Entscheidungsstichwort (Thema)
Weihnachtsgratifikation unter Freiwilligkeitsvorbehalt im Erziehungsurlaub
Leitsatz (amtlich)
1. Wird im Arbeitsvertrag eine Weihnachtsgratifikation als freiwillige Leistung bezeichnet, die ohne Anerkennung einer Rechtspflicht gewährt wird, so kann der Arbeitgeber in jedem Jahr erneut eine Entscheidung darüber treffen, ob, unter welchen Voraussetzungen und an welche Arbeitnehmer eine Gratifikation gezahlt werden soll(Fortführung von BAG 5. Juni 1996 – 10 AZR 883/95 – AP BGB § 611 Gratifikation Nr. 193 = EzA BGB § 611 Gratifikation, Prämie Nr. 141).
2. Weder der arbeitsrechtliche Gleichbehandlungsgrundsatz noch das europarechtliche Lohngleichheitsgebot für Männer und Frauen verbieten es, von der Gewährung einer Weihnachtsgratifikation Arbeitnehmer auszunehmen, deren Arbeitsverhältnisse wegen Erziehungsurlaubs ruhen(Bestätigung von BAG 24. Mai 1995 – 10 AZR 619/94 – AP BGB § 611 Gratifikation Nr. 175 = EzA BGB § 611 Gratifikation, Prämie Nr. 124; EuGH 21. Oktober 1999 – Rs C-333/97 – AuR 2000, 66).
Leitsatz (redaktionell)
Zu Leitsatz 1.: Klarstellung von BAG 10. Mai 1995 – 10 AZR 648/94 – AP BGB § 611 Gratifikation Nr. 174 = EzA BGB § 611 Gratifikation, Prämie Nr. 125 und 14. August 1996 – 10 AZR 70/96 – AP BErzGG § 15 Nr. 19 = EzA BGB § 611 Gratifikation, Prämie Nr. 145
Normenkette
BGB § 611
Verfahrensgang
Tenor
1. Die Revision der Klägerin gegen das Urteil des Landesarbeitsgerichts Baden-Württemberg vom 7. Oktober 1998 – 20 Sa 181/97 – wird zurückgewiesen.
2. Die Klägerin hat die Kosten der Revision zu tragen.
Tatbestand
Die Parteien streiten über die Zahlung einer Weihnachtsgratifikation für das Jahr 1996.
Die Klägerin ist seit dem 1. September 1992 als Angestellte bei der Beklagten beschäftigt. In der Zeit vom 13. Februar 1995 bis zum 31. Dezember 1996 nahm sie Erziehungsurlaub in Anspruch. Weder 1995 noch 1996 gewährte die Beklagte ihr eine Gratifikation.
Der schriftliche Arbeitsvertrag der Parteien vom 29./30. Juni 1992 enthält folgende Regelung:
„§ 6
Gratifikationszahlung
- Erhält der Arbeitnehmer eine Sonderzuwendung (Weihnachts-, Urlaubs- oder Abschlußgratifikation), so handelt es sich um eine freiwillige Leistung, die ohne Anerkennung einer Rechtspflicht gewährt wird. Die wiederholte freiwillige Zahlung begründet keinen Rechtsanspruch auf Leistungsgewährung in der Zukunft.
- Der Arbeitnehmer erhält jährlich mit dem Arbeitsentgelt für den Monat November eine Gratifikation in Höhe von 100 % des durchschnittlichen Monatsverdienstes des Jahres, im Jahr 1992 anteilig. Der Anspruch setzt voraus, daß das Arbeitsverhältnis am Auszahlungstag weder beendet noch gekündigt ist; ausgenommen hiervon ist die Kündigung aus betriebsbedingten Gründen.
- Der Arbeitnehmer ist verpflichtet, die Gratifikation zurückzuzahlen, wenn er bis zum 31.03. des Folgejahres aufgrund Eigenkündigung oder Kündigung des Arbeitgebers aus dem Arbeitsverhältnis ausscheidet. Ausgenommen hiervon ist das Ausscheiden aus betriebsbedingten Gründen. Die Regelung gilt entsprechend, wenn das Arbeitsverhältnis im gegenseitigen Einvernehmen aufgelöst wird.”
Die Beklagte zahlte in den Jahren 1995 und 1996 mit dem Novembergehalt Gratifikationen an ihre Mitarbeiter. Diejenigen, die sich – wie die Klägerin – im Erziehungsurlaub befanden, nahm sie jedoch von der Zahlung aus.
