Leitsatz (amtlich)
- Werden die Leistungsbeträge einer Versorgungszusage im Laufe des Arbeitsverhältnisses erhöht, so handelt es sich um eine Änderung im Sinne des § 1 Abs. 1 Satz 2 BetrAVG, die keine neue Unverfallbarkeitsfrist in Lauf setzt. Der Eintritt der Unverfallbarkeit richtet sich nach dem Alter der ursprünglichen Versorgungszusage.
- Das gleiche gilt bei einer versicherungsförmigen Altersversorgung auch dann, wenn der Arbeitgeber nicht die zunächst abgeschlossene Direktversicherung selbst erhöht, sondern im Laufe des Arbeitsverhältnisses weitere Direktversicherungen für denselben Arbeitnehmer abschließt.
- Eine Vereinbarung, die vorsieht, daß mit jedem späteren Versicherungsabschluß eine neue Unverfallbarkeitsfrist beginnt, ist nichtig.
- Soweit § 1 Abs. 1 Satz 2 BetrAVG den Eindruck erweckt, als solle zwischen der 10-jährigen und der 3-jährigen Zusagedauer unterschieden werden, beruht das auf einem Redaktionsversehen.
Normenkette
BetrAVG §§ 1-2, 17 Abs. 3 S. 3; BGB § 134
Verfahrensgang
LAG Hamm (Urteil vom 29.01.1980; Aktenzeichen 6 Sa 1340/79) |
ArbG Paderborn (Urteil vom 26.09.1979; Aktenzeichen 2 Ca 1238/78) |
Tenor
- Auf die Revision des Klägers wird das Urteil des Landesarbeitsgerichts Hamm vom 29. Januar 1980 – 6 Sa 1340/79 – teilweise aufgehoben.
- Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil des Arbeitsgerichts Paderborn vom 26. September 1979 – 2 Ca 1238/78 – teilweise abgeändert.
a) Es wird festgestellt, daß der Kläger aus der in Form von Direktversicherungen eingerichteten Altersversorgung des Beklagten einen unverfallbaren Anspruch auf Leistungen in Höhe von weiteren 26.689,92 DM über bereits zugestandene Leistungen in Höhe von 41.925,– DM hinaus, insgesamt in Höhe von 68.614,92 DM erworben hat.
Tatbestand
Die Parteien streiten über die Höhe der vom Kläger erworbenen unverfallbaren Anwartschaft auf Leistungen der betrieblichen Altersversorgung.
Der am 8. Januar 1920 geborene Kläger war bei dem Beklagten, der mit rund 20 Mitarbeitern eine Brotfabrik betreibt, in der Zeit vom 8. Januar 1957 bis zum 31. März 1978 als Prokurist gegen ein monatliches Bruttogehalt von zuletzt 4.028,-- DM beschäftigt.
Im Jahre 1969 sagte der Beklagte seinen damals rund 30 Betriebsangehörigen eine Altersversorgung in Form von Lebensversicherungen zu und schloß zu ihren Gunsten mit Versicherungsbeginn vom 1. September 1969 Lebensversicherungsverträge in Höhe von 7.500,-- DM ab, bei denen der jeweilige Arbeitnehmer oder seine Hinterbliebenen hinsichtlich der Versicherungsleistungen bezugsberechtigt sind (Direktversicherungen nach § 1 Abs. 2 BetrAVG). In der Folgezeit, vom 1. Juni 1970 bis zum 28. Dezember 1976, traten für den Kläger weitere 13 Direktversicherungen hinzu. Bei allen Verträgen handelte es sich um Einmalprämienversicherungen mit sofortiger Beleihung. Bei drei Verträgen wurde die Versicherungssumme einer am 1. Dezember 1972 abgeschlossenen Direktversicherung erhöht. Bei anderen Verträgen erfolgte die Versicherung in der Art, daß Versicherungen ausgeschiedener Mitarbeiter auf den Kläger übertragen wurden. In diesem Zusammenhang ist zwischen den Parteien unstreitig, daß im Juni 1974 durch das Ausscheiden von Mitarbeitern Versicherungsverträge in Höhe von fast 138.000,– DM frei geworden waren. Ein vom Beklagten hinzugezogener Berater empfahl daraufhin mit Schreiben vom 12. Juni 1974, für die Zukunft von dem Abschluß weiterer Direktversicherungen Abstand zu nehmen, demnächst ein Versorgungswerk unter Anrechnung der abgeschlossenen Direktversicherungen einzurichten und die jetzt frei gewordenen Versicherungen auf sechs namentlich genannte Mitarbeiter, darunter auch den Kläger, zu übertragen. Tatsächlich wurde ein Teil der frei gewordenen Verträge auf den Kläger übertragen, wenn auch nicht in der vollen, von dem Berater vorgeschlagenen Höhe.
