand und Berechtigung der Versorgungsansprüche und Anwartschaften des insolventen Arbeitgebers geprüft und bejaht werden. Für diese Prüfung sind die Arbeitsgerichte zuständig.
c) Die Zuständigkeit der Arbeitsgerichte für den Übertragungsanspruch des Klägers läßt sich ferner aus § 2 Abs. 1 Nr. 5 ArbGG ableiten. Hiernach sind die Gerichte für Arbeitssachen zuständig für bürgerliche Rechtsstreitigkeiten zwischen Arbeitgebern und Sozialeinrichtungen des privaten Rechts über Ansprüche aus dem Arbeitsverhältnis oder Ansprüche, die mit dem Arbeitsverhältnis in rechtlichem oder unmittelbarem wirtschaftlichen Zusammenhang stehen. Mit dieser Vorschrift hat der Gesetzgeber den Zweck verfolgt, aus Gründen des sachlichen Zusammenhangs Streitigkeiten zwischen Arbeitgebern und Sozialeinrichtungen den Arbeitsgerichten zuzuweisen (BR-Drucks. 4/78 zu Nr. 2 Abs. 1 Nr. 5).
Gruppenunterstützungskassen sind Sozialeinrichtungen des privaten Rechts. Die Beklagte ist in der Rechtsform einer GmbH gegründet worden. Sie ist Sozialeinrichtung, weil ihr satzungsgemäßes Ziel darin besteht, nach allgemeinen Richtlinien Zuwendungen an Versorgungsberechtigte der Gemeinschuldnerin zu erbringen.
Der umstrittene Übertragungsanspruch resultiert zwar nicht unmittelbar aus dem Arbeitsverhältnis, sondern aus dem Gesetz. Er steht aber mit dem Arbeitsverhältnis in engem rechtlichen und wirtschaftlichen Zusammenhang. Der PSV hat dem insolventen Arbeitgeber für die durch die Unterstützungskasse aufzubringenden Versorgungsleistungen gesetzlichen Versicherungsschutz zu gewähren. Er hat die Verbindlichkeiten des Arbeitgebers zu erfüllen, aber nur in Höhe der Differenz zwischen den in der Gruppenunterstützungskasse angesparten Mitteln und dem notwendigen Versorgungsaufwand. Er ist also im Ergebnis in die Rechtsposition des Arbeitgebers eingerückt und hat dessen Verhältnis zur Unterstützungskasse zum Zwecke des Insolvenzschutzes abzuwickeln. Damit ist er Nachfolger des Gemeinschuldners im Verhältnis zur beklagten Unterstützungskasse.
d) Nach § 3 ArbGG bleibt die Zuständigkeit der Arbeitsgerichte auch dann bestehen, wenn der Rechtsstreit durch einen Rechtsnachfolger oder durch eine Person geführt wird, die kraft Gesetzes anstelle des sachlich Berechtigten oder Verpflichteten hierzu befugt ist. Eine Rechtsnachfolge im engeren Sinne ist dann gegeben, wenn die Rechte und Pflichten eines Gläubigers oder Schuldners auf einen anderen übergehen. Anstelle des sachlich Berechtigten ist eine andere Person zur Prozeßführung berechtigt, wenn die Voraussetzungen einer Prozeßstandschaft gegeben sind. Der Revisionsführer weist aber mit Recht darauf hin, daß im Arbeitsgerichtsgesetz der Begriff der Rechtsnachfolge nicht in diesem engen materiell-rechtlichen Sinne gebraucht wird. Im Schrifttum wird mit Recht allgemein die Ansicht vertreten, daß der Begriff der prozessualen Rechtsnachfolge weit auszulegen ist (Grunsky, ArbGG, 4. Aufl., § 3 Rz 4; zuvor Dietz/Nikisch, ArbGG, 1954, § 2 Rz 135). Auch in der Rechtsprechung wurden Fallgestaltungen als Rechtsnachfolge im Sinne des § 3 ArbGG beurteilt, bei denen der Gläubiger oder der Schuldner nicht wechselten, z. B. der Schuldbeitritt, die Pfändung oder Verpfändung von Ansprüchen sowie die Verfolgung von Ansprüchen aus Verträgen zugunsten Dritter oder mit Schutzwirkung zugunsten Dritter (BGHZ 16, 339, 340; BAG 19, 100, 103 = AP Nr. 116 zu § 242 BGB Ruhegehalt, zu I der Gründe; vgl. zu allem Grunsky, aaO, § 3 Rz 4 – 6).
Der Inhalt des Begriffs der Rechtsnachfolge im Sinne des § 3 ArbGG läßt sich aus dem Zweck des Gesetzes erschließen. Es soll erreicht werden, daß die Zuständigkeit der Gerichte für Arbeitssachen nicht dadurch beseitigt wird, daß die Rechte und Pflichten aus einer arbeitsrechtlichen Streitigkeit durch Dritte geltend gemacht werden. Rechtsnachfolger im Sinne von § 3 ArbGG sind danach alle Personen, die arbeitsrechtliche Streitigkeiten im Sinne der §§ 2 und 2a ArbGG anstelle der in diesem gesetzlichen Zuständigkeitskatalog genannten Parteien führen.
In diesem Sinne ist der Kläger Rechtsnachfolger der Versorgungsberechtigten; ihm stehen als Surrogat der Versorgungsansprüche der Arbeitnehmer Vermögenswerte zu. Er ist aber auch Rechtsnachfolger des Arbeitgebers im Abwicklungsverhältnis zu der von diesem unterhaltenen Unterstützungskasse. Damit sind die Gerichte für Arbeitssachen im vorliegenden Rechtsstreit zuständig.
II. Wegen der Bemessung der von dem Kläger geltend gemachten Ansprüche bedarf es der Aufhebung und Zurückverweisung. Insoweit sind in den Vorinstanzen keine Feststellungen getroffen worden. Dem Landesarbeitsgericht können auch noch keine Hinweise zur weiteren Sachbehandlung gegeben werden. Die Zuordnung und Bemessung der Vermögensanteile einer Unterstützungskasse hängen von der Ausgestaltung des Gesellschaftsvertrags der Unterstützungskasse und ergänzenden Beteiligungsvereinbarungen ab.
Unterschriften
Dr. Dieterich, Schaub, Griebeling, Hoechst, Weinmann
Fundstellen
Haufe-Index 872415 |
BB 1987, 1394 |
RdA 1987, 188 |
ZIP 1987, 871 |