Die Klägerin meint, ihr stehe für das Jahr 1996 ein Anspruch auf Zahlung einer Gratifikation in Höhe eines vor Beginn des Erziehungsurlaubs erzielten durchschnittlichen Monatsgehalts zu, da die Beklagte den anderen Mitarbeitern eine Gratifikation gezahlt habe. Der Anspruch sei lediglich an den ungekündigten Fortbestand des Arbeitsverhältnisses geknüpft. Der Freiwilligkeitsvorbehalt berechtige die Beklagte zwar dazu, die Zahlung allen Arbeitnehmern gleichermaßen zu verweigern, es könnten aber nicht durch Schaffung neuer Kriterien bestimmte Gruppen von Arbeitnehmern ausgenommen werden. Die Voraussetzungen für die Gewährung des Anspruchs seien im Arbeitsvertrag, der eine Kürzung bzw. ein Entfallen des Anspruchs während des Erziehungsurlaubs nicht vorsehe, abschließend geregelt. Es sei zudem sachlich nicht gerechtfertigt, Arbeitnehmer im Erziehungsurlaub von der Gratifikationszahlung auszuschließen.
Die Klägerin hat beantragt,
die Beklagte zu verurteilen, an sie 4.680,00 DM brutto zuzüglich 4 % Zinsen hieraus seit 1. Februar 1997 zu bezahlen.
Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen. Sie ist der Auffassung, aufgrund des Freiwilligkeitsvorbehalts könne sie in jedem Jahr neu entscheiden, ob und unter welchen Voraussetzungen sie eine Gratifikation zahlen wolle. Es verstoße auch nicht gegen den Gleichbehandlungsgrundsatz, wenn Arbeitnehmerinnen im Erziehungsurlaub keine Gratifikation erhielten. Die Differenzierung zwischen ruhenden und aktiven Arbeitsverhältnissen sei weder sachwidrig noch willkürlich.
Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen. Das Landesarbeitsgericht hat die Berufung der Klägerin zurückgewiesen. Mit der Revision verfolgt die Klägerin ihren Zahlungsanspruch weiter, während die Beklagte beantragt, die Revision zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
Die Revision der Klägerin ist unbegründet. Die Klägerin hat keinen Anspruch auf Zahlung einer Weihnachtsgratifikation für 1996.
I. Das Landesarbeitsgericht hat angenommen, die Klägerin habe keinen Anspruch auf Zahlung der Gratifikation für 1996. Der Anspruch ergebe sich nicht aus § 6 des Arbeitsvertrages (AV), da es sich bei der streitgegenständlichen Sonderzahlung um eine Gratifikation und damit um eine freiwillige Leistung im Sinne von § 6 Nr. 1 AV handele. Der Freiwilligkeitsvorbehalt führe dazu, daß ein Anspruch auf Gratifikation für ein bestimmtes Jahr erst mit vorbehaltloser Zusage für dieses Jahr oder mit tatsächlicher Zahlung der Gratifikation entstehe. An einem solchen anspruchsbegründenden Verhalten des Arbeitgebers fehle es jedoch. Auch der Umstand, daß andere Mitarbeiter eine Gratifikation erhalten hätten, begründe einen Anspruch der Klägerin nicht. Der Arbeitgeber könne aufgrund des Freiwilligkeitsvorbehalts nicht nur darüber entscheiden, ob und in welcher Höhe, sondern auch unter welchen näher bestimmten Voraussetzungen und an welche Arbeitnehmer er künftig eine Gratifikation zahlen wolle. Die Entscheidung der Beklagten, an Mitarbeiter im Erziehungsurlaub für die Dauer des Erziehungsurlaubs keine Gratifikation zu zahlen, verstoße auch nicht gegen den Gleichbehandlungsgrundsatz. Eine Differenzierung zwischen einem Arbeitsverhältnis, das tatsächlich unter Erfüllung der beiderseitigen Hauptpflichten vollzogen werde, und einem Arbeitsverhältnis, dessen Hauptpflichten ruhten, sei nicht sachwidrig oder willkürlich. Auch ein Verstoß gegen das Diskriminierungsverbot des Artikel 141 EG-Vertrag liege nicht vor. Aufgrund des Freiwilligkeitsvorbehalts sei schließlich auch eine betriebliche Übung nicht entstanden.