Nach seinem Ausscheiden bat der Kläger um Auskunft, ob für ihn die Voraussetzungen einer unverfallbaren betrieblichen Altersversorgung erfüllt seien und in welcher Höhe er bei Erreichen der in der Versorgungsregelung vorgesehenen Altersgrenze Versicherungsleistungen beanspruchen könne. Mit Schreiben vom 23. Juni 1978 antwortete der Beklagte, der Kläger könne Leistungen nur für die Versicherungen erhalten, bei denen der Versicherungsbeginn länger als drei Jahre vor seinem Ausscheiden zurückliege. Insoweit stehe dem Kläger ein Teilanspruch in Höhe von 75,8 v.H. der Versicherungssummen zu. Den danach sich ergebenden Gesamtanspruch des Klägers in Höhe von 41.925,– DM erkannte der Beklagte an. Der Kläger gab sich mit dieser Auskunft nicht zufrieden und holte von einem Rentenberater ein versicherungsrechtliches und versicherungstechnisches Gutachten ein, für das er ein Honorar von 807,72 DM zu zahlen hatte.
Der Kläger vertritt die Ansicht, er habe bei allen 14 für ihn abgeschlossenen Direktversicherungen eine ratierliche Anwartschaft erworben. Mit seiner Klage erstrebt er die entsprechende gerichtliche Feststellung. Er hat geltend gemacht, auch bei den Versicherungen, die nach dem 31. März 1975 abgeschlossen worden seien, handele es sich nicht um Neuzusagen, sondern um Änderungen der ihm ursprünglich erteilten Zusage vom 1. September 1969 in Form von Erhöhungen. Diese Erhöhungen seien darauf zurückzuführen, daß der Beklagte beabsichtigt habe, in Anlehnung an die Versorgung im öffentlichen Dienst allen Mitarbeitern aus den Erträgen der Versicherungsverträge eine zusätzliche Versorgung in Höhe von 25 v.H. ihres beim Ausscheiden bezogenen Gehalts zu verschaffen. Wenn es sich dabei auch nicht um eine konkrete Zusage gehandelt haben möge, so könne die entsprechende Absicht des Beklagten doch aus dem Schreiben des Beraters vom 12. Juni 1974 entnommen werden.
Der Kläger hat beantragt,
1. festzustellen, daß der Kläger aus der in Form von Direktversicherungen eingerichteten Altersversorgung des Beklagten einen unverfallbaren Anspruch auf Leistungen in Höhe von weiteren 27.267,09 DM über bereits zugestandene Leistungen in Höhe von 41.925,– DM hinaus, insgesamt von 69.192,09 DM, erworben hat,
2. den Beklagten zu verurteilen, an ihn 807,72 DM nebst 4 % Zinsen seit dem 22.12.1978 zu zahlen.
Der Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen. Er hat bestritten, dem Kläger eine allgemeine Versorgungszusage erteilt und insbesondere Aufstockungen der Erträge aus Versicherungsleistungen bis zur Höhe von 25 v.H. seines letzten Gehalts zugesagt zu haben. Vielmehr habe er je nach Ertragslage seines Betriebes ab 1969 für seine Mitarbeiter jeweils neue Versicherungen abgeschlossen. Ab 1974 seien Versicherungen nur noch dann neu zugesagt worden, wenn Versicherungsverträge durch das Ausscheiden von Mitarbeitern frei geworden seien. Bei diesen Zusagen seien lediglich die Dauer der Betriebszugehörigkeit, die betriebliche Stellung und die jeweilige Gehaltsund Lohnhöhe berücksichtigt worden.
Arbeitsgericht und Landesarbeitsgericht haben die Klage abgewiesen. Mit der Revision verfolgt der Kläger sein Klageziel weiter, während der Beklagte beantragt, die Revision zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
Die Revision ist im wesentlichen begründet.
I. Das Landesarbeitsgericht ist zu dem Ergebnis gelangt, dem Kläger stehe eine unverfallbare Anwartschaft auf Versorgungsleistungen in dem begehrten Umfang nicht zu. Es hat angenommen, bei den nach dem 31. März 1975 auf den Kläger übertragenen Lebensversicherungen habe es sich jeweils um Neuzusagen mit eigenem Fristbeginn gehandelt, nicht aber um eine Änderung der Versorgungszusage im Sinne des § 1 Abs. 1 Satz 2 BetrAVG. Hiervon könne nur gesprochen werden, wenn die spätere Vertragsgestaltung auf die ursprüngliche Versorgungszusage bezogen sei. Entscheidend sei daher, ob die Vertragschließenden darüber eine entsprechende Vereinbarung getroffen hätten. Vorliegend sei aber nicht ersichtlich, daß die Parteien ausdrücklich oder wenigstens durch schlüssiges Handeln dahin übereingekommen seien, durch die Übertragung der fraglichen Versicherungen solle die ursprüngliche Versorgungszusage vom 1. September 1969 im Wege der Erhöhung abgeändert werden. Jedenfalls fehle jeder Bezug zu der ersten Versicherung, soweit in den Jahren 1975 (beginnend mit dem 1. August) und 1976 zusätzliche Versicherungen gewährt wurden. Die unverfallbare Versorgungsanwartschaft des Klägers errechne sich daher nur aus den bis zum 31. März 1975 übertragenen Versicherungen.
Einen Anspruch des Klägers auf Erstattung der Gutachterkosten hat das Landesarbeitsgericht mit der Begründung verneint, der Beklagte sei der Pflicht zur Auskunftserteilung nach § 2 Abs. 6 BetrAVG mit seinem Schreiben an den Kläger vom 23. Juni 1978 in vollem Umfang nachgekommen. Wäre der Kläger mit der Auskunft nicht einverstanden gewesen, hätte er sogleich Klage erheben können. Die Einholung des Gutachtens sei jedenfalls vom Beklagten weder schuldhaft verursacht worden, noch sei sie erforderlich gewesen.
Der Senat kann dem angefochtenen Urteil weder bei der Berechnung der unverfallbaren Versorgungsanwartschaft noch bei der Abweisung der Gutachtenskosten folgen.
II. Der Kläger hat eine unverfallbare Anwartschaft auf Versorgungsleistungen durch Direktversicherungen in Höhe von 26.689,92 DM über den vom Beklagten anerkannten Betrag von 41.925,– DM hinaus erworben. Das Landesarbeitsgericht hat zutreffend erkannt, daß die Entscheidung des Rechtsstreits davon abhängt, ob spätere, zusätzliche Direktversicherungen eine Änderung der Versorgungszusage im Sinne des § 1 Abs. 1 Satz 2 BetrAVG bedeuten und damit ohne Einfluß auf die von der ursprünglichen Versorgungszusage in Lauf gesetzten Anwartschaftsfristen (§ 1 Abs. 1 Satz 1 BetrAVG) bleiben. Diese Frage ist jedoch entgegen der Ansicht des Landesarbeitsgerichts zu bejahen, und zwar unabhängig davon, ob die Parteien eine Vereinbarung getroffen haben, die sie ausdrücklich regelt. Im einzelnen gilt folgendes:
1. Nach § 1 Abs. 1 Satz 1 BetrAVG behält ein Arbeitnehmer, dem betriebliche Altersversorgung zugesagt worden ist, seine Anwartschaft, wenn sein Arbeitsverhältnis vor Eintritt des Versorgungsfalles endet, sofern in diesem Zeitpunkt der Arbeitnehmer mindestens das 35. Lebensjahr vollendet hat und entweder seit mindestens zehn Jahren über eine Versorgungszusage verfügt oder bei einer Zusagedauer von nur drei Jahren auf eine Betriebszugehörigkeit von mindestens zwölf Jahren zurückblicken kann. Nach Satz 2 der genannten Vorschrift unterbricht eine Änderung der Versorgungszusage oder deren Übernahme durch eine andere Person den Ablauf der Fristen des Satzes 1 nicht. Zwar erstreckt sich der Wortlaut des Satzes 2 ausdrücklich nur auf die Frist von zehn Jahren der ersten Alternative des Satzes 1, richtigerweise ist Satz 2 aber dahin zu verstehen, daß er auch die Frist von drei Jahren der zweiten Alternative des Satzes 1 einbezieht. Daß dies nicht ausdrücklich im Gesetzestext gesagt ist, kann nur mit einem Redaktionsversehen des Gesetzgebers erklärt werden.