II. Diesen Ausführungen des Landesarbeitsgerichts ist im Ergebnis und in der Begründung zu folgen. Die Klägerin hat weder aufgrund der arbeitsvertraglichen Regelung noch nach dem arbeitsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatz einen Anspruch auf eine Gratifikation für das Jahr 1996.
1. Durch die Regelung in § 6 des Arbeitsvertrages wurde ein Anspruch auf eine Gratifikation für das Jahr 1996 nicht begründet.
a) Die Parteien haben in § 6 Ziff. 1 AV einen Freiwilligkeitsvorbehalt vereinbart, der das Entstehen eines Anspruchs der Klägerin für das Jahr 1996 verhindert hat. Sie haben bestimmt, daß es sich bei Sonderzuwendungen, wie Weihnachts-, Urlaubs- oder Abschlußgratifikationen um freiwillige Leistungen handelt, die ohne Anerkennung einer Rechtspflicht gewährt werden und auch bei wiederholter Zahlung keinen Rechtsanspruch für die Zukunft begründen. Diese Regelung ist vom Wortlaut und nach ihrem Sinn und Zweck eindeutig und erfaßt den geltend gemachten Anspruch auf Zahlung einer Weihnachtsgratifikation. Ein solcher Freiwilligkeitsvorbehalt ist zulässig(BAG 6. Dezember 1995 – 10 AZR 198/95 – AP BGB § 611 Gratifikation Nr. 187 = EzA BGB § 611 Gratifikation, Prämie Nr. 134; 5. Juni 1996 – 10 AZR 883/95 – AP BGB § 611 Gratifikation Nr. 193 = EzA BGB § 611 Gratifikation, Prämie Nr. 141).
b) Der Freiwilligkeitsvorbehalt hindert das Entstehen eines vertraglichen Anspruchs und läßt dem Arbeitgeber die Freiheit, jedes Jahr neu zu entscheiden, ob und unter welchen Voraussetzungen eine Gratifikation gezahlt werden soll. Ein Anspruch für ein bestimmtes Jahr entsteht erst entweder mit der vorbehaltlosen Zusage, auch in diesem Jahr eine Gratifikation zahlen zu wollen oder mit der tatsächlichen Zahlung der Gratifikation nach Maßgabe des arbeitsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatzes(BAG 6. Dezember 1995 – 10 AZR 198/95 – aaO; 5. Juni 1996 – 10 AZR 883/95 – aaO).
Anders als bei der Vereinbarung eines Widerrufsvorbehalts kann der Arbeitgeber die Leistung ohne vorherige Ankündigung und ohne Bindung an § 315 BGB einstellen oder die Voraussetzungen für ihre Gewährung ändern. Der Arbeitnehmer, der weiß, daß der Arbeitgeber noch darüber entscheiden muß, ob er überhaupt eine Gratifikation zahlen will, muß auch damit rechnen, daß der Arbeitgeber sie von anderen Voraussetzungen und Bedingungen abhängig macht. Dazu gehört es, daß bestimmte Gruppen von Arbeitnehmern von der Leistung gänzlich ausgenommen werden.
Sofern den Entscheidungen des Senats vom 10. Mai 1995(– 10 AZR 648/94 – AP BGB § 611 Gratifikation Nr. 174 = EzA BGB § 611 Gratifikation, Prämie Nr. 125) und vom 14. August 1996(– 10 AZR 70/96 – AP BErzGG § 15 Nr. 19 = EzA BGB § 611 Gratifikation, Prämie Nr. 145), deren Schwerpunkt andere Rechtsfragen betreffen, entnommen werden könnte, daß auch bei vereinbartem Freiwilligkeitsvorbehalt bereits ein arbeitsvertraglicher Anspruch auf eine Gratifikation besteht, ist klarzustellen, daß diese Rechtsfolge erst bei vorbehaltloser Zusage im Bezugsjahr oder nach Maßgabe des Gleichbehandlungsgrundsatzes eintritt.
Diese Voraussetzungen sind nicht gegeben. Die Beklagte hat weder allen Arbeitnehmern des Betriebes noch der Klägerin eine Weihnachtsgratifikation für das Jahr 1996 zugesagt. Auch sind die in § 6 Abs. 2 AV den Anspruch einschränkenden Voraussetzungen nicht abschließend und hinderten den Arbeitgeber nicht, den Freiwilligkeitsvorbehalt auszuüben.