Der Gesetzentwurf der Bundesregierung sah als zweite Alternative der Unverfallbarkeit eine Dauer der Betriebszugehörigkeit von 15 Jahren vor, so daß es hier nicht auf das Alter der Versorgungszusage ankam (BT-Drucks. 7/1281 S. 6). In seiner Stellungnahme hierzu regte der Bundesrat an, die 15-jährige Dauer der Betriebszugehörigkeit als Unverfallbarkeitsvoraussetzung zu ermäßigen (aaO, S. 52). Nachdem der Ausschuß für Arbeit und Sozialordnung für die zweite Alternative die Fassung vorgeschlagen hatte, “oder der Beginn der Betriebszugehörigkeit mindestens zwölf Jahre zurückliegt und die Versorgungszusage für ihn mindestens drei Jahre bestanden hat” (BT-Drucks. 7/2843 S. 20), wurde der Entwurf entsprechend geändert. Der Bundestag hat das Gesetz in seiner 134. Sitzung am 5. Dezember 1974 in zweiter und dritter Lesung einstimmig verabschiedet, ohne daß über die Fassung des § 1 BetrAVG noch eine allgemeine Aussprache stattgefunden hätte (BT-Sten. Sitzungsbericht, S. 9058, 9059, 9062).
Weder dem Ausschuß für Arbeit und Sozialordnung noch dem Bundestag ist aufgefallen, daß durch die Änderung der zweiten Alternative des § 1 Abs. 1 Satz 1 BetrAVG nunmehr zwei unterschiedliche Fristen (zehn Jahre in der ersten und drei Jahre in der zweiten Alternative) zum Bestand der Versorgungszusage geregelt waren. Da nach dem Gesetzeszweck gerade der Bestand der Versorgungszusage gegen Verfallbarkeit geschützt werden sollte und nicht erkennbar ist, daß und warum der Dreijahresfrist der zweiten Alternative nicht der gleiche Schutz zuteil werden sollte wie der Zehnjahresfrist der ersten Alternative, muß § 1 Abs. 1 Satz 2 des Gesetzes so gelesen werden, daß er beide Zusagefristen erfaßt. Das entspricht auch der allgemeinen Ansicht im Schrifttum (vgl. Glatzel/Meyer/Wein, BetrAVG, § 1 Anm. 11; Höfer, BetrAVG, § 1 Anm. 54; Höhne in Heubeck/Höhne/Paulsdorff/Rau/Weinert, BetrAVG § 1 Anm. 202; Thomas, Das Arbeitsrecht der Gegenwart, Bd. 13 (1976), S. 53 [59]; Kemper. Die Unverfallbarkeit betrieblicher Versorgungsanwartschaften von Arbeitnehmern, S. 71; Schoden, Die betriebliche Altersversorgung, § 1 Anm. 135; anders dagegen Schaub in Schaub/Schusinski/Ströer, Altervorsorge, S. 69, und Kiefer/Giloy. Die Verbesserung der betrieblichen Altersversorgung, § 1 Anm. 11, die den Umkehrschluß anwenden wollen, ohne auf die Entstehungsgeschichte der Vorschrift einzugehen).
2. Was unter einer ”Änderung der Versorgungszusage” (§ 1 Abs. 1 Satz 2) zu verstehen ist, bestimmt das Gesetz nicht näher. In der Begründung der Regierungsvorlage heißt es hierzu lediglich, “Satz 2 stellt klar, daß die Änderung einer Versorgungszusage – etwa durch Erhöhung der Leistungszusage – nicht als neue Zusage gilt und damit die Frist von zehn Jahren für den Eintritt der Unverfallbarkeit nicht von neuem zu laufen beginnt” (BT-Drucks. 7/1281 S. 23). Da § 1 Abs. 1 Satz 2 im Laufe des Gesetzgebungsverfahrens vom Regierungsentwurf bis zur endgültigen Gesetzesfassung nicht geändert worden ist, muß davon ausgegangen werden, daß nach dem Willen des Gesetzgebers jedenfalls die Erhöhung der ursprünglichen Leistungszusage des Arbeitgebers nur als Änderung und nicht als neue Versorgungszusage zu betrachten ist (einhellige Meinung; vgl. Fenge, DB 1975, 50; ders., BB 1975, 1492; Höfer, aaO, § 1 Anm. 55; Höhne, aaO, Anm. 203; Thomas, aaO, S. 57; Schoden, aaO, § 1 Anm. 135; Kemper, aaO, S. 72).
3. Die Annahme, daß eine Erhöhung des Leistungsversprechens als Änderung der Versorgungszusage gilt, zeigt, daß der Gesetzgeber von dem Prinzip der Einheit der Versorgungszusage ausgeht. Damit wird ein möglicher Interessenkonflikt zugunsten des Arbeitnehmers gelöst: Bei einer späteren Erhöhung der Zusage braucht der Arbeitnehmer die Unverfallbarkeitsfristen nicht von neuem zurückzulegen. Im Falle eines Arbeitsplatzwechsels errechnet sich eine unverfallbare Versorgungsanwartschaft aus der erhöhten Zusage. Deshalb muß es der Arbeitgeber hinnehmen, daß der Arbeitnehmer, dem gerade (etwa aus Anlaß eines Betriebsjubiläums) eine wesentliche Aufstockung der Versorgung versprochen worden ist, bei einem anschließenden Verlassen des Betriebes die erhöhte Anwartschaft mitnimmt (vgl. Höhne, aaO, Anm. 215; Höfer, aaO, Anm. 55 bis 57).
4. Der Streitfall unterscheidet sich von der eben erörterten Rechtslage dadurch, daß der Arbeitgeber nicht die ursprünglich abgeschlossene Direktversicherung erhöht, sondern dem Arbeitnehmer im Verlaufe des Arbeitsverhältnisses in unregelmäßigen Abständen weitere Direktversicherungen verschafft hat: teilweise durch Übertragung von Versicherungen ausgeschiedener Mitarbeiter, teilweise durch Erhöhung eines bereits bestehenden Vertrages. Dieser Sachverhalt wirft die Frage auf, ob spätere, zusätzliche Versorgungsversprechen des Arbeitgebers innerhalb des Durchführungsweges der Direktversicherung auch dann eine Änderung der Versorgungszusage im Sinne des Gesetzes darstellen, wenn sie zwar nicht die Erhöhung des ursprünglichen Versicherungsvertrages zum Inhalt haben, aber im wirtschaftlichen Endergebnis zu einer Erhöhung der Versorgung führen. Diese Frage muß bejaht werden. Das ergibt sich aus dem Sinn und Zweck des vom Gesetz geschaffenen Anwartschaftsschutzes.