2. Der Anspruch ist auch nicht nach dem arbeitsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatz begründet. Die Entscheidung der Beklagten, Mitarbeiter im Erziehungsurlaub von der Gewährung der Gratifikation im Jahre 1996 auszunehmen, ist sachlich gerechtfertigt.
a) Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts ist der Arbeitgeber, der in seinem Betrieb nach von ihm gesetzten allgemeinen Regeln freiwillige Leistungen gewährt, an den arbeitsrechtlichen Grundsatz der Gleichbehandlung gebunden(BAG 25. April 1991 – 6 AZR 532/89 – BAGE 68, 32 ff. mwN; 6. Dezember 1995 – 10 AZR 198/95 – aaO). Danach ist es dem Arbeitgeber verwehrt, einzelne Arbeitnehmer oder Gruppen von Arbeitnehmern von allgemein begünstigenden Regelungen auszunehmen oder sie schlechter zu stellen(BAG 10. Juni 1998 – 10 AZR 103/97 – AP BAT §§ 22, 23 Lehrer Nr. 72). Bei freiwilligen Leistungen muß der Arbeitgeber die Voraussetzungen so abgrenzen, daß nicht sachwidrig oder willkürlich ein Teil der Arbeitnehmer von den Vergünstigungen ausgeschlossen bleibt. Die Bindung an den Gleichbehandlungsgrundsatz wird auch durch die Vereinbarung eines Freiwilligkeitsvorbehalts nicht ausgeschlossen(BAG 25. April 1991 – 6 AZR 532/89 – aaO mwN).
b) Der sachliche Grund, Mitarbeiter im Erziehungsurlaub von der Gratifikation auszunehmen, ergibt sich aus dem Zweck der Leistung. Dieser besteht aufgrund der arbeitsvertraglichen Regelung in der zusätzlichen Vergütung für erbrachte Arbeitsleistungen sowie in der Belohnung erbrachter bzw. zukünftiger Betriebstreue. Da die Inanspruchnahme von Erziehungsurlaub zu einer Suspendierung der beiderseitigen Hauptpflichten und damit zu einem Ruhen des Arbeitsverhältnisses führt, sind nach der ständigen Rechtsprechung des Senats Vereinbarungen rechtlich nicht zu beanstanden, die dazu führen, daß auch zusätzliche Entgeltleistungen für diese Zeiten nicht beansprucht werden können(BAG 24. Mai 1995 – 10 AZR 619/94 – AP BGB § 611 Gratifikation Nr. 175 mwN = EzA BGB § 611 Gratifikation, Prämie Nr. 124).
c) Diese Rechtsprechung des Senats steht in Übereinstimmung mit dem Urteil des Europäischen Gerichtshofs vom 21. Oktober 1999 (– Rs.C-333/97 – AuR 2000, 66). Danach verbieten es weder Art. 119 des EG-Vertrages noch Art. 11 Nr. 2 der Richtlinie 92/85, noch § 2 Abs. 6 des Anhangs der Richtlinie 96/34 des Rates vom 3. Juni 1996 zu der von der UNICE, CEEP und EGB geschlossenen Rahmenvereinbarung über Elternurlaub, einer Frau im Erziehungsurlaub die Gewährung einer Gratifikation zu verweigern, wenn diese nur von der Voraussetzung abhängt, daß sich der Arbeitnehmer zum Zeitpunkt der Gewährung im aktiven Beschäftigungsverhältnis befindet. Die europarechtlichen Vorschriften untersagen es auch nicht, daß ein Arbeitgeber bei der Gewährung einer Weihnachtsgratifikation an eine Frau, die sich im Erziehungsurlaub befindet, Zeiten des Erziehungsurlaubs anteilig leistungsmindernd berücksichtigt.
III. Die Klägerin hat die Kosten ihrer erfolglosen Revision zu tragen (§ 97 ZPO).
Unterschriften
Dr. Freitag, Böck, Marquardt, v. Baumgarten, Trümner
Veröffentlichung
Veröffentlicht am 12.01.2000 durch Susdorf, Urkundsbeamter der Geschäftsstelle
Fundstellen
Haufe-Index 507975 |
BB 2000, 2047 |
DB 2000, 1717 |
ARST 2000, 250 |
EWiR 2000, 761 |
FA 2000, 230 |
NZA 2000, 944 |
SAE 2000, 263 |
ZIP 2000, 1735 |
ZTR 2001, 134 |
AP, 0 |
JuS 2001, 95 |
RdW 2000, 745 |
b&b 2002, 87 |