a) Wirtschaftlich ist die Situation für beide Parteien des Arbeitsvertrages die gleiche wie bei einer Erhöhung der Erstzusage. Die Summe der einzelnen Versorgungsversprechen macht die Höhe der Gesamtversorgung aus, die der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer gewähren will. Der Interessenkonflikt im Falle der Beendigung des Arbeitsverhältnisses vor Eintritt des Versorgungsfalles stellt sich daher für die Beteiligten in gleicher Weise dar wie bei einer Aufstockung der ursprünglichen Zusage: Der Arbeitgeber ist daran interessiert, das Arbeitsverhältnis wenigstens bis zum Ablauf der Dreijahresfrist der zweiten Alternative des § 1 Abs. 1 Satz 1 BetrAVG fortzusetzen, weil aus seiner Sicht nur dann die bei der Gewährung einer neuen Lebensversicherung erwartete Betriebstreue des Arbeitnehmers zu Recht honoriert wird. Der Arbeitnehmer hat dagegen ein Interesse daran, bei Erfüllung der Voraussetzungen einer der beiden Bestandsalternativen sogleich die Anwartschaft auf die volle Höhe der Versorgung zu besitzen, also nicht für weitere Fristen gebunden, sondern für einen Arbeitsplatzwechsel frei zu sein. Wollte man vom Arbeitnehmer verlangen, für jede spätere Erhöhung, vorliegend also für jede neue Direktversicherung, die Unverfallbarkeitsfrist jeweils neu zurückzulegen, könnte das für ihn zur Folge haben, daß er das Arbeitsverhältnis unter Umständen bis zum Eintritt des Versorgungsfalles aufrechterhalten müßte, sogar mit dem Risiko, die Dreijahresfrist für die letzten Direktversicherungen bis dahin nicht mehr durchlaufen zu können. Dieses Ergebnis wäre mit Sinn und Zweck der gesetzlichen Regelung nicht in Einklang zu bringen, die den Arbeitnehmer auch für spätere Verbesserungen vor dem Anwartschaftsverlust schützen will, wenn er die Frist einer der beiden Alternativen des § 1 Abs. 1 Satz 1 BetrAVG einmal zurückgelegt hat.
b) Dieses Ergebnis wäre auch mit der Systematik des Versorgungsrechts nicht vereinbar. Der vorliegenden Fallgestaltung liegen die durch die Versorgungszusage in Verbindung mit Direktversicherungen begründeten dreiseitigen Rechtsbeziehungen zwischen Arbeitgeber, Arbeitnehmer und Versicherung zugrunde: das arbeitsrechtliche Grundverhältnis zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer (Valutaverhältnis), das versicherungsrechtliche Deckungsverhältnis zwischen Arbeitgeber und Versicherung sowie das Leistungsverhältnis zwischen Versicherung und Arbeitnehmer. Verspricht der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer Altersversorgung durch Direktversicherungsleistungen, so gilt als Zeitpunkt der Erteilung der Versorgungszusage der Versicherungsbeginn (§ 1 Abs. 2 letzter Satz BetrAVG). Mit diesem Zeitpunkt beginnen die Unverfallbarkeitsfristen für die Anwartschaft nach § 1 Abs. 1 BetrAVG zu laufen. Kommt es später zu neuen Versicherungsabschlüssen zugunsten des Arbeitnehmers oder zu Übertragungen frei gewordener Versicherungen auf ihn, verändern sich zwar das Deckungsverhältnis zwischen Arbeitgeber und Versicherung sowie entsprechend auch das Leistungsverhältnis zwischen Versicherung und Arbeitnehmer, aber im arbeitsrechtlichen Grundverhältnis zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer stellen sich diese Veränderungen nur als Erhöhungen der bereits zugestandenen Versorgung in Versicherungsform dar. Wenn nur wegen der versicherungsrechtlichen Durchführung im Valutaverhältnis nicht von einer Änderung, sondern von einer Neuzusage ausgegangen würde, ergäbe sich ein Widerspruch zu dem gesetzlichen Prinzip der Einheit der Versorgungszusage (§ 1 Abs. 1 Satz 2 BetrAVG).
c) Hinzukommt, daß die Gefahr einer Umgehung des Anwartschaftsschutzes bestünde, wenn spätere Versicherungsabschlüsse oder -Übertragungen durch Parteiabsprache oder durch entsprechende Erklärung des Arbeitgebers als Neuzusage bestimmt werden könnten mit der Folge, daß die Unverfallbarkeit dann erst drei Jahre nach der Erhöhung eintreten könnte (vgl. den zutreffenden Hinweis von Abt, DB 1980, 1054 [1055]).
d) Nach alledem muß der Interessenkonflikt der Beteiligten bei einer Altersversorgung durch zeitlich nacheinander geschlossene Direktversicherungen in gleicher Weise gelöst werden wie bei einer Erhöhung der ursprünglich zugesagten Versorgung. Auch hier gilt das Prinzip der Einheit der Versorgungszusage. Spätere Versicherungsabschlüsse sind eine Änderung der Versorgungszusage im Sinne des § 1 Abs. 1 Satz 2 BetrAVG und können daher den Fristablauf nicht unterbrechen (so ebenfalls Höhne, aaO, Anm. 348, 349; Höfer, aaO, Anm. 58 Nr. 3, Anm. 61; Fenge, BB 1975, 1492; Kemper, aaO, S. 73; Kessel, BetrAV 1975, S. 97; Abt, aaO, 1054 [1055]).
Aus dem bisher Gesagten folgt weiter, daß es keiner Vereinbarung zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer bedarf, um einen besonderen Bezug zwischen späterer und ursprünglicher Direktversicherung herzustellen. Eine solche Vereinbarung wäre sogar, wenn sie den Fristablauf neu in Gang setzen wollte, nach § 17 Abs. 3 Satz 3 BetrAVG in Verbindung vom § 134 BGB nichtig, weil sie zu Lasten des Arbeitnehmers von der Bestimmung des § 1 Abs. 1 BetrAVG abwiche.
5. Damit erweist sich das Feststellungsbegehren des Klägers dem Grunde nach als gerechtfertigt. Sein Anspruch besteht allerdings nicht in der vollen, von ihm geltend gemachten Höhe.
Unstreitig beläuft sich die Gesamtsumme der Versicherungsbeträge auf 90.521,– DM. Der Beklagte hat den Ratierlichkeitsfaktor in seinem Auskunftsschreiben vom 23. Juni 1978 mit 75,8 v.H. berechnet und daran festgehalten. Demgegenüber beruht die Berechnung des Klaganspruchs auf dem vom Kläger eingeholten Gutachten vom 14. September 1978, das von unterschiedlichen Ratierlichkeitsfaktoren zwischen 75,80 und 80,80 v.H. ausgeht und auf diese Weise statt der vom Beklagten ermittelten Versorgungssumme von 41.925,– DM eine solche von 42.218,44 DM errechnet. Das Arbeitsgericht ist von der Berechnungsweise des Beklagten ausgegangen. Das Landesarbeitsgericht hat sie als unstreitig angesehen. Da auch die Revision die Frage der Berechnungsweise nicht mehr aufgegriffen hat, mußte der Senat ebenfalls von einem Ratierlichkeitsfaktor von 75,80 v.H. ausgehen (§ 561 Abs. 2 ZPO). Danach ergibt sich ein Gesamtanspruch des Klägers von 68.614,92 DM. Da der Beklagte einen Anspruch in Höhe von 41.925,00 DM anerkannt hat, war dem Kläger ein darüber hinausgehender Anspruch von 26.689,92 DM zuzubilligen.
III. Dem Anspruch des Klägers auf Erstattung der Kosten für das von ihm unter dem 14. September 1978 eingeholte Gutachten hat der Senat hier als zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung notwendig und damit als begründet angesehen. Die Rechtslage war für den Kläger zur damaligen Zeit außerordentlich schwer zu durchschauen. Auch von einem Anwalt konnte der Kläger wegen des Fehlens einschlägiger Rechtsprechung noch keine sichere Rechtsauskunft erwarten.
Unterschriften
Dr. Dieterich, Dr. Gehring, Schneider, Schnabel, Heimann
Fundstellen
Haufe-Index 1493714 |
BAGE, 71 |
NJW 1982, 463 |